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Viertes Stück. Pinocchio und Lispel-Heimchen

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Geppetto wurde unschuldig ins Gefängnis geführt, Pinocchio, der Schlingel, war frei.

Hättet ihr ihn sehen können, wie er davonlief! Er wollte keinen einzigen Menschen mehr sehen, sprang zur Stadt hinaus in die Felder, setzte über hohe Dornhecken und dichte Brombeerstücke, er machte Sprünge über Löcher und Wassergräben wie ein flinkes Reh und irrte ziellos umher wie ein gehetzter Hase.

Endlich kam er nach Hause. Die Türe stand noch offen. Er trat ein und schlug sie hinter sich zu. Dann setzte er sich mitten in der Stube auf den Boden, holte tief Atem und stieß die Luft wieder aus mit einem langen, zufriedenen: Aaah!

Leider dauerte seine Behaglichkeit nicht lange. Es gab ein Geräusch im Zimmer, ein Zirpsen: Kri-kri-kri! – Pinocchio schaute überall herum und fragte furchtsam:

»Was soll das heißen? – Wer ist denn hier?«

»Ich!« lispelte ein zartes Stimmchen. Pinocchio drehte sich um und sah eine schwarze Grille langsam die Wand hinaufklettern.

»Wer bist du?«

»Ich bin das Lispel-Heimchen und wohne seit hundert Jahren in diesem Zimmer.«

»Das aber von heute an mir gehört«, ergänzte Pinocchio grob diese Worte. – »Bitte, mache dich aus dem Staube und laß es dir nicht zweimal sagen.«

»Wenn es sein muß, kann ich gehen. – Darf ich dir vor dem Abschied noch eine gute Lehre geben?«

»Meinetwegen! – aber kurz!«

»Schlecht geht es allen Kindern, die nicht auf ihre Eltern hören und eigenmächtig aus dem Hause laufen. Sie rennen ins Unglück und müssen einmal ihren Ungehorsam bereuen.«

»Predige nur, du Grillenkopf, und quiekse, solange es dir beliebt. Trotzdem gehe ich morgen früh schon wieder fort. Dann kannst du hier wieder einziehen. Mir gefällt es nicht. Wenn ich bleibe, so schickt man mich morgen zur Schule, und – gern oder ungern – müßte ich etwas lernen. Aber, offen gestanden, dazu habe ich gerade am wenigsten Lust. Schmetterlinge jagen und Vogelnester ausheben ist viel schöner!«

»O du Gescheitele! Weißt du, wieweit man es damit bringt? – Du wirst bald ein großer Esel sein und alle lachen dich aus!«

»Hältst du gleich den Schnabel, du schwarze Unglücksgrille«, schimpfte Pinocchio.

Aber Lispel-Heimchen bewahrte sein kaltes Blut und seine ernste Ruhe; es nahm dem Schlingel die Unart nicht übel und fuhr in ernstem Tone fort:

»Wenn es dir nicht paßt, in die Schule zu gehen, so lerne ein Handwerk; dann kannst du dir doch das Brot verdienen!«

Dem Pinocchio ging jetzt die Geduld aus und er sagte spitz:

»Weißt du, Piepser, welches Handwerk mir am besten gefällt?«

»Nein!«

»Also paß auf! – Gut essen und trinken, schlafen und spielen und den lieben langen Tag auf der Straße herumstreichen, das ist das schönste Handwerk!«

»Mag sein, aber merke dir wohl: alle, die es treiben, endigen einmal im Krankenhaus oder im Zuchthaus.« So sagte mit kalter Seelenruhe Lispel-Heimchen.

»Nimm dich in acht, Grillenköter, mit deiner bösen Zunge! Wenn mir die Galle steigt! ... Nimm dich zusammen! ...«

»Armer Pinocchio, du tust mir wirklich leid!«

»Warum soll ich dir leid tun?«

»Du bist halt ein Hampelmann und hast einen Holzkopf.«

Jetzt schnellte Pinocchio wütend vom Boden auf, riß einen Holzhammer von der Schnitzelbank und schleuderte ihn gegen das Lispel-Heimchen.

Vielleicht wollte er daneben zielen; aber der Hammer flog dem Tierchen gerade auf den Kopf. – Lispel-Heimchen zirpte eben noch: kri-kri-kri, dann ging ihm der letzte Atem aus, und es blieb wie eine getatschte Fliege an der Wand hängen.

Pinocchio

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