Читать книгу Max Muckel Band 4 - Christian Manhart - Страница 3
Das verhexte Auto
ОглавлениеMax streichelte über seine lädierten Waden. Eigentlich war wieder alles in Ordnung! Seine Gesundheit war wieder vollständig hergestellt. Die befürchtete Tollwut war nicht ausgebrochen. Es hatte sich keine eitrige Entzündung gebildet. In den letzten Nächten war sogar das Wolfsgebiss nicht mehr so groß geworden. Max war sehr zuversichtlich, dass sich alles wieder einrenken wird. Langsam aber sicher kehrte in seinem Leben wieder die gewohnte Normalität zurück.
Deshalb war der Zeitpunkt genau richtig, sich ein neues Fahrzeug zuzulegen. An finanziellen Mitteln mangelte es Max und Gitti Gott sei Dank ja nicht. Wenn er im nächsten Jahr sechzig wird, steht außerdem die Auszahlung seiner Lebensversicherung an. Bis dahin konnte er es sich locker leisten ein wenig die gemeinsamen Ersparnisse zu plündern. Gitti hatte überraschenderweise nichts gegen einen Autokauf einzuwenden. Im Gegenteil, wie sie ihm bei der abendlichen Unterredung erläuterte.
„Früher, da hast du immer das Neueste haben müssen. Aber das ist scheinbar lange vorbei. Wenn es so weitergeht, haben wir bald lauter uralte Sachen. Das Auto gehört schon längst ins Museum, genauso wie der Geschirrspüler und die Waschmaschine! Sie dich doch mal um! Unser Wohnzimmer sieht aus, als würden wir in den Siebzigern leben“ hatte Gitti sogleich eifrig festgestellt, als Max ihr seine Idee für den Autokauf präsentierte. Sie nutzte sein Ansinnen sogleich für einen Rundumschlag. Das war ja praktisch ein Freibrief für den Autokauf. Aber auch ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass Max sich in der nächsten Zeit um viele Dinge in der Wohnung kümmern musste. Deshalb versprach er Gitti so bald als möglich für einen neuen Geschirrspüler und eine Waschmaschine zu sorgen. Aber das waren momentan für Max unbedeutende Kleinigkeiten. Soll sie sich halt eine aussuchen. Was hatte Max mit einer langweiligen Waschmaschine am Hut?
Zuerst das Auto!
Das war wirklich wichtig!
Max packte seine umfangreiche Prospektsammlung zusammen. Es war soweit! Die Vorbereitungen waren abgeschlossen. Der Autokauf konnte beginnen! Max kleidete sich zu diesem Zweck besonders elegant. Max kramte sogar ein lange nicht getragenes Sakko und eine dazu passende Krawatte aus seinem Kleiderschrank. Schließlich wollte er den Autoverkäufer beeindrucken und nicht dastehen, als hätte er kein Geld. Max hatte gelesen, dass Kunden die nach Bargeld rochen, besonders gute Konditionen aushandeln konnten.
In bester Laune verließ er das Haus. In der Garage betrachtete er mitleidig seinen fahrbaren Untersatz. Es wurde aber wirklich allerhöchste Zeit!
Aus dem Volkswagenhändler, bei dem er vor vielen Jahren den Golf erstanden hatte, waren inzwischen zwei getrennte Händler geworden. Ein Autohaus für Volkswagen und eines für Audi. Max war sowieso voll auf Audi fixiert. Volkswagen kam deshalb ohnehin nicht infrage.
Sein alter Golf hatte schon einiges an Kilometern auf dem Buckel. Max schämte sich mit so einem schäbigen Fahrzeug auf den Hof eines Händlers zu fahren. Er parkte deshalb lieber etwas weiter vor dem Gelände.
Ehrfürchtig betrat er kurz darauf die feudalen Ausstellungsräume des Audihändlers. Max hatte Doktor Wotan so bewundert. So einen sportlichen Audi ... Das wär schon was ...
Er hatte sich kaum vor eine ausgestellte Limousine gestellt, als wie aus dem Boden gewachsen ein schnöseliger Verkäufer neben ihm stand und ihn mit sonorem, unverbindlichen Tonfall
ansprach:
„Guten Tag der Herr kann ich ihnen helfen?“
„Ähh, ja, ich seh mich mal zuerst bloß um ...“, stotterte Max. Das ging ja schon gut los! Der Verkäufer lächelte und entfernte sich ein paar Meter. Dabei tat er so, als hätte er an einem der ausgestellten Fahrzeuge etwas zu tun. Aber Max war sich sicher, dass der Typ ihn nur heimlich beobachtete. Er war von einer Menschensorte, die Max von Grund auf nicht ausstehen konnte. Er steckte in einem piekfeinen Anzug.
Dazu trug er eine forsche Designerbrille und hatte sich die gefärbten Haare dick eingegelt. Der Mann war bestimmt schon im selben Alter wie Max.
Max wandte sich ab und setzte sich schnell in das erstbeste Auto. Behutsam schloss er die Tür.
„Ahhh dieser Geruch ... Ein Neuwagen hat ja ein ganz besonders Flair. Das ist wirklich einmalig!“ freute sich Max.
Er ließ seine Finger über die edlen Lederpolster wandern. Zärtlich berührte er die glänzenden Schalter und Knöpfe. Er genoss die Anmutung der Materialen. Einfach toll, was die deutsche Ingenieurskunst so hervorbrachte. Jetzt wurde ihm erst bewusst, was er die letzten Jahre versäumt hatte. Die technische Entwicklung war enorm. Ja, so ein Fahrzeug musste her!
Max probierte einige Schalter aus. Er versuchte die elektrischen Sitze zu verstellen und das Multimedia System zu starten.
Ein Schatten irritierte ihn. Der Verkäufer hatte sich schon wieder angeschlichen und stand neben der Fahrertür. Er beugte sich herunter und grinste erwartungsvoll durch das geschlossene Fenster. Max fühlte sich richtig bedroht von dem aufdringlichen Kerl. Aber der Mann hatte schon kapiert, dass jetzt es besser war, den Mund zu halten, um Max nicht zu vertreiben.
Nach einer halben Stunde hatte Max genug gesehen. Der schmierige Verkäufer hatte inzwischen aufgegeben und sich an
seinen fast leeren Schreibtisch gesetzt. Ganz geschäftig spielte er mit seinem Smartphone. Max nutzte die Gelegenheit um sich unbemerkt davonzuschleichen. Max brauchte noch ein wenig Zeit, um nachzudenken. Aber der Verkäufer hatte gut aufgepasst.
Offenbar hatte er Max aus den Augenwinkeln beobachtet. Denn er schnitt ihm den Weg nach draußen ab.
„Haben Sie etwas Passendes gefunden? Oder soll ich ihnen ein paar interessante Modelle zeigen?“ fragte er scheinheilig.
Max seufzte und ergab sich der Aufdringlichkeit. Was nützte es auch?
Schließlich war ein Autohaus kein Selbstbedienungsladen.
Zu seiner Überraschung stellte sich schnell heraus, dass er sich in dem äußeren Eindruck des Verkäufers getäuscht hatte. Der Mann war überaus freundlich und sachkundig. Und er machte Max von sich aus ein unschlagbares Angebot.
„Wenn sie einen Neuwagen nach ihren Wünschen bestellen kann, ich ihnen leider keinen großen Rabatt einräumen. Was halten sie denn von einem Jahreswagen oder einem Geschäftswagen? Zurzeit sind einige sehr gut ausgestattete Modelle mit attraktiven Preisen vorrätig“ versicherte er Max augenzwinkernd.
Max zuckte mit den Schultern.
„Warum nicht?“, antwortete er.
Der Verkäufer führte Max auf das großzügige Freigelände. Hier stand ein glänzendes Fahrzeug neben dem anderen.
Der Verkäufer nannte sich Karsten Karwendel. Als sie inmitten der Reihen von Autos standen, bombardierte Herr Karwendel Max unaufhörlich mit Fragen:
Benzin oder Diesel? Farbe? Leder oder Stoff? Automatik oder Schaltgetriebe? Oder doch lieber einen Avant? Usw. und so fort.
Angesichts des überwältigenden Angebots fiel es Max schon erheblich schwerer sich zu entscheiden. Der Verkäufer grinste überlegen. Max hatte keine Chance mehr.
Es war ihm schnell klar, dass er Karwendel ausgeliefert war. Und Karwendel hatte Max wirklich gut eingeschätzt. Ohne weiter nachzufragen, wählte er drei infrage kommende Fahrzeuge aus. Karwendel hatte tatsächlich auf Anhieb den Richtigen für Max und Gitti gefunden.
Es handelte sich um einen metallicblauen Audi A4 mit einer sagenhaften Ausstattung. Sogar ein Navigationssystem war mit dabei. Das Auto war erst ein Jahr alt und hatte nur 22 000 Kilometer auf dem Tacho. Allerdings wollte Karwendel satte 30 000 Euro dafür haben. Eine schöne Stange Geld! Er musste erst mit Gitti darüber reden. Mit so einer Summe hatte er selber nicht gerechnet. Aber bei den Neupreisen, die er vorher studiert hatte, war das Auto ein richtiges Schnäppchen.