Читать книгу Der Kampf um den Mann - Clara Viebig - Страница 5

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Behäbige Bauernstube. Im Hintergrund ein Fenster, durch das man Dorsstrasse und Dorfkirche sieht, und eine Tür auf die Strasse. Links: Tür, und das bäurische Ehebett mit geblümten Kattunvorhängen; die Vorhänge sind bei Aufgang des Vorhangs zugezogen. Rechts: Schrank mit Gläsern und buntem Porzellan u. s. w. Au der Wand: Muttergottesbild, mit dem Schwert im Herzen, darunter Weihwasserkesselchen. Am Bett: Schemel mit Medizingläsern u. s. w. Die Sonne scheint Flesch, halb bäurisch, halb städtisch gekleidetes Weib, ist allein in der Stube. Mitte-Lange-Bauer im Bett, unsichtbar.

Flesch

(am Schrank beschäftigt, hält eine Flasche gegen’s Licht).

Hm! Halbvolle tut se noch sein! Merken wird’s die Bäuerin nich, wenn ich e wing kosten tu! (Trinkt ein paarmal aus der Flasche.) Ah! Brr! Is das ’ne Hitz, zum verblischen! Un müd’ is mer, reine hin! Wenn mer nur könnt sich e wing uf’s Ohr legen! Aber nee, glei muss mer Troppen eingeben oder — halt — hat der Herre Dokter nich gesagt, Wein soll er kriegen, en Löffel voll, alle halbe Stund? (Nimmt eine andre Flasche, trinkt daraus und setzt sie wieder hin.) Ae was, nutzen tut doch nischt!

Bauer (seufzt tief).

Flesch.

Jo, jo, mer sagt schon, is das en Kreuz! Jeses Maria, nich eene Minute hat mer Ruhe — was der Bauer einen kuranzt! Un so die ganze Nacht. Die Unraft! ’raus wollt’ er aus’m Bett, denn wieder ’rein — immer ’raus, ’rein — un das Gestöhne! Mer is schon was gewöhnt, aber nee, nee — (Geht au’s Bett, zieht dir Gardine ein wenig auseinander.) Was wollt Ihr denn, Mitte-Lange? Nee, ich sage schon, dass Ihr auch gar so schwere sterben tut! Selbiges hab’ ich noch kaum erlebt un bin doch nu an die fufzehn — nee, was sag ich? an die zwanzig Jahr Leichenfrau. Se sagen, wenn Fleschs Karline kommt, tut’s Käuzchen glei schreien. Habt Ihr’s denn noch immer nich gehört, Mitte-Lange? He, Bauer — nee?!

Bauer (hübscher junger Mann, aber leichenblass).

Halts — — Maul —! Hört — uf — mit — dem Geschwätze!

Flesch.

Geschwätze — Geschwätze?! Nee, so wahr ich leb’ un dermaleinst uf de ewige Seligkeit hoffen tu’, sagt nich Geschwätze! Jo, jo, Ihr könnt’s dreiste glauben, Mitte-Lange, wie dazumal ’s grosse Sterben im Dorfe tat sein, un ich nich wusste, wo zuerscht hin, — da sollt’ ich en Krankes umbetten un da Schröpfköppe setzen un da Pillen drehn un da ’ne Latwerge eingeben un da en Gestorbenes waschen — ich kann’s Euch zuschwören, wo ich hinkam, schrie gleich der Totenvogel. (Kopfschüttelnd.) Nur hier nich, nur hier nich!

Bauer.

Ich — will — nich — sterben!!

Flesch.

Sträubt Euch nich derwider, sträubt Euch nich so, ’s hilft nischte, ’s macht Euch’s Abscheiden nur schwerer! (Ein Krenz schlagend.) Wie Gott will! (Sich auf den Bettrand setzend, gemütlich:) Glaub’s schon, dass Euch’s Sterben so leichte nich ankommt, Mitte-Lange; wenn ich Ihr wär’, könnt’ mer’sch ebenso leid zu Mute sein. Da habt Ihr nu all das scheene Geld mit der Bäuerin geheirat’, ’s Haus mitten im Dorfe, die sieben Pferde un all den Acker! Ich sag’ Euch, Euer Roggen steht! (Kichernd.) Jo, jo, da können die Pärchen sich derhinter verstecken. Un in Eurem Obstgarten, i du mein Jeses, der is so dichte, do erscht recht — ’s sieht’s keener.

Bauer.

Ich — will — nich — sterben!

Flesch.

Jo, jo, glaub’s gerne, Ihr seid noch zu jung. Wenn’s noch die Bäuerin täte sein, die dran müsste — he, Bauer, gutt fufzehn ist die älter wie Ihr, fufzehn Jahre, is se nich? Aber lasst gutt sein, Bauer, is se auch nich jung un nich scheene, en braves Weib is se, das muss’r der Neid lassen. Un is se auch e wing stramm — (mit dem Auge blinzelnd) gelle, Bauer? — Moos hat se. Ihr Erschter, Gott hab’n selig, hat ihr brav hinterlassen. Ihr habt e mal Glück gehabt! I du mein, wie saht Ihr aber auch scheene aus, als Ihr von die Soldaten kamt, ’s Bündel am Stecken, die rote Mütze schief uf’m Ohr. Futsch waren die Mädeln. Mer möcht’ sprechen, ’s is nich möglich, wenn mer Euch jetzt ansehn tut.

Bauer.

Hört — us! Hört — uf!

Flesch.

Jo, jo, das hätt’ sich der Bäuerin ihr Seliger auch nich träumen lassen, wie er Euch dazumal gemiet’, dass sein Knecht so bald Mitte-Lange-Bauer werden täte, — er musst’ ’rin in die kalte Grube un Ihr ’rin ins warme Bette. Umdrehn tät’ er sich im Grabe, wenn er’s wüsst’. Das hätt’ er nie von der Bäuerin gedacht, un keener im Dorf nich, nee, keener hätt’ sich das gedenkt! Jo, jo, wenn se auch gar so sehre stolz tut —, he, du, blas’ mir’n Staub weg’ — se hat’s auch gemerkt, dass Ihr ’n scheener Kerl wart. Un de Mädeln, die hatten’s Nachsehn. Aber Pech hat se doch — ach, du mein Jesus — nu wird se wohl nich noch eenmal freien.

Bauer (sich gewaltsam aufraffend).

Ich will nich sterben.

Flesch (ihn niederdrückend).

Ss, ss, legt Euch!

Bauer (stöhnt).

Flesch.

Jo, jo, Ihr sterbt schwere. Na, na, wartet man, wann de Rosenkranzjungfern erscht kommen, dann wird’s Sterben schon leichter gehn. Wenn’s Hochamt aus is, denn kommen se, de Jungfern vom heiligen Rosenkranz. Hätt’ de Bäuerin uf mich geheert, hätten se gestern schon hier gebet’t, un Ihr wärt schon drüben in der ewigen Ruh’. Un ich hätt’ de Nacht schlafen können. (Gähnend.) Oh, bin ich müd’! Was, was sagt Ihr, Bauer? Jo, Ihr könnt glauben, wenn die beten tun an Eurem Bette, die reinen Jungfrauen, die unschuldigen Lämmer, dann kriegt Eure arme Seel’ Sehnsucht nach ihrer himmlischen Heimat. De Augen fallen Euch zu, ganz sachte — adjes Welt, Himmel, tu Dich uf — aus is! Ss, ss, Mitte-Lange-Bauer, man nich so stätsch! So — (zieht ihm das Kopfkissen unter’m Kopf weg und zieht die Gardine zu).

Die Tür im Hintergrund wird vorsichtig geöffnet, Cilla Pioscheck schiebt sich langsam herein. Schönes, junges Mädchen, mit Gebetbuch und Rosenkranz, in schwarzem Kirchengewand bäurischen Schnittes, das blaue Band der Rosenkranzjungfern um den Hals.

Flesch.

Nanu? Ei, sieh eener, Pioscheks Cille, un alleene?! Wo sein denn die andern Jungfern vom Rosenkranz?

Cilla (verlegen).

Se sein noch zu Gange in der Kirch. ’s Hochamt is noch nich aus, ich konnt’ nich mehr drinne bleiben, — o die Hitz, mein Kopf — is mir’s schlecht! Seid so gutt, Karline, ’nen Trunk!

Flesch.

Glei, glei! I du meine Güte! Jo, die Hitze! Setz der, setz der. (Streichelt ihr die Wangen.) Jemmich, ganz elendig biste, gar nich so scheene weiss un rot, wie sonst. Es war wohl gar sehre voll in der Kirch? Na, wart’ man, — (holt ein Gläschen aus dem Schrank und giesst ein) da, trink e wing, wird der glei besser zu Mute.

Cilla (das Glas fortstossend).

Nee, nee, kein Schnaps! (sich lauernd umsehend) Wasser, wenn ich nur Wasser hätt’ — recht frisches! Oh, is mir’s schwach!

Flesch (trinkt das Glas aus).

Nu sag’ eener, Wasser will se!

Cilla (ächzend).

Wasser, Wasser!

Flesch.

Hier is keens. Da musste schon selber an’n Brunnen gehn.

Cilla.

Och, hol’ mer doch —

Flesch.

Ich bin zu hin, de ganze Nacht uf den Beinen un denn noch zum Brunnen laufen — nee! (lässt sich auf einen Stuhl fallen.)

Cilla (verzweifelt).

Jesus, geht doch, seid doch so gutt, ich bitt’ Euch.

Flesch (ärgerlich).

Warum nich gar? Hol’s der alleene, hast jüngere Füss’! (gähnend) So’n Kreuz! Nee, der Bauer, was der ein’ vexiert!

Bauer (seufzt).

Cilla (zusammenschreckend).

Wie gehts ’m denn? Was macht er denn?

Flesch.

Schlecht! Gar sehre! ’s is nischt mehr mit ihm. Der Herre Doktor sagt’ gestern, nee, vorgestern sagt er schon, der wird nich wieder. Vor drei Tagen hat er’s letzte gegessen, na, da weess mer’sch doch, wenn einer nischt mehr essen tut! ’n Wunder, dass ’s nich schon alle is.

Cilla.

Oh — —

Flesch.

Nu, was denne? Sterben müssen wer alle, der eine früh, der andre spät, der eine leicht, der andre schwer — (nach dem Bett hin) der quält sich. Na, wenn ihr nachher für sein Abscheiden tut beten, wird’s schon werden. Dafür seid’r jo da!

Bauer (stöhnt).

Cilla (mit einem Schritt gegen das Bett).

Er tut sich rühren, — er will was! Bauer, Bauer — Ich bin’s, Pioscheks Cilla — ich (in Tränen ausbrechend) ich!

Flesch.

Nu, was denne? Lass das Gebarme?

Cilla.

Bauer!

Flesch.

Sei stille, ruf’n nich zurücke! ’s Kissen hab’ ich’m schon weggezogen unter’m Koppe, das sput’t.

Cilla

(ist in sich zusammengesunken, das Gesicht in den Händen verbergend).

Flesch

(kämpft mit dem Schlaf. Die Kirchenuhr schlägt elf. Cilla anstossend:)

Sag’ emal — he, Jungfer! — das Hochamt dauert wohl noch e wing? De Bäuerin wird auch noch e wing beten tun. Du bleibst doch hier, Cille, bis die andern vom Rosenkranz kommen, gelle?

Cilla (nickt).

Flesch.

Nu siehste, das trifft sich jo scheene! Da sei doch so gutt, pass’ e wing uf’n uf (sieht nach ihm.) — der duselt jetzte, keene Bange. Wann de Bäuerin heeme kommt — du siehst’s hier durch’s Fenster — da sei doch so gutt, hust ’mer, da wach ich glei uf un —

Cilla.

Ja, ja!

Flesch.

Ich halt’ mich nich mehr! Ich muss mich e wing nebenan uf’s Bette legen, schlafen beileibe nich, nee, nee, nur de Füsse ruhn.

Cilla.

Geht nur, macht, ich pass’ uf.

Flesch.

Hust’ aber, dass se’s ja nich merken tut, de Bäuerin, nur ja nich — hust’, hörste?

Cilla (sie brängend).

Ja, ja, legt Euch nur hin! Geht doch schon, geht, geht!

Flesch (taumelt ab).

Cilla

(ans Bett springend, reisst die Gardinen auseinander).

Reinhold! Holde! Stirb nich! Wach uf! Siehste mich’ Kennste mich? Ich bin’s, die Cilla!

Bauer (lallend).

Cil — la. (Sich befinnend, zärtlich:) Cilla!

Cilla.

Er hört mer, er kennt mer. (Weinend.) Holde, gelle nee, das tuste mer nich an, du bleibst leben. Holde, mein Schatz! (Wirst sich über ihn, versucht ihn aufzurichten.)

Bauer (fällt stöhnend zurück).

Ich will nich sterben!

Cilla.

Red’ nich — sterben, was sollste wohl? Wo tut’s der denn weh? Im Koppe? In der Brust? Hier? Da? Gelle nee, ’s is nich so schlimm, wie se reden tun? Was der Doktor weiss, der Quacksalber! Un de Karline! Die denkt nur ans Sterben, die is schon so alt. Aber wir zwei beide, gelle, wir sein jung! Holde, pass uf, du wirst wieder gesund, ganz gesund, ganz stark! Vorigtes Jahr bei der Ernte, wer war da der Stärkste? Du, gelle? Wie haste de Garben uf’n Wagen geschmissen! Un dies Jahr noch beim Heuen, was konntste das hohe Gras mähen! Un uf den Arm konntste mer nehmen, wie en ganz kleines Kind! Wo fehlt’s der denn jetzt, sag doch, red’ doch, — ein Wort.

Bauer.

Lass mich! Lass mich!

Cilla.

Was, nischte wissen willste von mer, och geh, Spass! Musst mer nich vexieren tun, o nee, nee, meine Angst is so gross! Seit du krank bist, was hab’ ich gebet’t, unter Tag bei der Arbeit, alle Stund, un nachts, nachts — o mein Jeses, die Nächt! ’s hat mich nich gelitten im Bette. ’raus bin ich, wie sonst, wenn du mer gepfiffen hast; in den Obstgarten bin ich gelaufen, ich dacht’ immer, du musst’ hinter der Heck’ stehen un uf mer warten, wie so ofte. Aber nischte von dir, bloss de Bäume standen da. Da hab ich mer ins Gras geschmissen un geweint un geweint. Un morgens, mittags un abends bin ich hier ums Haus geschlichen, aber ’rein hab’ ich mir nie nich getraut. Ich hab’ Angst vor der Bäuerin. Die Alte, die Eule, die Garschtige die!

Bauer.

Lass se, lass se!

Cilla.

Nee, die, die mit ihrem Geldsack, wär die nich gewesen, hättste mir genommen, gelle? Un nu, nu is se beese, weil sie alt is un ich jung, weil sie so garschtig is un ich hübsch, gelle? Weesste noch, wie du von’s Militär kamst, wir waren immer ’s scheenste Paar uf’m Tanzboden. Holde, nich wahr? Sag doch was, mich verlangert danach so sehre.

Bauer.

Cilla!

Cilla.

Wie de’s sagst, nee, noch einmal: Cilla! Dass ich’s recht hören tu. Lauter! So wie sonst: Cilla! Holde, hör’ mich, sieh’ mich an, sag’ doch: Cilla!

Bauer (sich mühsam aufrichtend).

Ich glaube — sie — haben recht — mit mir is’s aus. (Sinkt zurück.)

Cilla.

Das sagen se schon seit drei Tag. Drum sollen wir heut’ den Rosenkranz beten bei dir. Senz’ Amanda hat mer’sch gesagt — o mein Schreck — da musst ich der vorher sehn, ich konnt’s ja nich glauben. Der Bäuerin hab’ ich ufgelauert, un wie se in de Kirche ’rin kam, bin ich sachte ’rausgeschlichen. Nu bin ich hier un nu hab’ ich der alleene. Holde, du kannst ja nich sterben! Kuck nur, dein Arm, der is noch so dick, und deine Brust noch so breit (sie betastet ihn) und dein Haar — nee, das is nich mehr so kraus un so voll, aber gräm’ der nich drum. Maternes Hieronymus hat auch mal die Krankheit gehat’, un nu is doch keener im Dorf, der so oft zum Balbier zum Haarscheeren muss. Mit dir is’s nich aus, noch lange nich.

Bauer.

Meinste — ach, meinste, ich könnt noch dervon kommen?

Cilla.

Sicher, ganz sicher.

Bauer.

Sechs — Kerzen — will — ich —

Cilla.

Nee, zwölfe, zwölfe — wallfahren wollen wer, wir zwei beide, gelle du? Ach, wie wird’s wieder scheene werden — weesste noch, Holde, uf der Wallfahrt damals — denkste noch dran? Die Bäuerin war nich mitte gegangen, du warst wie’n Lediger, akkerat so. Se waren alle beim Ablass in der Kapell’, nur wir zwei im Feld, ganz alleene. Flachs blühte, ganz blau war’sch, — wo die Weiden am Lug standen, trafen wir uns. Da setzten wir uns. (Pause.)

Bauer.

Da — setzten — wir uns.

Cilla.

Gelle, nu freuste der? Du bist schon lange nich mehr so erschrecklich blass, ordentlich Rot haste uf’m Gesichte. Fass mer um’n Hals, so — richt’ der e wing uf, siehste, nu geht’s schon!

Bauer (stark).

Ich will nich sterben!

Cilla (nach dem Fenster blickend).

Jeses, die Bäuerin.

Bauer (fällt mit einem Seufzer zurück).

Cilla

(zieht hastig die Borhänge zu und springt nach der Nebenkammer, rufend).

Flesch! Karline!

Bäuerin

(eintretend, im schwarzen Kirchenstaat mit Gebetbuch und Rosenkranz. Strenges Gesicht, Vierzigerin).

Nu, was denne? Du? Hier in der Stub? Du? Du?

Cilla (stotternd).

Ich, jo, ich, — fragen wollt’ ich — Tag auch, Bäuerin Die Karline hat mer — ich — se hat mer —

Bäuerin.

Un ganz alleene?

Cilla (rasch).

Ich sollt e wing ufpassen, die Karline sagt — ich — ich — se hätt’ — se hat sich e wing in der Kammer ufs Bette gelegt.

Bäuerin (immer ohne sie anzusehen).

Du, du sollst e wing ufpassen? Ufpassen?! Ufpassen?! Ihm uflauern, ja, das konntste wohl — ’s giebt nu nischte mehr ufzulauern, Jungfer! (rufend.) Flesch, Karline! (legt, ohne das Mädchen weiter zu beachten, ihre Haube ab.) Wie sieht’s denn aus hier? (Giebt Cillas Buch und Rosenkranz, die auf dem Tisch liegen, einen Stoss.) Nimm deine Sach’! Lass se nich ’rumfahren in andrer Leut’s Haus!

Bauer (stöhnt, Bäuerin sieht hinter die Gardine).

Cilla.

Bäuerin, wie geht’s ihm denne?

Bäuerin.

Wirste ja am besten wissen, warst ja jetzt lange genug hier?

Cilla.

Eenen Augenblick nur! Eenen kleinen Augenblick! Ich war in der Kirch’, un da —

Bäuerin.

In der Kirch? So. ’s Hochamt is ja noch nich zu Ende.

Cilla.

Ich bin ’raus vorm Ende. ’s war so arg schwüle drinne.

Bäuerin.

Schwüle? So. Jo, jo, jo, ’s könnt en Gewitter wer’n.

Bauer.

Auf — auf — ich will — auf!

Cilla.

Was sagt er denne? Was möcht’ er?

Bäuerin (zuckt die Achseln).

Cilla.

Jeses, Bäuerin, nee, wie Ihr auch seid! So ruhig, so — so — — muss er denn sterben? Ach nee, gelle nee?!

Bäuerin.

Wie Gott will!

Cilla (zitternd).

Sterben — sterben, wie schrecklich! (Sucht sich dem Bett zu nähern).

Bäuerin.

Meinste? ’s Sterben täte so schrecklich sein! ’s Sterben, meinste?! (für sich.) Leben, als wär’ mer schon tot, als säh’ mer nischte — wie er nach den jungen Mädeln schielt! — als hört’ mer nischte — — wie sie schäkern tun, im Hof, im Stall, uf’m Feld, überall! — — als fühlt’ mer nischte, als fühlt’ mer nischte derbei, das is — — (bemerkt Cilla am Bett, stösst sie weg, packt sie am Hals, schreiend!) Mach’, dass de ’raus kommst, du, du! Ich kann der nich vor Augen sehn! Dich vor allen nich, Dich mit Deiner glatten Fratze! Raus, sonst — — (immer noch Cilla festhaltend.) Was, was sagste? He? Kannste nich reden? Tuschelst doch sonst genug. Lach doch. Wie de sonst lachen tust — haha, hihi, hihihihi — du kannst nich, was? Du hast keenen Odem mehr? Angst haste?! Ei warum nich gar! Se hört ja nischte. — (Auf sich deutend:) die, die hier! Die is ja so dumm, so dumm —

Bauer.

Hülf’! Ich erstick’! ’s wird mer angst — so angst — auf — helft mer auf — Jesus — Maria — ’raus — ich will ’raus — seid stille — stille — helft mer — Bäuerin — Bäuerin — — Frau!

Bäuerin (Cilla freigebend).

Jo, Mitte-Lange-Bauer! (Am Bett niederstürzend, laut jammernd.) O Jeses, Reinhold, Reinhold, mein Mann, was musste der quälen! (Cilla läuft hinaus.)

Flesch (verschlafen eintretend).

Nu, nu, was ’s denn das for’n Gebarme?! Kein Aug’ kann mer zutun — au wei, die Bäuerin! (neugierig herzustürzend.) Is er tot, is er nu tot? He, Bäuerin, tut der Bauer jetzte himmeln?

Bäuerin (sich aufrichtend, streng).

Wo war’t Ihr?

Flesch.

I, nur e wing, nur e wing nebenan — nur en Augenblick — en ganz kleenen Augenblick — Ihr könnt mer’sch glauben, Bäuerin — i wo werd’ ich uf lange — nee, Bäuerin, uf lange wer’ ich doch den Bauer nich alleene lassen — bei allen Heiligen, so wahr ich uf de Seligkeit hoffen tu, ich —

Bäuerin (unterbrechend).

Zwei Stunden zieh’ ich Euch ab vom Gelde!

Flesch.

I, Bäuerin, nee, wie Ihr auch glei seid! En armes Weib um die paar Groschen drücken! Dass Gott erbarm, Ihr wer’t doch nich?! Wo hätt’ ich den Bauer denn alleene gelassen — keenen Augenblick nich — wär’ die Pioscheks Cilla nich gekommen und hätt’ gesprochen: Karline, sagt se, ich seh’s Euch an, wie Ihr hin seid, halt Euch ja kaum mehr uf den Beinen, ruht Euch e wing, sagt se, das mitleidige Lämmchen, ich wer derweil uf ihn ufpassen! Da dacht ich: ’s kann ihm nur gesegnet sein, wenn die e wing bei ihm sitzen tut, vielleicht, dass seine arme Seel’ damit leichter Ruh kriegen tut. Ei, Pioscheks Cilla, das unschuldige Lämmchen — wie Milch un Blut, ’s Gesichte wie’n Engel uf’m Altar — die schönste, die frömmste vom ganzen Rosenkranz!

Bäuerin.

Die?! Schön und fromm?! Haha! Frech un dreiste — jo, dreiste nach die Männer; was haste, was kannste mit’m Rocke geschwenkt und mit’n Augen gewunken! Die!

Flesch.

I, Bäuerin, nee, ich tät mer der Sünde schämen. So was! Pioscheks Cille, nee, da tut Ihr irre sein! Die is brav wie nur eene! So freundlich, so sauber, geht so fleissig zur Kirche! Gebt Obacht, dass Euch der Herre Probst nich hören tut, der hält was uf seinen ansehnlichen Rosenkranz — keen Dorf nich rundum, wo ihrer so viele drein sein — un die Pioscheks Cilla, arm is se jo man, aber an Tugend reich, mer möcht’ sprechen: die feinste Jungfer aus’m Jungfernbund!

Bäuerin.

Wer weess auch!

Flesch.

Nanu? Was meint Ihr dermit? Wer weess auch! — He, Bäuerin, nu? Nu ’raus mit der Sprache!

Bäuerin.

Nu, ich mein’ nur, ich denk’ nur — mer sieht doch. Ich hab’s selber gesehen — hier mit meinen zwei Augen: angelacht hat se’n, angeplinkt, un en anner Mal, en anner Mal — an ihn ’ranne gemacht hat se sich, se wollt sich an ihn ’ranne machen. Alle Finger hat se sich nach ihm geschleckt, die — die —!

Flesch.

Alle Finger hat se sich nach ihm geschleckt — nach wem denne? An wen wollt se sich ’ranne machen, sagt doch? An wen?

Bäuerin.

Ich weess nich.

Flesch.

Nu, wie Ihr seid, nee, Bäuerin, ganz kurios! Erscht redt’ Ihr was un denne redt’ Ihr nischte!

Bäuerin (für sich).

Wenn ich’s nur wissen täte, wenn ich’s nur wissen täte!

Flesch.

An wen ’ranne gemacht? Das müsst’ mer doch wissen. Nee, Bäuerin, nee, da habt Ihr falsch gesehn, die Cilla schmeisst sich an keenen ’ranne. So dumm is die nich. Die wart’, bis en Freier kommt. Wenn ihr Alter, der Pioschek auch nischte hat, sie kriegt schon ’nen Vermöglichen: is se nich Rosenkranzjungfer un’s hübschste Mädel im Dorfe?! Die tut sich nich verplempern. Un lacht se mal eenen an — i, du meine Güte, Bäuerin, Ihr werd’t auch mal eenen angelacht haben, wie Ihr noch jung wart! — Wir sein allzumal Sünder. Ach, du mein Jesus, ich sage schon!

Bäuerin (rasch).

Ihr habt recht, Ihr habt recht — nee, die verplempert sich nich, die hat sich nich verplempert — noch nich — nee, nee! (Pause; aufatmend.) Noch nich — nein!

Bauer (delirierend).

Flachs blüht — ganz blau — blau — komm, komm — setz der nieder! Wo die Weiden — — am Lug stehen — da — da — — — da — — da — —

Bäuerin.

Flachs blüht, ganz blau, wo de Weiden am Lug stehn, da, da — was meint er dermit?

Flesch.

Er redt’ nur so, er weess von gar nischte.

Bauer.

Da — da — da — — —

Flesch.

’s quält ihn reine —, da, da — als hätt’ er wo irgend ’nen Schatz vergraben.

Bauer.

Se läuten in der Kapell’ — bim, bam — hörste — bim, bam — — lach, lach derzu — bim, bam —

Flesch.

Die Sterbeglocke tut er läuten hören.

Bäuerin (über den Bauer gebeugt).

Wo, wo läuten se denne? Flachs blüht, wo de Weiden am Lug stehn — da — — was meenste dermit, was willste denne? Nu red’ doch, nu sag’ doch!

Bauer.

Bim, bam — ach, nu lachste nich mehr — se tun mer begraben — Hülf’ — Hülf’ — ich will nich sterben — ich — will — nich — will — nich!

Flesch.

Jesses nee, nu wird’s aber ernste! Seht Ihr, Bäuerin, wie er mit die Finger übers Bette tut grabschen? Jetzt hat er die Sterbensunruh. Wie er röchelt! Jetzt sitzt ihm der Tod uf der Brust. Un de Augen verdreht er. ’s wär’ Zeit, dass se kämen! Nu, Bauer, ruhig, ruhig! (Zur Bäuerin.) Hätt’ Ihr uf mich gehört, schon gestern hätten se hier gebet’ — da wär’n mer schon weiter.

Bäuerin (sich abwendend).

Ruft se, holt se — ich kann’s nich mehr ansehen, wie er sich tut quälen! Holt se — lauft — hott se, de Jungfern vom Rosenkranz!

Flesch.

Nu pressiert’s Euch, gelle, seht Ihr’sch wohl!? Ei freilich, ich sag’ schon, das Kreuze! Nu muss mer rennen! (Ab.)

Bäuerin

(vorm Muttergottesbild niederknieend).

Herz Mariä, mit dem Schwert der Schmerzen durchbohrt, erbarm’ dich! (Grübelnd.) Wo der Flachs blüht — wo die Weiden stehn — da — komm — da setz der nieder! Was meint er dermit? Wenn ich’s nur wissen täte! O weh, junger Mann — alte Frau! Ich bitt’ nich um sein Leben! Nein! Nein! Lass ihn sterben, Maria! Lass ihn sterben! Ich gelob’ der auch so viel als de willst: Altarkerzen, Blumensträuss’, ’ne neue Kron’ — sie is arm, sie kann der nischte geben, de Cille, aber ich, ich bin de Reichste im Dorf, ich, de Mitte-Lange-Bäuerin, ich! Hör’ uf mich. Mein is er. (Sich nach dem Herzen greifend.) Ich tu’s fühlen, se will ’n mer nehmen — die Hübsche, die Junge, wie se lachen tut! — Se wird ihn mer nehmen — ich weiss, ich tu’s fühlen, ich tu mer nich irren, ja aber se soll ihn nich kriegen! Drum lass ihn sterben, lass ihn glei sterben! Maria, hilf! (Schlägt das Kreuz, betet:) Gegrüsset seist du, Maria, voll der Gnaden — auslachen täten se mer: die Alte, die Garschtige, das hat se dervonne, was hat se sich den Jungen, den Lustigen, den Hübschen ge nommen, jung gehört zu jung. — Mein muss er bleiben — lass ihn sterben! (Betet.) Gegrüsset seist du, Maria, voll der Gnaden, der Herr ist mit dir — aber sei gnädig, sei gnädig, mach ihm ’s Ende leicht! (Weint.) Er tut sich so quälen. ’s Herze möcht’ mer brechen. Nimm du ihn auf, ganz sachte, ganz linde! Ich will gern dafor leiden, in meiner letzten Stund’, rechen’ mersch nur an, ich mach’ mer nischte draus. Lass ihn schnell himmeln! Ich will mer bezähmen, ich will mer nich mucken, wenn se knieen um sein Bette, die Jungfern vom Rosenkranz, wenn se beten un singen — un die — die Cille derbei. Ich wer’ ihr nich wegstossen, ich wer’ nich scheel kucken, ich wer’ ihr noch bitten: bete, bet’ du für ihn, Jungfer vom Rosenkranz! Nimm du seine Seele auf dein Gebet, dass se leichte abfahren kann von dieser Welt. Maria, Benedeite, schwarz wer’ ich um ihn tragen mein Lebenlang. En Kreuze lass ich ihm setzen von Marmorstein. Blumen tu’ ich drum pflanzen lassen, Messen lass’ ich lesen für seine Seel’. Maria, hör’ auf mich, lass ihn sterben! Tu’s, besinn’ der nich lange! Dann geh’ ich hinter sei’m Sarg, ich ganz alleine. An sei’m Grab tu ich knieen, ich ganz alleine. Wer hat’s Recht, so zu weinen, wie ich ganz alleine?! Platz wer’n se mer machen, wo ich auch geh’: da kommt se, da seht se, de Bäu’rin, de Witfrau, de Ehliebste vom Mitte-Lange-Bauer, Gott hab’ ihn selig! ’s Grab tu ich mer glei jetzte bestellen in selbiger Gruft. Da wer’ ich liegen an seiner Seit’, ich, die Mitte-Lange-Bäuerin, ich, bis in Ewigkeit — ich — Amen.

(Draussen läuten die Glocken. Leute strömen aus der Kirche. Die Bäuerin verharrt scheinbar versunken auf den Knieen. Flesch tritt ein.)

Flesch.

Hört Ihr’sch, es läut’?! Die Kirch’ is aus. Nu wer’n se glei kommen! (Sieht hinter die Gardine.) Jeses, noch immer nich, noch immer nich! Das is’n Glücke, nu sein se glei do! Bäuerin, hört Ihr’sch, nu tun se glei hier sein?!

(Es klopft. Bäuerin rührt sich nicht.)

Tretet ein, tretet ein, hochgelobet Ihr Jungfrauen vom heiligen Rosenkranz!

(Tür öffnet sich. Sieben Jungfrauen kommen herein, alle in schwarzen Kirchengewändern, blaues Band um den Hals. Als erste eine schon Aeltliche, Hässliche, selbstgefällig eine blaue Fahne mit Marienbild tragend. Als letzte Cilla.)

Die Erste.

Gelobt sei Jesus Christus! (Andern murmeln nach.)

Flesch (immerfort knirend).

In Ewigkeit Amen. Ach, die Täubchen, die Lämmchen, nu sein mer feine ’raus. Un so schmuck, nee ich sage! (Das Kleid der Ersten anfühlend.) Ei — nee, ich sage, so’n scheenes Kleid! Nu, gelle?

Amanda Senz.

Ich hab’ mer’sch angeschafft für die nächste Prozession an Mariä Geburt — eenen Taler de Elle! Nu, mer muss doch!

Flesch.

Ei freilich, ei freilich! Wenn’s de Senz Amanda nich wird können — drei Taler dürft’ da de Ell’ kosten — nu natürlich! So ’n reiches Mädel — fünf Pferde hat der Vatter, zehn Küh, grossmächtig viel Acker — nu nee, un so schmuck, so scheene wie gemalen, un de Erschte im Rosenkranz!

Amanda (geschmeichelt).

Nu, nu! Na, Karline, besucht uns ooch mal! Was macht denn de Bäuerin? Ich denk’, se tut uns erwarten? Nanu?

Flesch.

Pst — ss — (auf die Stirn deutend) se is ganz vertatert. Ihr müsst schon entschuldigen! (Zur Bäuerin gehend.) He, Mitte-Lange-Bäuerin, nu sein se da! (Ihr zuraunend.) Se sein schon verwundert. Was macht Ihr denne? Steht doch uf und begrüsst se!

Bäuerin (sich erhebend).

Seid begrüsst!

(Die hinteren Mädchen knixen.)

Amanda (der Bäuerin die Hand reichend).

’s tut uns sehre grämen, Mitte-Lange-Bäuerin, dass der Bauer sterben tut!

Kathrine Barberski

(zweite Rosenkranzjungfer, auch der Bäuerin die Hand reichend).

Der Vatter lässt scheene grüssen, un er wird doch fleissig beten für dem Bauer seine himmlische Ruh!

Flesch.

Nu freilich, i das glaub’ ich. Ei, der Barberski, der is gar sehre fromm. Keen Wunder, dass de Kathrine im Rosenkranz tut sein — aus so ’nem Haus! Drei Pferde, sechs Küh, un een scheenes Stück Land — jo, der Barberski, der kommt gut voran!

Eine Rosenkranzjungfer

(sich den Schweiss abwischend).

Is das ’ne Hitz’!

Kathrine Barberski.

Zum Verblischen.

Amanda Senz.

De Zung’ tut einem am Gaumen kleben.

Flesch

(sich vor die Stirn schlagend).

Nee, ich sage, mer glaubt’s nich, dass mer ooch daran nich denkt. (Der Bäuerin zuflüsternd.) De Jungfern müssen en Trunk kriegen! (Laut.) Nee, dass mer ooch de Hauptsach’ vergisst! Entschuldigt, entschuldigt nur! ’nen Trunk — ’nu freilich! Ihr armen Lämmerchen! Der Hals is euch trocken, wie könnt ihr denne beten tun?!

(Der Kranke stöhnt.)

Bäuerin

(die Schlüssel vom Gurt reissend).

Betet, betet! Karline, da, zum Keller! Bringt Wein ’ruf, vom besten! Ungar! Betet, betet!

Flesch (ab).

Die Mädchen flüstern untereinander. Bäuerin nimmt Gläser aus dem Schrank. Cilla Pioschek ist langsam aus dem Hintergrund nach vorn geschlichen, nähert sich, wie magnetisch gezogen, dem Bett. Bäuerin, dies bemerkend, tritt vor das Bett, lehnt sich dagegen, die Arme auf der Brust gekreuzt. Bleibt so während des Folgenden.

Flesch

(zurückkehrend mit zwei verstaubten Flaschen).

Ha, bin ich gerennt! So, süsser Unger, vom feinsten! Das is was for’n Schnabel! Macht den Hals glatt un de Augen blank. (Schenkt ein.) Erscht de Amanda! Dann de Kathrine Barberski! Nu tretet ’ran, ihr andren, dass ihr ooch was abkriegt, immer ’ran! (Nimmt selbst ein Glas und stösst an.) Uf’s Wohlsein!

Mehrere.

Prost!

Flesch.

Nu, Pioscheks Cilla, was denne? He, Jungfer! Ihr habt ja keen Glas?!

Cilla.

Ich dank’ scheene. Ich trink’ nich.

Flesch (verwundert).

Se trinkt nich!

(Bauer ächzt.)

Bäuerin.

Fanget an, fanget an, ihr Jungfern vom Rosenkranz!

Amanda.

Fangen wer an!

(Sie knieen nieder. Amanda mit der Fahne.)

Amanda (vorbetend).

Gegrüsset seist du, Maria!

Chor.

Gegrüsset seist du, Maria!

Amanda (singt).

Meerstern, ich dich grüsse

Gottes Mutter süsse.

Chor.

O Maria hilf!

Maria, hilf uns allen

Aus dieser tiefen Not!

Amanda.

Du Quelle aller Freuden,

Du Trösterin in Leiden

Chor.

O Maria hilf!

Amanda.

Hoch auf deinem Throne,

Aller Jungfrau’n Krone

Chor.

O Maria hilf!

(Melodie dieses Marienliebes vorhanden.)

(Beten, leise murmelnd, an den Kügelchen ihrer Rosenkränze.)

Flesch (gerührt).

Ach, wie scheene se singen! Mer möcht’ glei de Augen zutun. (Zur Bäuerin.) Was macht er denn jetzte? Kuckt nach!

Bäuerin

(sieht nach, schüttelt den Kopf).

Flesch.

Noch nich, noch nich? Nee, das Kreuze, ich sage schon!

Bäuerin.

Betet! Betet lauter, ihr Jungfern vom Rosenkranz!

Amanda (vorbetend).

Du mächtige Jungfrau!

Chor (einfallend).

Preiswürdige Jungfrau!

Du Turm Davids!

Du goldenes Haus!

Du Arche des Bundes!

Du Pforte des Himmels!

Du Morgenstern!

Du Heil der Kranken!

Bäuerin (die Hand erhebend).

Du Zuflucht der Sünder — bitte für uns! (Steht dann wieder wie vorher.)

Chor.

Du Trösterin der Betrübten!

Du Königin der Engel!

Du Königin des hochheiligen Rosenkranzes!

Du Königin der Jungfrauen,

Erhöre uns!

(Bauer stöhnt und wirst sich.)

Flesch.

Nee, ach nee, was der sich quälen tut!

Bäuerin.

Betet! Betet!

Amanda (die Fahne erhebend).

Herz Mariä, du Thron der Barmherzigkeit

Chor.

Bitte für uns!

Amanda.

Herz Mariä, du Hoffnung der Sterbenden

Chor.

Höre uns!

Bäuerin.

Erbarme dich! Erbarme dich! Erhöre uns!

Flesch (hinter die Gardine sehend).

Noch immer nich, noch immer nich! Weess nich, wie das zugehen kann! Mer möcht’ sprechen, ’s tut nich möglich sein — hundert Jahr is’s nich passiert — sie beten, un er stirbt nich, un er stirbt nich! Freilich, wenn wo eene drunter tut sein, die nich rein is an Seele un Leib, denn will ich’s wohl glauben, dass —

Bäuerin (aufmerkend).

Was — wenn — eine drunter tut sein, die nich rein is an Seele un Leib — — was, was sagt Ihr?

Flesch.

Nu, meiner Mutter Mutter Mutter, Gott hab’ se selig, die hat’s erlebt — un wahr tut’s sein, druf leist’ ich den Eid — da is emal eene unter den Rosenkranzjungfern gewest, die keene Jungfer mehr tat sein, un da —

Bäuerin.

Keine Jungfer mehr tat sein — wer? wo? (Sieht die Mädchen durchdohrend an.)

Flesch.

Nu, nu, dervon is doch hier keene Rede! Unschuldige Lämmer wie die alle sein! Feinere Jungfern findet mer nich. Da is de Amanda, un Barberski’s Kathrine, un da de Anna, de Bertha, un da Pioschek’s Cille —

Bäuerin.

Pioscheks Cille?! Die Cilla! — — (Wie laut denkend:) Flachs blüht — wo die Weiden am Lug stehn — komm’ — komm’ — da setz’ der nieder — — wie sie ihn ausehn tat — un heute alleine bei ihm in der Stub’ — — Cilla — Cilla Pioschek — — Jesus Maria — die — — —!

Rosenkranzjungfern (laut betend).

Du Königin des hochheiligen Rosenkranzes,

Du Königin der Jungfrauen,

Höre uns!

Bäuerin.

Sie hört Euch nicht! Wenn wo eine drunter tut sein, die nich rein is an Seele un Leib —

Flesch.

Jo, jo, Ihr könnt’s glauben, ’s is gewisslich wahr, denn kann der Kranke nich sterben. Die hält mit ihrer Lüg’ seine Seele auf.

Bäuerin (den Finger ausftreckend).

Die hält mit ihrer Lüg’ seine Seele auf!

Rosenkranzjungfern

(sich betroffen ansehend).

Was denne? Was will se? Was meint se denne?

Cilla (stöhnend).

Oh — — —!

Bäuerin.

Alle Strafen der Hölle über die Betrügerin! Ewige Verdammnis! Sie soll im Fegfeuer brennen!

Cilla (aufspringend, wankt).

Lasst mich ’raus — mir is schlecht — ’raus — — oh — — —!

Rosenkranzjungfern

(erschrocken aufspringend; durcheinander):

Pioscheks Cille, was hat se denne? Se zittert — se fällt um — blass wie der Tod — Jeses! Se tut sterben! Cilla! Cilla!

Flesch.

E wing Schnaps! Bringt se raus, an de Luft! Fasst an! He, Cilla, Cilla!

(Schleifen Cilla hinaus. Alle, ausser Bäuerin ab.)

Bauer

(packt in die Gardine, will sich aufrichten, reisst sie herunter, schreit angstvoll). Cilla — — —!

Bäuerin

(legt ihm die Hand auf den Mund).

Still! Biste still!

Bauer (wild ringend).

Cilla — Cill — — —

Bäuerin (wild).

Still, sag ich! (Erstickt seinen Ruf, drückt den sich Bäumenden gewaltsam nieder, bis er regungslos daliegt. Tritt dann aufatmend zurück.) Nu ist er still! Nu ruft er ihr nich mehr! Flachs blüht — wo die Weiden am Lug stehen, da: Komm, komm — setz’ der nieder! — — (triumphierend) nie mehr, nie, nie, nie! Tot is er! Un mein is er! Mein war er, ’s weiss niemand was drum; un sie — sie wird sich scheene hüten, ’s Maul wird se halten — keen Mensch wird’s gewahr — mein tat er immer sein — immer — mein tut er immer bleiben — mein, mein — — —! Gelobt seist du, Maria! — mein! (fängt an zu beten, sich bekreuzend.)

Herr erbarme dich seiner?

Sei ihm gnädig —

Von allem Uebel erlöse ihn —

nee, ich kann nich beten — ’s widert mer an. Jesus Maria, da liegt er, tot is er — Reinhold, Reinhold, nu wein’ ich um dir! (Bricht in lautem Wehklagen am Bett zusammen.)

Flesch (noch halb draussen).

Se schlägt schon de Augen uf, das Täubchen, das Lämmchen. ’s war nur ’ne Ohnmacht. Keen Wunder bei der Hitze, un bei dem Beten! (Sieht, vollends eintretend, die Bäuerin.) Nu was denne? Was is denne los hier? Wär’ er am End’ gar verstorben, der Bauer? (Sieht rasch nach.) Endlich, nu is alle. (Schlägt rasch ein Kreuz.) Der Herr sei mit uns jetzt und in der Stunde unseres Todes — Amen. — Bäuerin, meine herzliche Teilnahme! Nu, nu, weint nich gar so sehre, der Bauer is sanft entschlafen.

Bäuerin (verzweifelt).

Reinhold! Reinhold!

Flesch.

Nu, nu, glaub’s, ei freilich, Ihr könnt schon klagen, das war en Mann, so eenen kriegt Ihr nich wieder, so jung, so hübsch, un so treu wie Gold!

Bäuerin (sich aufrichtend, stolz).

Das war er!

Flesch.

Mer möcht’ sprechen: En seltner Mann — Gott hab’ ihn selig!

Bäuerin (ohne Tränen).

Geht, tut dem Gesinde ansagen un dem Vieh: Der Herr is tot! Un zum Küster tut schicken, dass der läuten soll, ’ne Stund’ lang, ’s kann garnich genug sein. Un zu denen vom Rosenkranz sprecht: De Bäuerin tut sich scheene bedanken für’s Beten — es hätt’ geholfen. Un heut über drei Tag tu ich se laden zum Leichenschmaus, ich, die trauernde Witfrau vom Mitte-Lange-Bauer selig — ich tu se laden — die Jungfern alle!

(Vorhang fällt).

Der Kampf um den Mann

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