Читать книгу Der Fuchs und Dr. Shimamura - Christine Wunnicke - Страница 7
ZWEI
Оглавление»Jedermann hat genau dieselben Erinnerungen aus der Kindheit«, sagte der Student. »Jeder erinnert sich, wie ihm seine Mutter die Ohren ausputzte, Herr Doktor, und an die Windräder, und an die Geräusche in der Nacht.«
Er ging zwei Schritt hinter Dr. Shimamura her, auf einem
kaum sichtbaren Weg zwischen Gestrüpp und Gestein in der sommerheißen Präfektur Shimane. Man schrieb, nach dem neuen Kalender, den Juli des Jahres 1891. Der junge Dr. Shimamura hatte vor kurzem in Tokyo promoviert. Er war der Lieblingsschüler des Neurologieprofessors Sakaki Hajime.
»Finden Sie nicht auch, Herr Doktor, bitte, ja?«, beharrte der Student.
Shimamura gab keine Antwort. Er war längst an das Geschwätz des Studenten gewöhnt, dessen Unhöflichkeit an Geistesverwirrung grenzte. Wie hieß der Student? Gewiss hatte Shimamura das einmal gewusst, aber später vergaß er es, er vergaß den Namen dieses Studenten später so völlig, dass es erstaunlich war. Und schon damals nannte er ihn immer nur ›Herr Student‹.
Sie kletterten durchs Unterholz. Shimamura trug seine Arzttasche mit dem Stethoskop, den gynäkologischen Spekula, dem Helmholtzschen Augenspiegel, dem Perkussionshammer und der dritten Auflage von Wilhelm Griesingers Pathologie der psychischen Krankheiten; der Student schleppte in einem großen englischen Seesack den fotografischen Apparat hinter ihm her. Shimamura trug Norfolk-Blazer und Strohhut und an den Füßen Knöpfstiefel. Um den Studenten flatterte ein kniefreier Bauernkittel, an seinen Füßen patschten Strohpantinen.
»Erinnern Sie sich auch an diese Geschichte, als Sie klein waren, Herr Doktor, dass einzeln stehengelassene Schuhe zu Schuhgeistern werden und einen umherjagen?«, fragte der Student.
Vor drei Tagen hatte ihn Shimamura in seiner Verzweiflung angewiesen, einheimische Kleidung auszuleihen und anzulegen. Dies gewinne das Vertrauen der Landbevölkerung. In Wahrheit hatte er gehofft, dass eine solche unwürdige Tracht dem Studenten vielleicht die Sprache verschlüge, was allerdings nicht eingetreten war. Jetzt verspürte Shimamura Neid auf all die Luft, die den Körper des Studenten erreichte, besonders am Hals. Der enge Hemdkragen scheuerte an Shimamuras Kehle und immer, wenn er den Kopf drehte, wurden die Carotidenpulse fühlbar. In seinem schmalen Schnauzbart reihten sich Schweißperlen.
»Wenn sich jedermann an genau dasselbe aus seiner Kindheit erinnert, ist es doch erstaunlich, dass die Menschen alle so unterschiedlich geraten!«, triumphierte der Student.
Shimamura wusste nicht, warum ihm Professor Sakaki diesen Studenten der Medizin, der wohl gerade einmal fünfzehn oder sechzehn Jahre zählte, als Gehilfen aufgedrängt hatte. Er wusste auch nicht, was Sakaki mit der Shimane-Expedition eigentlich bezweckte. »Reisen Sie nach Shimane«, hatte Sakaki gesagt, »und erforschen Sie die alljährlich dort auftretende Epidemie der Fuchsbesessenheit. Untersuchen Sie jede Fuchspatientin und stellen Sie eine Diagnose. Achten Sie besonders auf neurologische Fälle.« Obwohl er nun schon seit Tagen durch Shimane trabte und in den abgelegensten, elendesten Quartieren die armseligsten Fuchspatientinnen mit den kläglichsten Krankheiten diagnostizierte (Trunksucht, Kretinismus, Ovarialabszess mit Durchbruch ins Rektum), wusste Shimamura noch immer nicht, was sich Sakaki bei dieser Schikane gedacht hatte. »Wenn Sie keine Diagnose finden«, hatte Sakaki gesagt, »schreiben Sie einfach ›Fuchs‹, haha.« Professor Sakaki scherzte gern. Vielleicht war die ganze Expedition nichts als ein Scherz von Professor Sakaki.
Es dauerte fast zwei Wochen von Tokyo bis Shimane. Man ging zu Fuß. Man ließ sich von Sänftenträgern in Sänften tragen. Man fuhr in der Rikscha, wobei einem der Student fast auf dem Knie saß und dauernd mit einem redete. Der Student war der Spross einer uralten Familie mit Verwandtschaftsbeziehungen, über die man nur staunen konnte. Es gab Großväter, Großonkel, Großtanten dieser Familie, die an ausgefallenen, altertümlichen Krankheiten gestorben waren, sobald Japan seine Grenzen geöffnet hatte. Es gab auch einen Fächer, mit dem ein Ahnherr des Studenten vor vierhundert Jahren eine Schlacht verloren hatte, weil er ihn zur falschen Zeit gehoben hatte. Dieser Fächer wurde im Familienschrein verwahrt und gemahnte die Familie seit vierhundert Jahren an den Wert der Bescheidenheit. All das hatte der junge Student in Rikscha und Gasthaus zwei Wochen lang Shimamura Shunichi in allen Einzelheiten anvertraut, während er ununterbrochen sein Pfeifchen rauchte. Anders als Shimamura wusste er auch viel über Füchse. Er hatte wahrscheinlich die Fuchsgöttin Inari persönlich und Unmengen weitere abergläubische Sachverhalte in seinem Familienstammbaum. Der Student wusste vierhundert Jahre alte Fuchsbesessenheitsgeschichten, die sich sämtlich unter den Vasallen seiner hochmögenden Familie zugetragen hatten. Die berichtete er ebenfalls im Detail.
Daheim in Tokyo hatte Shimamura über paralytische Beriberi und erbliche Schwermut gearbeitet. Er hatte sich auf seine Europareise vorbereitet, die er in Bälde antreten wollte, sobald ein Stipendium bewilligt wäre. Er hatte auch gerade geheiratet, eine unfreundliche, hochaufgeschossene Arzttochter, die ihm ein Rätsel war. Der junge Shimamura Shunichi verstand von Frauen nicht mehr als von Füchsen. Er kam auch nicht gut an bei Frauen. Auch bei Patientinnen nicht. Er konnte von Glück sagen, dass erbliche Schwermut und paralytische Beriberi das schöne Geschlecht für gewöhnlich verschonten. Vielleicht war auch die Arzttochter Sachiko, die ihn hatte heiraten müssen, weil er Professor Sakakis Lieblingsschüler war, von Natur aus gar nicht so unfreundlich, sondern wurde erst unfreundlich in Shimamuras Gegenwart. War vielleicht dies die Pointe des Scherzes von Professor Sakaki? Es ist ja kein Fuchs, Herr Doktor! Es ist eine Füchsin! Füchsinnen fahren in Frauenzimmer! Alles fest in weiblicher Hand! So dozierte der Student jeden Tag. Saß Professor Sakaki Hajime an seinem schönen englischen Schreibtisch neben seiner schönen kleinen Statue der Hygieia in der kaiserlichen Universität zu Tokyo und lachte sich ständig ins Fäustchen, weil ausgerechnet Shimamura Shunichi wochenlang bei Gluthitze nichts als altmodisches Weiberirresein betrachten musste, und zwar ohne jeden wissenschaftlichen Nutzen?
»Nun halten Sie einmal den Mund«, sagte Shimamura zum Studenten, der eben gar nichts gesagt hatte. Eine trockene Wurzel fing Shimamuras Stiefel. Er stolperte. Er tat sich an den Zehen weh. »Dort ist ein Schatten, Herr Doktor«, plärrte der Student und zeigte auf den mageren Stamm eines mageren, blattarmen Baumes. Der Student grünte und blühte im Heißen. Shimamura litt unter niedrigem Blutdruck und der sommerlichen Dyspepsie der Astheniker. Er verfügte sich dankbar in den winzigen Schatten. Dort ging er in die Hocke und schloss einen Moment lang die Augen. Dann studierte er die Karte, die ihm der Krankenhausdirektor von Matsue gezeichnet hatte, welcher seit Jahren jeden Sommer in Shimane für die fuchskranken Frauen zuständig war.
Das heutige Tagwerk befand sich zwischen Taotsu und Saiwa. Dort hatte der Direktor gleich dreimal sein rotes Fuchszeichen auf die Karte gepinselt, da der Fuchs dort anscheinend gleich dreimal nistete. Es war nicht mehr weit zu dem namenlosen Ort zwischen Taotsu und Saiwa. Shimamura holte tief Luft, kniff das Gesäß zusammen, um seinen Kreislauf zu stabilisieren, und machte sich wieder auf den Weg.
Halbnackte Kinder, die überall aus dem Unterholz hervorkamen, gaben ihnen das Geleit. Viele trugen kleine Geschwister auf dem Rücken, die dort schliefen, sabberten oder an ihren Fäusten kauten. Wahrscheinlich litten sie alle an Mangelkrankheiten. Blickte Shimamura in ihre Richtung, stoben sie wie ein Fischschwarm auseinander. Vor dem Studenten hatten sie keinen Respekt, sie schlichen sich an und zupften an ihm und bald schienen die ersten an ihm festzuwachsen wie Napfmuscheln an einem Boot. Der Student schnitt ihnen Grimassen. Er sah aus wie ihr großer Bruder, wenn er dieses fadenscheinige Kittelchen trug. Auch hatte er sich einen alten Lappen als Sonnenschutz um den Kopf geknotet, der jeder Hygiene spottete. Bei all seiner Lästigkeit war der Student aber doch ein guter Junge. Shimamura nahm sich vor, ihn ein wenig mehr zu beachten und ihm vielleicht auch dieses oder jenes über die Medizin beizubringen, wenn er ihn schon in seiner Obhut hatte.
Sie erreichten Taotsu, durchquerten es in fünf Minuten und standen wieder in der weglosen, nutzlosen Hitze. Zu den Kindern hatten sich die Exorzisten gesellt; es war täglich dasselbe Spiel. Auch die Exorzisten mieden Shimamura und klammerten stattdessen am Studenten. Es waren schon derer vier, ein hinkender Mönch, ein Weiblein mit Zauberfahnen und zwei Gefäße.
»Zwei Gefäße haben sich soeben zu uns gesellt, Herr Doktor!«, vermeldete der Student mit kaum verhohlener Begeisterung.
Der Student wusste genau, wie sehr es Shimamura vor den sogenannten Gefäßen ekelte. Shimamura ekelte sich nicht leicht. Er war schließlich Arzt. Gerade gestern hatte er lange besinnlich an den Hautläsionen eines Leprakranken gekratzt, nur um sich über die ewigen Fuchsweiber hinwegzutrösten. Doch die Gefäße ekelten ihn schrecklich. Er drehte sich um und schrie. Er schrie die Kinder an und die Exorzisten. Er drohte mit Schlägen, mit der Polizei, mit Spritzen; es kam alles recht sinnlos heraus. Kinder und Exorzisten liefen dramatisch davon, nur um dann umgehend leise zurückzukommen. So ging das jeden Tag. Schon linste das erste Gefäß wieder hinter dem Studenten hervor. »Trollt euch!«, brüllte Shimamura. Trotz der Hitze schauderte ihn.
Die sogenannten Gefäße waren die elendesten Nutznießer des Fuchswahns. Sie unter die Exorzisten zu fassen beleidigte strenggenommen den Exorzistenstand. Der Krankenhausdirektor aus Matsue hatte Shimamura das alles genau erklärt. Jeden Sommer pilgerte der verzweifelte Abschaum nach Shimane, um sich als Fuchsgefäße anzubieten. Als Fuchsherbergen. Als Fuchsasyle. Das Wort war mehrdeutig und in allen Bedeutungen ekelhaft. Die Kurzform Gefäße ekelte Shimamura am meisten. Wer als Gefäß nach Shimane kam, trug einen Strick um den Hals. Wie ein Hund. Oder ein Esel. Der Strick sagte: Nimm mich, ich bin dein Opfer. Wie ekelte es Dr. Shimamura vor den Gefäßen! Wenn der Fuchsgeist aus einer Fuchskranken ausfuhr, hatte er gelernt, war dafür Sorge zu tragen, dass er gleich einen fand, um wieder hineinzufahren, damit er nicht unbehaust flottierte: Dafür gab es Gefäße. Sie hielten weichen Tofu im offenen Mund, um den Fuchs damit anzulocken, und der Fuchs fiel darauf herein, kam schnuppern und lecken und wurde verschluckt. Der Krankenhausdirektor hatte Shimamura den Fuchstransfer, der stets mit viel Geschrei und Verrenken einherging, in allen Einzelheiten geschildert. Auch wie es dem Gefäß, der Herberge, dem Asyl fortan erging. Der Direktor des Krankenhauses von Matsue hatte sich über den Widerwillen des Tokyoter Besserwissers genauso gefreut wie dessen Student. Sobald der Fuchs in ihm saß, verfiel das Fuchsgefäß dem Wahnsinn, einem kleinen, wimmernden, langdauernden Wahnsinn, und starb dann sehr langsam, wobei es einen charakteristischen Geruch absonderte. Wir haben zufällig gerade ein Fuchsgefäß im Hinterhof liegen, Herr Kollege. Möchten Sie es nicht einmal ansehen? Über der Leiche des Gefäßes, in welcher der Fuchsgeist nun sicher – oder vielleicht auch unsicher – eingeschlossen war, betete man ein bestimmtes Gebet und warf sie dann flugs auf einen Scheiterhaufen, wo man Unkraut verbrannte, oder ins Meer, oder in einen Fluss, oder irgendwo in die Gegend, in die Nähe eines Trinkwasserbrunnens. (Letzteres hatte sich Dr. Shimamura ausgedacht. Auch die Idee, dass besonders starke Gefäße mehrere Füchse aufnahmen und sich dann aufblähten und schließlich platzten, war auf seinem eigenen Mist gewachsen. Er träumte schon von den Gefäßen, in immer neuen Einzelheiten. So sehr ekelte ihn.)
Die beiden heutigen Gefäße, stellte Shimamura fest, ein Weiblein und ein Männlein, hatten heimlich die Stricke von ihren Hälsen gelöst, damit der Mann im Strohhut ihr Amt nicht erriet. Jetzt spazierten sie scheinheilig neben dem Mönch einher. Selbst die Gefäße selbst wussten schon um Dr. Shimamuras Abscheu und tratzten ihn.
Shimamura merkte, dass er nach Steinen schaute, die man werfen könnte.
»Da vorne!«, jubelte der Student und klopfte triumphierend die Asche aus seiner Pfeife.
Die drei roten Fuchszeichen auf der Landkarte waren in natura leicht auszumachen: Um zwei geduckte Hütten, die auch Ställe hätten sein können, standen, lungerten, saßen, lagen in einem ganzen Wald von Zauberfahnen gut ein Dutzend Gefäße!
»Darf ich ein Lichtbild aufnehmen, bitte, Herr Doktor, bitte sehr?«, rief der Student.
Shimamura kämpfte Magensaft hinunter, der angesichts der Gefäßversammlung in seinen Rachen aufgestiegen war.
»Nein, danke, Herr Student«, sagte Dr. Shimamura, »denn wie ich Ihnen schon einmal auseinandergesetzt habe, betreiben wir hier nicht die Völkerkunde, sondern sind in der Medizin unterwegs.«
Die drei Fuchszeichen des Krankenhausdirektors von Matsue stellten sich als eine Epileptikerin heraus, welche glücklicherweise gleich in den ersten fünf Minuten einen perfekten Jackson-Anfall vorlegte, deren simulierende Schwester sowie eine idiotische Nachbarin, an der außer Idiotie nichts weiter festzustellen war. Der Student durfte die Epileptikerin fotografieren, was ihn nicht befriedigte, weil es in der stinkenden Hütte zu dunkel und außerdem der Anfall längst vorbei war. Die Simulantin und die Idiotin fotografierte er dann ebenfalls, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen. Er schob beide flugs in die Sonne und ließ sie vor den Zauberfahnen posieren, während Shimamura noch mühsam eine Anamnese der Jackson-Patientin aus deren jämmerlicher Mutter herauszuleiern versuchte.
Wie immer war nichts Spezifisches an den sogenannten Besessenen auszumachen. Wie immer konnte Shimamura dem Gegreine der Landbevölkerung auch gar nicht folgen. Wie immer schrien die Fuchskranken Zeter und Mordio, sobald Shimamura sie untersuchen wollte, und warfen sich dann laut heulend und ohne jede Zurückhaltung an die Brust des Studenten.
Neben der Lichtbildnerei war dies das Steckenpferd des Studenten geworden. Die Abdrücke dreckiger, tränennasser Mädchengesichter auf seiner Brust trug er wie Ehrenschärpen. Vielleicht hatte vor vierhundert Jahren irgendeiner seiner verdammten Ahnen per Handauflegen die niedersten Lehnsleute geheilt, und davon war etwas im Erbgut des Jünglings hängen geblieben. Er flüsterte auch mit allen Kranken und ihren Verwandten, gewiss nichts Modernes. Das arme Ding mit dem Ovarialabszess hatte der Student in seine Hand spucken lassen und die Spucke dann mit großer Ernsthaftigkeit ins Freie getragen; das hatte Shimamura genau gesehen. Shimamura hatte nicht gefragt, was das sollte. Er war zu verblüfft gewesen, um dem Studenten sein irres Tun zu verbieten. Dann hatte er drei Nächte lang darüber nachgegrübelt, ob der Student wohl im Freien ein dort lauerndes Fuchsgefäß bezahlt hatte, um diesem die Spucke der Abszesskranken füttern zu dürfen. Der Student exorzierte hier stillvergnügt Füchse. Daran bestand kein Zweifel. Shimamura wollte es aber auch gar nicht wissen. In der dunklen Hütte zwischen Taotsu und Saiwa, in der niemand den Urin fortwischte, den die Epileptikerin reichlich ausgeschieden hatte, und in der stattdessen alle Welt betete, stellte Shimamura fest, dass er sich nun vor allem ekelte: vor allen Krankheiten, vor allen Menschen, vor Medizin und Aberglaube, vor Füchsen und selbst vor Dr. Griesingers Pathologie.
Zwei Wochen lang wanderten Shimamura Shunichi und sein Student durch den Glutofen Shimane. An Füchsen bestand kein Mangel. Keine Patientin wies Neurologisches auf, und selbst das Psychiatrische blieb vage. Nach viel Tuberkulösem, einer Meningitis, drei schlichten Grippen und allerlei unklaren paralytischen Affektionen war es Shimamura leid und er diagnostizierte ohne jegliche Berechtigung eine choreatische Manie, nur weil ihm das Wort gefiel, sowie eine Graviditätspsychose.
Den meisten fehlte gar nichts. Die heilte der Student, wie auch immer, und Shimamura schaute weg.
Nach zwei Wochen war Dr. Shimamuras Asthenie zu einer Neurasthenie erblüht und seine Dyspepsie zu etwas Explosivem, das er einen Tag lang für die Cholera hielt. Längst ging der Student nicht mehr hinter ihm, wenn sie wanderten. Er ging stolz vor ihm her. Der Student bog Äste aus Shimamuras Weg und verscheuchte die Gefäße für ihn. Dabei redete er. Und lachte. Und rauchte. Und sang. Shimamura fühlte sich wie ein Greis. Der Student war zum Mann gereift, zu einem Mann, dem die deutsche Medizin nicht gut zu Gesicht stand. Längst wollte ihn Shimamura nicht mehr belehren. Die alten Lieder, die der Student sang, verstand er kaum besser als das Lamentieren der Fuchskranken. Schließlich beschloss er abzureisen.
»Nun haben Sie brav das Geschmeiß exploriert«, sagte der Krankenhausdirektor von Matsue, als Shimamura sich verabschieden wollte, »nun bekommen Sie unser Dämchen. Hier, Herr Kollege. Eine neue Karte. Das habe ich mir bis zum Ende für Sie aufgespart. Hier …« – der Krankenhausdirektor zeigte auf ein gewaltiges blutrotes Fuchszeichen in einem Strahlenkranz, das eine abgelegene Stelle beim Steilufer zierte – »… hier finden Sie die gesegnete Fischhändlerstochter. Unsere Berühmtheit. Ihre Belohnung. Die Fuchsprinzessin von Shimane.«