Der einsame Mann
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Clara Viebig. Der einsame Mann
Clara Viebig. Der einsame Mann
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Über Der einsame Mann
Autorenporträt
Ebook-Kolophon
Отрывок из книги
Wenn jetzt der Oberst Eugen Freiherr von Rettberg durch die Strassen des kleinen Städtchens stapfte, drehte sich keiner mehr nach ihm um. Man war an ihn gewöhnt, nun kannten ihn alle. Er ging immer langsam, er hatte ja Zeit, ihn erwartete keine drängende Arbeit. In den hohen Reiterstiefeln, die er stets trug, wie damals im Dienst, und mit der gleichen Haltung wie vor dem Regiment, machte er noch immer gute Figur. Von weitem konnte man ihn für einen jungen Mann halten, nur wenn man von nah sein Gesicht sah, die Falten, die wie eingegraben von der Nase herab zum Kinn liefen und die Mundwinkel herabzogen, merkte man’s: der hatte die Mitte des Lebens schon hinter sich. Er wurde respektvoll gegrüsst — ein Freiherr, ein Oberst! — die Schüler des Gymnasiums zogen die bunten Mützen, einzelne kleine Jungen, die auf der Strasse Kreisel schlugen oder mit Murmeln in den Löchern des holprigen Pflasters spielten, kamen sogar herzugelaufen und gaben ihm die Hand. Und er nahm die kleinen schmutzigen Hände, lächelte ein bisschen und sagte: »Morjen«.
Der Baron war kinderlieb; sonst hätte er vielleicht auch nicht bei Frau Doktor Arndt gemietet. Die wohnte ziemlich weit draussen, so weitab, dass winters bei schlechtem Wetter ihr Hans-Helmut öfter einmal nicht zur Schule kam. Das heisst, gekonnt hätte er das schon, andere Kinder kamen sogar aus Nachbardörfern viel weiter her zur Schule. Verdenken konnte man es der Mutter aber nicht, dass sie ängstlich war, ihr Mann war so rasch weggestorben, plötzlich nach einer schweren Erkältung an galoppierender Schwindsucht. Sie, die feine Frau, der man noch immer die grosse Dame anmerkte — sie sollte aus vornehmem Hause sein und sich gegen den Willen ihrer Familie mit dem einfachen Doktor verheiratet haben —, musste nun draussen vor der Stadt in das kleine Häuschen ziehen, weil das billig war, und an Sommergäste vermieten.
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»Wir haben ja gar nichts auf!«
»Na, da habe ich dir auch etwas mitgebracht!« Vorsichtig, damit er es nicht zerdrückte, zog der Oberst das Törtchen aus der hinteren Rocktasche. Aber der Knabe sagte nur artig: »Danke« und legte es hin. Die aufstrahlenden Blicke seiner Augen hingen bloss an dem Freund: »Darf ich jetzt bei Ihnen bleiben?«
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