Читать книгу Pelze, Gold und Weihwasser - Christoph Marx - Страница 6

Оглавление

[Menü]

Begegnung mit fremden Welten:

Einleitung

Während des Mittelalters waren große Teile der Iberischen Halbinsel islamisiert und im Kalifat von Cordoba politisch organisiert. Über mehrere Jahrhunderte dauerten die Kriege, in deren Verlauf die christlichen Herrscher von ihren Machtbereichen im Norden aus allmählich Gebiete zurückgewannen. Diese sogenannte Wiedereroberung (Reconquista) für das Christentum stärkte beim christlichen Adel die kriegerischen Tugenden und nährte eine tiefe Feindschaft gegen den Islam. Nachdem Portugal bereits im Hochmittelalter und Kastilien 1492 gänzlich rechristianisiert waren, setzten die Eroberer beim Versuch, die Muslime auch in Nordafrika zurückzudrängen, über die Straße von Gibraltar. Neben ihrer antiislamischen Grundhaltung motivierte sie auch die Suche nach Gold. Denn die Iberische Halbinsel war im Gegensatz zum Rest des christlichen Europa bei der Gold- statt einer Silberwährung geblieben. Von christlichen Stützpunkten aus wollte man die nördlichen Endstationen der Transsahara-Karawanen unter Kontrolle bekommen. Diese Karawanen brachten nämlich Gold aus dem Süden, von dem jedoch nur vergleichsweise geringe Mengen ihren Weg zu den Christen fanden. Als die aufwendigen Eroberungsversuche wiederholt scheiterten, entwickelten die Portugiesen Alternativen, sie suchten nämlich den Weg zu den Goldquellen im Süden über das Meer. Auf diese Weise wollten sie den islamischen Herrschaftsbereich umgehen und hofften, jenseits auf Bundesgenossen zu stoßen.

Papst Nikolaus V. zeigte sich hocherfreut über den Glaubenseifer der Portugiesen und die sich daraus ergebenden Aussichten, das Christentum zu verbreiten. Dadurch fühlte er sich bewogen, im Jahr 1455 dem portugiesischen Königshaus seine Unterstützung und die Rechte auf die entdeckten Gegenden im Südatlantik zuzusichern. Er erteilte ihnen den Auftrag, den vermeintlichen indischen Christen

gegen die Sarazenen und die anderen Feinde des Glaubens beizustehen, desgleichen verschiedene heidnische oder ungläubige Völker, die gleichfalls dort leben, ohne im geringsten von der Irrlehre des gottlosen Mahomet vergiftet zu sein, in beständigem Kampf zu bezwingen und dort den ihnen noch unbekannten heiligen Namen Christi zu verkünden oder verkünden zu lassen.1

Wie so oft in der Geschichte, entwickelte auch dieses Unternehmen seine Eigendynamik. Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass die europäische Expansion ursprünglich vom Hass auf den Islam und von der Gier nach Gold motiviert war, keineswegs von den edlen Absichten, die die Europäer später so gern für sich in Anspruch nahmen.

Die Begegnung mit Menschen aus anderen Kulturen beeinflusste die europäische Expansion. Denn die Europäer staunten über große Reiche in Asien, die reicher und kultivierter waren als ihre eigenen. Sie lernten unbekannte Religionen und Gesellschaften kennen, die sich in keines der vertrauten Muster einfügen ließen. Portugiesen und Spanier, später auch Niederländer, Franzosen und Briten, waren keineswegs so überlegen, wie sie sich einredeten, sondern mussten sich oft lokalen Verhältnissen anpassen und ihre wirtschaftlichen Gewinnchancen für politische Unterwerfungsgesten einhandeln. Die Versuche, das Christentum zu verbreiten, stießen nicht nur bei Muslimen auf Ablehnung und Widerstand.

Als Vasco da Gama nach der Umseglung Afrikas im indischen Calicut ankam, musste er feststellen, dass der dortige Herrscher und die lokalen Kaufleute nur Hohn und Spott für seine Handelswaren und Geschenke hatten. Immerhin fand er eine Kirche, in der er und seine Begleiter ihre Gebete verrichteten, wenn ihnen auch einiges merkwürdig erschien:

Viele Heilige, mit Kronen auf den Häuptern, waren auf die Wände der Kirche gemalt. Sie waren sehr merkwürdig dargestellt, die Zähne ragten einen Zoll breit aus dem Mund hervor, oder sie hatten vier oder fünf Arme.2

Erst langsam dämmerte es den Portugiesen, dass sie es keineswegs mit Christen, sondern mit einer ganz anderen Religion zu tun hatten.

In diesem Buch wird anhand von vier verschiedenen Beispielen die große Bandbreite der Begegnung mit Europäern ausgemessen, wobei die Sicht der anderen, soweit die Quellen dies erlauben, einbezogen wird. Dabei wird sich zeigen, dass nicht nur die großen Reiche der Osmanen, der Perser, der Inder, Chinesen und Japaner den Europäern enge Grenzen setzten, sondern auch Völker, die in diesem Zusammenhang oft übersehen werden, wie die nordamerikanischen Indianer. Reiche, die man im „geschichtslosen“ Afrika ohnehin nicht vermutete, nutzten die Europäer für ihre Zwecke, hielten die Missionare auf Abstand und erwiesen sich als den weißen Kaufleuten ebenbürtige Partner.

Die vier Kapitel behandeln Beispiele aus dem südlichen Afrika und Nordamerika, Regionen also, die in den geläufigen Darstellungen der europäischen Expansion gegenüber den asiatischen Großreichen eher als Nebenschauplätze behandelt werden. Doch sind gerade diese Begegnungen besonders interessant, die Missverständnisse sind teilweise von unfreiwilliger Komik, doch der Umgang miteinander blieb von anhaltendem Misstrauen beider Seiten geprägt. Die Kontakte wurden hauptsächlich vom Interesse an den Waren des jeweils anderen aufrechterhalten.

Über die Jahrhunderte hinweg änderte sich an den Mustern der Begegnung und des Umgangs gar nicht so viel, sondern erst das Eintreffen weißer Siedler ließ die Machtbalancen dauerhaft zugunsten der Eindringlinge kippen. Ansonsten gestalteten sich die Verhältnisse je nach Region ganz verschieden, gemeinsam hatten sie nur die Uneindeutigkeit der Machtverhältnisse, von denen niemand hätte vorhersagen können, dass die Europäer sich durchsetzen würden.

Die beiden ersten Beispiele behandeln Begegnungen mit Europäern im südlichen Afrika und in Nordamerika während dem 16. und 17. Jahrhundert, als selbst kleine Völker wie die Huronen oder küstennahe kleine Reiche wie Kiteve im heutigen Mosambik keinen Anlass hatten, die militärische Macht der Europäer mehr zu fürchten als die ihrer eigenen Nachbarn. Neben den kommerziellen Interessen wollten die Europäer auch die christliche Religion verbreiten, weshalb schon früh Missionare in diesen Gebieten aktiv wurden. In beiden Fällen waren Jesuiten als Missionare tätig. Sie mussten ihre Strategien den lokalen Verhältnissen anpassen und nach Mitteln und Wegen suchen, die einheimische Bevölkerung von der Überlegenheit des Christentums zu überzeugen. Die Erfolge waren lange Zeit höchst bescheiden, wenn die Mission nicht an die Ausbreitung europäischer Macht gekoppelt war. Auch die Kaufleute mussten sich den Machtverhältnissen beugen, sich lokaler Etikette genauso unterwerfen wie sie gezwungen waren, die Palette der Waren dem Geschmack und den Statuserfordernissen ihrer afrikanischen oder indianischen Handelspartner anzupassen.

Im frühen 19. Jahrhundert schickten sich erstmals protestantische Missionare in größerer Zahl und mit einer durch die Erweckungsbewegung und den Pietismus gespeisten Begeisterung an, ihren Glauben zu verbreiten. Sie stießen auf vergleichbare Widerstände, doch gingen sie in viel stärkerem Maß von einer selbstverständlichen Überlegenheit der europäischen Zivilisation über alle anderen aus. Dieses gewachsene Selbstbewusstsein war getragen von den großen wissenschaftlichen und technischen Fortschritten in Europa und von der allmählich artikulierten Überzeugungen rassischer Überlegenheit. Im südlichen Afrika stießen Missionare und Händler auf sich neu formierende Reiche mächtiger Herrscher wie dasjenige des gefürchteten Mzilikazi. An der Nordwestküste Amerikas wurde der Pelzhandel mit den dortigen machtvollen Häuptlingen allmählich abgelöst von Landwirtschaft, kommerzieller Fischerei und Bergbau. Abermals war es das Gold, das in wachsender Zahl die weißen Siedler in die Gegend lockte. Erst die Besiedlung und die demografische Verschiebung, die sie mit sich brachte, hatte die Marginalisierung der Indianer zur Folge, während die Völker des südlichen Afrika von expansiven Kolonialbeamten und goldgierigen Bergbaubetreibern unterworfen wurden. Das zeigt, dass während der Jahrhunderte der europäischen Expansion dieser bestimmte Leitmotive zugrunde lagen, nämlich Handel und Mission: Von ihrem Ausgangspunkt in der Feindschaft gegen den Islam und der Suche nach Gold für die innereuropäischen Kriege bis hin zum privaten Glück der Goldsucher und dem jenseitigen frommer Missionare. Dieses Buch wird das Verhältnis von Handel und Mission genauer in den Blick nehmen, denn beide prägten die Begegnung mit fremden Welten.

Pelze, Gold und Weihwasser

Подняться наверх