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a. Überblick

Diese Publikation ist Teil einer analytisch-prognostischen Reihe zu einem großen Zeitenwandel der modernen Welt, der bisher auf den Bildschirmen fehlt. Er vollzieht sich von 2015 bis gegen 2050 und bringt einen tiefen, krisenhaften, aber zuletzt revolutionären Wandel des Menschseins. Der folgende Text führt in diesen Vorgang ein.

Er macht mit einer elementaren Erklärung vertraut, die wir, um unsere Zeit zu verstehen, kennen müssen: Wir befinden uns in einer rasch fortschreitenden schweren Orientierungskrise. „Wer ist daran schuld?“ Niemand. Orientierungskrisen treten regelmäßig ein – und enden regelmäßig durch eine Neuorientierung, nämlich durch eine funktionalere Grundhaltung. Die aktuelle geht auf die Mitte des 20. Jahrhunderts zurück (1950ff). (Die Grundhaltung davor etablierte sich 1850.)

Jede Grundhaltung regelt die Orientierung der Zivilisation neu – und konkreter; jede Grundhaltung ist auf prioritäre Wertvorstellungen ausgerichtet. Sie formuliert sowohl vorrangige Erwartungen an die Gesellschaft – als auch der Gesellschaft an ihre Mitglieder (Normen). Im Laufe ihrer Geltung organisiert eine Grundhaltung den Werte- und Normenbestand um – und dünnt traditionelle Werte aus.

Immer die letzte Phase vor der neuen Grundhaltung hat den Charakter einer Orientierungskrise.

 Man hat viele traditionelle Orientierungspunkte abgestreift – und ist einer Neuorientierung eigentlich schon bedürftig;

 aber diese steht noch aus.

Sie erfolgt erst am Ende der Orientierungskrise – und resultiert immer aus einer vorausgehenden Entwicklung (die 70, 80 Jahre weit zurückreicht).

Forschungsneuland „menschlicher Wandel“

Doch diese Erklärungen sind analytisches Neuland – Forschungsneuland. Sie fügen sich in ein intensives Ringen der modernen Zivilisation, ihre eigene geschichtliche Dynamik zu verstehen. Schon im 19. Jahrhundert bemerkte man, dass sich hinter der sichtbaren „Fassade“ dieser geschichtlichen Welt ein verborgener Wandel vollzieht: ein Wandel unseres (kollektiven) Menschseins. Hippolyte Taine weist darauf hin [1]; Wilhelm Dilthey muss es ebenfalls vertraut gewesen sein (wenn er vom „objektiven Geist“ einer Zeit sprach [2]): Jede Zeit hat ihren spezifischen Stand des Menschseins, der sich in den unterschiedlichsten menschlichen, kulturellen, politischen, gesellschaftlichen Dingen äußert: vom Lebensgefühl über die Bedürfnisse bis zur Denk- und Redeweise, der Ästhetik, dem Menschenbild.

Ein interdisziplinärer Thinktank

Menschlicher Wandel – nur interdisziplinär zu rekonstruieren

Das entscheidende Problem: Es fehlt ein einziger Quellenbereich, an den man sich halten könnte, um diesen menschlichen Wandel zu sehen (oder irgendwie herauslesen oder ablesen zu können): Weder die Philosophie noch die Malerei, selbst die Mode nicht (die immerhin sehr viel und in dichtgedrängter zeitlicher Abfolge vom Menschen zeigt); nicht die Musik, das Design. Und schon gar nicht waren sich die Menschen ihrer jeweiligen geschichtlichen Situation bewusst.

Exkurs: Interdisziplinärer Charakter dieser Herausforderung

Der Haupttext wird diese Zusammenhänge nochmals genauer ins Auge fassen; und wer weitere Aufklärung und Literaturhinweise wünscht, sei auf unsere Website „zeitanalyse.de“ hingewiesen. Wer den Zeitenwandel wirklich „analytisch knacken“ will, muss jedenfalls interdisziplinär arbeiten. Dies ist der Fokus und das Potential unseres Thinktanks. Und es kommt, unserer Erkenntnis nach, nicht darauf an, wie viele an diesen Themen arbeiten – sondern darauf, dass sie die richtigen, erforderlichen Forschungsschritte gehen.

Rätsel des menschlichen Wandels

Kurz gesagt: Der menschliche Wandel der modernen (abendländischen) Zivilisation enthält eine fundamentale, denkwürdige Überraschung: Es gibt Zeiten des zuversichtlichen, selbstgewissen Menschseins, des wachsenden Vertrauens der Menschen in sich selbst und zueinander – und Zeiten mit entgegengesetzten Tendenzen. Wie löst sich dieses Rätsel?

Orientierungszyklen

Die Erklärung findet sich in einem zyklischen Wandel der kollektiven Orientierung:

 Dieser wird ausgelöst durch etwas je Neues – nämlich eine je neue Grundhaltung (und jede mit Vorteilen gegenüber der vorigen, aber auch mit einem Minus an Gesichtspunkten).

 Eine Grundhaltung wird lange Zeit ergänzt und stabilisiert durch ein Input aus der Vergangenheit; nämlich an traditionellen Werten, die weiterwirken. Diese dünnen allmählich (unter dem Einfluss der Grundhaltung) aus.

Wie schon erwähnt, hatten wir zuletzt 1950 eine Neuorientierung (die folglich immer noch gilt): toleranter, „pluralistischer“. Aber dies betraf noch eine Gesellschaft der strengen Konventionen. Unter dem Einfluss der pluralistisch-offenen Grundhaltung reduzierten sie sich sukzessive. (Dies ist ein überaus genauer Prozess). Jedenfalls ist immer die letzte Phase vor einer neuen Grundhaltung durch ein Zu-Wenig an Gesamtorientierung gekennzeichnet.

Achtung: Orientierungskrise

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