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Bekunstung

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In der Neuwortschöpfung ›Bekunstung‹ wird das zu ›Kunst‹ denkbare Verb ›kunsten‹ transitiviert, also zu ›bekunsten‹– das heißt, es zielt oder bezieht sich auf etwas –, um dann resubstantiviert zu werden in den Allgemeinbegriff. Man kann sich das ungefähr so vorstellen wie bei dem neuerlich in Mode gekommenen (allerdings aus einem Adjektiv entwickelten) Begriff ›Behübschung‹. Wenn Journalisten ihn verwenden, versteht man sofort, dass einer bereits bestehenden Sache etwas widerfährt: Sie wird hübsch gemacht oder um es genauer und so abschätzig auszudrücken, wie es seitens der Journalisten gemeint sein dürfte: Sie wird mit als hübsch geltenden Merkmalen nur auf akzidentelle Weise umlagert oder überdeckt.

Durch Bekunstung wird Kunst also nicht neu geschaffen – und ebenso wenig wird etwas nur zur Kunst erklärt. Stattdessen werden Situationen oder Gegebenheiten von Kunst ummäntelt oder in Beschlag genommen. Die künstlerische Initiative, der künstlerische Eingriff, den eine Sache, ein Mensch oder ein Raum über sich ergehen lassen, müsste allerdings, damit von Bekunstung die Rede sein könnte, derart äußerlich und oktroyierend sein, dass ästhetische Verwandlung nicht zum Zuge käme. Nehmen wir dazu an, ein Künstler würde die Balkontür eines Kunstvereins oder Museums, die sonst aus konservatorischen und sicherheitstechnischen Gründen stets verschlossen gehalten wird, nun auf einmal für das Publikum öffnen, woraufhin sich Besucher der Ausstellung gegenüber Passanten unten auf der Straße nolens volens selbst als eine Art lebender Exponate darböten. Bei einer solchen Intervention wäre die ästhetische Verwandlung tatsächlich vergleichsweise schwach – doch auch schwach genug? Dies wäre erst der Fall, wenn der künstlerische Impuls derart unvorbereitet und dauerhaft zusammenhanglos auf Nichtkünstlerisches träfe, wie sonst vielleicht nur drop sculpture im öffentlichen Raum auf ihren Aufstellungsort. Dieser neuerlichen Zusammenhanglosigkeit als Tugend, auf die eine Künstlerin wie Katharina Grosse stolz ist – weil es in ihren Augen Nichtkorrumpierbarkeit indiziert, wenn sie über mehrere Räume hinweg Farbe sprüht und dabei bewusst ihre ›Bildträger‹ ignoriert –, begegnet man nun häufiger. Invasiv werden Gebäude auf eine Weise in Beschlag genommen, dass die Unangemeldetheit der Bekunstung zur Großherrenart neigt. Das künstlerisch dem Bekunsteten Inkommensurable, aber eben Oktroyierte wird zu einer besonders kühnen Autarkie stilisiert, liebäugelnd mit dem Amoralismus eines acte gratuit.

In der latent ordinären Begeisterung einer großspurig gewordenen Kunstwelt für das Unverhoffte, das sich eines Ortes oder einer Person oder einer Gruppe bemächtigt hat, in der Bewunderung der asozialen Geste des Überfalls durch Kunst (»Wow!«) steckt der Glaube, diejenigen, die durch Kunst nicht mehr zu erreichen sind, durch Bekunstung wenigstens noch ereilen zu können.

Neben der markigen gibt es übrigens auch eine leisetreterische Variante der Bekunstung. Das wäre jene Art künstlerischer Geste, die nach dem Vorbild neuerer Werbung viral oder parasitär über den öffentlichen Raum, über das Bewusstsein der vielen Einzelnen sich auszubreiten gedenkt. Die Betrachter bzw. Kunstkonsumenten werden dabei als unfreiwillige Erfüllungsgehilfen gedacht, etwa indem sie unwissentlich einen bestimmten Duft oder einen Aufkleber weitertragen. Diese Variante der Bekunstung versucht den vollmundigen Messianismus der frühen Avantgarden durch Rollenumverteilung geläutert fortzusetzen. Das Publikum ist nicht länger nur Empfänger der frohen Botschaft, sondern unfreiwillig deren Agent – unübersehbar dabei die Tendenz zur Partizipationsfolklore.

Maschen der Kunst

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