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4.2 Das gesetzliche Gewährleistungsregime – Überblick

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Ist eine gekaufte Sache oder ist ein gekauftes Recht (§ 453 Abs. 1 BGB) nicht frei von Mängeln, kann (und muss, ist also darauf beschränkt) der Käufer zunächst vertragsgemäße Erfüllung verlangen (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB). Dies kann entweder Neulieferung einer mangelfreien Sache oder Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) sein. Der Verkäufer darf die vom Käufer gewählte Nachbesserung oder die Nachlieferung verweigern, wenn sie mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist (§ 439 Abs. 4 BGB). Der Käufer kann daneben Ersatz des sog. Mangelfolgeschadens sowie desjenigen Schadens verlangen, der durch die Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht verursacht worden ist.

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Wenn die vom Käufer grundsätzlich zu setzende Nachfrist zur pflichtgemäßen Erfüllung erfolglos abgelaufen ist oder die Nacherfüllung bzw. (hier am ehesten) Nachbesserung unmöglich, unzumutbar oder zweimal erfolglos versucht worden ist, kann der Käufer (i) entweder vom Vertrag zurücktreten und bekommt den Kaufpreis erstattet oder (auch statt des Rücktritts) (ii) Schadensersatz verlangen.725 Verlangt der Käufer Schadensersatz, hat er grundsätzlich die Wahl zwischen dem „kleinen“ Schadensersatz und dem „großen“ Schadensersatz. Der „kleine“ Schadensersatz zeichnet sich dadurch aus, dass der Käufer das gekaufte Unternehmen behält und der mangelbedingte Minderwert durch Geld ausgeglichen wird.726 Beim „großen“ Schadensersatz werden das Unternehmen als Kaufgegenstand zurückgegeben und alle aus der nicht vertragsgemäßen Lieferung entstandenen Schäden beglichen. Der Kaufpreis ist dabei zurückzuerstatten.727 Der „große“ Schadensersatz ist (ebenso wie der Rücktritt) ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung des Verkäufers unerheblich ist (§ 281 Abs. 1 Satz 3 BGB). Statt Rücktritt und Schadensersatz kann der Käufer schließlich auch den Kaufpreis mindern (§ 441 BGB).

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Mangelhaft ist eine Kaufsache, wenn sie entweder (i) nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat, (ii) sich nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung oder (iii) für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 BGB).

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Bei einem Share Deal finden diese Grundsätze nach herrschender Meinung nur dann ohne Weiteres Anwendung, wenn der Käufer mehr als 75 % der Anteile erwirbt.728 Erwirbt er zwischen 50 % und 75 %, kommt es auf den Einzelfall und den Beherrschungsgrad an.729

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Auch Umstände, die dem Unternehmen naturgemäß nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehend anhaften, können eine Beschaffenheit darstellen, deren Fehlen oder Abweichen Gewährleistungsansprüche auslösen kann.730 Solche Umstände sind zum Beispiel:

 – der Ertrag oder Umsatz eines Unternehmens,

 – die Ertragsfähigkeit eines Unternehmens,

 – der Ruf eines Unternehmens,

 – der Schuldenbestand eines Unternehmens,

 – einzelne Bilanzposten.

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Die Verjährung etwaiger Gewährleistungsansprüche des Käufers tritt innerhalb von zwei Jahren ab „Lieferung“ des Unternehmens (also regelmäßig ab dem Vollzug) ein (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB).

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Gibt der Verkäufer selbstständige Garantieversprechen ab, löst deren Unrichtigkeit oder deren Nichteintritt grundsätzlich verschuldensunabhängige Schadensersatzansprüche aus.731 Die Rechtsfolgen ergeben sich grundsätzlich aus den allgemeinen Grundsätzen, z.B. §§ 195ff., 249ff. BGB. Einzelheiten dazu später unter Rn. 1030ff.

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Vereinbart der Verkäufer mit dem Käufer die Beschaffenheit (Beschaffenheitsvereinbarung nach den §§ 453 Abs. 1, 434 Abs. 1 Satz 1 BGB), löst dies lediglich die gesetzlichen Rechtsfolgen des allgemeinen Gewährleistungsrechts der §§ 434ff. BGB aus. Insbesondere die danach in Betracht kommende Rückabwicklung des (vollzogenen) Unternehmenskaufvertrags erweist sich in der Praxis als nicht praktikabel. Hinzu kommt die – nach neuem Recht zwar verringerte, aber nicht ausgeräumte – Unsicherheit, ob Zusagen in Bezug auf das Zielunternehmen unter den Beschaffenheitsbegriff des § 434 BGB fallen oder nicht.732 Aus diesem Grunde ist auch die Vereinbarung einer Beschaffenheit und auch die Vereinbarung einer sog. Beschaffenheitsgarantie nach §§ 443, 444 BGB mit – aus Sicht des Käufers regelmäßig nicht hinzunehmenden – Unsicherheiten behaftet.733

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Kannte der Käufer vor Vertragsschluss den Mangel oder kannte er ihn infolge grober Fahrlässigkeit nicht, haftet der Verkäufer nicht (§ 442 BGB), außer wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat, § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB. Eine Kenntniserlangung zwischen Vertragsabschluss und Vollzug ist nach deutschem Recht irrelevant.734 Fraglich ist allerdings, ob der Käufer grob fahrlässig i.S. des § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt (mit der Folge, dass die Haftung des Verkäufers ausgeschlossen wäre), wenn der Käufer eine Due Diligence unterlässt. Grundsätzlich besteht eine allgemeine – kaufrechtliche – Untersuchungspflicht der Kaufsache seitens des Käufers nicht.735 „Kaufrechtlich“ meint in diesem Zusammenhang eine Pflicht eines Käufers, deren Verletzung den Rechtsverlust auf Seiten des Käufers nach sich ziehen würde (sodass es sich ohnehin um ein Gebot des eigenen Interesses, also eine Obliegenheit handelt).

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Grobe Fahrlässigkeit ist die besonders schwere Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.736 Ein Käufer handelt insbesondere dann grob fahrlässig, wenn es Verkehrssitte ist, die Kaufsache in bestimmtem Umfang vor Kauf zu prüfen und diese Sitte vom Käufer missachtet wird. Gilt keine Verkehrssitte, so handelt der Käufer nicht grob fahrlässig, wenn er die Prüfung der Kaufsache unterlässt. Der Gewährleistungsanspruch bleibt bestehen. Ob der Käufer eines Unternehmens grob fahrlässig im Sinne des § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt, wenn er eine Due Diligence unterlässt, hängt entscheidend davon ab, ob die Due Diligence als Verkehrssitte angesehen werden kann. Als Verkehrssitte wird eine ständige und im Verkehr anerkannte Übung angesehen.737 Ein Geschäftsgebrauch, der überwiegend praktiziert wird, häufig aber auch nicht, ist keine Verkehrssitte.738 Anerkannte Verkehrssitte ist beispielsweise die Besichtigung eines Wohnhauses vor dem Kauf.739 Ob sich die Due Diligence vor einem Unternehmenskauf in Deutschland zur Verkehrssitte entwickelt hat, ist umstritten.740

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Ginge man aufgrund der zunehmenden Verbreitung davon aus, dass die Due Diligence in Deutschland bereits Verkehrssitte ist, so ergäben sich für den Käufer Untersuchungspflichten, die sich nach der jeweiligen Verkehrssitte für die Art des zu erwerbenden Unternehmens richten. Der Umfang der Untersuchungspflicht des Käufers kann folglich stark variieren. Eine solche Verkehrssitte dürfte derzeit allerdings in Deutschland noch nicht vorliegen.741 „Ob“ und „Wie“ einer Due Diligence hängen von Umständen des Einzelfalls ab.742

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Unabhängig vom Vorliegen einer Verkehrssitte kann grobe Fahrlässigkeit i.S. des § 442 Abs. 1 Satz 2 BGB nur in krassen Ausnahmefällen angenommen werden, insbesondere wenn der Käufer ernstzunehmende konkrete Warnungen vor „Mängeln“ ausschlägt.743

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Von der Frage, welche Konsequenzen eine unterbliebene Due Diligence für Gewährleistungsrechte des Käufers haben kann, zu unterscheiden ist die rein gesellschaftsrechtliche Frage, ob sich die Organe der kaufenden Gesellschaft (im Verhältnis zu ihrer Gesellschaft) pflichtwidrig verhalten, wenn sie keine Due Diligence durchführen lassen.744

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Die praktische Bedeutung dieser hier beschriebenen Vorschriften des gesetzlichen Gewährleistungsregimes ist allerdings – wie ausgeführt – gering. In aller Regel vereinbaren die Parteien ihr eigenes detailliertes Gewährleistungsregime und schließen die hier beschriebenen gesetzlichen Ansprüche gerade aus.

725 Büdenbender, DStR 2002, 312, 315. 726 Westermann, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2019, § 437 Rn. 36. 727 Westermann, in: MüKo-BGB, 8. Aufl. 2019, § 437 Rn. 36. 728 BGH, Urt. v. 2.6.1980 – VIII ZR 64/79, NJW 1980, 2408, 2409, lässt die genaue Schwelle offen, fordert aber wohl eine beherrschende Stellung des Erwerbers; OLG München, Urt. v. 25.3.1998 – 7 U 4926/97, NZG 1998, 593; Beckmann, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2004, § 453 Rn. 33 (satzungsändernde Mehrheit); vgl. auch die kompakte Darstellung der Mängelhaftung beim Unternehmenskauf bei Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 40. Aufl. 2021, Einleitung vor § 1, Rn. 64ff. 729 Beisel, in: Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, § 16 Rn. 24; Westermann, in: MüKo-BGB, 5. Aufl. 2008, § 453 Rn. 23; verneinend etwa BGH, Urt. v. 2.6.1980 – VIII ZR 64/79, NJW 1980, 2408 für die Übertragung von 60 % der Geschäftsanteile an einer GmbH; bei dem Erwerb der Hälfte der Anteile auf Grundlage einer Rahmenvereinbarung zur schrittweisen Übernahme aller Anteile sollen die dargestellten Grundsätze anwendbar sein. 730 Picot, in: Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, § 4 Rn. 193; Beisel, in: Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, § 16 Rn. 5. 731 Kindl, WM 2003, 409. 732 BGH, Urt. v. 25.5.1977 – VIII ZR 186/75, NJW 1977, 1536, 1537, schlägt schon zum alten Recht vor, dass Zusicherungen bei Abschlussangaben – zumindest bei Bilanzangaben für kurzfristige Zeiträume – als selbstständige Garantieverträge ausgestaltet werden sollten. 733 Der BGH hat schon früh – angesichts der teilweisen Rechtsunsicherheit – den Abschluss eines selbstständigen Garantievertrags empfohlen, vgl. BGH, Urt. v. 12.11.1975 – VIII ZR 142/74, NJW 1976, 236, 237; BGH, Urt. v. 25.5.1977 – VIII ZR 186/75, NJW 1977, 1536, 1537. 734 Beisel, in: Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, § 16 Rn. 60. 735 Matusche-Beckmann, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2004, § 442 Rn. 24. 736 Westermann, in: MüKo-BGB, 5. Aufl. 2008, § 442 Rn. 8. 737 Wendtland, in: Bamberger/Roth, BGB, § 157 Rn. 16. 738 Ellenberger, in: Palandt, BGB, 69. Aufl., § 133 Rn. 21. 739 Westermann, in: MüKo-BGB, 5. Aufl. 2008, § 442 Rn. 10. 740 Bejahend: Berens/Schmitting, in: Berens/Brauner/Strauch, Due Diligence bei Unternehmensakquisitionen, S. 111f.; Merkt, BB 1995, 1047; Böttcher, NZG 2005, 49. 741 So auch Fleischer/Körber, BB 2001, 846; Müller, NJW 2004, 2197f.; Seibt, in: Seibt, Beck’sches Formularbuch Mergers & Acquisitions, 1. Aufl. 2008, B. VI. 2f.; Weitnauer, NJW 2002, 2516. 742 Picot, in: Picot, Unternehmenskauf und Restrukturierung, § 4 Rn. 292; Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 846. 743 Fleischer/Körber, BB 2001, 841, 847, bejahend für den Fall, dass sich im Rahmen einer Due Diligence Anhaltspunkte für den Käufer ergeben, die auf eine Wert- oder Brauchbarkeitsminderung schließen lassen, wobei die Beweislast beim Verkäufer liegt. 744 Dazu oben Rn. 147ff.

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