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Mein Name ist Lilly Beier, ich wohne in der Hafenstraße in Hamburg auf St. Pauli. Mein bisheriges Leben war nicht gerade spannend und so genoss ich meine Freiheit. Ich wuchs in einem sehr lockeren Elternhaus auf. Ich machte mein Abitur und studiere heute Psychologie an der Uni Hamburg. Mit meinen 21 Jahren stehe ich mitten im Leben und somit versuche ich mir in den Semesterferien etwas Geld zu verdienen. Zurzeit lebe ich in einer kleinen Wohngemeinschaft mit zwei anderen Studenten namens Heike und Kai und meinen Hund Bobby.

Kai ist 22 Jahre alt und studiert BWL. Heike ist 20 Jahre alt und studiert Architektur. Mein Hund Bobby ist ein mittelgroßer brauner Labrador und 3 Jahre alt und praktisch mein Schatten. Meine Jobs waren bisher nicht nur einfache Jobs, geprägt von Langeweile oder Ähnlichem... NEIN, bisher habe ich jedes Mal neue Abenteuer erlebt. Die Zeit war gekommen. Die Semesterferien waren da. Wir hatten Februar und ich brauchte Geld für Lebensmittel und Miete. Ich las in einer Zeitung, dass für die Büros in den Fischhallen eine Putzfrau gesucht wurde. Mit Putzen hatte ich keine Probleme und ich war mir für nichts zu schade. Früh am Morgen um 8 Uhr habe ich mich warm angezogen und bin durch den tiefen Schnee stampfend zu den Fischhallen gegangen. Diese waren zum Glück nur etwa 10 Minuten zu Fuß entfernt.

Es war um diese Zeit sehr viel Betrieb. Die Fische mussten wohl raus zu den Händlern. Es liefen dort Männer mit langen Gummischürzen und Gummistiefeln durch den stinkenden Matsch aus Fischabfall herum. Etwa zwei Meter von mir entfernt stand ein großer Mann mit einem langen Messer und fragte, was ich denn möchte. Ich stammelte, dass ich wegen einer Zeitungsanzeige hier sei und einen Herrn Reinel suche. Er zeigte auf ein Büro. Ich konnte erkennen, dass in dem Büro ein sehr dicker Mann mit einem blauen Rollkragenpullover saß. Auf dem Kopf trug er eine Schirmmütze. Im Mund hatte er einen kleinen Zigarrenstummel.

Als ich das Büro betrat und mich vorstellte, fielen mir sofort seine dicken Finger auf. Mit Fisch zu arbeiten war bestimmt kein leichter Job. Zum Glück hatte ich mich als Putzfrau beworben. Wir kamen schnell ins Gespräch und ich erzählte ihm von meinen Vorstellungen. Wie zum Beispiel, dass es eine begrenzte Tätigkeit mit entsprechenden Gehalt sein sollte. Als die Modalitäten geklärt waren, einigten wir uns auf eine Probewoche. Das Schriftliche würden wir dann nach einer Woche klären meinte er. Erst mal möchte er sehen, wie ich mich anstelle. Nebenbei merkte er an, dass ich die vierte Frau innerhalb kürzester Zeit für diesen Job wäre. Meine drei Vorgängerinnen waren nach ein paar Tagen verschwunden. Das bedeutete, sie hätten nicht mal eine Woche lang durchgehalten. Dem Chef war es recht, denn er könne nur fleißige Menschen gebrauchen fügte er hinzu.

Ich solle gleich am Abend mit der Grundreinigung beginnen. Am Abend ist dort bis zur Nacht nicht viel los. Erst sehr früh morgens gegen 4 Uhr kämen die ersten Fischlieferungen. Ich wurde mit einem Schlüssel ausgestattet und das Putzzeug wurde mir anschließend auch noch gezeigt. Mir war schon etwas komisch, da ich noch nie abends alleine in der dunklen Jahreszeit gearbeitet habe. Diese Gedanken verschwanden aber schnell wieder, da das Geld stimmte.

Also ging ich am Abend zu den Büros in den Fischhallen. Es war wirklich kein Mensch weit und breit zu sehen. Alles war dunkel. Ich schloss die Halle auf und suchte den Lichtschalter. Nach einer Weile fand ich diesen dann und war etwas beruhigter. Mit Licht ging es schon und ich fing an zu putzen. Immer wieder kroch ein Gefühl in mir hoch beobachtet zu werden. Es war sehr kalt und nass in der Halle und den Büros. Der widerliche Gestank von Fischabfall tat sein Übriges. Irgendwie konnte ich die drei Frauen vor mir verstehen. Lange würde ich das hier wohl auch nicht durchhalten. Und dann immer dieses Gefühl nicht alleine zu sein…

Als ich nach etwa zwei Stunden mit der Grundreinigung fertig war, beschloss ich es bis zum nächsten Abend dabei zu belassen. Die Hallen und Büros waren eh in einem sehr schlechten Zustand. Geputzt wurde da schon länger nicht mehr richtig. Ich machte mich auf dem Heimweg durch den tiefen Neuschnee. Auch auf dem Heimweg wurde ich dieses Gefühl nicht los. Ich schaute mich alle paar Meter besorgt um, aber ich konnte nichts erkennen. Das Schneetreiben war zu groß. Morgens berichtete ich meinen Mitbewohnern von dem neuen Job und dieser besonderen unheimlichen Situation. Sie empfahlen mir doch meinen Hund Bobby mitzunehmen. Diesen guten Tipp nahm ich dankend an denn er würde mir etwas mehr Sicherheit geben.

Abends dann ging ich mit Bobby zur Arbeit. Der Chef hatte mir in seinem Büro ein Zettel hingelegt. Mit der Säuberung seines Büros war er sehr zufrieden. Ich solle doch im Büro in der Halle 3 kurz durchwischen. Dort hatte jemand seine Kanne Kaffee fallen gelassen. Auf dem Weg dorthin nahm ich Bobby mit an meine Seite. In der Halle 3 wurden wohl vorwiegend Fischreste in großen Tonnen aufbewahrt. Es stank widerlich, denn diese Tonnen waren zum Teil nicht verschlossen. Als ich kurz vorm Büro war, knurrte Bobby auf einmal. Ich schaute mich um, doch ich konnte nichts feststellen. Ich putzte schnell die Flecken weg.

Auf dem Rückweg in gleicher Höhe knurrte Bobby erneut und er schaute dabei auf eine Tonne. Ich konnte zuerst nicht genau erkennen, warum er so knurrte. Ich näherte mich der Tonne und schluckte und erstarrte zugleich. Es sah so aus, als ob ein Arm aus der Tonne hängen würde. Wie von Sinnen schnappte ich mir meinen Bobby und rannte aus der Halle. Ich entfernte mich vom Arbeitsplatz und rief mit meinem Handy die Polizei.

Nach etwa 10 Minuten kamen die Beamten und trafen mich in einer Seitenstraße. Als wir die Halle mit der besagten Tonne betraten, sah diese auf einmal anders aus. Die Polizisten stocherten in der Tonne herum. Diese war bis zur Oberkante mit Fischresten gefüllt. Die Beamten schüttelten den Kopf. Sie konnten mich verstehen, dass es ein unheimlicher Ort zum Arbeiten sei. Ich solle vielleicht doch lieber einen anderen Job machen. Hier würde meine Fantasie mit mir durchgehen. Eventuell sah wohl ein alter Fisch wie ein Arm aus. Ich versicherte der Polizei, mir so etwas nicht eingebildet zu haben.

Ich erzählte meinen Mitbewohnern von dem Vorfall. Sie boten ihre Hilfe an, doch ich lehnte dankend ab. Mit Bobby fühlte ich mich sicher genug. Am nächsten Abend machte ich wieder meine Schicht und putzte alles so gut es ging sauber. Der Feierabend nahte und kurz bevor ich das Licht der Halle ausmachen wollte, hörte ich ein Geräusch hinter mir. Ich schaute durch eine milchige Scheibe und ich sah einen Schatten verschwinden. Leider konnte ich nichts Genaueres erkennen. Die Gestalt war einfach zu schnell verschwunden. Dies bestätigte meine Ahnung, beobachtet zu werden. Ich nahm mir vor am nächsten Morgen um acht Uhr früh zum Chef zu gehen, um ihm davon zu berichten.

Als ich am Morgen aus der Haustür trat, lag Hamburg im dichten Nebel. Gegenüber der Straßenseite sah ich schemenhaft eine dunkle Gestalt stehen. So, als sollte ich sie nicht sehen. Ich lies mir nichts anmerken, doch ich war mir sicher, dass es sich dabei um die Person vom Vorabend an der Fischhalle handelte. Ich ging schnellen Schrittes Richtung Fischhallen. Der Nebel war so dicht und ich hörte fast zeitgleich mit meinen Schritten dumpfe Schritte hinter mir. Ich drehte mich mehrmals um aber es war nichts zu sehen.

Ich ging immer schneller und auf einmal kam von links mein Mitbewohner Kai mit meinem Hund Bobby. Ich erzählte ihm von meiner Angst und beide begleiteten mich zu den Hallen. Kai drehte dann später um und überließ mir zur Sicherheit Bobby. Als ich durch die Halle ging, musste ich an einigen Büros vorbei. Angekommen beim Chef war dieser aber leider nicht mehr in seinem Büro. Als ich nachfragte, wo denn der Chef sei, sagte man mir, dass er gerade bei der Firma gegenüber ist, um die Parkplatzsituation zu klären. Eine Im- und Export Firma für Heilpflanzen.

Von den Parkplatzproblemen wusste ich nichts und so ging ich rüber zur anderen Firma, um meinen Chef zu suchen. Ich schaute in alle Büros aber leider fand ich meinen Chef nicht. Doch als ich mit Bobby beim letzten Büro vorbeiging, war da ein Geruch. Ein ganz spezieller Geruch. In dem Büro saß ein ganz fies aussehender Mann mittleren Alters. Am Ausgang war ein Türhaken, an dem seine Jacke hing. Bobby schnüffelte daran ganz aufgeregt. Ich spürte sofort: Hier stimmt etwas nicht. Ich fasste all meinen Mut zusammen und ging ins Büro und roch an seiner Jacke. Diese stank sehr stark nach unseren Fischabfällen. Ich sprach den Mann einfach an und fragte, ob er der Mann sei, der mich abends verfolgen würde.

Zu meinem Erstaunen schaute er mich nicht an, sondern grinste und meinte ganz trocken: Mach das Du abhaust, sonst ergeht es Dir wie Deinen drei Vorgängerinnen. Ich schluckte und mir zitterten die Knie. Ich machte also kehrt mit Bobby und wir entfernten uns ganz schnell von dem Büro. Was der Mann nicht wusste. Ich hatte bei meinem Smartphone die Aufnahmefunktion aktiviert. Was meinte er mit dem Satz „Sonst ergeht es Dir wie deinen Vorgängerinnen“? Ich malte mir das Schlimmste aus. Oh Gott, lasse es bitte nicht wahr sein. Ich rannte nach Hause. Sollte ich die Polizei informieren? Die glaubt mir in Moment eh nichts. Ich weihte meine zwei Freunde ein und spielte ihnen die Aufnahme vor. Wir beschlossen am Abend alle zusammen in die Fischhallen zu gehen, um sämtliche Abfalltonnen zu durchsuchen. Es war Wochenende und ich hatte eigentlich keinen Dienst. Wir gingen in die Hallen und ließen das Licht zuerst aus. Bobby fing wieder an, zu knurren. In weiter Ferne hörten wir ein ganz schwaches Geräusch. Als wir uns dem Geräusch näherten, kamen wir zu einer Treppe, die in den Keller führte. Der Gestank wurde immer unerträglicher und das Geräusch immer lauter. Als wenn jemand Messer schärfte. Beim Gehen im Dunklen trat ich auf einmal auf eine Hundepfote. Bobby quiekte kurz auf und das Geräusch war schlagartig weg. Wir waren buchstäblich aufgeflogen.

Ich rief vorsichtig: „Hallo, ist da jemand? Kommen Sie raus, das Gelände ist weiträumig abgesperrt“ Das Licht ging an und eine schwere Eisentür öffnete sich. Vor uns stand der Mann, der mich noch früh am Morgen gewarnt hatte. Er hatte in jeder Hand ein großes Messer. Hinter ihm sah ich auf einem Blechtisch eine dickliche Gestalt liegen. Genaueres konnte ich nicht sehen, denn der Mann lief auf uns zu mit weit ausgebreiteten Armen. Er wollte auf uns einstechen. Bobby sprang geistesgegenwärtig dem Mann entgegen und verbiss sich in seinem Arm. Doch der Mann konnte Bobby abschütteln. Bobby flog in eine Ecke. Wir waren wie erstarrt und er kam auf uns zu. Kurz bevor er uns erreichen konnte, hörten wir Stimmen die laut riefen: „Sofort hinlegen, Polizei“. Wir sprangen zur Seite und zogen die Köpfe ein. Nur der Messermann stand noch mit weiterhin ausgebreiteten Armen vor uns, und voller Zorn jeden umzubringen, der sich ihm in den Weg stellte.

Die Polizei schoss sofort auf den Mann, sonst wäre einer von uns verloren gewesen. Der Mann sackte tödlich getroffen zusammen. Bobby kam zu mir rüber. Mein kleiner Wuffi hatte nur eine blutige Nase. Auf dem Tisch in dem Raum hinter der schweren Eisentür lag noch dieser dickliche Mann. Es war mein Chef. Wir kamen gerade noch rechtzeitig. Der Erschossene wollte gerade beginnen meinen Chef zu vierteilen. Es bot sich wahrlich ein Bild des Grauens. Überall Blut und Gestank. Später erfuhr ich, dass neben der Blechbarre auf derer mein Chef gelegen hatte, bereits drei schwer gefüllte Tonnen standen. Dort waren meine Vorgängerinnen zwischen Fischresten zerteilt eingelagert. Es handelte sich bei den Frauen um illegal Eingewanderte, die ohne Papiere arbeiten wollten. In meiner Angelegenheit wollte mein Chef mit Papiere etc. endlich alles richtig machen. Nur deshalb konnte sich wahrscheinlich der Mörder nicht schnell genug entscheiden, mich umzubringen. Er hatte wohl auch die Stellenanzeige in der Zeitung gelesen. Das war mein Glück, doch irgendwann hätte er bestimmt auch mich gegriffen.

Die Polizei wurde übrigens von einem Nachbarn alarmiert. Er sah uns drei mit dem Hund ohne Licht in die Halle gehen. Ich war hinterher froh über so viel Aufmerksamkeit. Warum aber hat der Mann überhaupt gemordet? Warum mussten Menschen sterben. Was musste alles Geschehen, um so etwas Schlimmes zu begehen. Mein Chef wusste es. Der Mörder hasste unsere Firma. Der Gestank war ihm zuwider. Aber was ihn wirklich zu der Tat bewogen hatte, war die Parkplatzsituation vor den Firmen. So banal es klingen mag. Er hasste es, wenn seine Kunden oder er selbst keinen Parkplatz mehr bekamen.

Daher ein Tipp von mir. Streitet Euch nicht um einen Parkplatz. Gebt klein bei, denn man weiß nie, ob derjenige eventuell nur noch einen Auslöser braucht. Ich beschloss für mich, den Job nicht mehr weiter zu machen. Der Chef gab mir für meine restlichen Semesterferien noch eine andere Arbeit. Diesmal in einem Büro bei sehr guter Bezahlung.

Lilly

Mörderische Geschichten einer Studentin

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