Читать книгу Lillys kleine Backstube - Carmen Sommer - Страница 6

Paul zog weiter

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Und so kam es. Einen Monat hielt es Paul noch aus, dann packte er heimlich seine Sachen und verschwand, ohne sich von Lilly zu verabschieden. Als Lilly in ihre Wohnung kam, um nach Paul zu suchen, bemerkte sie, dass all seine Sachen fehlten. Weinend ließ sie

sich auf ihr Bett fallen. Sie hatte es geahnt, aber es tat weh, sehr weh sogar. In diesem Bett hatte sie die schönste Zeit ihres Lebens verbracht. Nie wieder würde er die Kunden zum Lachen bringen. Und nie wieder würde er ihr Komplimente machen, sie überraschen und verwöhnen.

Und nie wieder würde sie aus seinem Mund seine Liebeserklärung hören. Warum tat er ihr das an. Er wusste doch, dass sie ihn über alles liebte. Noch nicht einmal verabschiedet hatte er sich von ihr. Lilly weinte noch ein paar Stunden. Sie war unglücklich. Warum konnte sie Paul nicht halten. Also hatte er bei ihr doch nicht das gefunden, was er suchte.

Die nächsten zwei Tage konnte sie das Cafe nicht öffnen. Sie brachte es nicht fertig, Kunden zu bedienen und dabei ein freundliches Gesicht zu machen.

Es klingelte an ihrer Tür. Lilly öffnete. Es war Martha.

„Bist du krank, Lilly? Was ist los? Wir machen uns alle Sorgen. Du siehst nicht gut aus.“

„Martha. Nein, es ist alles in Ordnung. Morgen werde ich wieder öffnen.“

„Nichts ist in Ordnung. Das sieht doch jeder. Wo ist dieser Paul?“, wollte sie wissen.

„Weg. Er ist weitergezogen.“

Lilly begann wieder zu weinen.

„Hab ich es mir doch gedacht. Du liebst diesen Paul. Das habe ich gleich gesehen.“

Lilly fiel Martha um den Hals und all ihr Schmerz entlud sich. Martha hielt sie fest. Sie standen lange so da. Martha sagte nichts, sie ließ sie weinen.

Martha war alleinstehend. Sie war 38 Jahre alt. Ihr Mann hatte sie vor fünf Jahren verlassen. Wegen einer anderen. Sie wusste also, wie es war, verlassen zu werden. In der Zeit, in der Lilly in diesem Ort lebte, hatten sie sich angefreundet. Martha wusste, dass all die Worte und guten Ratschläge jetzt nichts bringen würden. In diesem Zustand, in dem man sich befand, wollte man nichts hören.

Aber sie wusste auch, dass es irgendwann nicht mehr ganz so weh tat. Lilly brauchte Zeit, um darüber hinwegzukommen.

„Weißt du was, Lilly. Ich werde dir nachmittags aushelfen. Wenn ich von meiner Arbeit komme, werde ich hier bedienen. Wie findest du dass?“

Lilly schaute sie mit verheulten Augen an.

„Schaffst du dass denn?“

„Klar. Ich kann mir meine Arbeit einteilen. Dann könnte ich so gegen 14.30 bei dir sein. Du weißt ja, dass ich selbstständig bin. Ich kann abends noch einiges erledigen. Bist du einverstanden? Warum bin ich nicht schon früher auf die Idee gekommen.“, schüttelte sie den Kopf.

„Das wäre super. Dann müsste ich nur noch ein Aushilfe haben, die mir im Laden hilft. Kennst du vielleicht jemanden?“

„Ich werde mich umhören. Das bekommen wir schon hin.“, lächelte Martha Lilly an.

Am nächsten Morgen stand Lilly auf und erinnerte sich wieder an das gemeinsame Aufwachen, als er sie in seine Arme nahm und küsste. Und an das Frühstück, dass sie glücklich und lachend eingenommen haben. Paul war immer fröhlich, bis die letzten Tage.

Sie trank nur einen Kaffee. Lilly vermisste Paul. Bei jeder Gelegenheit dachte sie an ihn. Als sie in ihrer Backstube war, sah sie nach draußen, aber er war nicht da. Niemand, der ihr zuwinkte, während er die Tische säuberte. Niemand der sie anlächelte, während er die Gäste bediente. Sie war allein. Er hatte sie verlassen. Es schmerzte. Aber sie musste weiterarbeiten. Sie musste Geld verdienen. Sie konnte nicht, wie Paul, einfach weiterziehen und das wollte sie auch nicht.

Am Nachmittag kam Martha, wie versprochen und brachte noch eine Freundin mit.

„Das ist Theresa. Sie würde gerne bei dir arbeiten.“, stellte Martha ihre Freundin vor.

„Hallo Theresa. Ich freue mich.“, begrüßte Lilly sie.

„Hallo Lilly. Ihre Kuchen sind ja wirklich köstlich. Martha hat mir schon oft ein Stück abgegeben. Da konnte ich kosten.“

„Das „Sie“ lassen wir mal weg. Würde es dir denn hier gefallen?“

„Aber sicher. Das ist ein herrliches Cafe. Und da ich sowieso eine Arbeit suche, kommt mir das hier gerade recht.“

„Prima. Dann zeig ich dir alles. Wenn du willst kannst du heute für eine Stunde hier bleiben.“

„Ja, gerne. Wann muss ich morgen da sein?“

„Morgens gegen 10.00. Da öffne ich immer erst. Und wenn es möglich wäre, so bis 14.00 Uhr? Geht dass bei dir?“

„Das ist ideal. Dann kann ich morgens in Ruhe meine Kinder weg bringen und nach der Arbeit wieder abholen. Das macht sich gut.“

„Dann wäre das ja geklärt und mit der Bezahlung werden wir uns bestimmt auch einig. Martha, auch über deine Bezahlung müssen wir noch reden.“

„Das eilt nicht.“, meinte diese.

Lilly zeigte Theresa alles und als der erste Kunde kam, bediente Theresa diesen. Natürlich hatte sie Fragen. Aber sie machte es wirklich gut.

„Wie viel Kinder hast du?“

„Drei.“ , sagte sie freudestrahlend.

„Wow. Und das kriegst du alles auf die Reihe?“, staunte Lilly.

„Ja, das läuft gut. Morgens sind sie ja in der Schule und nachmittags bin ich wieder zu Hause. Mein Mann ist eine große Hilfe. Er liebt seine Kinder über alles.“

„Das ist schön. Also eine richtig glückliche Familie.“,schaute Lilly traurig.

„Ja.“

Auch mit Martha hatte sie wirklich Glück. Sie machte ihre Sache als Bedienung wirklich gut, obwohl sie es nicht notwendig hatte. Denn in ihrem Beruf verdiente man nicht schlecht.

So vergingen Wochen.

Mit Martha und Theresa war sie sehr zufrieden.

Lilly spürte, dass etwas mit ihr nicht in Ordnung war. Aber, was war los? An einem freien Tage suchte sie einen Arzt auf, weil ihr ständig übel war.

„Ich kann ihnen eine freudige Mitteilung machen. Sie sind schwanger Frau Forland.“

Der Arzt gratulierte ihr.

„Was? Schwanger? Das ist doch nicht möglich. Wir haben immer

verhütet.“

Lilly war blass geworden.

„Das kann trotzdem mal passieren. Freuen sie sich auf ihr Kind. Sie sind gesund und wie ich bis jetzt sehe, ist alles in bester Ordnung.“

Lilly verließ die Praxis. Schwanger? Sie bekam ein Baby. Eigentlich sollte sie sich freuen, aber im Moment war sie nur geschockt. Sie wollte es auf keinen Fall jemandem sagen. Auch wenn Martha und Theresa sie so merkwürdig anschauten, wenn sie ihnen mitteilte, dass ihr übel ist.

Theresa und Martha hatten sich gut eingearbeitet. Der Sommer neigte sich dem Ende zu. Bald konnte man die Tische und Stühle von der Terrasse nehmen. Denn es war manchmal schon zu kühl, um noch draußen Kaffee und Kuchen zu servieren.

Endlich hatte sich Lilly dazu entschlossen Theresa und Martha die Wahrheit zu sagen. So lange konnte sie es ja auch nicht mehr verbergen.

Theresa und Martha hatten schon den Verdacht, wollten sie aber nicht darauf ansprechen. Jetzt freuten sie sich mit Lilly, die ihr Ungeborenes immer mehr liebte. Am Anfang hatte sie Angst, wie sie alles bewältigen sollte. Das Cafe, das Backen der Kuchen und dann noch ein Baby. Aber mittlerweile war sie glücklich darüber und konnte es kaum erwarten, ihr Kind in den Armen zu halten. Therese und Martha wollten sie bei allem unterstützen. Sie war nicht allein.

Lilly, Theresa und Martha verstanden sich gut. Theresa lud Lilly auch öfter mal zum Abendessen ein. Martha war natürlich auch dabei.

Auch Martha unternahm jetzt mehr mit Lilly. Inzwischen hatte Lilly auch noch eine junge Frau kennengelernt, die eine kleine Bücherei eröffnete. Sie war in ihrem Alter und ihr Freund zwei Jahre älter. Er arbeitete als Architekt. Auch mit ihm verstand sich Lilly gut. So trafen sie sich abends so oft es ging. Lilly hatte Saskia und Alexander die Geschichte mit Paul, bei einem Abendessen, erzählt. Sie wollten wissen, was mit dem Vater ihres Kindes ist. Lilly war froh über die Gesellschaft, so kam sie schneller über Paul hinweg, den sie immer noch schmerzlich vermisste. Zumal sie sein Kind unter dem Herzen trug. Aber sie hatte keine Hoffnung mehr, dass er zurückkam.

Es war schon zu viel Zeit vergangen.

Und es verging noch mehr Zeit. Monate waren verstrichen.

Langsam kam Lilly über Paul hinweg.

Trotzdem dachte sie manchmal an Paul und daran, was er jetzt wohl machte, wo er gerade war und ob er sich in eine andere Frau verliebt hatte. Ob er ihr das gleiche sagte, wie ihr. Was er wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass er Vater wird. Sie durfte nicht darüber nachdenken. Und sie wollte es auch nicht mehr. Das Kapitel war endgültig abgeschlossen.

Die Geburt stand bevor und alle waren aufgeregt. Auch Saskia und Alexander. Sie waren richtig gute Freunden geworden. Selbst Alexander half wo er konnte.

Lilly stand in der Backstube bis zur letzten Minute. Plötzlich bekam sie Wehen. Zum Glück hatte sie die Torte vorher schon in die Kühlung gestellt, sonst hätte sie diese gerade fallen lassen.

Martha hörte, den kurzen Schrei und eilte in die Backstube.

„Martha. Es ist soweit. Es geht los.“

„Ok. Ich fahr dich sofort in die Klinik. Ich schließe noch ab. Der letzte Gast ist schon gegangen. Wo hast du deine Tasche?“

„In meinem Schlafzimmer.“

„Ich werde sie holen und dann fahren wir los. Von unterwegs werde ich den anderen Bescheid geben.“

Martha fuhr so schnell sie konnte. Bald darauf kamen auch Theresa, Saskia und Alexander und liefen im Flur hin und her. Stunden vergingen. Endlich kam die Schwester zu ihnen.

„Es ist alles gut gelaufen. Es ist ein Junge. Wer ist der Vater? Ich möchte ihm gratulieren.“, lachte die Schwester.

„Er ist verhindert.“, sagte Martha knapp.

Aber die Schwester verstand sofort.

„Können wir zu ihr? Wir sind ihre Freunde.“, wollte Saskia wissen.

„In ein paar Minuten. Noch ein klein wenig Geduld. Ich sag nochmal Bescheid, auf welches Zimmer sie kommt.“

„Ein Junge. Hat sie eigentlich schon einen Namen? Sie hat nie was erwähnt.“, überlegte Alexander.

„Ich denke schon. Sie wollte ihn vielleicht nicht preisgeben.“, schüttelte Theresa den Kopf.

Es dauerte doch länger, als angenommen. Aber endlich durften sie kurz zu Lilly ins Zimmer.

„Hallo meine Süße. Wie geht es dir?“, begrüßte sie Martha als erste.

„Oh, was für ein niedliches Kerlchen.“

„Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Und dem Kleinen auch.“,lächelte sie ihren Sohn an.

Auch die anderen schauten sich den Kleinen ganz genau an.

„Ist er nicht niedlich, Alexander?“

„Doch. Aber so winzig. Ich hätte Angst ihn anzufassen.“, schaute er Saskia an.

„Meine Kinder werden begeistert sein, wenn sie ihn zum ersten mal sehen. Er ist wirklich ein süßer Fratz. Aber sag, Lilly, wie heißt er denn eigentlich?“

Theresa war neugierig und wollte endlich den Namen wissen.

„Er heißt Liam.“

Dabei streichelte sie ihm sanft über das kleine Gesicht.

„Wir werden euch jetzt wieder allein lassen. Morgen sehen wir uns wieder. Und keine Panik. Das mit dem Cafe läuft. Kümmere dich jetzt nur um den kleinen Liam.“

Martha küsste sie auf die Wange. Die anderen winkten ihr zu und verließen dann das Zimmer.

Lilly konnte den Blick nicht von dem Kleinen wenden. Er war wunderschön.

Lillys kleine Backstube

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