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1. Kapitel Zacharias

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„Zacharias? Komm schon mein Hübscher, mach die Augen auf! Oder ich werde dir Schmerzen zufügen, sodass du keine andere Wahl hast, als mir zu gehorchen.“

Viktors dunkle, hartnäckige Stimme erreichte mich in meinem Losgelöstsein und raubte mir die vollkommene Zufriedenheit, in der ich mich befand. Er holte mich aus meiner Euphorie zurück und befahl mir, mich wieder gnadenlos dem Hier und Jetzt zu stellen.

Wie konnte er nur so grausam sein?

Zuerst ließ er mich alles vergessen, trieb mich mit Qualen, Schmerz und Leidenschaft in unbeschreibliche Höhen, nur um mich dann wieder von dort wegzureißen.

Müde drehte ich mich zur Seite, schob meine Hände unter den Kopf und rollte mich zu einer Kugel zusammen. Ein straffer Zug um meinen Hals hinderte mich allerdings daran und benommen tastete ich danach. Ich spürte kaltes Leder und irgendwie wusste ich, dass es da etwas gab, das ich erfolgreich verdrängte hatte. Bis jetzt.

„Zacharias!“

Ein strenger, kalter Befehl, der mir einen Schauer über die Haut jagte. Der mich unbarmherzig daran hinderte mich in meine Träume zu flüchten, in denen ich mich so gerne verlieren würde. Plötzlich spürte ich die Berührung von Fingern. Wie sie über meine nackte Brust strichen, höher wanderten und fast sanft meine Wange berührten.

Langsam kam die Erinnerung und ich verfluchte Viktor dafür, das er es mir nicht gönnte noch ein bisschen länger, dieses losgelöste Gefühl zu genießen. Er hatte mich gefickt, bis ich alles um mich herum vergessen hatte. Viktor hatte so viel gefordert, dass ich nur zu gerne losgelassen hatte und jetzt?

Jetzt holte er mich wieder in die kalte Wirklichkeit zurück. Verlangte von mir, die Augen zu öffnen und der unumstößlichen Wahrheit zu begegnen. Wieder einmal!

Wie oft hatte er das schon getan, seitdem wir nach Kassathor zurückgekehrt waren?

Mit Viktor Spaß zu haben, war alles, was mich im Moment davon abhielt durchzudrehen.

Warum konnte er mich nicht einfach wieder ficken, damit ich wieder dieses Losgelöstsein spüren konnte?

Damit ich alles vergessen konnte, was außerhalb dieses Bettes existierte und so verflucht falsch war.

Viktors Hand verschwand von meiner Wange, nur um mein Kinn zu ergreifen und meinen Kopf zu sich umzudrehen.

„Lass mich!“, zischte ich und neue Wut erfüllte mein Innerstes.

Wut auf Viktor, der mich hier festhielt, der seine Drohung mich anzuketten wahr gemacht hatte. Wut auf Akesh, der Ellysa mit sich genommen hatte und uns wie Abschaum unserem Schicksal überlassen hatte und Wut über mein eigenes Unvermögen, irgendetwas dagegen unternehmen zu können.

„Ich werde dich in Ruhe lassen, wenn du die Augen aufmachst!“

Der Griff um mein Kinn wurde fester und ich spürte, wie Viktors dämonische Aura dunkler wurde.

Schön, ich konnte ihn also genauso reizen wie er mich!

„Ich weiß was du vorhast Zacharias und du weißt, das es bei mir nicht wirkt. Wenn du also nicht das warme Bett gegen die kalte Wand tauschen willst, dann rate ich dir, auf mich zu hören.“

„Als ob es einen Unterschied macht, wo du mich ankettest!“, meinte ich Zähne knirschend, öffnete dennoch widerwillig die Augen und funkelte den Dämon neben mir böse an.

Ein teuflisches Lächeln zeigte sich auf seinem Gesicht und ich konnte nicht anders, als das hinreißende Muskelspiel seines nackten Oberkörpers zu betrachten, als er sich näher zu mir beugte.

„Sei brav, immerhin habe ich dir die Bannsiegel abgenommen.“

„Ja, nur um mir dieses Halsband anzulegen!“

„Ich hatte dich gewarnt keine Dummheiten zu machen.“

Viktors Lippen senkten sich auf meine und erstickten meinen aufkeimenden Protest. Er wusste genau, wie er mir den Wind aus den Segeln nehmen konnte. Sein Kuss wurde tiefer, hungriger und ich konnte mich nicht länger zurückhalten und schlang meine Arme um seinen Nacken um ihn näher zu ziehen. Sein atemberaubender Körper an meiner nackten Haut fachte erneut das schwelende Feuer in mir an. Seit wir nach Kassathor zurückgekehrt waren, verbrachten wir die meiste Zeit ihm Bett. Das hieß, eigentlich war Viktor derjenige, der es überhaupt verlassen konnte.

Der Bastard hatte seine Drohung wahr gemacht und mich mit einem mit Dämonenmagie verstärkten Lederhalsband, an einer ziemlich kurzen Leine, ans Bett gekettet.

Dabei hatte ich mich benommen!

Ich hatte weder jemanden umgebracht, noch angegriffen – noch nicht.

Ich hatte mich nur aufgeführt wie ein Irrer und gewütet wie eine Bestie. Zum Glück hatten sich Kassathors Bewohner in ihren Löchern verkrochen, denn ich hätte wahrscheinlich nicht einmal vor ihnen Halt gemacht.

Viktor wusste, dass wenn er mich hier nicht festhielt, ich Hals über Kopf in die Verdammten Reiche zurückkehren würde, um Akesh mit bloßen Händen zu erwürgen. Das Problem war nur, das es schwierig war, lebendig in die Verdammten Reiche zu gelangen, wenn man keine persönliche Einladung von Akesh oder ein verfluchtes Tor besaß. Unser verfluchtes Tor hatte Ysa unglücklicherweise versiegelt und weder ich, noch sonst irgendjemand in Kassathor, konnte es öffnen.

Viktor unterbrach unseren Kuss und richtete sich etwas auf.

„Sehr schön, ich habe wieder deine uneingeschränkte Aufmerksamkeit.“

Ich hörte die Belustigung in seiner Stimme und verzog den Mund.

„Warum bringst du mich erst in diesen Zustand, wenn du es mir nicht gönnst?“

Viktors Augen verdunkelten sich und er stand auf.

„Zacharias ich ficke dich, weil ich nicht genug von dir bekommen kann. Mir wäre es am liebsten du würdest dieses Bett überhaupt nicht mehr verlassen. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass du dich mir so hingeben könntest. Dass ich alles mit deinem Körper anstellen kann, was ich will. Es gibt nichts Begehrenswerteres, als dich in diesen Zustand der Losgelöstheit zu sehen, aber je länger du dich in diesem Zustand befindest, umso schwerer wird es dir fallen zurückzukommen. Ich weiß, was für ein machtvolles Gefühl das sein kann, wenn deine erfüllte Lust dich in Trance versetzt und du alles um dich herum vergisst.“

„Das ist dein wahres Ziel. Du willst das ich meinen Plan vergesse Akesh den Kopf abzureißen.“

„Ich will nur verhindern, das du die gleichen Fehler wie früher begehst. Damals habe ich bei deinen kleinen Aufständen gegen Akesh nur zugesehen, aber jetzt werde ich das nicht mehr.“

„Kleine Aufstände?“, fauchte ich und setzte mich hin.

Am liebsten wäre ich aufgesprungen, aber Halsband und Kette hinderten mich gekonnt daran.

Viktors Grinsen wurde breiter und ich stieß einen Fluch aus. Wütend beobachtete ich, wie er in seine Hose schlüpfte und sich durch sein kurzes Haar fuhr.

„Überlasse es mir, Kontakt mit Akesh aufzunehmen.“

„Und du denkst, er antwortet dir? Er hat uns in Keross mit einer Horte wütender Magier zurückgelassen!“

Viktors Blick verdunkelte sich, als er nach seiner Tunika griff.

„Er wird seine Gründe gehabt haben.“

„So wie immer!“, rief ich zornig und ballte hilflos die Fäuste.

Die Kette klirrte leise und Viktor hob eine Augenbraue. Sein dunkler Blick verschlang mich und mit zwei Schritten war er bei mir, schob seine Hand in meinen Nacken und küsste mich besitzergreifend.

„Wenn du so wütend bist, könnte ich dich sofort wieder nehmen“, murmelte Viktor amüsiert.

Ich biss ihm in die Lippe, woraufhin ein dämonisches Funkeln in seinen Augen auftauchte. Ich sah die schwarzen Bluttropfen auf seinem Finger, als er darüber strich und einen Schritt zurücktrat.

„Wir werden später genau an dieser Stelle weiter machen mein Hübscher.“

Er drehte sich um, schnappte sich seinen Mantel und ging zur Tür.

„Verflucht Viktor! Wie lange willst du mich noch hier fest ketten? Viktor!“

Ich hörte, wie die Zimmertüre ins Schloss fiel und krallte meine Finger wütend in die Laken. Dieser Bastard hatte mich ohne ein weiteres Wort alleine gelassen. Unwillig ließ ich mich zurückfallen und starrte die Decke über mir an.

Wie lange sollte es noch so weiter gehen? Wie viel Zeit musste noch verstreichen, bis wir endlich zu Ellysa konnten?

Glaubte Viktor wirklich, Akesh würde uns in die Verdammten Reiche zurückkehren lassen, ohne etwas dafür zu fordern?

Ich legte einen Arm über die Augen und nur all zu deutlich wurde mir meine Hilflosigkeit bewusst. Zwölf Wochen waren vergangen, seit Ysas schwarze Seele einen Teil Keross verschlungen hatte. Zwölf Wochen seit sie verschwunden war, seit sie Akesh mitgenommen hatte. Zwölf Wochen, in denen ich nicht einmal wusste, ob sie überhaupt noch lebte. Ich hatte versagt.

Damals, vor all den Jahren,hatte mich Akesh zu Ellysa gesandt, um ein Auge auf sie zu haben, damit ihm die Seelen des Gleichgewichts nicht wieder entwischten. Meine anfängliche Strafe hatte sich nach und nach in mein neues Leben verwandelt, in ein Leben, das so anders war als in den Verdammten Reichen und nun auf gar keinen Fall wieder missen wollte. Vor allem wollte ich Ysa wieder an meiner Seite! Ich hatte gesehen, wie Akesh seine Hand nach ihr ausgestreckt, wie er sie mitgenommen hatte, umhüllt von reinster Finsternis.

Ysas schwarze Magie hatte Akeshs Anwesen den Erdboden gleichgemacht, genauso wie das ganze Stadtviertel. Hunderte waren gestorben und ich wollte mir nicht einmal ausmalen, wie ihre schwarze Seele triumphiert hatte.

So schwer es mir auch fiel, so musste ich mir doch andererseits eingestehen, das Akesh richtig gehandelt hatte. Hätte er Ysa nicht aufgehalten, so hätte sich ihre Zerstörungskraft noch weiter ausgebreitet. Das Einzige das ich nicht akzeptieren konnte war, dass er sie von mir fortgerissen hatte. Er hätte sie doch auch wieder nach Kassathor bringen können. Sie wäre hier sicher gewesen.

Ich rollte mich auf die Seite und wieder klirrte die Kette leise. Ich konnte regelrecht hören, wie mich das Schicksal hämisch auslachte.

Keross war unser aller Untergang gewesen. Wir waren zur schwarzen Magiergilde gegangen, um ein paar Antworten zu bekommen. Nun, zumindest hatten wir das vorgehabt. Eine unbestimmte Vorahnung hatte uns aber zögern lassen und das war unser Glück. Aus der Ferne sahen wir wie das Stadtviertel, indem sich die schwarze Magiergilde befand, dem Erdboden gleichgemacht wurde. Wie es unaufhaltsam in Dunkelheit versank und nichts mehr davon übrig blieb. Das Schicksal hatte uns seine dunkelste Seite offenbart. Wir kehrten nach Kassathor zurück, ohne Ellysa und ohne Hoffnung. Ich fühlte mich wie erstarrt und dieses Gefühl war in all den Wochen nicht gewichen. Einzig Viktor wusste wie er mich aus der Spirale von Entsetzen, Trauer, Hilflosigkeit und Wut herausreißen konnte.

„Hey Zacharias?“

Aus meinen Gedanken gerissen setzte ich mich erschrocken auf und blickte in Kyrans silbrige Augen.

„Was tut ihr hier? Wenn euch Viktor hier findet seit ihr wieder im Verlies“, murrte ich und zog mir eine der Decken über meine Blöße.

„Als ob es dort schlimmer sein könnte als hier“, entgegnete Kyran mit einem Schulterzucken.

„Du musst endlich etwas unternehmen!“

Mein Blick huschte zu Ayaz, der neben seinem Bruder aufgetaucht war.

Ich verzog missmutig den Mund und ließ mich zurückfallen. Der Tag wurde anscheinend noch schlimmer als gedacht. Die Anwesenheit der Zwillinge verschlechterte meine eh schon miese Laune gewaltig.

„Ihr wisst genau, dass ich das nicht kann.“

„Du kannst! Du hast nur Angst vor dem, was du finden könntest! Bist du nur Viktors Spielzeug oder mehr als das?“

Ich ballte wütend meine Finger und verkniff mir ein Knurren. Die Dämonenbrüder trafen genau ins Schwarze. Eine Tatsache, die ich niemals zugeben würde. Ich hatte wirklich Angst davor aus diesem Bett zu steigen. Meine Wut würde mich zwar vorantreiben, würde mich handeln lassen, egal welche Konsequenzen es nach sich ziehen würde, aber sie war eben nicht das einzige, was ich tief in mir drinnen verspürte. Sondern da war noch diese kalte Angst davor, was ich finden würde, wenn ich nach Ysa suchte. Ich müsste zurück in die Verdammten Reiche und müsste mich meiner Vergangenheit stellen. Meinem Vater, meiner Familie und notgedrungen auch Akesh.

„Wir wissen nicht ob Ellysa noch die ist, die uns verlassen hat.“

„Warum sollte sie es nicht sein?“, fragte Ayaz und hielt sich am Arm seines Bruders fest.

„Ihr wisst doch, was Akesh mit den Seelen des Gleichgewichts tun muss. Er muss sie versiegeln, nur deshalb hat er Ellysa mitgenommen. Sie wird nicht mehr dieselbe sein.“

„Das weißt du nicht mit Sicherheit! Wir brauchen die Meisterin hier in Kassathor oder alles wird auseinander brechen! Es breitet sich Unruhe innerhalb der Mauern aus. Nicht mehr lange und es wird Blut fließen.“

Kyran kletterte auf das Bett und funkelte mich aufgebracht an. Ein kalter Schauer jagte über meine Haut, als ich direkt in seine silbrigen Seen sah.

„Viktor wird für Ruhe sorgen.“

„Ach und wie lange? Glaubst du, der Meisterin würde es gefallen, wenn sie wüsste, dass sich die Bewohner untereinander abschlachten. Nur ihre Anwesenheit hat sie bisher davon abgehalten. Selbst Najem überlegt Kassathor zu verlassen. Seit Leahs und Jarons Tod ist er kaum wiederzuerkennen. Er gibt sich die Schuld daran, dass er sie nicht retten konnte. Warum redest du nicht einmal mit ihm? Wir brauchen ein paar gute Seelen innerhalb dieser Mauern.“

„Fürchtest du dich davor noch mehr in der Dunkelheit zu versinken?“, stichelte ich halbherzig und erntete daraufhin einen Faustschlag auf meine Brust.

Wütend fing ich Kyrans Arm ein, als er mich erneut schlagen wollte.

„Vorsicht kleiner Dämon! Nur weil ich an dieser Kette hänge, heißt das nicht, das ich dich nicht in Stücke reißen kann.“

Wütend ließ ich ihn los und setzte mich auf. Kyran wich etwas zurück, blieb aber auf dem Bett sitzen.

„Anscheinend hast du deinen Kampfgeist doch noch nicht verloren“, murrte er und starrte auf die Decken vor sich.

Ich verstand seinen Missmut und erkannte auch einen Teil Angst und Hilflosigkeit darin. Mir erging es schließlich nicht anders.

Ysa hatte diesen ganzen Abschaum zusammen gehalten. Sie hatten sie gefürchtet und respektiert. Aber selbst wenn sie wieder hier sein würde, zweifelte ich daran, das sie noch die Macht hätte, sie wieder alle unter Kontrolle zu bekommen. Akesh würde niemals zulassen das die Seelen des Gleichgewichts weiter frei herumliefen.

Und die Frage war, ob Ysa mit nur einer Seele mächtig genug wäre Kassathors Thron zu besteigen? Wohl eher nicht.

„Was hast du nun vor?“

Ich sah zu Ayaz der ein genauso ungewöhnlich ernstes Gesicht machte wie sein Bruder. Ich stieß ein resigniertes Schnauben aus und zog prüfend an der Kette.

„Ich werde mit Viktor reden.“

Kyran lachte genervt und stand auf.

„Dann weiß ich jetzt schon wie es endet. Er wird dich genauso wie die letzten Wochen gefügig und schweigsam machen.“

„Du kleiner …“

„Ist es nicht so?“, rief Kyran aufgebracht und stemmte die Hände in die Hüften.

„Falls es dir entgangen ist, ich bin nicht freiwillig hier angekettet!“

„Das ist der Grund, warum du nicht endlich handelst?“, stieß Kyran ungläubig hervor.

„Warum legst du es nicht einfach ab?“, fragte Ayaz.

Ich zählte innerlich bis drei, um ruhig zu bleiben, denn die beiden brachten mich zur Weißglut.

Glaubten sie wirklich ich würde freiwillig drei Wochen in einem Bett angekettet bleiben?

Ich hatte nicht die Macht dazu Viktors dämonische Magie aufzulösen, die das Lederhalsband um meinen Hals verschloss und mich somit hier festhielt.

„Erledigt!“

„Was?“

Mit einem ungläubigen Fluch drehte ich mich zu Kyran um. Er hielt das Ende der Kette in seiner Hand, an dessen Ende das braune Lederhalsband baumelte. Fassungslos langte ich an meinen Hals und spürte dort – nichts.

„Wie …“

„Du als Wolf der Verdammten Reiche kannst vielleicht Viktors dämonische Magie nicht lösen, aber ich bin ein Dämon und diese Magie war wirklich äußerst einfach gewirkt.“

Kyran sprang vom Bett und griff nach der Hand seines Bruders.

„Was ist jetzt? Hindert dich noch irgendetwas daran unsere Meisterin zurückzuholen?“

Mit knirschenden Zähnen stieg ich aus dem Bett. Viktor würde toben und es wunderte mich, das die Zwillinge wirklich dafür bereit waren, Viktors Zorn auf sich zu ziehen, nur damit ich Ysa suchen konnte.

Ich ging zu dem großen Sessel neben dem Kamin, auf dem Viktor fein säuberlich meine Kleider hingelegt hatte.

Wie viele Wochen hatte ich sie schon nicht mehr getragen? Viel zu lange!

„Habt ihr euch dann auch überlegt, wie ich Viktor nicht in die Arme laufe? Ich glaube nämlich nicht das er sehr begeistert ist mich außerhalb seines Bettes anzutreffen.“

„Viktor ist zur Schlucht geritten“, antwortete Ayaz und sah mir beim Anziehen zu.

Von Anstand hatten die beiden Dämonen wohl noch nichts gehört.

„Was will er da?“

„Nach Feinden Ausschau halten“, meinte Kyran locker und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.

„Nach Feinden?“, fragte ich irritiert und verharrte mit einem Bein in der Hose und dem anderen in der Luft.

„Es werden immer wieder Magier am Eingang zur Schlucht und in den Bergen gesichtet. Viktor will nicht, das wir unvorbereitet überrascht werden.“

„Er befürchtet also einen Angriff?“

„Ja, sie sind anscheinend hinter der Macht der Meisterin her.“

Meine Augen huschten zu den obsidianfarbenen Steinen der Mauer.

Welch gewaltige Macht ihrer schwarzen Magie steckte wohl wirklich in Kassathors Mauern? Wäre überhaupt ein einzelner Magier stark genug sie aufzunehmen?

Warum hatte mir Viktor nichts von den drohenden Angriffen erzählt?

Ich verfluchte ihn im Stillen und verließ das Zimmer. Sofort überkam mich ein ungutes Gefühl, als ich in den kalten Korridor trat. Ich beeilte mich zu der Treppe zu gelangen, die nach oben führte. Zum wiederholten Male fragte ich mich, was Viktor und dem restlichen Gesindel hier in den untersten Ebenen von Kassathor so gut gefiel, das sie hier ihr Quartier bezogen. Ysas und meine Räume in den obersten Etagen waren viel bequemer und vor allem wärmer.

„Könnt ihr mir sagen, wo Najem gerade ist?“

Ayaz schüttelte den Kopf und Kyran zuckte mit den Schultern.

„Warum? Seit Leahs und Jarons Tod ist er zu nichts mehr zu gebrauchen.“

„Ich will, das er mich begleitet. Wenn er sowieso überlegt Kassathor zu verlassen, dann kann er gleich mit mir kommen.“

„Wo willst du überhaupt hin? Ich meine, Akesh beherrscht die Tore in die Verdammten Reiche. Wie willst du unsere Meisterin retten, wenn du noch nicht einmal dorthin kommst“, wollte Ayaz wissen.

„Lasst das nur meine Sorge sein. Ihr wolltet doch das ich Ellysa zurückhole.“

Ich würde den beiden bestimmt nicht erzählen, das wir Wölfe unser eigenes Tor besaßen. Am Schluss würden sie nur auf dumme Ideen kommen und mein Vater würde mich bestimmt einen Kopf kürzer machen, wenn ich zwei Tunichtguten den Zugang in die Verdammten Reiche verraten würde. Akesh hatte meinem Vater das Tor überlassen, damit dieser hin und wieder seinen menschlichen Gelüsten nachgehen konnte, denn Glücksspiel und das Handeln mit begehrten Waren, suchte man in den Verdammten Reichen vergebens. Das ich dafür durch das halbe Land reisen musste um zu diesem Tor zu gelangen, war etwas anderes.

Ich erreichte die letzte Treppenstufe und stand in der Eingangshalle. Wie von selbst fiel mein Blick auf das versiegelte Tor und wie immer konnte ich den leichten Hauch der Aura der Verdammten Reiche wahrnehmen. Ysa hatte dieses Tor verabscheut und jetzt war sie selbst an diesen furchtbaren Ort dahinter gefangen.

„Zacharias? Hey Zacharias!“

Ich zuckte bei Rieels lauter Stimme zusammen und wirbelte zu ihm herum.

„Rieel musst du so schreien?“

„Du brauchst keine Angst haben, Viktor ist noch unterwegs“, meinte er mit einem Grinsen und kam auf mich zu.

Warum gingen alle davon aus, das ich vor Viktor Angst hatte, oder mich vor ihm rechtfertigen musste?

„Ich weiß, das er nicht hier ist! Du hast mich einfach überrascht“, murmelte ich leise.

Rieel trug wie üblich seine schwarze Kleidung, doch irgendetwas war anders. Und dann mit einem Mal roch ich es – Blut!

„Verdammt, was ist passiert?“, rief ich und packte ihn am Ärmel.

Rieel sah mich nur verständnislos an und auch die Zwillinge beobachteten mich argwöhnisch.

„Geht es dir gut?“, frage Rieel ehrlich besorgt und musterte mich nun genauer.

„Ja verflucht! Ich meine, warum ist deine Kleidung mit Blut getränkt?“

Ein verstehender Ausdruck erschien auf Rieels Gesicht und er verzog den Mund.

„Ach das meinst du! Ja, es geht mir gut. Das Blut ist nicht von mir.“

„Sondern?“, fragte ich lauernd.

Rieels Blick huschte zu den Zwillingen, die ungewöhnlich still waren.

„Wie viel habt ihr ihm erzählt?“, fragte Rieel streng und verengte die Augen.

Während Ayaz schuldbewusst den Kopf senkte, streckte Kyran Rieel die Zunge heraus.

„Wir haben ihn nur auf den neusten Stand gebracht. Was ist so schlimm daran? Selbst dem Wolf wird irgendwann die Unruhe in Kassathor und die Magier, die uns beobachten und ihre Kreise immer enger ziehen, auffallen. Ihr tötet einen von ihnen und es kommen doppelt so viele wieder. Wie lange wollt ihr noch so weiter machen? Es wird Zeit Zacharias aus seinem Selbstmitleid hauszuholen! Er ist vielleicht der Einzige, der unsere Meisterin zurückbringen kann. Viktor kann hier nicht weg, genauso wenig wie du. Es gibt niemanden, außer dem Wolf, der die Meisterin zurückholen könnte. Akesh wird ihm vielleicht wenigstens erst anhören, bevor er ihn umbringt.“

Ayaz verstummte und ich stöhnte innerlich auf. Ich hatte nie behauptet mit Akesh reden zu wollen.

„Du willst zu Akesh? Ich dachte, du gehst ihm schon seit Jahren aus dem Weg. Weiß Viktor von deinem Plan?“, fragte Rieel und fuhr sich aufgebracht durch die Haare.

„Nein! Und nein, ich habe nicht direkt vor zu Akesh zu gehen“, entgegnete ich ausweichend und steuerte auf die Treppe zu, die in die oberen Stockwerke führte.

„Das soll heißen?“, fragte Rieel und eilte mir hinterher.

Verdammt, ich wusste, dass er nicht locker lassen würde. Aber genauso wie den Zwillingen konnte ich auch Rieel nichts von dem privaten Tor der Wölfe erzählen. Dämonen und Assassinen gehörten für meinen Vater zum selben Schlag.

„Können wir es einfach dabei belassen, das ich versuchen werde Ellysa zurückzuholen?“

„Das ist ja schön und gut, aber ich halte es für einen Fehler Viktor nichts davon zu sagen.“

Rieel folgte mir wie ein Schatten und ich überlegte kurz, wie ich meinen lästigen Anhang loswerden konnte. Ich hatte keine Lust auf irgendwelche Diskussionen. Mir reichte schon mein schlechtes Gewissen Viktor gegenüber. Ich wollte ihn nicht hintergehen, aber ich sah keine andere Möglichkeit als diese. Dass Viktor mehr als wütend auf mich sein würde, wenn er mich nicht mehr in seinem Bett vorfand war ein Übel, das ich wohl in Kauf nehmen musste.

„Zacharias nun warte doch einmal! Hast du überhaupt einen Plan?“

Ich erreichte Najems Tür und überhörte gekonnt Rieels Frage. Hoffentlich war der ehemalige heilige Bruder in seinem Zimmer. Ich klopfte an und wartete angespannt auf eine Antwort. Anscheinend war das Glück auf meiner Seite, denn die Tür öffnete sich und Najem sah mir mit verschlafenen Gesicht entgegen.

„Kann ich rein kommen?“, fragte ich und drängte mich ohne auf eine Antwort zu warten an ihm vorbei.

„Na klar, mein Zimmer ist dein Zimmer“, murmelte er und beobachtete wie ich mich in den Sessel fallen ließ.

Hatte ich gedacht, so Rieel und die Dämonenzwillinge abschütteln zu können, hatte ich mich getäuscht. Ich beobachtete, wie Najem die Tür hinter meinen Verfolgern schloss und erst jetzt fiel mir auf, wie ausgemergelt er aussah. Jarons und Leahs Tod hatten ihn anscheinend wirklich sehr mitgenommen. Ich biss mir wütend auf die Lippe. Zu meinem schlechten Gewissen wegen Viktor, gesellte sich nun auch noch das Najem gegenüber hinzu. Ich hatte meinen Freund viel zu lange mit seinen Schuldgefühlen alleine gelassen. Najem durfte sich nicht die Schuld an dem Tod der Beiden geben.

„Wie komme ich zu so viel unverhofften Besuch? Das Zacharias kommt und geht, wann er will, bin ich gewohnt, aber ihr?“

Najem verschränkte die Arme vor der Brust und sah Rieel abwartend an.

„Ich bin hier um Zacharias etwas Vernunft einzutrichtern“, meinte er mit einem Grinsen und lehnte sich an die Wand neben einem großen Bücherregal.

„Und wir, um sicher zu gehen das Zacharias wirklich sein Vorhaben in die Tat umsetzt. Außerdem laufen wir hier bei dir bestimmt nicht Viktor über den Weg“, überlegte Kyran.

„Moment, ihr meintet doch, er sei nicht in Kassathor!“, rief ich etwas zu laut und konnte die aufkommende Panik nicht ganz aus meiner Stimme heraushalten.

„Wenn du Viktor nicht verärgern willst, dann geh zurück in dein Zimmer oder in seines und überlasse ihm die Aufgabe Ellysa zurückzubringen“, entgegnete Rieel mit hochgezogener Augenbraue.

Ich unterdrückte ein Knurren und verfluchte sie allesamt.

Najem seufzte ergeben und setzte sich in den zweiten Sessel.

„Also?“, fragte er und ich wusste, dass er mich damit meinte.

„Ich bin gekommen, um dich abzuholen. Pack ein paar Sachen ein, wir unternehmen einen kleinen Ausflug.“

„Wie kommst du darauf, das ich dich begleiten werden?“

„Kyran meinte, du überlegst Kassathor zu verlassen. Da dachte ich mir, dass du mir vielleicht Gesellschaft leisten willst.“

Ich sah aus dem Augenwinkel, wie Rieel den Kopf schüttelte und beachtete ihn geflissentlich nicht.

„Zacharias als ich darüber nachdachte von hier wegzugehen, meinte ich das alleine. Ich brauche Zeit, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.“

„Du darfst dir für Leahs und Jarons Tod nicht die Schuld geben. Es war die Schuld dieser Magie wirkenden Bastarde.“

„Aber sie standen unter meiner Obhut. Es war mein Verschulden, das ich sie nicht heilen konnte. Wozu soll ich in Kassathor bleiben, wenn ich nicht einmal fähig bin jemanden zu helfen?“

„Najem du bist gut, in dem was du tust. Bitte mache nicht den Fehler und nimm ihren Tod als Maßstab für dein Können. Du hast damals Ellysa geholfen und vielen anderen zuvor.“

„Das waren Kleinigkeiten. Eine Schnittwunde, Fieber und Vergiftung, für all das gibt es helfende Mixturen. Da weiß ich, was zu tun ist. Aber dieser magische Angriff … ich dachte, sie würden es schaffen, ich dachte, ich hätte es geschafft, aber dann … dann waren sie eines Nachts einfach tot.“

Ich spürte die tiefe Verzweiflung, die von Najem ausging und auch das bedrückende Schweigen der Zwillinge und Rieels erfüllte den Raum mit einer düsteren Stimmung.

„Najem wir vertrauen auf deine Heilkünste. Wir wissen nicht was noch alles auf uns zukommt. Wenn wir die Magier nicht mehr zurückhalten können und sie uns verstärkt angreifen, dann brauchen wir dich hier“, meinte Rieel.

Ich war ihm dankbar, das er versuchte Najem vor Augen zuführen wie wichtig seine Arbeit war und vielleicht wäre es doch besser, wenn ich alleine ging. Sollte Kassathor in der Zwischenzeit wirklich angegriffen werden, dann wurde Najem hier gebraucht. Mein Magen zog sich plötzlich schmerzhaft zusammen, als ich an Viktor dachte.

War war, wenn ihm in der Zeit meiner Abwesenheit etwas zustieß? Wollte ich mich wirklich heimlich davon stehlen, ohne ihm von meinen Plänen zu erzählen? Hatte ich die Kraft dazu?

In den letzten Wochen hatte sich unser Verhältnis zueinander auf eine Art und Weise vertieft, die mehr als nur sexueller Natur war. Ich fühlte mich in Viktors Nähe wohl und irgendwie sträubte sich alles in mir, ihn auf diese Weise zu hintergehen.

„Überlegst du deinen Plan aufzugeben?“, fragte Rieel prompt und durchschaute mich viel zu leicht.

Sofort war Kyran an meiner Seite und verpasste mir einen Hieb gegen die Schulter.

„Wage es nicht! Wir haben dich nur losgemacht, damit du unsere Meisterin zurückholst. Ziehe ja nicht den Schwanz ein nur, weil du dich vor Viktor fürchtest!“

Wütend starrte ich in Kyrans silbrige Augen.

„Ich habe es schon einmal gesagt, ich habe keine Angst vor Viktor und ich bin ihm keine Rechenschaft schuldig. Wenn ich gehen will, dann kann ich das auch tun! Egal wann und egal wohin!“

Kyran sah mich nicht wirklich überzeugt an, aber er beließ es dabei und auch Rieel schwieg. Najem seufzte und schüttelte leicht den Kopf.

„Es tut mir leid Najem. Vielleicht ist es wirklich besser du bleibst hier. Ich werde zurechtkommen und alleine bin ich um einiges schneller“, meinte ich und hoffte, dass ich überzeugend genug klang.

Ich hätte Najem nur zu gerne dabeigehabt, aber ich verstand auch Rieels Argumente. Sollte wirklich ein Angriff über Kassathor hereinbrechen, dann wurde er hier dringend gebraucht.

Ich stand auf, bevor ich mich selbst noch umentschied. Der Gedanke Viktor zu hintergehen lastete dummerweise schwerer auf meinem Gewissen, als mir lieb war. Das ich überhaupt einmal ein Gewissen gegenüber einem Dämon haben würde, war schon seltsam genug.

„Wo willst du überhaupt hin?“, fragte Rieel und beobachtete, wie ich aufstand und sich langsam immer mehr helle Lichter um mich sammelten.

„Nach Latherra“, erwiderte ich mit einem schiefen Lächeln, während meine Gestalt langsam verschwamm und das Tier in mir zum Vorschein kam.

„Da hättest du gleich in Keross bleiben können. Latherra ist noch zwielichtiger und verkommener. Ich hätte mir gleich denken können das sich euer Tor dort befindet.“

Bevor ich ihn danach fragen konnte, woher er von dem Tor wusste, stand ich schon auf meinen vier Beinen. Rieel griff überraschend in mein Nackenfell und zog mich zu sich heran.

„Pass gefälligst auf dich auf, sonst wird Viktor Kassathor ganz von alleine zerstören und für unsere Meisterin gäbe es dann auch keine Rettung mehr“, raunte er mir zu.

Ich knurrte leise und hoffte er würde das als Zustimmung sehen. Nach einem letzten Blick auf Najem, der mir zunickte, trabte ich zur Tür. Kyran hielt sie mir auf und musterte mich mit einem ungewöhnlich ernsten Gesicht.

„Pass auf, Viktor ist zurück, nicht das du wieder angeleint wirst!“

Ayaz zog seinen Bruder gerade noch rechtzeitig zurück, als ich nach ihm schnappte. Diese verfluchten Zwillinge!

Doch Kyran hatte nicht Unrecht. Ich durfte auf gar keinem Fall Viktor über den Weg laufen.

Vorsichtig lief ich die Treppen zur Eingangshalle hinab und witterte prüfend. Noch konnte ich Viktors Geruch nirgends wahrnehmen, geschweige denn diesen Dämon hören oder sehen. Trotzdem beschlich mich eine gewisse Vorahnung und ich beeilte mich weiterzukommen.

Ich durchquerte gerade die Eingangshalle, als sich von einem Moment zum Nächsten die Luft um mich herum veränderte und eine überwältigende, dunkle Aura meine Sinne flutete.

Verdammt, mein Glück hatte nicht lange angehalten!

„Hübscher, erklärst du mir einmal, was genau du da vorhast?“

Mein Herz pochte laut in meiner Brust und anstatt stehenzubleiben, sprang ich in wenigen Sätzen zu dem großen Eingangstor.

„Zacharias!“

Viktors harscher, wütender Befehlston hätte mich fast erstarren lassen, aber ich zwang mich, mich auf gar keinen Fall zu ihm umzudrehen, sondern drückte meine Schulter gegen das alte Holz.

„Zacharias ich warne dich! Bleib sofort stehen!“

Ich spürte, wie Viktors dämonische Bannsiegel auf mich zuhielten und fast panisch zwängte ich mich nach draußen. Etwas in mir zog sich schmerzhaft zusammen und ich zögerte kurz.

War es wirklich richtig so Hals über Kopf davon zu laufen?

Vielleicht könnte ich Viktor meinen Plan ganz vernünftig erklären? Vielleicht würde er mir zustimmen und wir könnten gemeinsam nach Ellysa suchen? Vielleicht ließ er ja wirklich mit sich reden?

Doch dann krachte hinter mir das Eingangstor mit einem gewaltigen Knall an die Außenmauern und Viktors dämonische Aura hielt mit einer Intensität auf mich zu, die mir Angst einjagte. Mit einem Satz sprang ich die Treppen hinunter und zwang mich zu einem schnelleren Tempo.

„ZACHARIAS!“

Ich rannte wie ein Wahnsinniger, preschte über den gepflasterten Weg und tauchte mit einem Sprung in das Dickicht des schwarzen Waldes ein. Ich war Viktor entkommen – zumindest vorerst.

Die Verdammten Reiche

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