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Am Strand
ОглавлениеIch schlafe nicht mehr so viel. Das kommt bei älteren Menschen ziemlich oft vor. Besonders bei solchen wie mir, die sich nicht genug bewegen. Die zu dick sind und immer gerne gute Sachen futtern. Manchmal träume ich auch wirre Sachen. So, wie in der Nacht neulich.
Ich hatte am Abend mit einem alten Freund telefoniert und wir hatten uns über die Hohe See unterhalten. Mit Hoher See meine ich das richtige Meer, da, wo keine Landmenschen herumlaufen. Jedenfalls kamen mir beim Einschlafen alle möglichen Erinnerungen und Bilder in den Sinn.
Meistens wache ich mitten in der Nacht auf und gehe durch die Wohnung, koche mir einen Tee, lese irgend etwas oder zeichne ein Bild. Manchmal mache ich mir auch den Computer an, schaue auch schon mal fern. Hin und wieder greife ich auch zum Fotoapparat und fotografiere.
In dieser Nacht habe ich geträumt. Von der Hohen See. Wie ich in einem kleinen Ruderboot auf dem großen Meer treibe und ihm zuhöre. Wie ein Mondfisch neben mir dahintreibt. Das war wunderbar. Die Sonne schien, aber nicht zu heiß. Es wehte ein sanfter Wind und freundliche Wellen schaukelten mich. Eine Weile schwammen Delfine neben meinem Boot. Manchmal schossen fliegende Fische aus dem Wasser, glitten sogar über mich und das Boot hinweg und landeten erst nach zwei Kabellängen wieder in der See. Damit Du es weißt: Eine Kabellänge ist der zehnte Teil einer Seemeile und hat nichts mit dem Ladekabel von einem Smartphone oder einem Druckerkabel zu tun. Aber ich will nicht ablenken. Das tiefblaue Meer wurde grün. Neben dem Boot schwammen drei Hammerhaie. Ich guckte sie träge an, sie guckten träge zurück und drehten dann bei. Sie waren wohl nudeldicke satt. Unerwartet ruckelte mein Traumboot ziemlich, es knirschte und das Boot und ich kamen an einem von Muscheln und Schneckengehäusen übersäten Strand an.
Ich hörte Schniefgeräusche. Jemand in meiner Nähe saugte ganz stark Luft in die Nase. Immer wieder. Dann hörte ich, wie dieser Jemand leise vor sich hin murmelte. Ich kletterte aus meinem Boot und hatte sandige Füße und pitschnasse Hosenbeine bis zu den Knien. Und dann entdeckte ich ihn. Ein Rechtecker stand in meinem Traum, an meinem Traumstrand. Du sagst natürlich sofort, dass es so etwas nicht gibt. Aber es stimmt. Natürlich wusste ich noch nicht, dass es ein Rechtecker war. Aber der Reihe nach. Erstmal habe ich zur Sicherheit in meinem Traum den Fotoapparat herausgenommen, zum Glück war er trocken geblieben. Und dann habe ich ein Foto gemacht:
Der kleine, komische Kerl brabbelte die ganze Zeit vor sich hin: „Ich kann Euch doch riechen. Ihr wart doch hier.“ Dabei schnüffelte er weiter am Gehäuse einer Pantoffelschnecke. Ich sprach ihn an, so etwas geht ja in Träumen immer. Er erschrak gar nicht – was ich an seiner Stelle bestimmt getan hätte – und drehte sich zu mir um.
„Na?“, fragte er freundlich, „Wer bist Du denn? Du riechst so schön nach Meer und Wind!“
Ich war voll erstaunt. Vor mir stand ein Rechteck-Gesicht mit einer RIESENGROSSEN Nase. Nach einiger Sprachlosigkeit fragte ich „Wer bist Du denn?“ „Ich bin Nase. Ich bin – wie Du ja siehst – ein Rechtecker. Und wo ich Dich gerade rieche – hast Du hier am Strand andere Rechtecker gesehen? Ich habe sie verloren. Ich kann hervorragend riechen, sie waren hier. Aber leider kann ich nicht gut sehen. Und wer bist Du?“ „Tut mir leid, ich habe niemanden gesehen. Ich bin eben erst hier angelandet. Ich bin ein Hohe-See-Träumer. Man nennt mich Opi.“