Franzosenzeit
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Clara Viebig. Franzosenzeit
Clara Viebig. Franzosenzeit
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Über Franzosenzeit
Autorenporträt
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Отрывок из книги
Zwei Novellen
Den Leuten im Dorf war es anfänglich bange gewesen im Gedanken: wir bekommen Franzosen. Aber was sollte man machen? Alle Felder wollten bestellt sein, gepflügt und geeggt, besät und bepflanzt — und wer sollte später die Ernte einbringen? Vielleicht die Männer? Nur wenige hatte der Krieg im Dorf gelassen, und die waren ältlich oder nicht gut bei Kraft. Vielleicht die Weiber? Die schafften schon genug; aber allein alles schaffen, das konnten sie nicht. So erhoffte man in den Gefangenen sich Helfer: oho, die sollten wohl arbeiten, Arbeit gab’s hier genug!
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In dem Raum, der vom Holzschuppen abgeschlagen war und nur eine winzige Fensterluke aufwies, hatte man dem Franzosen ein Lager aufgeschlagen. Es war zwar noch recht kalt bei Nacht, und der Wind steckte seine Finger hier durch viele Ritzen, aber in die Knechtekammer neben dem Kuhstall, die hübsch mollig war und erfüllt vom warmen Atem der Tiere, traute man sich nicht, ihn zu legen. Man wußte ja gar nichts von ihm: wenn der nun ein böser Mensch wäre, nachts aufstünde und den Kühen was zwischen das Futter täte? Er war ein Feind. Mochte er nur frieren!
Und er fror sehr. Vor Kälte konnte er nicht einschlafen, aber auch noch andres hielt ihn wach. War es nicht doch eine Übereilung gewesen, daß er sich dazu gedrängt hatte, verschickt zu werden? Für ihn, den Südfranzosen, war dies Land hier Sibirien. „Antoine, Antoine, tu es bête,“ murmelte er und schlug sich vor die Stirn. Und er sehnte sich fast nach dem Gefangenenlager. Da waren doch Kameraden um ihn gewesen; hier war er ganz allein bei Leuten, die so scheu vor ihm waren, wie er vor ihnen scheu war. Selbst die Kinder wollten nichts von ihm wissen. Und er liebte doch Kinder, er würde nie einem Kind etwas zuleide tun; aber sie schienen das zu fürchten. Als er dem niedlichen kleinen Mädchen, das sich aufgestellt hatte, den Finger im Mund und ihn aus großen blauen Augen unverwandt ansah, die Hand hinhielt: „Bonjour!“ — er wollte sie fragen: „Wie ’eißt du?“ — rannte sie aufkreischend fort. Und auch der Knabe, der mit seiner Schiefertafel aus der Schule gekommen war, ließ sich nicht anfassen; der blieb zwar stehen, aber sowie er sich ihm zwei Schritte genähert hatte, war der auch zurückgewichen. Eine entsetzlich beängstigende Einsamkeit gähnte plötzlich um den wie auf eine wüste Insel im Ozean hierher Verschlagenen.
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