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Albina

das Blumenmädchen

von

Constanze Reinhold.

„Lieber Herr! wollen Sie nicht Blumen kaufen?“ rief eine süße Kinderstimme dem Secretair Langenheim nach, welcher mit einem Bund Acten unter dem Arm schnellen Schritts über den Markt eilte, um auf das Rathhaus zu gehen. Unwillig über den Aufenthalt, da ihn schon zu Hause der Schlag der Stunde, die ihn zur Session rief, überrascht hatte, blickte er um, und gewahrte ein liebliches Mädchen von ungefähr 9 Jahren mit einem Körbchen zierlich geordneter Blumen, welche sie ihm wiederholt mit so anmuthiger Freundlichkeit anbot, daß auch Langenheim sie freundlich anhören mußte. Er suchte Nelken, Granaten und jelänger jelieber zu einem sinnigen Strauß für sein junges Weibchen zusammen; indem schlug die Uhr wieder. Er wirft hastig dem Mädchen die Blumen wieder in den Korb, und bestellt sie nach dem Mittagessen in seine Wohnung, die er ihr genau bezeichnet. Halb ausser Athem kommt er in’s Session-Zimmer und der Direktor läßt ihn über sein längeres Aussenbleiben so heftig an, daß er — aus Aerger, bleich bis in die Lippen — nicht im Stand ist, seinen Verdruß zu unterdrücken.

Der Direktor des Stadtgerichts zu E* war Langenheims erklärter Feind, die Secretairstelle hatte dieser seinem Kammerdiener Haßlieb gewünscht und zugesagt; aber Langenheim erhielt sie durch Stimmenmehrheit, welche ein würdiges Mitglied des Raths, der den jungen Mann schätzte und begünstigte, für ihn geworben hatte. Dies trug ihm Hainau (so hieß der Direktor) immer nach und er und sein ränkevoller Diener warteten sehnsüchtig auf eine Gelegenheit, Langenheim ihre ganze Rache ungestraft fühlen zu lassen; jedoch seine Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue, sein unbescholtenes Betragen, vereitelten alle deshalb geschmiedeten Plane. Welche bösartige Freude empfand daher Hainau, als er dem Secretair, wegen seines Verspätens recht empfindlich seine Uebermacht fühlen lassen konnte. Er überschritt dabei so sehr alle Gränzen und wurde so beleidigend, daß Langenheim gereitzt, auch etwas heftig sich zu verantworten suchte. Dies war ein großes Vergehen in den Augen des stolzen Direktors; welcher verlangte, daß der Untergeordnete sich, wenn man wolle, mishandeln müsse lassen, ohne zu wiedersprechen. Der Vorgang erregte endlich Spaltungen unter den Gliedern des Raths. Der eine Theil war auf des Direktors Seite, der andere und größere aber, auf der des Assessor Freibergs, welcher Langenheims Gönner war und sich auch diesmal seiner lebhaft annahm. Es entsteht eine allgemeine Bewegung und die Sitzung wird aufgehoben.

Voll trüber Ahnungen kam der Secretair nach Haus und theilte seiner Gattin den Vorgang mit. Therese, welcher das Glück zufällige Reichthümer versagt hatte, besaß dagegen einen weit größern Schatz in Geist und Herzen, und eine unendliche Fülle der Liebe für ihren Albert. Auch jetzt verstand sie es, den Betrübten aufzurichten und das, in ihrem Herzen herrschende Vertrauen auf die Vorsehung, recht lebendig in dem Seinigen zu erwecken; und das einfache Mittagsmahl wurde darauf mit so viel Ruhe und Zufriedenheit verzehrt, als wäre nichts unangenehmes vorgefallen. Nach Tisch kam das holde Kind mit den Blumen. Ihr bescheidener Anstand, ihr kindliches zutrauliches Wesen, so wie die regelmäßigen Züge ihres freundlichen Gesichtchen bezauberten die Gattin. Albina (so hieß das Mädchen) wurde von ihnen mit Liebkosungen überhäuft und für den gewählten Strauß reichlich beschenkt. Sie sollte erzählen: allein sie wußte nichts zu sagen: als daß sie ein Findling und das Pflegkind braver aber unbemittelter Leute sey, welche, aus Frankreich emigrirt, den Garten einer vornehmen, jedoch sehr kargen Herrschaft besorgten. „Noch sechs eigene Kinder und ich machen dem guten Vater Paul viel zu schaffen, und es ist recht traurig, daß ich ihm auch zur Last fallen muß“ setzte das Mädchen am Schluße hinzu und dabei füllten sich ihre sanften blauen Augen mit Thränen und der niedliche Mund verzog sich zum schmerzlichen Weinen — Therese fühlte sich bei dieser Erzählung tief bewegt: denn sie wußte aus Erfahrung was es hieße: arm zu seyn. Mit ihrer Händearbeit hatte sie sich als elternlose Waise mehrere Jahre auch sehr kümmerlich ernährt, bis ihr günstiges Geschick sie in den Dienst einer trefflichen Dame brachte, welche sich auf eines ihrer Güter zurückgezogen hatte, um daselbst den frühen Tod eines heißgeliebten Gattens zu betrauern und hier in ländlicher Stille sorgte sie für die Ausbildung der natürlich guten Anlagen Theresens (welche sie wie eine Tochter liebgewann und mütterliche Zärtlichkeit ihr schenkte) mit der größten Treue. Langenheim, der mit Theresen verwandt, in Familien-Angelegenheiten sie zu sprechen genöthiget war, suchte sein Bäschen auf; er fand in ihr ein so vorzügliches Wesen, daß er sich mit dem festen Entschluß von ihr trennte: ein Amt zu suchen, das ein Paar Menschen, welche ihr Glück nicht in zeitlichen Ueberfluß setzen, ernähren würde und dann Theresen als Weib heim zu holen. Dies geschah als er die Secretairstelle erhielt; denn auch bei ihr hatte der gebildete innige Mann einen bleibenden Eindruck gemacht und sie folgte ihm gerne. Ihre gütige Gebietherin stattete sie reichlich aus und durch weise Sparsamkeit und Fleiß war es ihnen bei der ziemlich unbedeutenden Einnahme des Mannes doch möglich: recht ordentlich auszukommen, ja noch Etwas übrig zu behalten.

Der Nachmittag jenes verhängnisvollen Morgen war einladend schön, Therese bemerkte wieder einige leichte Wolken auf ihres Gatten Stirne; freundlich trat sie daher zu ihm an den Schreibtisch und sagte: „wie wäre es mein Albert, wenn wir ein Bischen ins Freie giengen? In Gottes herrlicher Natur vergißt man leichter die für uns schmerzlichen Folgen der Verirrungen seiner Menschen, als in den engen Mauern!“ Langenheim zog die treu besorgte Gattin an sein Herz und dankte ihr mit einem innigen Kuße; packte dann seine Schreibereien zusammen und wandelte mit ihr zur Stadt hinaus. Unterwegs kam das Gespräch wieder auf Albinen und es wurde beschloßen, den Garten aufzusuchen, wo sie sich aufhielt, um auch ihre Pflegeltern kennen zu lernen. Albinens Freude war unbeschreiblich als sie hinkamen und geschäftigt reinigte sie mit ihrer Schürze den besten Stuhl im kleinen Stübchen, um ihn Theresen zum Sitz anzubiethen. Doch sie und ihr Gatte zogen vor, in dem schön angelegten großen Garten zu gehen. Hier erfuhren sie nun in der Unterhaltung mit den wackern Gärtnersleuten: daß Albina als ein Kind in Windeln vor die Gartenthür in einen Korb gesetzt worden sey. „Als meine Dorothea, erzählte der Mann, sie am Morgen entdeckte, machte sie den Besitzern des Gartens die Anzeige davon: allein diese schickten sie höchst aufgebracht mit dem Kinde wieder fort. Mir war es unmöglich, das arme Würmchen weinen zu hören und mich seiner nicht anzunehmen; ich ließ ihr die h. Taufweihe und den Namen Albina geben und zählte sie in Gottesnamen zu meinen Kindern, mit denen ich trotz meines ärmlichen Einkommens noch nicht erhungert bin.“ „Gott segnet jede gute That braver Mann!“ sagte Langenheim gerührt, „aber, ist denn Albina des christlichen Werks, das an ihr geübt wurde werth?“ setzte er fragend hinzu (diese war mit seiner Gattin und mit Dorothea in eine Seitenallee gegangen, um Theresen einen herrlichen Nelkenflor zu zeigen) da glänzten des Mannes Augen vor Freude und er rief aus: „Lieber Herr! mein Lebtage hab ich kein Kind gesehen, das ihr gleichkommt! so fleißig, so einsichtsvoll, so engelgut! — weil sie sieht, wie wir uns absorgen, getraut sie sich kaum satt zu essen, immer müssen wir ihr zureden. Dabei strengt sie unermüdet ihr bischen Kraft vom frühen Morgen bis an den Abend an, um uns in allem beizustehen, uns alles zu erleichtern. Sehen Sie, vorhin kam sie beinahe athemlos gelaufen und mit einem Gesicht, das die Freude glühroth gefärbt hatte, zählte sie der Mutter und mir das Geld vor, womit sie von Ihnen beschenkt wurde; dann gieng sie in ein Winkelchen der Stube, faltete die Hände und betete stille. Gewiß hat sie für Sie gebetet. Ja, ja, sie ist ein liebes Kind! Gott sey mit ihr!“ so endigte Paul und große Thränen träufelten ihm über die braune Wange. Als Langenheim auf dem Rückweg der Gattin das Gespräch mit dem Gärtner mittheilte, sagte diese: „ach, was könnte aus diesem Mädchen bei einer sorgfältigen Erziehung werden! wie glücklich würde ich mich dünken, wenn ich Mutterstelle bei ihr vertreten könnte! doch will ich wenigstens thun was ich vermag mit deiner Beistimmung lieber Albert, Albinen zuweilen zu mir kommen lassen und sie in weiblichen Arbeiten unterrichten.“ Langenheim willigte gerne ein und Albina konnte immer die bestimmten Tage kaum erwarten, an welchen sie einige Stunden Theresens gründlichen und liebevollen Unterricht genießen durfte.

Der Direktor Hainau welcher bei der Regierung viel Gewicht hatte, bewirkte durch eine schwarze, durchaus unwahr entworfene Darstellung, in welcher Langenheim als träg, unbrauchbar und anmaßend geschildert wurde, wirklich dessen Amtsentsetzung. Sie kam nach 14 Tagen und beugte jenen tief. Therese mußte ihre ganze Seelenstärke aufbieten, um theils sich selbst zu trösten, theils ihren Gatten vor gänzlicher Muthlosigkeit zu sichern. Nächte vergiengen schlaflos, langsam und düster schlichen die Tage vorüber und Langenheim konnte zu keinem Entschluß kommen. Endlich gab er Theresens Bitten nach, besiegte die ihm eigene Aengstlichkeit und gieng zu seinem Gönner, dem Assessor Freiberg. Mit herzlicher Theilnahme versicherte ihn dieser, daß, sobald er von seinem traurigen Schicksal gehört habe, er sogleich einem bedeutenden Freund an dem Sch*schen Hof geschrieben, denselben Langenheim geschildert und ihn gebetten habe, bei der ersten Dienststelle die sich eröffnen und die er für jenen passend finden würde, sich seiner zu erinnern. — Die Fürsorge dieses würdigen Mannes, hatte den günstigsten Erfolg.

Die schleunige Rückantwort des Finanzrath Volkmar’s (dies war Freibergs Freund) enthielt den Ruf an Langenheim zur eben vacanten Secretairs-Stelle in jenem Fache, und die Aufforderung sich unverzüglich an den Ort seiner Bestimmung zu begeben. Der Assessor eilte mit dieser frohen Botschaft ungesäumt zu seinem Günstling und fand sich für seine schöne That reich belohnt in dem wiederhergestellten Glück der gerührten Gatten, welche keine Worte finden konnten, ihre Gefühle auszudrücken.

Albina war gerade zugegen, als Freiberg den Brief vorlas; ihr entfiel das Strickzeug als sie von Langenheims baldiger Abreise hörte; endlich entfernte sie sich. Als nun der gütige Freund weggegangen und die ersten Ergießungen der Herzen zwischen den Ehegatten vorüber waren, vermißte man Albina. Therese fand sie im kleinen Hofraum, den sie händeringend durchschritt und dabei laut weinte. „Was hast du denn Kind?“ frug jene. „Ach ich kann es nicht ertragen, wenn ich Sie nicht mehr sehen soll; antwortete schluchzend das Mädchen, gewiß ich bin recht, recht unglücklich!“ „Sey ruhig Kleine, es wird sich geben!“ sagte Therese beschwichtigend und führte sie ins Zimmer zurück, nahm ihren Gatten beiseite und das Resultat ihres kurzen Gesprächs war — Albinen mitzunehmen. Bei der größern Einnahme, zu welcher sie die Aussicht hatten, schien es ihnen ausführbar sich um Albinen auf diese Weise verdient machen zu können. Des Mädchens Entzücken, als ihr dies kund gethan wurde, überstieg alle Beschreibung; sie jubelte laut, fiel einmal Theresen, dann wieder ihren Gatten um den Hals und gelobte eine recht gute Tochter zu werden.

Rührend war Langenheims Abschied von seinem für ihn so treubesorgten Freund; noch rührender Albinens Trennung von Vater Paul und Mutter Dorothea. So sehr beide mit freudiger Theilnahme einsahen, daß jener ein weit glücklicheres Loos zu Theil werden würde, als sie je bei ihnen hoffen konnte, so sehr sie mit Dank erkennen mußten, eine Kostgängerin weniger zu haben: so war ihnen doch das liebe Pflegkind so theuer, daß der Abschied sie recht tief betrübte. Auch Albina war sehr bewegt und konnte nicht aufhören den guten Eltern für alle Wohlthaten zu danken. „Ihr habt mir das Leben gerettet“ sagte sie, „ihr habt mich christlich erzogen, und was ich bin, ist Euer Werk!“ so war es auch. Die Leute waren von keiner gemeinen Herkunft und so genoßen ihre Kinder, mit ihnen auch Albina, eine bessere Erziehung, als bei andern ihres Gleichen gewöhnlich der Fall ist. Letzteres hatte mit den größern Geschwistern vom Vater Paul in den langen Winterabenden und an Sonntägen fertig lesen, schreiben auch rechnen gelernt und war durch Lehre und Beispiel der wackern Pflegeltern in allem Guten bestärkt worden, wozu sie die natürliche Anlage schon hatte.

Langenheims Aufenthalt in der Residenzstadt D* war äußerst angenehm und vortheilhaft. Die gewissenhafte Pflichttreue, der redliche Charakter und das untadelhafte Betragen des Mannes, so wie die bescheidene Sitte, das ungeheuchelte Wohlwollen und die äußere Anmuth Theresens wurde anerkannt und sie deswegen geschätzt und vorgezogen. Nicht lange, so erhielt Langenheim einen höhern Posten und noch waren nicht ganz 4 Jahre verfloßen, als er mit einer ansehnlichen Besoldung in die Stelle eines abgehenden Finanzraths einrückte. Wohl macht man zuweilen die Erfahrung, daß verbesserte Glücks-Umstände, vermehrter Reichthum und erhöhter Rang einen nachtheiligen Einfluß auf den menschlichen Charakter äussern: doch ist dieß nur da der Fall, wo man die Urquelle alles Guten auf der Welt leichtsinnig vergeßen kann und wo ein falscher Wahn herrscht, der jenen vergänglichen Dingen einen Werth beilegt, welchen sie durchaus nicht haben und den sie erst durch die Anwendung erhalten. Bei Langenheims war es anders: sie blieben nicht nur die guten unverdorbenen Menschen, die sie waren, sondern sie strebten vielmehr unabläßig nach einer immer höheren Stufe der Verfeinerung und Vervollkommnung. Ohne sich zuzudrängen nahmen sie die Aeußerungen wahrer Achtung dankbar und aufrichtig erwiedernd an, waren gleich weit von lächerlichem Hochmuth und niedriger Kriecherei entfernt und benahmen sich so wohl gegen Vornehmere würdevoll, als gegen Geringere freundlich. In ihrem Hause fand jeder, der für das Schöne und Anständige Sinn hatte, vollkommne Befriedigung, jeder Besuchende herzliche Aufnahme, jeder Unglückliche Theilnahme und Trost und — was die Hauptsache war — ein frommer Sinn heiligte dies alles, theilte sich allem mit, was mit Langenheims in Berührung kam und zeigte sich auch in der, ohne ängstliche Scheu pünctlichen Ausübung äusserlicher gottesdienstlicher Handlungen. In solchen Umgebungen und unter einer solchen Leitung wurde Albinens Geist und Herz auf die vorzüglichste Weise ausgebildet. Langenheim ließ sie von den besten Lehrern in allen Wissenschaften und Künsten unterrichten, welche einem Mädchen nothwendig sind, die späterhin einen Gatten beglücken, in weiche Kinderherzen den Saamen alles Schönen und Guten streuen, und auch selbst in freundschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen eine erfreuliche und vortheilhafte Rolle spielen will. Therese ließ sie an allen häuslichen Beschäftigungen Antheil nehmen, und konnte ihr bald einen großen Theil der Führung ihres Hauswesens überlassen. Das Beispiel der anspruchslosen und doch so verdienstreichen Pflegemutter leuchtete ihr auf ihrem heitern Jugendweg voran und so wurde sie, ohne daß sie es wußte, eines der vorzüglichsten weiblichen Geschöpfe und glaubte: sie könnte nun gar nicht anders denken, handeln und seyn. Ihre Vorzüge und ihre dankbare innige Liebe zu ihren Wohlthätern ließ diese leichter das Glück verschmerzen, das ihnen die Vorsicht versagte, eigene Kinder zu besitzen.

Langenheim folgte in D* — wo eigentlich der Sammlungsort der schönen Künste und Wissenschaften so wie ihrer Priester und Jünger ist — selbst einer frühern Neigung und erhöhte durch häufigen Umgang mit Künstlern und Kunstfreunden sein natürliches Gefühl dafür, schärfte sein Urtheil, verfeinerte seinen Sinn, vermehrte seine Kenntniße und überließ sich oft solcher reiner Genüsse. Sein Haus, das jedem Gebildeten offen stand, bekam den Ruf, daß Virtuosen und Künstler vorzüglich darinnen willkommen wären, und so wurde es von Einheimischen und Fremden fleißig besucht. Nur 2 der holden 9 Schwestern: Melpomene und Thalia konnten sich keiner freundlichen Duldung bei Langenheims erfreuen. Alles, was auf das Theater Bezug hatte, war ihm zuwider und in dem sonst heitern und offenen Wesen des Mannes gieng eine sichtbare Veränderung vor, wenn irgend ein Gespräch oder ein anderer Zufall seine Blicke auf jene Art der öffentlichen Unterhaltung hinlenkte. Therese gewohnt immer den Wunsch ihres Alberts gemäß zu handeln, äusserte nie einen Wunsch nach dem Genuß jenes Vergnügens und so blieb das dortige berühmte Theater von Allen unbesucht.

An einem Abend hielt ein Reisewagen vor Langenheims Wohnung, Baron Volkmar, der Freund des Assessor Freibergs stieg mit seiner Tochter Eugenia aus und kündigten sich als Gäste bei ihnen an. Er war ehedem bei Hof angestellt, und war derjenige welcher auf des Assessors Fürsprache, Langenheim eine Anstellung in D* verschafft hatte, aber noch ehe dieser an seinen neuen Aufenthalts-Ort kam, erhielt jener den Ruf als Präsident in eine entfernte Kreisstadt. Welche Verpflichtung fühlten die Gatten, dem achtungswürdigen Manne ihre innige Dankbarkeit durch das rücksichtsvollste und aufmerksamste Benehmen zu beweisen! — Am andern Tag kam beim Mittagsessen die Unterhaltung auf das Theater und es sprach sich bei dem Präsidenten und seiner Tochter eine leidenschaftliche Vorliebe für dasselbe aus. Ersterer beklagte sehr, diesen Abend durch eine andere Einladung abgehalten zu seyn ins Schauspiel zu gehen und Langenheim mußte den Pflichten eines gefälligen Wirthes seine Abneigung zum Opfer bringen und Eugenien durch seine Gattin und Albinen ins Theater begleiten lassen. Es wurde Müllners Schuld gegeben. Eine fremde Schauspielerin trat in der Rolle der Elwire auf und rieß durch die Kunst ihres Spiels das Publikum zur Bewunderung hin. Die Leiden eines wunden Gewissens stellte sie mit so furchtbarer Natürlichkeit dar, daß jedes Gemüth und vorzüglich Albinens im Innersten ergriffen wurde. Sie verbarg sich einigemal an Theresens Busen und flüsterte in heftiger Bewegung: „Ach Mutter! Mutter! ich möchte vergehen!“ Der Anblick der Schauspielerin erregte ein Gefühl in ihr, für das sie keine Worte hatte. Verließ jene die Bühne so war Albina zerstreut und wünschte sie wieder, ja immer zu sehen; trat sie auf, so war dem Mädchen so wohl, so weh, daß sie mit sich zu kämpfen hatte, um nicht die Aufmerksamkeit Anderer auf sich zu ziehen.

Therese schrieb ihr Benehmen der Neuheit des Gegenstands zu und ermahnte im Nachhausgehen Albina leise: dem Vater nichts von dem Eindruck zu sagen, welchen der erste Genuß des Schauspiels auf sie gemacht hatte, es möchte ihm Verstimmung, und ihr seinen Tadel zuziehen.

Bei dem 2ten Debüt der Schauspielerin ward Langenheim von Volkmar aufgefordert, mit ihm das Theater zu besuchen. Er konnte nicht ausweichen ohne unartig zu seyn. Das Schauspielhaus war gedrückt voll; selbst in der Loge, wo sie sich befanden waren mehr Personen als eigentlich seyn sollte. Auf diese Weise blieb Langenheim ganz hinten an der Thüre stehen: jedoch als die Schauspielerin auftritt und einige Worte spricht, drängt er sich vor, wirft einen Blick auf die Bühne, ergreift die Hand des neben ihn stehenden Barons, die er krampfhaft drückt, sagt ihm ins Ohr: „mir wird schlimm!“ und stürzt zur Loge hinaus.

Er traf zu Hause Niemanden. Die Frauenzimmer waren in einer Theevisite. Langenheim schließt sich in sein Zimmer ein und kämpft mit seinem aufgeregten Innern.

„Die Schauspielerin — ja sie war es — ich täusche mich nicht — sie ist Cornelia Bergen“ — ruft er aus und schreitet heftig im Zimmer auf und ab.

Ein Diener, der seinen Herrn sprechen wollte, fand das Gemach verschloßen und säumte nicht, es sogleich Theresen bei ihrer Zurückkunft zu melden. Als sie ihre sanfte Stimme vor der Zimmerthüre ihres Gatten hören ließ, öffnete er dieselbe, aber ach! was erwartete sie hier. Bei dem trüben Schimmer einer lang hinunter gebrannten Kerze, schien sein blasses Antlitz eher einem Todten als einem Lebendigen anzugehören, seine Arme hingen schlaff herunter und sein scheuer Blick vermied den ihrigen. „Gott! was fehlt dir mein Albert?“ rief die Erschrockene. Statt der Antwort stürzte er zu ihren Füßen und Therese fühlte den brennenden Fieberhauch seines Mundes auf ihrer Hand. „So sprich doch um Gotteswillen!“ fuhr Therese fort und zitterte am ganzen Körper. „Ach! mein Weib wird mich hassen, sie wird mich verlassen — ich werde grenzenlos elend seyn!“ jammerte Langenheim; sprang auf, rang die Hände, warf sich auf das Sopha und verhüllte sein Gesicht in die Kissen. Die bestürzte Gattin hielt ihn fest umschlungen und beschwor ihn mit den zärtlichsten Ausdrücken, sie von dem peinlichen Zustand der Ungewißheit zu befreien und seinen Kummer ihr zu entdecken. „Ich will dir ihn ja gerne tragen helfen, wäre es noch so schwer“ setzte sie tief bewegt hinzu. Lange bat sie vergebens. Endlich richtete er sich langsam auf, fuhr mit der Hand über die heiße Stirn und sagte, indem er den Blick finster auf die Erde heftete: „Ich will — ich muß dir alles sagen Therese! sollte es mich auch deine Liebe kosten. — Es wird zwar vorüber gehen, was heute mein Gemüth erschütterte — es ist auch möglich, daß es dir verborgen bliebe und — die sogenannte feine Welt würde das Ganze vielleicht für unbedeutend halten! — aber ich, nein ich kann es nicht! in das treue Aug meines geliebten Weibes könnte ich nimmer mit Ruhe blicken, an diesem stillen frommen Herzen würde das Meinige nimmer seinen Frieden finden, wenn ich dir verheelte, was mir heute begegnet ist.“ Dabei sank er mit dem Kopf auf Theresens Schulter und preßte ihre Hand an sein laut pochendes Herz. „Du warst im Theater?“ frug die Gattin ahnungsvoll um ihm bei seiner Mittheilung entgegen zu kommen. „Ja,“ flüsterte Langenheim, „und — die fremde Schauspielerin.“ — Therese zitterte. — „Zittre nicht so theures Weib!“ fuhr jener fort; „schwach war dein Albert, er ist es noch, aber niedrig konnte er nie handeln; höre, und dann richte mich. Cornelia Bergen war wohl einst der Gegenstand meiner heftigsten Liebe. Sie war von ausgezeichneter Schönheit und Liebenswürdigkeit, besaß einen gebildeten Geist, so wie Sinn und Liebe für die Kunst und Wissenschaften. Der Eindruck, den dies Alles auf mich machte, verstärkte sich durch den Vorzug, welchen sie mir vor allen ihren Verehrern gab und bald waren wir einig unter uns. Meinem Vater, der schon viele Jahre kränklich war, wurde mein Verhältniß zu Cornelien von einer geschäftigen alten Base hinterbracht und er zürnte so heftig darüber, daß ich viele trübe Stunden hatte: Denn ich liebte ihn herzlich, lag aber zu fest in Corneliens süßen Ketten, als daß es mir möglich gewesen wäre, mich hier loszureissen. Ein jäher Tod entriß mir den Vater in dieser Katastrophe und oft schlich sich der reuige Sohn zu seinem Grabe und weinte hier seinen Schmerz darüber aus, daß unversöhnt mit ihm das väterliche Herz gebrochen ist. Meine dadurch oft getrübte Stimmung mißfiel Cornelien, welche immer heiter und fröhlich war und bald bemerkte ich eine Veränderung in ihrem Betragen. Ich forschte nach und erfuhr, daß ein fremder Officier mich bei ihr verdrängt habe, mit diesem verschwand sie auf einmal. Ach Therese! was ich hier litte war unbeschreiblich! Jahre lang kämpfte ich mit meiner Liebe, mit meiner Reue, die mitleidige Zeit zog nach und nach einen Vorhang über die Ereigniße der Vergangenheit und mir wurde das Glück dich mein gutes Weib kennen zu lernen, durch die Verbindung mit dir wurde jede Forderung meines Herzens befriedigt und der Schatten meines Vaters versöhnt: denn oft entwarf er mir das Bild eines Mädchens, wie er es für mich gewünscht, und diesem warst du nicht nur ähnlich, du übertrafst dasselbe. Daß ich nun ganz in der glücklichen Gegenwart lebte, dieß Therese wird dir meine unverstellte, immer gleiche Zufriedenheit und Ruhe gezeigt haben; aber ich wollte nicht frevelnd durch unangenehme Erinnerungen an die Vergangenheit selbst meinen Frieden stören: daher vermied ich das Theater, und alles was darauf Bezug hatte. Heute nun trat ich mit bangem Vorgefühl in die Loge. Nicht lange, so hörte ich die bekannte Stimme, ein Blick und ich erkannte Cornelien — Alles was ich Trübes und Angenehmes in dem einstigen Verhältniß mit ihr erfahren hatte, stürmte in dem Moment auf mich ein und ich eilte fort, um in meinem häuslichen Asyl mich wieder zu finden. Hier entstand aber erst recht eigentlich der Aufruhr in meinem Innern. Die Schuld, an dir du Treue, durch Verheimlichung meiner frühern Verhältniße begangen, stand riesenhaft vor mir, mich folterte die Angst, wenn und wie du es erfahren würdest — ich verwünschte meine Schwäche, die mich verhinderte, jenes überraschende Ereigniß männlich zu behandeln und durch welche ich ihm eine Wichtigkeit gab, die es wohl nicht mehr hat — tausenderlei Plane durchkreutzten mein Gehirn, und ich konnte keinen festhalten. Nun erschienst du Engel! die ruhige Klarheit deines ganzen Wesens vergegenwärtigte mir dein Anblick. Auf einmal war auch ich mit mir im Reinen. Ich fühlte und dachte nichts mehr als die Ueberzeugung, daß ich dir Nichts verschweigen dürfte und nun — ist es hier leichter,“ sagte er, indem er auf die Brust deutete.

Therese hatte während der Erzählung mühsam nach Fassung gerungen, denn der süße Wahn: daß sie alleine Alberts Herz beseßen habe, war zerstört, ihr felsenfestes Vertrauen auf seine Treue die sie nach der ihrigen maß, war erschüttert und die Aussicht in ihre häusliche Zukunft schien ihr in diesem Augenblick getrübt. Jedoch, wer vermag den Grad der Stärke der Liebe eines edlen Weibes zu bestimmen! — Schwer ist der Streit eines Helden mit äußern Feinden, ungleich schwerer der, jener weiblichen Heldinen, mit den innern Gegnern! aber — ihr Panier ist die Liebe! mit diesem kämpfen und siegen — sie dulden, sie tragen, sie verläugnen sich selbst und ermüden nicht bei den fortwährenden Forderungen der Pflichten, welche sie aus Liebe übernommen haben. Auch Therese duldete keine andere Empfindung in ihrem Herzen. Sie war bald wieder mit sich ganz einig und strebte nur noch die letzte Regung einer vorübergehenden Wehmuth in sich nieder zu kämpfen, als Langenheim endigte.

Nach einer kurzen Pause sagte sie sanft: „ich will kein Gedächtniß für die Vergangenheit haben, für die Gegenwart will ich mir Kraft von Gott erbitten und die Zukunft wird mich wieder mit deiner Liebe belohnen.“ „Herrliches trefliches Weib“ rief Langenheim, warf sich vor ihr auf die Kniee und bedeckte ihre Hand mit Küssen.

Therese bat ihn, ruhig zu werden und mit ihr gemeinschaftlich den Plan zu einer übereinstimmenden Handlungsweise für die nächsten Tage und Stunden zu überlegen, um in keiner Hinsicht den äussern Anstand zu verletzen, da seine schnelle Entfernung aus dem Theater, leicht Aufsehen erregt haben könnte.

„Ich werde alles thun, was du willst,“ sagte Jener, „handle du für mich, ich kann es nicht. Das Ganze hat ohnehin nicht nur mein Gemüth, sondern auch meinen Körper so sehr angegriffen, daß ich mich recht unwohl fühle.“ Besorgt bat ihn Therese, sich niederzulegen und bestand darauf, nach einem Arzt zu schicken. Indem sie über den Vorplatz eilte, um einem Dienstmädchen hiezu den Befehl zu ertheilen, hörte sie die Treppe herauf gehen. Sie blieb stehen und — siehe da, der Präsident stieg mit einem Frauenzimmer dieselbe herauf, in welcher er Theresen die gefeierte Schauspielerin und dieser, die Dame von Haus: Frau Finanzrath Langenheim vorstellte. Höchst schmerzlich überrascht, war Therese mit sich selbst zu viel beschäftigt, um die Bestürtzung Corneliens bei Erwähnung dieses Namens wahrzunehmen und Volkmar scherzte darüber, da er sie für Schüchternheit auslegte und sie versicherte: Einer Priesterin Thaliens müßte dies Gefühl ganz fremd seyn, zumal in einem Hause, worin der Kunst so sehr gehuldigt würde. Therese fand während dieser Rede Zeit, sich zu sammeln und nachdem sie, den Gatten mit Unpäßlichkeit entschuldigend, die Gäste ins Speisezimmer geführt hatte, entfernte sie sich auf kurze Zeit, schrieb mit Bleifeder auf ein Stückchen Papier: „Ich sende Dir Albina zur Pflege, da unsere Gäste, worunter auch Cornelia ist, mich in Anspruch nehmen; beunruhige Dich nicht! ich werde mich zu beherrschen wissen und hoffe, auch Du wirst Niemanden dein Inneres verrathen. Am wenigsten Albinen.“ Mit diesem Zettelchen schickte Therese Albina gleich von der Küche, in welcher sie beschäftigt war, zum Vater, mit der Weisung, ihn nicht zu verlassen, bis sie von ihr abgelößt werden würde. Dann kehrte sie mit dem festen Entschluß: ihr aufgeregtes Inneres zu bemeistern, zu ihren Gästen zurück. „Ganz stille, armes Herz!“ sagte sie leise und drückte fest die Hand darauf, „du darfst heute dein Recht nicht geltend machen.“ Der gefällig arrangirte runde Tisch lud freundlich zur Abendmahlzeit ein. Volkmar ein feiner Weltmann führte das Wort, Eugenia kramte dazwischen hie und da ein gelehrtes Wissen aus; Therese lächelte, erzählte, hörte aufmerksam zu: doch Alles mit der höchsten Anstrengung und — Cornelia, ganz gegen die Weise der Schauspieler war ernst, bescheiden und sprach nur, wenn sie aufgefordert wurde, dann aber mit einer Tiefe des Gefühls, mit einer Wärme, und mit einem Reichthum von Kenntnißen, daß Therese sie bewundern mußte. Corneliens ganzes Wesen erregte ihre Theilnahme und ihre angebohrene unaussprechliche Milde löste bald den Zwang, den sie Anfangs ihrem Benehmen anlegen mußte in natürliche Werthschätzung und Freundlichkeit auf. Ihre Geistes-Stärke ging so weit, daß sie, nachdem die Gäste sich entfernt hatten, ihres Gatten heftige Aeußerung über Corneliens Besuch mit vieler Mühe beschwichtigen und ihm von der gehaltreichen Unterhaltung während des Abendeßen manches mittheilen konnte. „Edles, edles Weib! wie hoch stehst du über mir!“ rief Langenheim und preßte ihre Hand an seine Lippen. „Ich thue nichts“ erwiederte Therese, „als was mich die Liebe zu dir, und die Gerechtigkeit gegen Andere lehrt; ja der Wohlstand erfordert, daß ich morgen Cornelien einen Gegenbesuch mache,“ fuhr sie fort; „mein Albert hat doch nichts dagegen?“ „Wie könnte ich!“ antwortete er, „ich unterwerfe mich ja allen deinen Anordnungen!“

Am folgenden Tag, als sich Therese wirklich anschickte um zu Cornelien zu gehen, sagte Albina, indem sie der Mutter den Mantel umgab und die Schleifen der Haube ein wenig ordnete: „ach, wenn ich dich zu der intereßanten Frau begleiten dürfte, liebe Mutter! welche Freude wäre mir dies! Gewiß, als ich gestern Abend, dem Vater zur Unterhaltung eine Lectüre zur Hand nahm, laß ich wirklich gar nicht hübsch. Ich war so zerstreut, daß er es einigemal bemerkte und unwillig wurde, aber ich konnte mir nicht helfen, ich war immer im Geist im Speisezimmer und nur dein Gebot hielt mich ab bei Euch ein Bischen zuzusprechen, denn unvergeßlich ist mir der Eindruck welchen die Künstlerin auf mich gemacht hat.“ „Nun, wer weiß,“ erwiederte Therese, „sie verlängert vielleicht ihren Aufenthalt, dann könnte es sich wohl fügen, daß du mich einmal zu ihr begleiten würdest.“

Therese wurde bei Cornelien angemeldet, vermißte aber bei dem Empfang ganz die gewandte Schauspielerin; sichtbar befangen wurde sie begrüßt. Jedoch nach einigen gewöhnlichen Erörterungen des Theaters und Corneliens Kunst, worinn so viel Steifes und Gezwungenes lag, daß es Theresen drückend wurde, begann diese mit wahrer Engelsfreundlichkeit, indem sie Cornelien näher rückte und ihre Hand ergriff: „mein ganzes Gefühl sträubt sich gegen die Art und Weise unsers gegenseitigen Benehmens, ich bin es mir klar bewußt: so kann und darf es nicht bleiben; von einem wichtigen Ereigniß Ihres Lebens unterrichtet, habe ich ein Recht zu wünschen, daß zwei Herzen, die sich in einem Gegenstand begegneten, sich nicht fremd bleiben möchten, lassen Sie uns diesen ungestörten Augenblick benützen, sie gegeneinander zu eröffnen, lassen Sie uns von der gewöhnlichen Weise unsers Geschlechts abweichen, wo Eifersucht und Haß vielleicht jetzt trennend zwischen uns tretten würde. O ich kann Sie nicht hassen,“ rief sie lebhaft, „ich muß Sie lieben, mein Albert hat Sie geliebt und — ich täusche mich nicht — Sie verdienten diese Liebe!“ Cornelia war tief erschüttert und brach in Thränen aus. „Himmlische Güte!“ stammelte sie „— nein — nein Sie irren! ich war die Liebe eines so vorzüglichen Mannes nicht werth. In dem Feuer des Unglücks geläutert, darf ich mich wohl jetzt, mit einigem Selbstgefühl der Annäherung eines so edlen Wesens freuen — aber die Vergangenheit reicht mir stets nur des Vorwurfs Wermuthsbecher. Doch dieser Augenblick giebt meinem verweißten Herzen, was es Jahrelang vergebens suchte: Mitgefühl, Theilnahme, Freundschaft! o ich bin unaussprechlich glücklich!“ setzte sie im höchsten Affect hinzu und warf sich in Theresens Arme.

Sie glaubte: dieser ihre innige Dankbarkeit durch ein unbedingtes Vertrauen am sprechendsten zu beweisen und in der Ueberzeugung theilte sie der edlen Freundin ihre ganze Lebensgeschichte mit:

Von Schauspielern gebohren, war sie schon als kleines Kind auf der Bühne einheimisch geworden. Ihr Vater gehörte zu den Gebildetern seines Standes und wandte auf die Erziehung seiner einzigen Tochter viel Fleis und Mühe. Ein geschickter ältlicher Schauspieler, der ihr sehr gewogen war, trug auch das Seinige dazu bei und so wurde in ihr nicht nur der Sinn für die Wissenschaft geweckt, sondern auch genährt und vortheilhaft würkte dies auf ihr ganzes Betragen. Ihr Aeusseres zog ihr überall einen Schwarm von Verehrern zu, deren Absichten aber größtentheils unlauter waren, jedoch so leichtsinnig Cornelia schien, so streng tugendhaft war sie wirklich. Ihre Eitelkeit gefiel sich in den Bewerbungen der Männer, allein ihre Würde wußte dieselben in den Schranken der Sittlichkeit zu erhalten. Langenheim näherte sich ihr auf eine Art, welche seinen reinen Sinn und seine Liebe für Kunst und Wissenschaft aussprach, dies machte ihr ihn sehr theuer. Die Stunden, die sie zusammen verlebten, verstrichen nicht blos unter Kosen und Tändeln: sie lasen miteinander die besten englischen, italienischen und französischen Werke, er suchte mit ihr den Geist ihrer Rollen auf und half sie ihr einstudiren, oder hörte ihrem Spiel auf dem Flügel und auf der Guitarre zu. Diese reinen Genüsse wurden indessen bald durch die Unzufriedenheit des Vaters Langenheims gestört. Albert kam nun oft in trüber Stimmung zu Cornelien und als endlich vollends der Vater jäh und unversöhnt mit dem Sohne starb, war dieser einige Zeit ganz tiefsinnig. Ob sich wohl seine Liebe gegen Cornelien immer gleich blieb und ihr Einfluß auf seine Stimmung, wenigstens in ihrer Gegenwart sichtbar vortheilhaft war: so wurde es dieser doch in die Länge peinlich, immer trösten, immer beruhigen zu müssen und zum Unglück lernte sie in der Periode einen Officier kennen, der mit einem sehr vortheilhaften Aeussern die Gabe der Verführungskunst im hohen Grad besaß. Er verstand es, Langenheim zu verdrängen und in Cornelien eine glühende Liebe für ihn zu erwecken. Die Revolution in Frankreich wüthete, die deutschen Fürsten boten ihre Völker auf, auch Romberg (so hieß der Officier) bekam Ordre zum Marsch. Er überredete Cornelien ihm ins Hauptquartier zu folgen. Hier lebte von ihm ein Jugendfreund als Geistlicher. Dieser mußte den ungestümmen Bitten desselben nachgeben und das Paar trauen.

„Kurz war der seeligste Traum meines Lebens!“ sagte tiefseufzend Cornelia, „und fürchterlich war sein Erwachen. Was Liebe erfinden kann um zu beglücken, das war mein schöner Theil in den geschloßnen Ehebund und in der noch nie genossenen, aber in ihrer Neuheit mir unbeschreiblich süßen häußlichen Stille, entflohen mir die glücklichen Flitterwochen. Allein bald entdeckte ich finstre Wolken auf der Stirne meines Gatten. Er wich meinen ängstlichen Fragen aus und half sich mit leeren Ausflüchten. Sein Trübsinn nahm jedoch immer mehr zu und — an einem Abend, wo er mit einer seltsamen Bewegung von mir schied, da ihn Dienstgeschäfte riefen — sah ich ihn zum letztenmal! Vergeblich wartete ich zur gewöhnlichen Zeit auf seine Rückkehr. Die Nacht erschien, sie verstrich, ohne Ruhe und Schlaf für mich und — Romberg kam nicht wieder.“ Ein Strom von Thränen unterbrach hier Cornelien, Therese umfaßte tiefgerührt die Trauernde und ihre innige Theilnahme besänftigte den aufgeregten Sturm in dem Gemüth derselben. Nach einer Pause fuhr sie fort: „Ich erfuhr nachher durch meine Wirthsleute, welches gute Menschen und mir in Liebe und Mitleid sehr zugethan schienen, daß Romberg meinetwegen ein Duell gehabt hätte und da dies unglücklich ausgefallen sey, genöthigt worden wäre: mich und den Dienst heimlich zu verlassen. Wer beschreibt meine hülflose Lage! Ohne alles Vermögen, mit jener Gesellschaft, von der ich mich durch Romberg verleitet, selbst getrennt hatte; aus aller Verbindung, hatte ich Niemanden auf der weiten Welt, dem ich näher angehörte und war also auch nicht im Stand irgend eine andere Lebensweise zu beginnen, als mich eben wieder auf eine andere Bühne zu begeben. Mein Hauswirth dem ich mich vertraute und der mich mit etwas Geld unterstützte, erbot sich, mit dem Direktor der Truppe, welche in dem Ort spielt, wo ich mich befand, meinetwegen zu sprechen: allein mir war es unmöglich hier aufzutretten; ich verkaufte einen Ring, das Einige was ich noch von Werth besaß und fuhr mit dem Postwagen nach C* wo ich bei dem dortigen berühmten Theater gerne aufgenommen wurde. Vor Mangel war ich nun wieder geschützt: aber in meinem Innern sah es furchtbar aus. Das Leiden einer Betrogenen, immer noch heftigen Liebe, erkannte ich für eine gerechte Strafe meiner an Langenheim verübten Untreue, der mir, nicht nur die öffentliche Meinung, sondern auch die Liebe seines Vaters geopfert hatte. Die Sorge um sein Schicksal, welches das Gefühl meines eigenen Glückes verdrängt hatte, trat wieder hervor und verfolgte mich immer, auch wollte mir das Schauspielerleben durchaus nicht mehr zusagen. Ich hatte — wie wohl nur in kurzen 4 Wochen — mit meinem Romberg gefühlt, was häusliches Glück ist und mit unaussprechlicher, doch vergeblicher Sehnsucht hing ich den süßen Träumen nach, die mir meine rege Phantasie davon entwarf. Die Zeit nahte heran, wo ich einem armen vom grausamen Vater verlassenen Kinde das Leben geben sollte, ich konnte nicht mehr auf der Bühne erscheinen und in die trübe Einsamkeit, in welcher ich nun lebte, folgten mir die Gespenstergleichen Bilder meines Unglücks.

Endlich vertrieben die Kriegsunruhen unsere Gesellschaft aus jener Gegend. Auf der Reise wurde ich in einem kleinen Oertchen von einer Tochter entbunden. Doch“ — hier schien Cornelia mit einer geheimen Unruhe zu kämpfen — „doch auch das Kind starb. Für so viele bittere Erfahrungen suchte ich Trost in dem Gebieth der Wissenschaften und durch immerwährendes Studium gelang es mir, mich mit bereichertem Geist aber verarmten Herzen auf den Standpunct empor zu schwingen, auf welchem ich nun stehe, wo ich gewöhnlich rauschenden Beifall einerndte, doch sonst auch Nichts für meine bessere Sehnsucht gewinne. Meine Absicht ist auch, mir nur eine gewisse Summe zu erwerben, dann auf dem Lande mich anzukaufen und dort in der Stille mein vergriffenes Leben zu vertrauern. — Wohl“ setzte sie noch hinzu, „habe ich jetzt viel, sehr viel meinem Verhältniß als Schauspielerin zu danken! ich lernte durch dasselbe ein Wesen kennen, das, wie ein tröstender Engel aus bessern Welten, wieder Ruhe und Stille in das ungestümme Meer meiner Empfindungen gebracht hat. Auch weiß ich, daß Langenheim glücklich ist, ertrage also leichter in Zukunft mein eigenes Unglück. Ach, wie konnte ich mir die seelige Folge denken, als ich mich gestern entschloß, Ihrem Gast zu folgen, welcher mich nach geendigtem Schauspiel aufsuchte und mir anbot mich in das Haus eines seiner Freunde zu bringen, worinnen Künstler so sehr willkommen wären; ich willigte ziemlich gleichgültig ein, denn erst, als ich vor Ihnen stand, hörte ich den mir unvergeßlichen Namen. Geübt in der Kunst mich, wenn es seyn muß, auf der Bühne anders zu geben als ich bin, war mir doch dies in jenem Augenblick eben so unmöglich als auch vorhin bei Ihrem Eintritt eine Verwirrung zu verbergen. Nur Ihre hinreißende Herzlichkeit und Güte —“ „Wie glücklich wäre ich,“ fiel Therese hier schnell ein, „wenn ich mir durch mein Benehmen eine Freundin gewonnen hätte!“ Cornelia hob das schöne dunkle Aug gen Himmel, faltete die Hände und sprach in Begeisterung: „Gott! mache mich dieses großen Glückes, der Freundschaft dieser Edlen würdig!“ —

Mit kurzer Auswahl theilte Therese nach und nach ihrem Gatten aus Corneliens Lebensgeschichte mit, was ihr, ihm zu sagen nothwendig däuchte (auch Albinen erzählte sie manches davon, welches diese mit großem Intereße aufnahm). Vorzüglich blieb sie bei dem, von der Freundin geäusserten Wunsch: vom Theater wegzugehen und sich auf dem Lande anzukaufen — öfters stehen, und sprach denselben gleich einem Eigenen aus. Zufällig wurde eben ein kleines Landhaus in der Nähe der Stadt feilgeboten und Therese forderte von ihrem Gatten als einen Beweis seiner Liebe für sie: ihr das dazu erforderliche Capital als Vorschuß für Cornelien und seinen Beistand bei den Unterhandlungen des Kaufs zu bewilligen. Langenheim betrachtete sie lange stillschweigend. Er fürchtete durch irgend eine Aeußerung das zarte Gefühl ihres schönen Herzens zu verletzen, das er fähig war in diesem Augenblick ganz zu durchschauen, ganz zu verstehen. Endlich schloß er sie in seine Arme und sagte: „bestimme über mein Vermögen, über meine Handlungsweise! mein edles Weib wird nichts von mir fordern, das ich nicht leisten könnte und leisten dürfte.“ Mit inniger Rührung hörte und nahm Cornelia Theresens großmüthiges Anerbiethen an, und es entzückte sie die Aussicht künftig in der Nähe dieser theuern Freundin ein glückliches und ruhiges Leben führen zu können. Sie verlangte und erhielt bald darauf ihre Entlassung vom Theater und fühlte sich durch Theresens achtungsvolle Freundschaft mehr geehrt, als durch alle, noch so vortheilhafte mündliche und schriftliche Urtheile über ihre Kunst, wovon die Zeitschriften erfüllt waren und die gesellschaftlichen Zirkel wiederhallten. O den Besitz eines edlen Menschenherzens wiegt keine Krone auf: sie sey von Gold oder von Lorbeeren!

Therese gieng nun wegen des Kaufs des Landguts öfters zu Cornelien, denn Langenheim hatte jede mittelbare Hülfe versprochen, aber kein Verlangen gezeigt, sich Cornelien persönlich zu nähern. Die Gattin schien ihn hier ganz ruhig nach eigener Willkühr handeln zu lassen, äusserte keine Besorgniß, daß sich die alten Freunde wieder sehen würden, wollte es aber auch nicht absichtlich veranlassen, sondern überließ Alles dem Gang der Zeit und des Schicksals, welchem auch Cornelia nicht vorgreifen zu wollen schien und Langenheims Haus seit dem ersten Besuch nicht betretten hatte. Therese hatte ihr von dem Eindruck, den ihr Wiederfinden auf Langenheim machte, nichts gesagt, aber sie aufrichtig seiner fortdauernden Freundschaft oft versichert und auf diese Weise ein rein herzliches doch leidenschaftsloses Gefühl in beider Gemüther erregt und unterhalten.

Bei einem jener Besuche, die Therese häufig bei Cornelien machte, erzählte Erstere dieser von ihrer geliebten Pflegetochter Albina. Sie war unerschöpflich in ihrem Lob und fand bei Cornelien eine wunderseltsame Theilnahme. Bei der regelmäßigen Schönheit Albinens erwähnte sie, als eines kleinen Verstoßes gegen dieselbe eines Mal’s am Halse, weswegen sie genöthigt sey, ihren blendend weisen Nacken, immer in hohe Chemissetten zu verhüllen. „Wie ist dies Mal gestaltet?“ frug Cornelia schnell? „Ganz wie ein natürliches Erdbeerchen“ antwortete Therese. „Gott! mein Kind, mein Kind! meine wiedergefundene Tochter!“ rief ganz ausser sich Cornelia, stürzte vor Theresen nieder, hob die Hände empor und flehte: „Engel! vollende dein himmlisches Werk! gieb mir mein Kind wieder! Ich will Tag und Nacht sinnen, wie ich deine Liebe dir vergelte! Ja fordre was du willst, ich will Alles thun, nur sey barmherzig und gieb mir meine Tochter wieder!“ Therese hob sie tröstend auf und versicherte freudig: augenblicklich Albinen davon zu benachrichtigen und ihr dieselbe zuzuführen. Sie eilte auch sogleich nach Haus und als Albina ihr entgegen kam, umarmte sie dieselbe gerührt und sagte: „Du ahnest wohl nicht gutes Kind! welch ein wichtiger Augenblick dir naht, bereite dich auf eine große Freude vor!“ „o Mütterchen! sprich doch,“ schmeichelte Albina! „ich bin voll Begierde.“ Sie waren jetzt ins Zimmer gekommen und hier entdeckte ihr die bewegte Pflegemutter, daß Albina sich von ihr trennen müsse, um an dem Herzen der eigenen Mutter zu ruhen. Welch eine Fluth süßer Empfindungen goßen diese Worte in des Mädchens Seele. Wie fühlte sie die Stärke der, in den Banden des Bluts begründeten Rechte der Natur! Von welch ganz anderer Art war, was sie jetzt empfand im Vergleich mit dem, was sie für ihre geliebten Pflegeltern fühlte! Mit der ihr eigenen Offenheit warf sie sich Theresen in die Arme und sagte: „so lang meine Lebenspulse schlagen und noch jenseits werde ich mit unaussprechlicher Liebe und Dankbarkeit dich verehren: aber vergieb der Sehnsucht die mich fest mit aller Gewalt zu meiner Mutter hinzieht. O Albina ist nicht mehr heimathlos! Wie viel süßes liegt in diesem Gedanken! und ich habe eine Mutter, die du werth hälst, die ich lieben und achten kann und die auch mich, so, wie ich durch deine treue Fürsorge bin, nicht von ihrem Herzen wegweisen wird. Komm, o komm, daß sie sich mit mir zu dem Dank vereinigt, den ich so tief fühle, für den ich aber keine Worte finden kann!“ Therese streichelte die glühende Wange des entzückten Mädchens und sagte: „nur so lange gedulde dich liebes Kind! bis ich den guten Vater von allem unterrichtet habe, es wäre pflichtwidrig dies anstehen zu lassen, ich will mich recht kurz fassen und bin gleich wieder bei dir.“ Erstaunt hörte Langenheim Theresens Erzählung und freute sich mit ihr, vom Schicksal auserkohren worden zu seyn, das Kind einer Freundin so zu erziehen, um es ihr nun vorwurfsfrei in die Arme führen zu können.

Unterdessen fühlte Cornelia eine Ungedult, welche bei ihrem leidenschaftlichen Charakter, schmerzlich wurde, sie verwirrte ihre Ideen, daß sie nichts deutlich denken konnte als den Wunsch: wenn sie doch kämen! hundertmal gieng sie ans Fenster und rannte dann, wenn sie niemand erblicken konnte, laut weinend im Zimmer auf und ab. Endlich öffnete sich die Thüre und — Albina flog in ihre Arme. Für solche heilige Momente besitzt die Feder keine Fähigkeit sie würdig zu schildern und begnügt sich damit, erst wieder nach den ersten Ergüssen heftig ergriffener Gemüther ihre Thätigkeit fortzusetzen; unterdessen entwerfe sie mit einigen Zügen Albinens Bild: Sie stand vor ihrer Mutter in der vollen Jugendblüthe eines 16 jährigen Mädchens, ausgestattet mit jeder äusseren Schönheit und Anmuth. Das reiche blonde Haar umschlang in zierlichen Flechten das schön geformte Haupt, einige Locken umspielten die freie offene Stirn, die feine, fast unmerklich gebogene Nase gab ihrem Gesicht ein regelmäßiges Profil. Die Wangen schienen von sanfter Pfirsichblüthenfarbe nur angehaucht, des kleinen Mundes Korrallen-Lippen verschloßen zwei blendend weiße Reihen Zähne und das Kinn mit einem Grübchen versehen, vollendete die rein ovale Form des Gesichts welches durch ein paar seelenvolle blaue Augen Leben und Ausdruck erhielt. Ihr Wuchs war edel, ihr Gang leicht und schwebend, ihre Sprache tönte melodisch und alle ihre Bewegungen, alles was sie sagte und that trug das Gepräge von Anmuth, von richtiger Bildung erworbener Fertigkeiten und — von Seelenadel. Wahr und treu im engsten Sinn des Wortes, war sie schon von Kindheit an gewesen und der Reichthum von Liebe in dem Herzen ihrer treflichen Pflegmutter waltend, theilte sich auch dem ihrigen mit und nahm ganz Besitz davon. Es entzündete sich an ihrer Gluth das Feuer der Thätigkeit für Andere. Ja, die Kraft, die schon in ihr lag, sich für die Menschen, besonders für geliebte Wesen aufzuopfern, verstärkte sich durch das edle Beispiel Theresens. Sehr geschickt in allen weiblichen Arbeiten, nicht unbekannt mit den schönen Wissenschaften, verband sie mit all’ diesen herrlichen Eigenschaften eine liebenswürdige Bescheidenheit, eine unverstellte fromme Demuth. Auch jetzt als Cornelia, lange in ihren Anblick versunken, endlich in gerechte oder leidenschaftliche Aeusserungen der Bewunderung ausbrach, suchte Albina, hoch erröthend und beinah ängstlich sie dadurch davon abzubringen, daß sie ihren Blick auf Therese als die Gründerin ihres Glücks lenkte. Cornelia verstand sie und ließ nun ihr volles Herz gegen diese in Dank und Wonne ausströmen. „Es ist einer der seeligsten Augenblicke meines Lebens“ sagte Therese, „und ich danke der Vorsicht gerührt für den hohen Lohn einer Handlung, welche der Menschlichkeit angehörte; für den süßen Erfolg meines Strebens, die natürlichen Eigenschaften unserer Albina dazu auszubilden, daß sie jetzt die Freude und der Stolz einer würdigen Mutter werden kann und wird.“ „Aber Mütterchen, welcher feindseelige Dämon stellte sich einst trennend zwischen dich und dein armes Kind?“ sagte Albina, indem sie sich mit thränenvollem Auge an Corneliens Busen schmiegte: diese erwiederte: „ja, ich fühle es, ich bin dir die Beantwortung dieser natürlichen Frage schuldig, so wie auch dir, meiner schwesterlichen Freundin Therese — setzt euch zu mir ihr Theuern! ich will euch Aufschluß geben so gut ich kann, nur ist mir selbst gar manches dunkel: In der Periode, in welcher ich meiner Entbindung entgegen sah, war wie ich schon erzählte durch die Kriegs-Unruhen, unsere Truppe und ich mit ihr genöthiget, einen andern Aufenthalts-Ort zu suchen. Ich kam auf der Reise in einem kleinen Ort in die Wochen. Eine dem Schein nach gutmüthige Person, die Frau des Leinenwebers, bei dem ich mich eingemiethet hatte, zeigte so viel Antheil an mir und meinem Kinde, daß ich nach 8 Tagen — (längere Zeit wurde mir von meinem Direktor nicht zur Erholung gegönnt, sondern ich wurde schleunig einberufen) — ihr den Vorschlag machte: meine Kleine nur so lang zu behalten, bis unsere Gesellschaft wieder einen festen Haltungspunct hätte; ich glaubte sie hier besser versorgt, als sie es bei mir, in meiner unstäten Lebensweise gewesen seyn würde, versprach: sie so bald als möglich holen zu lassen und sie dann reichlich zu belohnen. Auch schon bei meiner Abreise beschenkte ich sie und riß mich mit tiefem Schmerz von meinem geliebten Kinde los. Die damalige Zeit erschwerte und verzögerte eine sichere Unterkunft für uns. Wir entfernten uns immer mehr von jenem Dorf und ich konnte keine Nachricht geben noch hören. Beinah war ein Jahr verfloßen, als es mir endlich gelang einen Kanal auszumitteln, durch welchen ich etwas zu erfahren hofte, was meine sehnsüchtige Sorge befriedigen könnte: allein, was ich erfuhr war nur geeignet, mich ganz niederzubeugen. Jenes Dorf, hieß es, sey ausgeplündert und die Einwohner vertrieben worden. Die Ungewißheit über dein Schicksal meine Albina! die Vorwürfe die ich mir wegen meines Verfahrens machte, war ein neuer Stachel, der sich tief in mein ohnehin wundes Herz senkte und es immer von Neuem unheilbar verletzte. Der Anblick jedes lieblichen Mädchens rief mir das Bild vor die Seele, das sich meine Phantasie von dir ausgemalt hatte. Ueberall sah ich nur dich, forschte genau bei jeder scheinbaren Spur von dir nach, hoffte da und dort etwas von dir zu hören und hatte ich mich wieder getäuscht, dann beweinte ich dich so lange als tod, bis mir wieder ein neuer Hoffnungsschimmer glänzte. Noch ehegestern als ich mich der Stadt näherte, sagte ich zu mir selbst: „sollten diese Mauern dein verlohrnes Kleinod umschließen! und wirklich — ich habe es darinnen gefunden! ich besitze es und bin nun unbeschreiblich reich!“ —

So lebhaft Corneliens Wunsch war, sich nicht mehr von Albinen zu trennen: so billigte sie doch Theresens Ansichten, welche glaubte, daß man, um großes Aufsehen zu verhüten, ein kleines Opfer nicht scheuen sollte. Sie schlug vor: bis das nun gekaufte Landhaus ganz in bewohnbarem Zustand sey, sollte Albina bei Langenheim bleiben, mit Theresen aber die Mutter bei ihren neuen Einrichtungen treulich unterstützen und erst dann ganz bei ihr wohnen. Auf diese Weise wäre die neugierige Welt immer in einer Art Ungewißheit über die Sache, und es bliebe ihr anheimgestellt, was, und wie sie davon denken mögte.

Therese war die beinah ängstliche Scheu vor der öffentlichen Meinung von ihrer ehemaligen Wohlthäterin, der sie ihre ganze Bildung zu verdanken hatte, so sehr eingeprägt worden, daß sie auch in der großen Welt, worinnen sie jetzt lebte, in diesem Punct äusserst streng dachte und besonnen handelte, um durch nichts einen übeln Schein zu verlassen, oder den äussern Anstand zu verletzen. So offen sie sich übrigens benahm, so verschwiegen und geheimnißvoll war sie bei Ereignissen, welche zu falschen Urtheilen Gelegenheit geben konnten. Cornelia ehrte ihre Grundsätze und erfüllte ihren Wunsch. Rasch gieng es nun über die Herstellung und Einrichtung des neuen Wohnsitzes Corneliens her. Ihr erworbenes Vermögen reichte zu, um die nöthigen Meubeln, Garten- und Hausgeräthe, zwar einfach, aber geschmackvoll anzuschaffen und bald schimmerte das Haus in frischem Anstrich von weisgelber Farbe, mit grünen Fensterläden und neu gedeckter Bedachung durch die dunkeln Kastanienbäume die es umgaben und zog Vorübergehende zu näherer Beschauung an. Man gewahrte dann an der einen Nebenseite des Hauses einen Blumen- und Gemüß-Garten, in dessen Mitte ein Delphin seinen Wasserstrahl in ein kleines Bassin sprudelte; ringsherum waren Akkazien-Hecken gepflanzt. An einem Ende des Gartens duftete eine Laube von jelänger jelieber. Ihr gegenüber war ein kleines Treibhaus angebracht. Die Wand des Gebäudes an welche der Garten sich anschloß, war mit hohen, dichtbelaubten Weinreben bedeckt und an den Spalieren prangten reifende Früchte, die andere Seite des Hauses stand frei; ein Fußsteig schlängelte sich an ihr Berg an, durch ein kleines Gehölz zu einem Hügel, der auch mit Wein bepflanzt, in guten Jahren eine ziemlich reiche Erndte versprach. Noch gehörten Wiesen und Aecker zu diesem Gut, welches Alles bei Corneliens Uebernahme vortheilhaft verpachtet wurde; ausgenommen der Garten, den sich Albina zur Bestellung vorbehielt. Hier trat die Kinderzeit mit süßer Magie ganz vor ihre Seele und sie lebte mit ihren ersten Gespielen mit den Blumen wieder in alter Vertraulichkeit, pflegte sie mit großer Sorgfalt und hatte bald in ihrem Glashause Seltenheiten, welche ihr den Besuch vieler Fremden und Einheimischen verschafften, wo sie durch manchen vortheilhaften Verkauf Gewinn erhielt. Vorzügliche Pflege wiedmete sie der Laube, damit das Jelänger Jelieber in Ueppigkeit an ihr empor wuchs und auf ihren Nelkenflor, der bald jeden andern übertraf, so wie auf einige Granatenbäume, welche mit Blüthen, in die Farbe der Wahrheit getaucht alljährlich in Fülle prangten. Auch in ihrem Zimmer durften in der Blumenwase jene 3 Gattungen ihrer Pfleglinge nicht fehlen; denn Albina ließ sich so gerne durch sie an den Augenblick erinnern, in dem sie Langenheims kennen gelernt hatte und der so entscheidend für ihr Leben war. Doch wir wollen nun auch in das Innere des Landhauses, wo unsere Albina ferner leben soll tretten und es näher beschauen.

Es war eine liebliche, geräumige und bequeme Wohnung, wo überall die höchste Reinlichkeit herrschte, wo die gefällig geformten und sauber gehaltenen Meubeln, die fehlende Kostbarkeit ihres Werthes vergessen machten, und wo man überall die Spuren der feinen Bildung und nützlichen Thätigkeit der Bewohner wahrnahm. So war z. B. im Erdgeschoß ein freundliches Zimmer, durch welches man in den Garten gehen konnte. Hier hielten sich Mutter und Tochter größtentheils in der bessern Jahreszeit auf. Es war einfach meublirt und Tisch und Stühle hatten die Farbe der Bäume und Gesträuche, welche durch die Fenster nickend, liebliche Kühle in dem Gemach schufen. Doch die sinnig geordneten Töpfe mit aufgeblühten Blumen, die Albinens Sorgfalt der brennenden Sonnenhitze entzog, verbreiteten in dem Zimmer herrliche Wohlgerüche und gaben dem Ganzen das Ansehen eines Tempels der Göttin Flora. Im obern Stockwerk war ausser den gewöhnlichen Gemächern ein geräumiger Saal. Ein schöner Flügel, eine Guittarre, ein Bücherschrank, hinter dessen Glasfenster man die Namen der besten Werke, alle in ein gleiches Gewand von englischem Leder gehüllt, lesen konnte, und ausgesuchte treffliche Kupferstiche unter Rahm und Glas waren darinnen zu finden. Auch im Gastzimmer war für die Unterhaltung des gern Beherbergten durch ein kleines Repositorium mit einigen interessanten Büchern gesorgt; schwellende Kissen mit glänzendem Weis bezogen, luden zur behaglichen Ruhe ein; ja auch hier, war Reinlichkeit und Anstand zu finden, wie in jedem Theil des Hauses. Den Hofraum umgaben Oeconomie-Gebäude, nemlich die Wohnung des Pächters, seine Stallungen, Scheuren u. s. w. es fehlte nichts was zur Bequemlichkeit und zum Vortheil der Besitzer gehörte.

Cornelia fühlte sich unbeschreiblich glücklich im Besitz dieses Eigenthums und durch die, von ihrer ehemaligen nun so ganz verschiedenen Lebensweise. Ordnung, Einfachheit und Ruhe, und dennoch hohe Genüsse waren mit ihr verbunden; und an der Seite ihrer Albina erhielt alles noch mehr Werth für sie.

Nur Theresen, der Schöpferin ihres Glücks, gestand sie zuweilen, wenn sie feurig ihre Lage prieß: „daß noch ein Wunsch in ihrer Seele lebe, nemlich der: von Rombergs Schicksal etwas zu erfahren;“ und bei solchen Aeußerungen fielen oft auf Theresens Hand, die sie an ihr pochendes Herz drückte, große Thränen.

Albina war auch hier in ihrer neuen Sphäre wieder unermüdet thätig. Sie wußte, daß die Mutter Langenheims Schuldnerin war und so gerne sie sich den edlen Menschen verpflichtet fühlte: so glaubte sie doch höchst undankbar zu handeln, wenn sie nicht das, was in ihrer Macht stand anwenden wollte, um von der Güte der theuern Freunde nicht zu lange Gebrauch zu machen, was in ihren Augen Misbrauch schien.

Die Mutter hatte ihr gleich Anfangs das Haus-Regiment übergeben, da sie durch ihre ehemaligen Verhältniße verhindert sich wenig häusliche Kenntniße erwerben konnte und dieselben sich erst nach und nach zu eigen zu machen im Stillen sich vornahm. Albinens feines Gefühl wußte es aber so zu wenden: als sey es für die Mutter eine Last, die sie ihr freudig abnehmen wolle; sie unternahm nichts ohne Beistimmung Corneliens, verstand es aber immer so vorzutragen, daß Jene gegen ihre klugen Einrichtungen nichts einwenden konnte. Alle zielten dafür ab, zu ersparen, zu gewinnen, ohne zu geitzen, oder es den Dienenden und Hülfsbedürftigen zu entziehen.

Auch schämte sie sich nicht, ihre Fertigkeiten in weiblichen Arbeiten jetzt für sie einträglich zu machen. Sie bemühte sich immer die neuesten Mode-Arbeiten, von deren Erscheinen sie durch Theresen sogleich in Kenntniß gesetzt wurde, schnell nachzufertigen und dies trug ihr viel Geld ein. Cornelia, welche Verstand genug besaß, sich überall bald zurecht zu finden, lernte Albinen ihre Vortheile ab und beide beeiferten sich nun um die Wette, recht viel auf solche Weise zu verdienen.

Therese freute sich, so oft sie ihre Freundinnen besuchte, mit Dank gegen Gott ihres gelungenen schönen Werks und wurde jedesmal von jenen mit der dankbarsten Verehrung und Liebe begrüßt. Durch ihr offenes, kluges und liebevolles Betragen brachte sie es dahin, daß die Scheidewand fiel, welche bisher noch immer trennend zwischen ihrem Gatten und Cornelien stand. Sie näherten sich einander herzlich und ruhig, das gegenseitige volle Vertrauen beugte jedem gefährlichen, leidenschaftlichen Gefühl vor und jedes fand sich befriedigt im ungestörten Besitz einer Neigung, welche Vorzüge und Pflicht einflößten und erlaubten.

Der Ruf von dem freundlichen Landhaus und seinen achtungswerthen Besitzerinnen verbreitete sich sehr bald und sie wurden fleißig heimgesucht. Bald wünschte man Albinens Treibhaus zu sehen, bald ein seltenes Gewächs zu kaufen, bald wurde eine künstliche Arbeit bestellt. Wer nun kam, gieng immer äusserst befriedigt hinweg und erzählte hie und da von der lieblichen Wohnung, von der gebildeten Mutter, von der liebenswürdigen Albina. Auch die Aufmerksamkeit der vorüberfahrenden Fremden (es führte die Poststrasse an dem Garten vorbei) zog das Ganze oft auf sich.

An einem schönen Sommer-Abend saß Cornelia und Albina im Garten-Zimmerchen an einer Stickrahm. Ein Ofenschirm war seiner Vollendung nahe, auf welchem die Kunst einen Korb voll Blumen hingezaubert hatte, von denen jede der Natur abgeborgt schien. „Glaubst du nicht Mütterchen, daß hier noch eine Lücke ist, welche dort jene Moosrose gut ausfüllen würde?“ frug Albina, die Stickerei bald näher, bald von der Ferne betrachtend, und das blonde Köpfchen dabei hin und her wiegend. „Sie kann sich zwischen der Nachtviole und der kleinen Rosette gut ausnehmen,“ erwiederte Cornelia, „doch pflücke keine von dem Blumentopf,“ setzte sie hinzu, als Albina im Begriff war dies zu thun; „im Garten, nahe an der Laube sah ich vorhin eine Blüthe, die noch halb in der Knospe mir malerischer dünkt.“ Albina eilte durch die offene Thüre in den Garten und pflückte die Blume. Im Rückweg, als sie an dem schwarzen Gatterthor vorbei gieng, durch welches man von der Fuhrstraße herein kam, erblickte sie an demselben einen Fremden mit zwei allerliebsten Mädchen von 6 und 8 Jahren, alle in Trauer gekleidet, welche den Garten zu betrachten schienen. Albina öffnete sogleich das Thor und erfreute Jene durch das mit ihrer liebenswürdigen Freundlichkeit geäußerte Anerbieten: einzutretten, welches auch sogleich dankbar benützt wurde. „O wie schön ist es hier!“ riefen die Kinder und klopften in die Hände. Sehr, sehr schön stimmte der Vater bei, und ihm — einem großen Botaniker fiel sogleich das Treibhaus in die Augen. Albina führte sie hin und zeigte einige seltene Gewächse, wobei sie sehr geläufig die Namen, so wie die Eigenschaft jeder derselben zu nennen wußte.

Baron Kronthal (so hieß der Fremde) sah und erfuhr hier selbst Manches, was ihm noch unbekannt war und schien so unendlich erfreut darüber, daß Albina trotz seiner Lobsprüche, womit er sie überhäufte, diesmal doch mehr ihrer Gutmüthigkeit, als ihrer Bescheidenheit Gehör gab und alle ihre Schätze ihm vorstellte. Dann führte sie die Fremden zur Mutter und nachdem man sie begrüßt hatte, zogen die Kinder, die schon ganz vertraulich mit Albinen plauderten, dieselbe jubelnd zu einem zahmen Canarienvögelchen, das bald in den nahstehenden offenen Käfig hinein hüpfte, bald wieder heraus flatterte und sich auf den Blumenkronen wiegte; sie waren unbeschreiblich glücklich als Albina etwas Futter in ihr Händchen streute und der zahme Pipi dasselbe wegpickte. Der Baron unterhielt sich unterdessen sehr befriedigend für ihn mit Cornelien. Die kunstvolle Arbeit wurde auch nach Verdienst bewundert und ein auf der Stickrahm aufgeschlagen liegendes Buch (es war: die Bilder des Lebens von Ehrenberg) in welchem Albina Cornelien kurz vorher vorgelesen hatte, bestärkte Kronthal in seiner, von Mutter und Tochter gefaßten vortheilhaften Meinung, denn während Erstere Albinen den Auftrag ertheilte, eine kleine Erfrischung zu holen, konnte er den Reiz nicht widerstehen in das Buch hinein zu schauen und fand von einer niedlichen Frauenhand niedergeschriebene geist- und gefühlvolle Bemerkungen über mehrere intereßante Stellen in dem erwähnten Buch. Die Mädchen baten schmeichelnd, daß sie Albinen begleiten dürften. In der Zeit machte Kronthal Cornelien mit der Absicht seiner Reise bekannt: Er hatte nemlich das Unglück vor einigen Wochen die Gattin, die treue Mutter seiner Kinder durch den Tod zu verlieren und unfähig auf dem einsam gelegenen Gut, das er bewohnte, letztern die gehörige Erziehung geben zu können: wollte er sich in der Residenz nach einer Anstalt erkundigen, welcher er seine Töchter anvertrauen könnte; allein setzte er hinzu: „Was ich hier sah und hörte wird mein Urtheil, meine Forderungen steigern. Warum; o warum machen Sie Ihr schönes Leben nicht gemeinnütziger? warum sorgt Ihre liebenswürdige Tochter für leblose Pfleglinge, indem Ihre Wohnung eine wohlthätige Pflanzschule für junge Gemüther werden könnte, worin der Natur die hülfreiche Hand geboten und köstliche Früchte gezogen werden würden.“ — Cornelia schien nachdenkend. — Der Baron fuhr fort. „Könnten Sie sich entschließen, einen bekümmerten Vater die große Sorge für seine geliebten Kinder abzunehmen — ich würde mit Freuden jede Ihrer Forderungen befriedigen und mein Dankgefühl würde unauslöschlich seyn.“ Indem trat Albina mit den Kleinen in das Zimmer. Sie hatten ihr Alles abgenommen, um nur von ihrer Hand geführt zu werden und trugen — die Eine ein zierliches Körbchen mit Apricosen und Frühbirnen, die Andere einen Teller mit mürbem Brod. „Aurelia! Sidi!“ rief der Vater ihnen zu, „wie gefällts euch hier?“ „ach so wohl, so wohl“ erwiederten beide, „daß wir immer hier bleiben möchten!“ — „überall ist so freundlich, so lieb, ich fühle mich ganz heimisch hier,“ sagte Sidi. Aurelia die Aeltere klagte: „So wirds nicht in der Anstalt seyn, wo Du uns hinbringen willst guter Vater“ — sie schlang ihren Arm um seinen Nacken und fuhr fort — „dort werde ich viel und lange weinen, wenn Du von uns weggehst, hier aber glaube ich, könnt’ es mit ein paar Thränchen vorübergehen; mir ist so wohl, so wohl, als wenn noch die Mutter bei mir wäre“ hier lief sie vom Vater weg zu Albinen; barg ihr Gesichtchen an den Busen derselben, und weinte sanft.

„Albina“ — sagte Cornelia — „dieser Freund hier schenkte uns ein Vertrauen, diese holden Kinder eine Liebe, welches beides unsere dankbare Anerkennung fordert: ich denke aber, wir können jene uns ehrenden und beglückenden Aeusserungen in die Zukunft dadurch rechtfertigen, wenn wir mit gewissenhafter Treue die Erziehung und Ausbildung dieser theuern Wesen übernehmen und besorgen.“

Albina, das Blumenmädchen

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