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Kapitel 2 – Die außergewöhnliche Theorie
ОглавлениеSechs Uhr morgens am Donnerstag war es, als der Wecker klingelte.
Michael hatte einen CD-Wecker, der ihn mit elektronischer Musik aus dem Schlaf holte. Das Dröhnen der Bässe war aber nicht lange zu hören.
Sobald er wach wurde, stellte er den Wecker sofort aus. Dann wurde das Licht eingeschaltet und der Fernseher, um die Morgennachrichten zu verfolgen.
Danach ging es hurtig unter die Dusche, wo er auch sein Deodorant auftrug und sich ankleidete.
Ein weißes Hemd mit Nadelstreifen und eine schwarze Hose, ebenfalls mit Nadelstreifen, hatte er sich bereits am Vorabend zurechtgelegt!
Dazu trug er eine schwarze Armband-Uhr und eine weiße Seidenkrawatte mit schwarzen Querstreifen.
Die Krawatte hatte er dabei so gebunden, daß die Spitze über dem Hosenbund endete. Ihm gefiel das so am besten. Außerdem hatte er das zwischendurch auch mal in einem Lifestyle-Magazin und im modernen Knigge gelesen.
Zur Stärkung frühstückte er noch eine Kleinigkeit an diesem Tag. Es gab Kaffee, den trank er immer mit Milch und ein wenig Zucker.
Außerdem aß er noch auf die Schnelle vier Toastbrot-Scheiben, die er jeweils nur mit Butter beschmierte.
Auf die Zigarette, die ihm am Morgen nicht zusagte, verzichtete er.
Danach ging es zu seiner Arbeitsstätte. Zehn Minuten Geh-Weg lagen vor ihm. Eine Fahrt mit dem Auto war für ihn nicht rentabel.
Darauf griff er nur in seltensten Fällen zurück, wenn er im Anschluß auf die Arbeit noch woanders hin mußte.
Der Firmenparkplatz wiederum war nicht zentral und lag fünf Minuten von seinem Arbeitsplatz entfernt. Die Hinfahrt dorthin dauerte auch mindestens fünf Minuten.
Das hing aber auch von verschiedenen Verkehrsampeln ab. Mit gutem Willen konnte er im Gegensatz zum Fußmarsch vielleicht drei bis fünf Minuten sparen. Somit war das Ganze aber auch unwirtschaftlich.
Außerdem war es auch gut, morgens Frischluft zu schnappen, wenn er den Abend zuvor beispielsweise zu viel Alkohol getrunken hatte.
Nachdem das Haustor geschlossen war, lief er los. Als erstes folgte eine schmale Gasse mit kleinen Kopfsteinpflastern als Fahrbahn-Belag, die sich bei Regen oder Schnee als sehr rutschig erwiesen.
Danach ging es links und dann gleich rechts diagonal über einen Parkplatz. Diesem folgte eine steile Steintreppe.
Nun bog er gleich rechts ab auf eine lange Gerade.
Zuerst kam er beim Arbeitsamt vorbei. Ein Friseur folgte, direkt darauf eine Pizzeria und ein Lokal.
Gegenüber davon war ein Musikgeschäft für klassische Instrumente.
Ein kleines Stück später folgte dann eine Kirche, etwas weiter versetzt das Rathaus. Gegenüber davon lag ein Museum, dahinter der Marktplatz. Dienstag und Freitag war immer Markttag - heute also nicht!
Wenn man von seiner Position aus den Kopf nach rechts drehte, konnte man in der Ferne eine weitere Kirche sehen. Danach ging es durch eine Fußgänger-Passage voller Geschäfte und Banken.
Ein Drogeriemarkt war darunter, zwei Lotto-Läden, eine Wäscherei, zwei Bäcker, ein Metzger und auch ein Ein-Euro-Shop. Zu diesem Zeitpunkt befand er sich gerade in der Stadtmitte, die in Sommertagen recht gut besucht war, aber erst gegen Mittag.
Das Ende der Passage war bestückt mit dem historischen Amtsgericht und zwei Lokalitäten. Das eine davon war ein Café.
Auf der anderen Straßenseite lag eine Mischung aus Lokal und Kneipe.
Es war das Brauhaus, in dem vor Ort gebrautes Bier angeboten wurde. Ursprünglich war hier mal die Post gewesen. Michael ging daran vorbei Richtung einer Unterführung.
Diese mußte er verwenden, um darüber liegende Bahngleise zu umgehen. Ein paar Meter rechts lag der Hauptbahnhof der Stadt.
Man konnte ein leichtes Vibrieren spüren, wenn man durch die Unterführung ging und gerade ein Zug darüber fuhr.
Nach dem Durchqueren ging es zuerst rechts diagonal über den Zebra-Streifen, dann noch mal rechts auf einen leicht gewellten Weg, der mit einem Fahrradweg verbunden war.
Vielleicht waren es jetzt nur noch einhundert Meter. An einem leer stehenden Bürogebäude und Parkplatz vorbei war auch schon das Firmengebäude.
Man konnte zum Teil von außen hinein schauen, zumindest im Winter. Durch die innere Beleuchtung spiegelten die Fenster dann nicht nach außen. Ansonsten konnte man weiter hinten nur die Eingangs-Tür des Büros erkennen.
Wenn es dunkel war, konnte man am Licht ersehen, ob schon jemand im Raum war, da die Bürotür ein kleines Fenster hatte.
Schließlich ging es noch zweimal links an der Pforte vorbei. Mit dem Werksausweis mußte er zuerst eine Schranke bewältigen. Diesen legte er auf einen Scanner, der ein vertikales Drehkreuz frei schaltete, wenn der Chip erkannt wurde.
Seine Ankunft mußte er dann auch noch an einem Zeitautomaten registrieren. Heute hatte er seinen Dienst um sechs Uhr dreiundvierzig begonnen.
Daraufhin folgten auf einer langen Gerade drei massive Glastüren, die zum Feuerschutz eingesetzt waren.
Viele Leute hatten sich schon beschwert, da die Türen ziemlich schwer waren!
Noch einmal rechts ab durch eine Tür und er war im Büro angekommen. Michael saß hinten rechts, mit Blick nach Westen. Zur rechten Seite konnte er aus dem Fenster schauen, auf einen riesigen Baum.
Da er für das Arbeiten bezahlt wurde, richtete sich sein Blick woanders hin. Nach einiger Zeit im Büro, in der er viele Arbeiten verrichten konnte, wurde er ein wenig stutzig und fiel in ein paar Überlegungen.
Als er von zu Hause gegangen war, schien noch die Sonne. Er hatte zu dem Zeitpunkt keine Wolke am Himmel gesehen.
Jetzt allerdings sah es doch recht bewölkt aus, daß verriet ihm zumindest ein Blick durch das Fenster.
In den Nachrichten wurde das Wetter aber anders angekündigt. Deswegen fragte er sich schon, wie korrekt Wetterprognosen erstellt werden konnten. Michael verbrachte weitere Stunden damit, seine Dienstzeit abzuarbeiten. Das ging recht schnell, da er viel zu tun hatte.
Kurz nach sechzehn Uhr trat er dann aber seinen verdienten Feierabend an. Den bisherigen Tag hatte er immer mal wieder das Wetter beobachtet.
Soweit war es wolkig geblieben, zum Teil gab es sogar leichten regen. So kam er auch immer wieder zu den Überlegungen zurück, die er bereits zwischendurch hegte.
Michael hatte schließlich drei Viertel seines Heimweges geschafft, als es plötzlich wesentlich klarer wurde.
Es schien nun geradezu so, als würde jeder Schritt nach Hause für besseres Wetter zu sorgen. Aber darüber machte er sich zunächst keine weiteren Gedanken.
Zu Hause angekommen überlegte er erstmals, wie er seine Freizeit am heutigen Tage weiterhin gestalten sollte.
„Ich könnte wieder zum See fahren“,
waren seine ersten Gedanken.
Das Wetter war schließlich im Moment gut und der Tag verhältnismäßig jung. Wenn er später gegen dreiundzwanzig Uhr schlafen gehen würde, hätte er immer noch ein ausreichendes Zeitvolumen von sechs Stunden zur Verfügung!
Letztendlich ließ er sich dazu hinreißen zum See zu fahren. Bevor es los ging, hatte er noch schnell seine ganzen Sachen zusammen gepackt. Michael stieg in sein Cabrio.
Da die Handbremse angezogen war, konnte er das Dach direkt aufmachen. Nachdem das Zündschloß betätigt wurde, ließ er noch mal kurz den Motor aufheulen.
Mit aufgedrehter Musik fuhr er schließlich seine Strecke. Ihm war dabei egal, was andere dachten. Bei älteren Mitbürgern war er es gewohnt, daß diese den Kopf schüttelten.
Junge Frauen dagegen erfreuten sich möglicherweise an der Musik oder am Auto. Jedenfalls fuhr er weiter und weiter in Verbindung mit einer aufkommenden Verwunderung.
Erstaunlicherweise mußte er immer mehr feststellen, daß es jetzt dunkler wurde am Horizont.
Eine regelrechte Wolkendecke konnte man am Himmel entdecken, dunkle Wolken, die geradezu andeuten wollten:
„Fahr nur weiter und du wirst nass!“
Die resultierende Entscheidung wurde ihm auch sofort klar und er drehte bei der nächsten Gelegenheit um!
Nach wenigen Minuten war er wieder zu Hause angekommen und stellte fest, daß hier das Wetter plötzlich besser war.
Es sah sogar richtig gut aus. Vor seinem Haus war weit und breit keine Wolke zu sehen, der Himmel war strahlend blau.
Michael dachte sich nichts Weiteres dabei, ging in das Haus und machte Sport. Dann schaute er noch ein wenig Fernsehen. Gegen Abends liefen wieder die Nachrichten. Sein Interesse galt vor allem den Wetter-Voraussagen, die ihn zuletzt verwundert hatten.
Die Prognosen waren leider nicht so rosig, es wurden viele Schauer und Regen angekündigt und das für Tage hinweg.
Ihm war es im Moment allerdings recht egal. Ein Blick aus dem Fenster bescherte seinen Augen gute Aussichten und das war es schließlich, was für den Moment zählte.
Am späten Abend machte er sich langsam bettfertig. Glücklicherweise war bereits Donnerstag. Also hatte er nur noch einen Tag Arbeit bis zum verdienten Wochenende.
Um sechs Uhr am nächsten Morgen klingelte sein Wecker. Ein sonniger Tag konnte es werden. So schien es zumindest.
Ein Blick durch die Rollo-Löscher deutete es zumindest an.
Ein hellorange anmutender Schein trat zudem hinein, als er das Rollo schließlich öffnete. Michael stieg also auf.
Danach folgte der typische Morgenverlauf mit Bad-Gang, Kaffee und weiteren Dingen. Um sechs Uhr neunundzwanzig ging er zur Arbeit.
„Was für ein schöner Tag! So könnte es immer sein…“
, dachte er sich beim Verlassen des Hauses:
„und das zum Wochenende!“
Zehn Minuten gehen bei der üblichen Strecke standen zunächst an. Dabei wechselte er seine Hand, die seine Arbeitstasche hielt, auf der Hälfte des Arbeitsweges.
Diesbezüglich hatte er sich auf der Strecke einen Punkt gesetzt, wo er den Wechsel vollzog. Ihm ging es bei der Handlung darum, seine Arme nicht zu einseitig zu belasten.
Wenn er an gewissen Tagen zusätzlich Kaffee oder Milch mitbrachte, machte sich das Gewicht nach einiger Zeit auch in den Armen bemerkbar.
Kurz vor dem geistig markierten Punkt merkte Michael, daß es plötzlich dunkler wurde und Wolken aufzogen.
Es schien so, als sollte der Tag doch nicht so schön werden, wie beim Aufstehen vermutet. Aber es war schließlich noch früh und er mußte sowieso einige Stunden auf der Arbeit verbringen. Deswegen sollte er an dieser Stelle keine voreiligen Schlüsse ziehen.
Heute war nicht viel los, so konnte Michael seinen Arbeitstag jedenfalls am besten beschreiben.
Einige Kleinigkeiten erledigte er hurtig, ansonsten verbrachte er noch einige Zeit mit seinen Kolleginnen, machte Scherze.
Früher Verstand er sich mit manchen noch besser, aber da hatte er auch noch männliche Kollegen. Seit einiger Zeit war auch der letzte männliche Kollege gegangen.
Das sorgte dafür, daß sich im Laufe der Zeit das Arbeitsklima verschlechterte, meist aus unnötigen Gründen. Entweder verhielten sich die Kolleginnen unprofessionell oder es gab einfach frauentypische Revierkämpfe, die durch Neid und Missgunst beherrscht wurden. Zwischendurch blickte er auch öfters durch sein Fenster.
Bei gutem Wetter hatte er sich vorgenommen, etwas zu unternehmen, raus zu gehen.
Schlechteres Wetter wollte er dazu nutzen, sich auszuruhen, gemütlich einem eigenen Fernseh-Abend beiwohnen. Die Tendenz ging beim Fernsehen Richtung Fußball, denn es sah absolut nicht nach Wetterbesserungen aus.
Es schien geradezu so, als würde das Wetter still stehen, selbst die Wolken am Himmel bewegten sich nicht!
In der Zwischenzeit war er wieder zu Hause - im Sonnigen - wie er dort feststellen konnte. Da ihm auf dem Heimweg zu viele finstere Wolken am Himmel auffielen, dachte er nicht daran etwas zu unternehmen.
Es war noch recht früh, gerade mal fünfzehn Uhr. Michael mußte einen Moment überlegen, wie er sein Zeitkontingent für sich einsetzen wollte.
Zuerst mal etwas Sport, im Normalfall trainierte er bis zu sechsmal die Woche.
Montag und Dienstag etwas härter mit einer zehn Kilo Zusatz-Gewichts-Weste. Heute machte er aber weniger anstrengendes Training.
Dreißig Liegestütz und achtzehn Klimmzüge mit dem Handrücken entgegen gesetzter Richtung des Gesichts waren die ersten Übungen.
Dann folgten elf Klimmzüge mit dem Handrücken in Richtung Gesicht. Diese waren aufgrund der Handstellung etwas schwieriger.
Zusätzlich machte er noch zweihundert Einheiten diverser Bauchmuskelübungen. Nach der Trainingseinheit trocknete er sich zunächst mal ab und zog sich um.
Die Überlegung, was er den weiteren Tag noch machen sollte, stand im Raum.
Das Training hatte ihn zeitlich schließlich nicht mal eine Stunde gekostet. Verabredet hatte er sich für heute auch nicht, ihm war auch nicht so recht danach sich mit anderen zu treffen.
Außerdem war es vielleicht auch zu kurzfristig, um etwas zu arrangieren. Zwar wurde er selbst ab und an zeitnah auf eine Verabredung angesprochen, er lehnte in diesen Fällen jedoch meistens ab, da er lieber im Voraus plante. Michael hatte heute aber auch nicht genug Geduld, da er sich eigentlich nur mit Frauen verabredete und da dauerte alles öfters ein wenig länger.
Nach einiger Zeit hatte er aber eine, wenn auch nicht gerade innovative Beschäftigung gefunden. Letztendlich gönnte er sich einen Unterhaltungsabend auf der Videospielkonsole. Ein Spiel namens „Mafiakill“ hatte er noch nicht durchgespielt und bisher bot ihm dieses ziemlich viel Spaß. In diesem Videospiel ging es im Groben darum, Mafiaboss zu werden. Von klein auf mußte er über diverse Tätigkeiten einen Mafia-Clan aufbauen, der sich von Zeit zu Zeit vergrößerte und irgendwann übermächtig werden sollte!
Es war momentan noch früh am Abend und er hatte schon einige Zeit an dem Gerät verbracht.
Sein Mobil-Telefon, es war ein schickes goldenes Klapphandy, war weit entfernt abgelegt um ihn nicht zu stören.
Zwischendurch hatte er noch schnell etwas gegessen, unter anderem Toastbrot mit Butter und Kassler. Zusätzlich gab es dann noch auf den Abend verteilt ein paar Bier und Zigaretten.
In der späten Nacht ging er schließlich zu Bett. Die Nacht von Freitag auf Samstag schlief er meistens besonders lange. Zehn Stunden mindestens, um etwas Schlaf von unter der Woche nachzuholen.
Am darauffolgenden Morgen stieg er dann auf, aber von Morgen konnte man eigentlich nicht mehr reden.
Im Prinzip war es schon Mittag, genauer gesagt gegen elf Uhr dreißig. Nachdem der Rollladen geöffnet war, konnte er als erstes die Sonne und den blauen Himmel entdecken.
„Sauber!“,
dachte er sich.
Ihm war irgendwie danach, fort zu gehen.
Deswegen frühstückte er gleich im nächsten Moment, bevor er duschen ging und sich ankleidete.
Michael hatte noch einen leichten Schädel. Vielleicht hatte er am Abend zuvor doch ein oder mehr Bier zu viel getrunken oder er war einfach nur noch ein wenig müde.
Aber deshalb wollte er auch lieber nicht mit dem Auto fahren, weswegen er sich für den Regionalexpress entschied. In jedem Fall wollte er in die nächst größere Stadt. Durch die Bahnfahrt blieben ihm zumindest die Parkplatzprobleme erspart.
Ein wenig stöbern, schauen, vielleicht auch etwas kaufen lag in seinem Sinn. Allerdings war er schon etwas mehr oder weniger knauserig, weshalb er nicht so viel Geld bei sich trug.
Michael war bevorzugter Bargeld-Zahler.
Somit hatte er sein Kapital und seine Ausgaben im Blick und mußte nicht seine Gedanken an hohe Kreditkarten-Rechnungen verschwenden. Außerdem konnte er bei seinen Sportwetten, die er regelmäßig abschloss, nur Bar bezahlen.
Sein Geldbeutel war meistens ordentlich gefühlt, also bis zu einhundert Euro hatte er im Regelfall schon dabei.
Eine Kollegin von ihm hatte mal angemerkt, daß er immer so viel Geld bei sich hatte.
Nun ging es zum Hauptbahnhof, praktisch dreiviertel seines Arbeitsweges hatte er dabei zu absolvieren.
Später allerdings nicht durch die Unterführung, sondern rechts vorbei. Sein Zug fuhr von Gleis zwei. Von dort aus konnte er auch das Bürogebäude seiner Firma sehen.
Ohne Verspätung um dreizehn Uhr vier kam der Regionalexpress an.
Daß er ihn rechtzeitig erreichte, hatte auch mit Glück zu tun.
Der Fahrkartenautomat wollte erst nicht richtig funktionieren. Für sieben Euro fünfzig erhielt er aber doch noch rechtzeitig sein Ticket.
Weiteres Glück hatte Michael heute auch, weil der Zug nicht sehr voll war und genügend Sitzplätze frei waren.
An Werktagen konnte das ab und an auch schon anders sein, ganz besonders am Morgen.
In der Bahn schaute er sich etwas um, damit er einen Überblick bekam. Durch seine gute Menschenkenntnis konnte er kritische Situationen umgehen. Zudem wollte er auch überprüfen, ob ein paar hübsche Frauen mit an Bord waren. Zwar war er nicht zwingend auf eine Beziehung aus, da er aber Single war, durfte er sich ruhig mal umsehen.
Aber diesmal war nichts dabei. Eher von älteren Menschen, die womöglich keine Fahrtüchtigkeit im Sinne von verlangsamten Reflexen oder Alterserscheinungen hatten, war er umgeben.
Außerdem waren noch viele Jugendliche im Zug. Manch einer sogar betrunken, womöglich ohne Führerschein oder vielleicht aus Sorge darum wurde die Bahnfahrt gewählt.
Unterschiedliche Musikgeräusche konnte Michael während des Transfers mitbekommen, die durch die laut gedrehten Kopfhörer verschiedenster mobiler Elektrogeräte Preis gegeben wurden.
Die Fahrt zog sich einige Zeitlang hin, genauer gesagt um die elf Minuten. Zwischendurch hatte der Zug planmäßig zweimal angehalten und kam auf Gleis elf am gewünschten Zielort zum Stehen.
Am Bahnsteig des erreichten Ortes schaute Michael sofort in den Himmel. Trüb sah es aus und grau.
Ein leichter Nieselregen kam ihm zusätzlich entgegen.
Diesbezüglich wirkte er auch ein wenig enttäuscht.
Nachdem es zu Hause so hell und sonnig war, hatte er auch hier besseres Wetter erwartet.
Allerdings mußte man in diesem Zusammenhang auch fairerweise erwähnen, daß er sich nun zwanzig Kilometer entfernt aufhielt.
Michael schlenderte zunächst durch die Stadt. Eine Stadt mit einer Bevölkerungsanzahl größer fünfhunderttausend war es, im Stadtzentrum aufgebaut nach Quadraten.
Der Ort wurde deshalb auch im Volksmund Quadrate-Stadt genannt.
Ihm ging es aber nun im Wesentlichen darum, sich einzukleiden und technische Geräte zu begutachten.
Dabei interessierten ihn als Hobby-DJ immer die neuesten Modelle von Platten- sowie CD-Spielern.
Aber ein Kleidungsgeschäft konnte zunächst seine Aufmerksamkeit erringen. Ein großes und bekanntes Geschäft mit mehreren Etagen war es, das von außen mit einer blau verspiegelten Fensterfront glänzte.
Für private Belange war er kleidungstechnisch bestens bestückt. Arbeitsmäßig konnte er dagegen noch das ein oder andere Textil gebrauchen, obwohl sein Kleiderschrank bereits genügend ausgelastet war. Sein Augenmerk fuhr dabei als erstes auf einen eleganten Herren-Anzug.
Ein schwarzer Einreiher mit drei Knöpfen am Sakko, sehr dezente und schmale goldene Nadelstreifen kam dem glänzendschwarzen Stoff hervor.
Je nach Lichtverhältnis konnte man die Streifen deutlicher erkennen. Der Schnitt des Anzuges war modern ohne Umschlag an den Hosenbeinen und tailliert geschnitten.
Für knappe zweihundert Euro konnte dieser zu seinem Besitz werden, was gemessen an seinem Gehalt eine erschwingliche Investition schien.
Da Michael aber gern geizte, zumindest wenn es um das Ausgeben von Geld ging, war der Preis für seine Verhältnisse trotzdem noch recht anspruchsvoll. Aufgrund der guten Qualität des Artikels entschied er sich schließlich doch zum Erwerb.
Sein Geldbeutel erlaubte ihm aber noch weitere Einkäufe, dafür war er finanziell gesehen ausreichend gebettet.
War der erste Einkauf eingetütet, so schien das Geld etwas lockerer zu sitzen.
Ein weiteres Hemd und eine Krawatte sollten schon noch drin sein – natürlich passend zum Anzug.
Einen kurzen Moment später fielen auch schon die ersten Hemden in sein Blickfeld. Weiß gehörte dabei zu seinen Lieblingsfarben, da praktisch jede andere Farbe damit kombinierbar war, was vor allem die Krawatten betraf. Michael entdeckte schließlich ein interessantes Hemd.
Bei seiner eher schmalen Figur mußte er aber ein Hemd in Größe S wählen oder ein etwas kleiner Ausfallendes Textil in Medium.
Er hatte schon erlebt, daß solche Kleidungsstücke zu groß waren und dann komisch aussahen.
Oft war dies der Fall, wenn ein Standardschnitt für Durchschnittsgrößen verwendet wurde.
Dadurch sah das Ganze etwas klobig und unförmig aus.
Bevorzugt waren deshalb körperbetonte Textilien.
Michael wählte schließlich für sich ein Kleidungsstück, daß er ohne langes überlegen kaufen konnte.
Es war natürlich ein weißes Hemd - mehr oder weniger Unifarben - mit ganz leichten weißen Nadelstreifen, die ein wenig bei geänderten Lichtverhältnissen reflektierten.
Um das Kleidungspaket abzuschließen, fehlte nur noch die passende Krawatte.
Gerade da war er sehr eigen und speziell. Krawatten mit Mustern, egal ob gepunktet, gestreift, kariert oder mit Motiv fielen bei ihm durch, bis auf wenige Ausnahmen.
In der Regel mußte es eine einfarbige Krawatte sein und er fand auch rasch eine, die ihm zusagte.
Es war eine goldene Krawatte, schmal geschnitten, farblich mit einem angenehmen Schimmer aus Seide.
Kleidungstechnisch hatte er für heute alles besorgt.
Mehr Geld wollte er in diesem Bereich nicht investieren. Allerdings wollte er sich ja noch ein paar elektronische Artikel anschauen, weshalb er in das nächste Geschäft ging.
Hierbei handelte es sich um einen Discount-Markt für Elektronik. Im Regelfall konnte man hier immer etwas finden.
Durch die verschiedenen Verkaufsreihen lief er dann. PC-Komponenten, Video-Spiele und CDs schaute er sich dabei genauer an, konnte diesmal aber nichts finden was ihm zusagte.
Weiterhin wollte er sich noch über spezielle technische Geräte für DJs informieren.
Prinzipiell ging es ihm in erster Linie um die Neuheiten, da er bereits mit Produkten wie Mischpult und Plattenspielern eingedeckt war.
Dafür mußte er sich aber in ein Fach-Geschäft begeben, da solche Produkte hier nicht angeboten wurden.
Der Weg dorthin war nicht angenehm, da es immer noch nieselte und durch die Wolken verdunkelt war. Außerdem wurde es etwas windiger. So hatte er sich das nicht vorgestellt, als er den Beschluss mit dem Stadtbesuch fasste und es zu dem Zeitpunkt noch sonnig war.
Michael mußte als erstes die breite Fußgänger-Zone entlang, bis er nach links in eine kleinere Gasse einbog. Ab dort waren es noch einige Meter bis zum gewünschten Objekt.
Dabei kam er an vielen kleineren Geschäften vorbei, die aber nicht sein Interesse wecken konnten.
Nach vielen Metern und einigen Minuten später erreichte er schließlich sein Ziel, das Fach-Geschäft für DJ-Equipment.
Im Geschäft befand er sich keine ganze Minute, bis der erste Verkäufer auf ihn zuging.
„Kann ich Ihnen helfen?“,
fragte dieser.
„Nein, danke!“,
antwortete Michael in einem freundlichen Ton:
„Ich möchte mich nur ein wenig umschauen.“
Danach blickte er um sich.
Zuerst betrachtete er die Kopfhörer. Davon gab es die verschiedensten Modelle. Die meisten mit dicken Ohr-Muscheln in Schwarz, Silber, teilweise Gold, aber auch in den verschiedensten Farben.
Sehr oft waren diese schwenkbar und mit einem drei Meter langen Spiral-Kabel bestückt, welches einseitig montiert war. Das hatte den Sinn, daß man durch ein einseitiges Kabel nicht beim Auflegen gestört wird.
Nachdem er sich die Kopfhörer angesehen hatte, konnte er ein nettes und möglicherweise für ihn interessantes Spielzeug entdecken.
Hierbei handelte es sich um einen sogenannten Hybrid-Player.
Es war ein Mischgerät aus CD- und Schallplatten-Spieler.
Im Prinzip sah das Gerät so aus, wie ein DJ-Turntable, hatte aber zusätzlich vorne einen Slot für CDs.
Die Nadel für das Abspielen von Schallplatten war zusätzlich vorhanden und das Gerät bot auch die Möglichkeit, daß Vinyl und CD gleichzeitig abgespielt werden konnten.
So sehr er auch davon begeistert war, leisten wollte er sich das nicht, obwohl er die Idee klasse fand.
Siebenhundert Euro für zwei Plattenspieler sowie den bereits angefallenen Kosten für die Kleidung waren ihm zu viel Geld für einen Tag.
Außerdem bestand bei ihm kein akuter Bedarf, da noch genügend Titel auf Vinyl erschienen.
Ein Blick außerhalb der Fensterfront verriet ihm zudem, daß der Kauf von technischen Geräten heute eher ungünstig war, weil es unter anderem regnete.
Die Verpackung konnte durchnässen, da er auch noch ein Stück zu laufen hatte und nicht mit dem Auto vor Ort war.
So trat er langsam seinen Heimweg an, indem er zunächst zum Bahnhof ging. Auf Gleis eins sollte sein Zug kommen, davor ging er aber noch in ein Schnell-Restaurant.
Eine Kleinigkeit essen war endlich angesagt, da in der ganzen Hektik auch genügend Zeit vergangen war.
Mittlerweile war bereits zwanzig vor sechs Uhr abends. Drei Hamburger und weitere Minuten später befand er sich am bestimmten Gleis.
Kurz nach sechs sollte sein Zug fahren, also mußte er noch einen kurzen Moment warten.
Seine Bahn erreichte planmäßig den Abfahrtsort. Vor dem Anhalten war der Regionalexpress sehr gut gefüllt, aber dann auch wieder rasch leer. Denn es schien so, als würden mehr Menschen hier her kommen, als von diesem Ort weg zu fahren.
Schließlich war ja auch Samstag, ein Tag an dem sich die Kneipen im Normalfall abends gut füllten. Später ging es dann vielleicht noch für viele in die Disko, nachdem sie vorgeglüht hatten.
Egal, ihn brauchte es nicht mehr zu interessieren.
Er fuhr ja nach Hause.
Michael hatte Glück, der Zug war auf der Rückfahrt so leer, daß er eine ganze Sitzbankreihe für sich alleine hatte. Somit konnte er seelenruhig aus dem Fenster schauen und die Wegstrecke auf sich wirken lassen.
Mit gemischten Gefühlen schaute er aus dem Fenster heraus. Irgendwie war wieder die ganze Zeit so seltsam schlechtes Wetter.
Auf der einen Seite war es recht warm, allerdings regnete es dauernd, wenn zwischendurch auch nicht ganz so stark. Das wiederum machte die Luft natürlich schwül und unangenehm.
Die Rückfahrt dauerte nicht lange, währenddessen vergingen circa fünfzehn Minuten. Ein zwischenzeitlicher Stopp war nun etwas länger, als auf dem Hinweg.
Michael wurde weder auf der Hinfahrt, noch auf der Rückfahrt von einem Schaffner kontrolliert.
Ein Moment war es, wo man dachte, sich das Geld hätte sparen zu können. Aber wie ein anständiger Bürger hatte er die volle Kostenübernahme bereits vorab vollzogen.
Etwas schneller waren dann seine Schritte heimwärts, nachdem der Zug den Bahnhof erreichte. Ungefähr die Hälfte der Zeit für die Zugfahrt mußte er noch verbringen, bevor er einen Moment die Füße hoch legen konnte…
Geistig war er jedenfalls schon in der entsprechenden Stimmung und er wirkte dabei etwas abwesend.
Plötzlich änderte sich aber das Wetter!
Die unheimliche kryptische Aura vom See lag in der Luft. Es erschien um ihn herum dunkel. Michael steuerte aber auf sein zu Hause.
Fast so, wie er sein Haus verlassen hatte, sollte er es anscheinend erreichen.
Kurz vor seiner Haustür wurde er von seinem Nachbarn angesprochen: „Haben Sie auch den herrlichen Tag im Garten verbracht?
So wunderbares Wetter könnte es jeden Tag geben!“
Michael antwortete nur wenig euphorisiert:
„Nein. Ich war den ganzen Tag unterwegs und es hat mehr oder weniger geregnet.“
Weitere Worte konnte Michael dann unterbinden, indem er den Nachbarn beschwichtigte. Schließlich konnte er diesen nicht so gut leiden.
Dieser machte oft einen aufgesetzten Eindruck, der nicht ehrlich erschien und zum Teil auch sehr aufgeblasen. Das waren auch genau die Verhaltensweisen, die er nicht mochte.
Endlich war Michael dann zu Hause!
Die Einkäufe wurden als erstes zur Seite gelegt, um einen Moment durchzuatmen. Da er sich gerade im Wohnzimmer befand, entschied er sich dafür, zunächst den Fernseher einzuschalten.
Darin liefen mal wieder die Nachrichten…
Besonderes gab es nicht zu berichten. Das alltägliche Geschwätz der Politik wurde überwiegend gezeigt.
Eine Partei machte die andere nieder. Michael konnte das ja überhaupt nicht leiden, schließlich sollte die Politik lieber versuchen, Menschen zu helfen oder Probleme zu lösen, als sich gegenseitig der Unfähigkeit zu beschuldigen.
Der Sport-Teil war dann auch nicht interessant.
Die Fußball-Ergebnisse wurden nur vorgelesen und seine Lieblingsmannschaft hatte sogar überraschend verloren!
Danach kamen die Wetterprognosen für den nächsten Tag sowie für die weitere Zeit.
Die Voraussagen ähnelten denen ein paar Tage zuvor. Es sollte viel regnen und wenig Sonne geben und das überall auf der Welt!
Michael schaute aus dem Fenster raus und konnte nicht viel vom Prognostizierten erkennen.
Die Sonnenstrahlen, die seine Augen wahr nahmen, brachten ihn aber plötzlich auf eine verrückte und ungewöhnliche Theorie.
Hatte der gelbe Stein, den er fand, etwas mit dem seltsamen Wetterverlauf der letzten Tage zu tun?
Was im ersten Moment wie eine Schnapsidee klang, wurde gleich darauf zu einer ernsthafteren Überlegung.
Zugleich dachte er auch an ein kleines Experiment.
Am nächsten Tag wollte er sich an den See begeben mit dem ominösen Stein und dann das Wetter prüfen…
Bei gutem Wetter konnte der Gegenstand möglicherweise eine besondere Wirkung haben…
Wenn die Wetterlage allerdings eher der heutigen Lage von der Stadt glich, dann war seine Überlegung tatsächlich eine Schnapsidee.
Da er aber auch nicht im Konjunktiv leben wollte, stellte er die Gedanken diesbezüglich zurück und bereitete sich allmählich für den nächsten Tag vor…