Читать книгу Stranded - Cathy McAllister - Страница 5
ОглавлениеKapitel 1
Akirha
Ich wusste, dass etwas nicht stimmte, noch ehe der Alarm ertönte. Ein kalter Schauer war meinen Rücken hinab gelaufen und meine Härchen hatten sich aufgerichtet.
„Verdammt!“, murmelte ich.
Ich sah auf den Bildschirm. Da waren drei Fighter hinter mir und das Warnsignal meiner Schutzschilde sagte mir, dass sie mich als Ziel anvisiert hatten. Ich hatte keine Ahnung, wo sie plötzlich hergekommen waren. Einen Moment zuvor war ich noch allein in diesem Sektor gewesen, dann auf einmal waren drei Fighter aus dem Nichts aufgetaucht.
„Verdammt, verdammt!“
Bis zum nächsten Spaceport waren es noch mindestens vier TU (time units). Ich konnte es unmöglich bis dort hin machen ehe mich diese Bastarde hinter mir abschießen würden. Ich versuchte, scharf nach links auszuweichen, als sie das Feuer eröffneten. Durch das plötzliche Ausweichen konnte ich verhindern, dass die Geschosse mein Shuttle trafen. Es war ein kleines Shuttle in dem maximal vier Leute Platz hatten. Es war nicht wirklich für einen Kampf ausgerüstet. Ich konnte nur hoffen, dass meine Schilde halten würden und ich ihnen irgendwie entkommen konnte. Jepp! Wen wollte ich hier verarschen? Ich war so was von am Arsch! Ich würde es nicht schaffen. Das hieß jedoch nicht, dass ich es diesen Arschlöchern einfach machen würde. Ich flog im Slalom durchs All, die drei Fighter dicht hinter mir. Ein Treffer erschütterte mein Shuttle. Mehr Sirenen ertönten und ich sah auf den Bildschirm, um den Schaden zu erfahren. Einer der Antriebe war beschädigt, lief aber noch auf sechzig Prozent. Kein Grund zur Sorge. Zumindest für den Moment. Ich hatte sieben weitere, die intakt waren. Aber es war nur eine Frage der Zeit, bis ich wieder getroffen werden würde. Ich musste mich irgendwo in Sicherheit bringen, doch wo? In diesem Sektor hab es keinen einzigen Spaceport, keine Floating Base – nichts!
„Computer!“, sagte ich, hart nach rechts steuernd und dabei knapp einem weiteren Treffer ausweichend. „Gib mir alle Details über nahe gelegene Planeten mit akzeptablen Lebensbedingungen!“
Der Computer ließ das Suchprogramm durchlaufen und Sekunden später erschien ein kleiner grauer Planet auf dem Bildschirm, ebenso die Koordinaten des Planeten. Ich könnte es in zehn bis zwölf Minuten bis dahin schaffen. Wenn ich solange überlebte. Allerdings waren die Daten die der Computer mir über den Planeten gab nicht besonders aufmunternd. Da waren eine Menge giftiger Chemikalien in der Luft. Die Daten besagten, dass es unterirdische Höhlen gab, wo die Lebensbedingungen wahrscheinlich besser waren. Wenn ich diese Höhlen finden könnte. Aber was für Alternativen blieben mir? Ein weiterer Treffer erschütterte mein Shuttle. Diesmal war es ernst. Das Belüftungssystem hatte einen großen Schaden erlitten. Möglicherweise könnte ich es reparieren, doch ich konnte das Shuttle nicht auf Autopilot schalten, wenn ich nicht riskieren wollte, dass die Arschlöcher hinter mir mich ins Nirwana bliesen. Nur eine Notlandung konnte mich noch retten. Doch wenn ich es nicht in den nächsten acht Minuten zu diesem verdammten Planeten schaffte, würde mir der Sauerstoff ausgehen.
„Großartig!“, murmelte ich. „Überlass es mir, in so eine abgefuckte Scheiße zu geraten!“
Ich gab die Daten des Planeten als Ziel in den Computer und konzentrierte mich darauf, nicht in eine Million Stücke geschossen zu werden. Ich hatte noch genug Luft für sechs Minuten und achtzehn Sekunden. Der Planet war sieben Minuten und zwölf Sekunden weit entfernt.
Großartig! Du bist so was von tot, Mädchen!
Es würde nicht einmal Sinn machen, einen Notruf auszusenden. Sie würden nur noch die Einzelteile meines Shuttles finden. Wenn überhaupt. Ich sah auf das kleine eingerahmte Holo-Bild neben meinem Bildschirm. Es zeigte meine kleine Schwester Dalija am Strand von Retrus B9. Die lilafarbenen Bäume im Hintergrund und dazwischen unser kleiner weißer Ferien-Bungalow. Ich würde sie nie wieder sehen. Nie wieder würde ich meinen Urlaub mit ihr im Bajaka Resort verbringen.
„Bye Dalija“, sagte ich leise. „Ich liebe dich.“
Ich konnte den grauen Planeten durch die Frontscheibe sehen, doch es würde immer noch über vier Minuten dauern, bis ich ihn erreichte und ich konnte bereits fühlen, wie die Luft dünner wurde. Ich fühlte mich schwindelig. Ich musste versuchen, ruhig zu bleiben. Flach atmen. Wenn ich in Panik verfiel, würde ich noch mehr Sauerstoff verbrauchen. Ein weiterer Treffer erschütterte das Shuttle, so dass es heftig zu schlingern anfing, doch irgendwie blieb es auf dem gesetzten Kurs. Der Planet kam dichter. Meine einzige Hoffnung war so nah und doch so fern. Schwarze Flecken tanzten vor meinen Augen. Ich war so müde. Alles drehte sich, dann wurde es schwarz.
Als ich zu mir kam, tat mir alles weh. Was war passiert? Ich stöhnte. Ich fühlte mich, als hätte ein Ground-Glider mich überfahren. Meine Sicht war verschwommen und ich musste mehrmals blinzeln, ehe ich in der Lage war, meine Umgebung klar zu sehen. Ich befand mich in meinem Shuttle, an meinem Sitz festgeschnallt. Um mich herum war alles durcheinander. Das reinste Chaos. Zerschmetterte Armaturen, zerfetzte Kabel sprühten Funken, es roch nach verbranntem Gummi. Langsam kamen die Erinnerungen an die Vorfälle vor dem Absturz zurück. Mir war der Sauerstoff ausgegangen. Ich musste bewusstlos geworden sein, als das Shuttle auf dem Planeten aufschlug. Es war ein Wunder, dass ich noch lebte. Ich sah an mir hinab und konnte auf den ersten Blick keine ernsthaften Verletzungen feststellen.
Der schwarze Rauch im Cockpit wurde mehr und mehr und begann mich zu ersticken. Ich musste hier raus. Mit zittrigen Händen öffnete ich die Gurte und stand auf. Mein rechtes Bein schmerzte höllisch, ansonsten schien ich okay zu sein. Ich humpelte zum Ausgang und hoffte dass ich das Airlock-System öffnen konnte angesichts der beschädigten Elektronik des Shuttles. Es gab einen Riss in einer der Wände, durch den etwas Licht hereinfiel, doch der Riss war nicht breit genug, dass ich hindurch gepasst hätte. Blieb also nur der eigentliche Ausgang. Ich drückte den roten Knopf und schob den Hebel aufwärts. Ein zischendes Geräusch erklang und die Tür öffnete sich. Ich kletterte heraus und stolperte ein paar Schritte vom Shuttle weg ehe ich mir erlaubte, meine Umgebung anzusehen. Da waren Bäume, doch sie sahen verbrannt und tot aus. Ich meinte, ein paar Ruinen in der Ferne ausmachen zu können, doch es konnten auch bloß Steinformationen sein. Rosa und hellgrüne Pilze wuchsen überall, und eine Art schleimiger Lianen hing von den nackten Ästen der Bäume. Laut dem Computer hatte dieser Planet ein Problem mit giftiger Luft und nun konnte ich selbst sehen, was diese Verseuchung aus dem wahrscheinlich einmal bewohnten Planeten gemacht hatte. Ich würde hier weder etwas Essbares, noch sauberes Wasser finden. Keine guten Aussichten. Ich seufzte. Der Computer hatte angegeben, dass es Höhlen gab, in denen ich vielleicht überleben konnte. Ich sah mich um. Ich hatte keine Ahnung, wo der Eingang zu diesen Höhlen war. Ich musste zurück ins Shuttle und sehen was ich an Verpflegung finden konnte. Ich hoffte, dass ich einen sicheren Unterschlupf fand, ehe die grünliche Sonne untergehen würde. Im Moment stand sie hoch am Himmel. Es musste also ungefähr Mittag sein. Es war nur ein kleiner Planet, die Tage würden hier also kürzer sein als auf Resus X3 oder Retrus B9. Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit mir blieb.
Ich nahm mein Taschentuch heraus und nutzte es als Mundschutz, um wenigstens etwas von dem schwarzen Rauch zu filtern, der das Cockpit füllte. Dann kletterte ich zurück ins Shuttle.
Ich hustete als der dicke Qualm meine Lungen angriff. Es brannte in meinen Augen. Das war nicht gut, doch ich musste einige Sachen zusammen suchen, wenn ich auf diesem unwirtlichen Planeten überleben wollte. Auch wenn ich ohne Rettung wohl nicht lange durchhalten würde. Es schien nutzlos, einen Notruf auszusenden, da mein Shuttle sehr wahrscheinlich in Flammen aufgehen würde. Ich atmete flach als ich zum Ende des Shuttles lief, wo sich die Küche und die zwei kleinen Kabinen befanden. Ich fand sechs Energieriegel und vier kleine Flaschen mit Wasser, welches mit Vitaminen angereichert war. Nicht viel. Ich würde es rationieren. Jeder Tag, den ich überlebte, würde mir eine Chance auf Rettung geben, wenn auch eine äußerst unwahrscheinliche. Ich hatte einen Rucksack und verstaute das Essen und Trinken darin. Ich packte auch ein Messer, etwas Seil, das Erste Hilfe Gerät und eine Taschenlampe ein. Ich hatte eine Laserkanone an meinem Oberschenkel befestigt und ein Multifunktionswerkzeug an meinem Gurt. Ich überlegte, ob ich eine Decke mitnehmen sollte, doch das Gewicht würde mich langsamer machen. Ich musste ohne solchen Luxus auskommen. Die Luft verschlechterte sich und kleine Feuer begannen hier und dort auszubrechen. Ich rannte zurück zum Cockpit.
„Scheiße!“, fluchte ich und starrte auf das Feuer, welches den Ausgang blockierte.
Ich überlegte einen Augenblick, dann rannte ich zurück in eine der Kabinen. Ich nahm eine der Decken, welche bis zu einem gewissen Grad feuerfest waren, und schlang sie um mich herum. So gerüstet rannte ich zurück zum Ausgang. Das Feuer nahm mehr und mehr Raum im Cockpit ein und es war so heiß wie in der Hölle selbst.
Du kannst es schaffen, versuchte ich mir selbst Mut zu machen. Sei nicht so ein verdammter Feigling! – LAUF!
Ich zog die Decke enger um mich und rannte durch die Wand aus Feuer. Es war nicht leicht, in all dem Rauch und Feuer den Ausgang zu finden, doch ich hatte genug Glück, genau durch die Öffnung zu stolpern. Ich fiel die Treppen hinab und rollte über den harten Untergrund. Mein Knie stieß gegen etwas Hartes und ich fluchte. Schmerz schoss durch mein Bein und ich biss die Zähne zusammen. Es war schwer zu sagen, wie lange es noch dauerte bis das Shuttle explodieren würde. Ich musste so weit weg kommen wie möglich, und zwar schnell! Doch mein Bein schmerzte höllisch. Ich robbte über den Boden. Zum Glück war mein Raumanzug aus einem wirklich strapazierfähigem Material gemacht, denn der Boden war mit scharfen, glasähnlichen Scherben übersät.
Eine Welle aus Hitze und Druck traf mich hart, als die erste Explosion erfolgte. Ich schrie auf und warf die Hände über meinen Kopf. Dann erfolgte eine zweite und dritte Explosion. Erschöpft und schmerzerfüllt konnte es mir egal sein, ob ich überlebte oder nicht. Ich musste weggetreten sein. Ich erwachte von einem lauten Gebrüll. Winselnd öffnete ich meine Augen und versuchte genug Kraft aufzubringen, um mich aufzusetzen. Ich stöhnte, als Schmerz durch jedes meiner Gliedmaßen schoss. Meine Muskeln schmerzten bei jeder noch so kleinen Bewegung. Erneut erklang das Gebrüll. Ich sah mich um, konnte jedoch nichts erkennen. Da musste irgendwo ein Tier in der Nähe sein. Ich fragte mich, wie es möglich war, dass irgendetwas in dieser unwirtlichen Umgebung überlebt haben konnte.
Mit zusammengebissenen Zähnen stand ich auf. Meine Hand glitt zu der Laserkanone. Der Boden vibrierte. Was auch immer da draußen war, es war riesig.
„Großartig! Einfach großartig!“, murrte ich, mich umsehend.
Dann sah ich es. Ich hatte recht gehabt. Es war riesig!
„Oh, verdammte Scheiße!“
Es musste mindestens sieben oder acht Meter hoch sein und sah aus wie einer dieser urzeitlichen T-Rex Dinosaurier, welche vor Millionen von Jahren die Erde bevölkert hatten. Ich hatte Bilder davon gesehen. Doch die Vorderbeine dieses Monsters waren länger als die eines T-Rex und es hatte ein langes Horn auf dem Kopf. Seine dunkelgrüne Farbe passte sich gut an die Umgebung an. Der einzige Grund, warum ich das Biest durch die Bäume hindurch sehen konnte war, dass sich das Vieh bewegte und es zwei oder drei Meter über die meisten Bäume hinweg ragte.
Ich sah auf meine Laserpistole hinab und wusste, dass die Waffe wahrscheinlich so nutzlos gegen einen solchen Gegner war, wie eine Feder gegen einen Cyborg. Meine einzige Chance zu überleben bestand darin, sich nicht von dem ‚T-Rex’ erwischen zu lassen. Ich hatte keine Ahnung, ob das Biest von meiner Gegenwart wusste. Konnte es mich sehen? Oder riechen? Panisch sah ich mich nach einem Ausweg um. Mein Blick fiel auf einen großen umgestürzten Baumstamm. Da war ein Hohlraum unter dem Stamm, groß genug, dass ich da reinpassen würde – zumindest hoffte ich das. Ich begab mich auf alle viere und kroch so schnell ich konnte. Jeder Muskel in meinem Leib protestierte schmerzhaft gegen die Bewegung und meine Hände wurden von dem rauen Boden aufgerissen. Ich hoffte, dass das Blut die Bestie nicht anlocken würde.
Ich erreichte den umgestürzten Baum und kroch in die Finsternis darunter. Es war gut möglich, dass etwas hier unten lebte, doch ich hatte keine andere Wahl. Ich kroch so weit ich konnte, rollte mich, bis ich mit dem Rücken gegen das Ende der Öffnung gepresst lag. Das Stapfen des ‚T-Rex’ ließ den Boden erbeben. Erde regnete von oben auf mich herab und es fühlte sich an, als wären da auch Krabbelviecher darunter, die nun überall auf mir zu sein schienen. Ich konnte in der Dunkelheit nichts sehen, doch das Gefühl von winzigen Füßen, die über meine Haut krabbelten, verschaffte mir eine Gänsehaut und ich schüttelte mich unwillkürlich. Ich hatte kein Gefühl dafür, wie viel Zeit verging, bis das Stapfen sich mehr und mehr entfernte. Ich wartete noch eine Weile um ganz sicher zu gehen, dass der ‚T-Rex’ sich nicht mehr in der Nähe befand, dann kroch ich aus meinem Versteck. Ich brauchte mehrere Anläufe, bis ich es auf die Beine schaffte. Zitternd stand ich da, gegen einen toten Baum gelehnt. Die Rinde fühlte sich schleimig an, doch das war mir im Moment egal. Die grüne Sonne stand jetzt niedrig und ich wusste, dass es bald dunkel werden würde. Ich musste einen Unterschlupf finden. Wenn ich nur nicht so verdammt schwach wäre.
Komm schon, Mädchen! Du schaffst das!
Ich zwang meine Beine dazu, sich zu bewegen. Ein Schritt nach dem anderen. Langsam machte ich meinen Weg. Viel zu langsam. Ich würde es nicht schaffen. Doch aufgeben kam nicht infrage. Der Wille zu überleben war da. Ich war ein Mädchen der Sorte stirbt-bei-dem-Versuch. Meine Haut juckte, dann fing sie an zu brennen. Jeder Atemzug brannte ebenfalls. Dunkle Flecken tanzten vor meinen Augen. Ich fühlte mich fiebrig.
Du bist am Arsch, Mädchen!, war mein letzter Gedanke, dann gaben meine Beine unter mir nach und ich landete hart auf dem Boden. Erneut fiel Dunkelheit über mich.
Jarron
Ich sah auf das seltsame Weibchen hinab. Sie sah beinahe wie ein Junges aus mit ihrem glatten Gesicht. Da waren keine Rillen auf ihren Wangen oder der Nase. Sie hatte lange schwarze Strähnen von – was war das? Fell? – auf ihrem Kopf. Ich streckte eine Hand aus, um eine dieser Strähnen zu berühren. Es fühlte sich weich an. Seltsam. Ich legte eine Hand auf ihre Stirn. Sie fühlte sich heiß an. Musste die Oberflächenkrankheit sein. Warum war ein Weibchen hier ganz allein an der Oberfläche? Hatte ihr Clan sie ausgestoßen? Und von welchem Clan kam sie überhaupt? War sie eine Mutation? Ihre Haut war nicht nur weicher, sie war auch beinahe schwarz. So dunkle Haut hatte ich nie zuvor gesehen. Meine eigene Haut war hell, beinahe weiß mit einem bläulichen Schimmer, wie alle Bewohner von Barr. Alle, bis auf dieses seltsame Weibchen. Ich hatte niemals jemanden wie sie gesehen. Sie war wesentlich kleiner und zerbrechlicher als unsere Weibchen. Die Kleidung die sie trug war ebenfalls seltsam. Ich hatte keine Ahnung von was für einem Tier das Leder stammte. Ich kannte kein Tier mit solch dunkelblauer Haut. Es fühlte sich auch merkwürdig an.
Ich nahm die Hand des Weibchens in meine und starrte auf ihre flachen, stumpfen Krallen. Sogar ein Junges hatte längere und schärfere Krallen. Ihre fühlten sich weich an, nicht im Mindesten scharf. Das Weibchen war noch hilfloser als ein Junges. Vorsichtig öffnete ich ihren Mund. Ihre Zähne waren ebenfalls flach. Wie konnte sie mit solch stumpfen Zähnen Fleisch von einem Knochen reißen?
Mein Blick wanderte über ihre kleine Gestalt. Ihre Brüste waren groß. Sie musste ein Junges haben, welches sie nährte. Doch sogar Weibchen, die nährten, hatten kleinere Brüste als das. Ich legte eine Hand auf eine weiche runde Brust und Verlangen erfüllte meinen Leib. Mein Schwanz schwoll an und meine Lederhosen wurden mit einem Mal verdammt eng. Ich sollte nicht so auf ein fremdes Weibchen reagieren, erst recht nicht eines, welches offenbar sehr krank war.
Ich hatte keine Idee, was ich mit ihr tun sollte. Wie würden die anderen reagieren, wenn ich sie mit nach Bao Barr nahm? Sie war eine Fremde, und auch wenn sie harmlos wirkte, ja, eben komplett hilflos, so konnte sie doch eine Gefahr für meinen Clan darstellen. Wenn ich sie hier ließ, würde sie schon sehr bald sterben. Selbst wenn ich sie zum Heiler von Bao Barr brachte, konnte es immer noch sein, dass sie es nicht schaffen würde. Oberflächenkrankheit war sehr ernst. Nur starke Krieger begaben sich manchmal an die Oberfläche. Weibchen und Junge konnten sehr schnell sterben. Ich schüttelte den Kopf. Es machte wenig Sinn, sie mit mir zu nehmen. Sie war dem Untergang geweiht. Der Gedanke gefiel mir nicht. Betrübt schüttelte ich erneut den Kopf, erhob mich und wandte mich ab.
„Dalija“, erklang eine leise Stimme und ich erstarrte.
Ich wandte mich um und starrte auf das Weibchen. Ihr Gesicht war schmerzerfüllt. Sie murmelte etwas.
„S...rry Da...a. Ich ...iebe ...ich“
Ich hatte keine Ahnung, was sie sagte. Selbst wenn sie laut und deutlich gesprochen hätte. Es war offensichtlich eine fremde Sprache, die sie benutzte. Eine, die ich nie zuvor gehört hatte.
Ich kann sie nicht hier lassen, entschied ich. Ich muss versuchen, sie zu retten.
Ich beugte mich hinab und hob sie vorsichtig auf meine Arme. Sie war so zierlich. Sie wog nicht mehr als ein Junges von zehn Zyklen. Ich befürchtete, sie würde in meinen Armen sterben. Es war mindestens tausend Marks bis zum nächstgelegenen Eingang zu Bao Barr. Ich wünschte, ich hätte meinen Goonoj bei mir. Es könnte mich und das Weibchen tragen. Doch ich hatte es zu Hause gelassen und es machte wenig Sinn, jetzt darüber nachzusinnen, wenn ich es doch nicht ändern konnte. Ich zog das Weibchen dichter an mich und begann zu laufen.
Akirha
Als ich zu mir kam, fühlte ich mich so schlecht, wie noch nie in meinem Leben. Mir war entsetzlich übel und unerträglich heiß. Ich konnte meine Augen nicht öffnen, da mir die Kraft dazu fehlte, doch ich hörte Stimmen. Allerdings konnte ich kein Wort verstehen. Alles klang verzerrt und wie von weit her. Was war los? Wie war ich plötzlich krank geworden und wo befand ich mich? Das Letzte an was ich mich erinnern konnte war, dass ich mich auf dem Rückflug von einem Auftrag befunden hatte. Doch wann und wie ich krank geworden war und was dann passierte, konnte ich nicht erinnern. Hatte ich es nach Hause geschafft? Wie sonst konnte es sein, dass ich mich offenbar in irgendeinem Krankenhaus befand? Oder bildete ich mir die Stimmen nur ein und ich befand mich in Wirklichkeit noch immer in meinem Shuttle?
Jemand berührte mich. War das auch nur Einbildung? Etwas Kühles legte sich auf meine überhitzte Stirn und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Mein Mund war so trocken und ich hatte das Gefühl, ein Stück Pelz in meinem Mundraum zu haben. Ich würgte und das Gefühl, an dem Stück Pelz zu ersticken, wurde so stark, dass ich in Panik verfiel. Aufgepumpt mit Adrenalin, riss ich die Augen auf.
Ein Mann war über mich gebeugt. Er sagte etwas zu einer anderen Person im Raum die ich nicht sehen konnte. Ich verstand kein Wort. Der Mann über mir musste eine Sprache sprechen, die der Föderation unbekannt war, denn sonst hätte mein Sprachchip sie erkannt und automatisch übersetzt. Er sah weitgehend humanoid aus, wenn man davon absah, dass er Rillen auf dem Nasenrücken und den Wangen hatte, und die Zähne in seinem Mund spitzer waren. Auch die Eckzähne waren länger, beinahe wie die eines Raubtieres. Seine Augen waren von einem gelblichen grün mit einer rautenförmigen blauen Pupille.
Ein weiterer Mann trat in mein Gesichtsfeld und auch er schien dergleichen Rasse anzugehören, wie der erste Mann. Was waren die beiden? Ihre Kleidung wirkte primitiv, Fell und Leder, doch der Monitor schräg über mir zeigte an, dass diese Leute über Technologie verfügten.
Die beiden unterhielten sich, dann legte der zweite Mann seine Hand auf meinen Arm und sprach mich mit rauer, doch ruhiger Stimme an.
„Hakarr tu si!“ Er nickte mir zu und wiederholte sanft: „Hakarr tu si!“
„Ich ... ver-stehe nicht“, erwiderte ich schwach.
„Hakarr tu si!“, sagte nun auch der andere.
Mein Chip war in der Lage, Sprachen zu lernen, doch das würde eine Weile dauern. Für den Augenblick war ich einfach nur ratlos, was die beiden Fremden von mir wollten. Zumindest schienen sie freundlich gesonnen. Ich vermutete, dass der erstere, welcher etwas älter als der zweite war, ein Doktor oder Heiler sein musste. Ich versuchte, mich ein wenig umzusehen, ohne meinen schmerzenden Kopf zu sehr bewegen zu müssen. Die Wände waren weiß gestrichen, waren aber rau, als bestünden sie aus rohem Stein. Auch die Decke über mir war eine gestrichene Steindecke. Das war seltsam. Es war beinahe wie in einer Höhle. Fenster konnte ich keine entdecken, allerdings wusste ich auch nicht, was sich hinter mir befand. Zwei lange Röhren sorgten für die Beleuchtung. Ein paar Geräte standen neben der Tür, welche aus Metall zu sein schien.
Der Doktor begab sich zu einem Metallschrank und holte etwas heraus, ehe er zurück an mein Bett kam. Oder besser gesagt an meine Liege, denn die Unterlage auf der ich lag war nicht viel breiter als ich selbst. Ich sah jetzt, dass der Doktor eine Ampulle mit einer dunkelblauen Flüssigkeit in der Hand hielt.
„Opda om kuna“, sagte er und fasste an meinen Mund.
Offenbar wollte er, dass ich meinen Mund öffnete, was ich mit einem Zögern tat. Wer wusste schon, was der Kerl mit mir vorhatte und was er mir verabreichen wollte. Er nickte mir aufmunternd zu und öffnete die Ampulle. Dann gab er die Flüssigkeit in meinen Mund. Sie schmeckte bitter und ich verzog angewidert das Gesicht, schluckte dennoch brav.
„Baa!“, sagte er, offensichtlich zufrieden.
Ich schloss den Mund und starrte an die Decke. Wenn ich nur wüsste, was passiert war. Klar war nur, dass ich mich nicht auf Retrus B9 befand. Offensichtlich aber auch auf keinem der andern Planeten, die der Föderation angehörten. Angestrengt kramte ich in meinem Gedächtnis nach den Ereignissen, seit ich meinen Auftrag auf Manoa C2 abgeschlossen, und ich mich auf dem Weg nach Hause gemacht hatte. Der Flug von Manoa C2 nach Retrus B9 dauerte für gewöhnlich fünf Tage. Ich hatte genug Treibstoff gehabt, also war es ausgeschlossen, dass ich unterwegs irgendwo Stopp gemacht hatte, wo ich mir die Krankheit eingefangen haben konnte und bei meiner Abreise von Manoa C2 hatte ich die übliche Dekontamination über mich ergehen lassen. Niemand war erlaubt, den Spaceport von Manoa C2 zu betreten oder zu verlassen, ohne Dekontamination. Wie war es also möglich, dass ich erkrankte? Und an was war ich erkrankt? Würden die Einwohner dieses Planeten mir überhaupt helfen können?
Der Doktor hatte mich untersucht, während ich grübelte und wandte sich nun an den anderen Mann. Die beiden unterhielten sich für eine Weile und ich bekam einzelne Worte von meinem Chip übersetzt, der offenbar schon am entschlüsseln der fremden Sprache arbeitete.
„... Oberflächenkrankheit ... Rat ... Weibchen ... abwarten ...“
Ich versuchte, mir einen Reim daraus zu machen. Oberflächenkrankheit? Was war das? Und wieso Oberflächen? Mein Blick glitt erneut zu der höhlenartigen Decke. Oberfläche. Ich war unterhalb der Oberfläche. Es musste sich um eine Krankheit handeln, die nur auf der Oberfläche des Planeten vorkam, oder von der Oberfläche ausgelöst wurde. Ein Bild schob sich von irgendwo her in meinen Kopf. Mein Cockpit, der Bildschirm mit dem Bild meiner Schwester daneben. Ein Gefühl von Trauer und Angst. Wo kam das her? Was hatte das zu bedeuten?
„Farma.“
„Was?“
Ich sah den Doktor, der eben zu mir gesprochen hatte, verständnislos an. Was hatte er gesagt?
„Farma!“, wiederholter er und machte eine Geste, die ich als ‚schlafen’ interpretierte. „Farma!“
„Farma“, wiederholte ich flüsternd.
Der Arzt nickte und schenkte mir ein Lächeln, dann verließ er mit dem anderen Mann den Raum.