Töchter der Hekuba
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Clara Viebig. Töchter der Hekuba
Clara Viebig. Töchter der Hekuba
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Über Töchter der Hekuba
Autorenporträt
Ebook-Kolophon
Отрывок из книги
Die Frau saß aufrecht im Bett. Sie horchte. Es war nichts zu hören. Wie war das früher anders gewesen! Da hatten die Söhne schon am Morgen das Haus mit Gepolter erfüllt, mit soviel frischem Leben. Jetzt war es still. Sie waren fort. Daß Heinz ging, war selbstverständlich, er hätte ohnehin gerade dienen müssen. Und er hatte immer den Wunsch gehabt, Offizier zu werden – was denn auch sonst? Besondere Talente hatte er nicht, fürs Studium keine Neigung; aber Mut, Tatkraft, körperliche Gewandtheit hatte er, gute Haltung und ein hübsches Gesicht. Als er das erste Mal heim kam über den Sonntag aus Spandau – als Fahnenjunker bei der Artillerie –, war etwas wie Stolz in ihr Herz gekommen. Wenn alle so aussahen wie Heinz und sich so leicht in die Anstrengungen des Dienstes schickten, dann konnte es Deutschland nicht fehlgehen. Unwillkürlich richtete sich die Frau höher auf; sie wendete den Kopf zum Nachttisch, auf dem neben ihrem Bett, in einem Rahmen vereint, die Bilder ihrer zwei Söhne standen. Ihr Mann hatte jeden von ihnen kurz vor dem Ausrücken noch photographieren lassen, die Mutter dann Weihnachten, am ersten Weihnachtsfest ohne die Kinder, damit überrascht. Es war gut von ihm gemeint gewesen, er gedachte sie zu erfreuen, aber sie hatte weinen müssen, so sehr weinen, daß er anfangs besorgt war, dann aber ärgerlich wurde: War es denn nicht selbstverständlich, daß die Söhne draußen waren, gesunde, kräftige Menschen? Wenn alle Mütter ihre Söhne nun hätten zurückhalten wollen, was dann? Und die Jungen lebten ja noch, ganz wohlbehalten.
Ja, Gott sei Dank, aber, aber – sie hatte selbst nicht mehr recht gewußt, was sie sagen wollte. Ach, daß ihr Jüngster auch gegangen war! Erst achtzehn; er hätte es noch nicht nötig gehabt. Aber der allgemeine Taumel hatte ihn mitgerissen. Aus der Schule kam er, die Bücher schleuderte er von sich, daß die zerfledderten Blätter umherflogen – wieder hatte ihn heute ein Lehrer gefragt: „Wie, Bertholdi, Sie sind noch immer hier? Sie sind doch groß und stark.“ Diese Schulmeister, oh diese Schulmeister! Die Bitten, die Vorhaltungen der Mutter: ‚Geh nicht! Du bist noch zu jung, du erträgst die Strapazen nicht‘, waren ganz vergebens. Sie waren eben alle nicht bei Sinnen gewesen, die Söhne nicht, die Lehrer nicht, die Väter nicht – alle nicht. Nur die Mütter sahen, wie es wirklich war; die ahnten, wie es kommen würde. Gekommen war.
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Das war die Hieselhahn! Frau Krüger erkannte sie sofort, obgleich sie sie nur flüchtig ein paarmal gesehen hatte. Sie blieb ganz still stehen und sah der Fleißigen zu. Sehr armselige Hemdchen, aus schon dünn getragenem altem Zeug zusammengenäht, ein paar winzige Jäckchen und Windeln!
Frau Krüger wischte sich den Schweiß ab: War das unerträglich heiß heute! Und zu Hause hatte sie noch so viele gute Kindersachen!
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