Читать книгу EscortLady | Erotischer Roman (Erotik, Erotikroman, Erotik ab 18 unzensiert, sinnlich und heiß) - Clarissa Thomas - Страница 4

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Chroniken versunkener Zeit

Drei Jahre zuvor hieß ich noch Olivia, saß in einem hoffnungslos überfüllten Hörsaal und lauschte Professor Philson, der sehr eindringlich die Position eines überzeugten Stratfordianers vertrat.

»... zeugt aber nicht die Unterstellung, dass ein Mensch ohne akademischen Hintergrund und höheren Bildungsabschluss niemals in der Lage sei, Stücke wie Hamlet oder den Sommernachtstraum zu vollbringen von einer zutiefst elitären Verblendung? Woher diese Furcht, in Shakespeare beides zugleich zu sehen: Den gewinnorientierten Theatermann und den vielleicht größten Dramatiker aller Zeiten? Weil keine Briefe von ihm überliefert sind? Weil seine Unterschrift so ungelenk wirkt wie die eines Analphabeten?«

Ich hatte mich für ein Studium der Literaturwissenschaft entschieden, weil Bücher seit meiner frühesten Kindheit eine fast schon unheimliche Anziehungskraft auf mich ausübten. Jeden Abend war meine Mutter mit einem schweren Märchenband bewaffnet auf mein Zimmer gekommen, um mir daraus vorzulesen. Wie ein Schwamm hatte mein kindliches Gehirn die Worte aufgesogen, mit ihnen gespielt und neue Sätze gebildet. Noch lange nachdem meine Mutter das Buch zugeschlagen und mir eine gute Nacht gewünscht hatte, dachte ich über die Geschichten nach, ersann alternative Enden und ließ den Schlaf erst über mich kommen, als es unvermeidbar war.

Später dann setzte ich meine Lektüre verbotenerweise unter der Bettdecke fort. Ich erarbeitete mir im Schein meiner Taschenlampe die großen Klassiker der Literatur. Mein Studium war die logische Fortsetzung einer immerwährenden Leidenschaft, und mit etwas Glück würde es es mir ermöglichen, eines Tages in einem kleinen, aber hochwertigen Verlagshaus zu arbeiten. Konnte es denn etwas Schöneres geben, als seinen Lebensunterhalt mit kostbaren Worten zu bestreiten?

»Auf welche Genies müsste diese Welt doch verzichten, wenn wir nur das Werk derer berücksichtigen würden, die an den besten Hochschulen gelernt haben! Und würden wir die Leserlichkeit der Unterschrift als qualitatives Kriterium werten, so dürften wohl die meisten Ärzte ihre Approbation verlieren ...«

Ein Raunen ging durch den Saal. Philson war für seine Vorlesungen bekannt, die eben nicht nur darauf abzielten, jungen Menschen das absolut notwendige Wissen für das Bestehen der nächsten Klausur zu vermitteln, sondern die auch unterhaltsam waren, amüsant, kunstvoll.

Neben mir drehte sich meine Freundin und Mitbewohnerin Emma gedankenverloren ihre dunklen Locken. Mit den schwarzen, kniehohen Stiefeln, dem knappen Lederrock, dem ausladenden Dekolleté und den Smokey-Eyes war sie der Inbegriff einer begehrenswerten Studentin. Unfassbar langsam bearbeitete sie einen Kaugummi, fast schon meditativ bewegte sie ihren hübschen Mund und starrte den Professor an. Ihr Blick war eindeutig. Als sie die Schenkel leicht spreizte, tat sie das nicht etwa, weil sie die Mutmaßungen über den großen englischen Dramatiker so faszinierten ...

»Doch ich möchte, dass Sie sich Ihre eigenen Gedanken zu diesem gewiss schwierigen, aber auch überaus bedeutsamen Thema machen. Fragen Sie sich ernsthaft, welche intellektuellen Leistungen Sie einem Mann aus Stratford Ende des 16. Jahrhunderts zutrauen – oder welche eben nicht. Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.«

Das kollektive Trommeln setzte ein, diese typisch universitäre Geste des Applauses, bei der die Fäuste in einer Mischung aus Ehrfurcht und Ironie auf die abgeschabten Holzplatten der Klapptische schlugen.

Emma sah noch immer unverhohlen in Richtung Professor, der inzwischen seine Unterlagen zusammenpackte und noch von übereifrigen, hauptsächlich weiblichen Studenten belagert wurde.

»Das Thema scheint dich ja ziemlich gefesselt zu haben«, sagte ich zu ihr, doch sie verstand meine Bemerkung nicht sofort.

»Was? Oh ... ja ... ist wirklich eine spannende Sache.«

Erst jetzt wandte sie den Blick ab, schob ihren unbenutzten Schreibblock in die Tasche und stand auf. Etwas verspätet schlossen wir uns der allgemeinen Aufbruchsstimmung an. Vor dem Hörsaal hatte sich inzwischen eine größere Ansammlung gebildet, deren Wortwechsel zwischen klassischer Dramatik und dem aktuellen Speiseplan schwankte. Emma und ich zogen schnell an ihnen vorbei, um noch einen Sitzplatz in der Mensa zu ergattern.

Bewaffnet mit unseren Tabletts reihten wir uns in die schier endlose Schlange vor der Essensausgabe ein. Auch das heutige Menü stellte kein kulinarisches Highlight dar, aber es war erschwinglich, selbst für Studentinnen, die nicht über den Luxus eines wohlhabenden Elternhauses verfügten.

Es gelang uns, einen kleinen Tisch an der Fensterfront zu ergattern, wir blickten hinaus auf den herbstlichen Campus, der von Frisbee-Spielern und Lesegruppen besiedelt wurde. Emma arbeitete sich mühsam durch etwas hindurch, das auf der Karte als »Steak« bezeichnet worden war.

»Du interessierst dich also für Professor Philson, ja?«

Sie versuchte gar nicht erst, meinen Verdacht abzustreiten. »Oh ja, und wie ... Er ist so selbstbewusst, so elegant. Findest du ihn nicht auch heiß?«

»Heiß trifft es vielleicht nicht ganz, immerhin ist Philson gut zwanzig Jahre älter als wir.«

Mit einer eiligen Geste verscheuchte Emma meinen Einwand, als wäre er ein lästiges Insekt. »Ich glaube, ich habe eine ernsthafte Schwäche für ältere Männer. Und ganz besonders für ihn ...«

Die Kartoffeln waren nahezu ungenießbar, aber nachdem schon mein Frühstück nur aus Kaffee und Joghurt bestanden hatte – für mehr fehlte Zeit und ein gefüllter Kühlschrank – war ich nicht mehr sonderlich wählerisch. Um mich etwas von der mehligen Konsistenz der Beilage abzulenken, versuchte ich, unser Gespräch fortzusetzen.

»Das hätte doch keine Zukunft mit euch«, sagte ich, bemüht, es möglichst beiläufig klingen zu lassen.

»Muss denn alles immer gleich eine Zukunft haben? Die Gegenwart fühlt sich jedenfalls großartig an ... Du kannst dir nicht vorstellen, wie gern ich diesen Mann zwischen meinen Beinen hätte.«

Emmas Direktheit machte mich für einen Moment sprachlos.

Erst ein paar Monate zuvor hatte ich meine dreijährige Beziehung mit Mike beendet, was mir noch immer zu schaffen machte. Mike war mein erster richtiger Freund gewesen – richtig im Sinne von: Erster Sex, erster Urlaub zu zweit, erste gemeinsame Wohnung. Lange Zeit dachte ich, dass wir zwangsläufig heiraten, Kinder kriegen und den Rest unseres Lebens miteinander glücklich sein würden. Es war der einfache Traum eines einfachen Mädchens, und er zerplatzte auf eine ebensolche Art und Weise ... Mike und ich entfremdeten uns. Er zeigte kaum noch Interesse an mir und nahm meine Gegenwart hin wie etwas Selbstverständliches. Ich war für ihn kaum mehr als ein Möbelstück, und irgendwann wurde der Zustand so unerträglich, dass ich aus unserer Wohnung auszog und mein Glück in einem radikalen Neuanfang suchte.

»Du denkst schon wieder an Marc, oder?«

Emma verfügte über die unheimliche Fähigkeit, die Gedanken ihrer Mitmenschen erraten zu können.

»Mike, nicht Marc. Sein Name ist Mike. Und ja, ich denke oft an ihn ... eine dauerhafte Beziehung hinterlässt eben ihre Spuren. Aber du kannst das nicht nachvollziehen, weil du jedes Wochenende einen anderen Typen in unsere WG schleppst.«

»Wenn du das so formulierst, fühle ich mich wie ein Flittchen«, entgegnete Emma und verzog ihre Lippen zu einem übertriebenen Schmollmund. Was auch geschah, man konnte ihr schlicht und ergreifend nicht böse sein.

»So war das nicht gemeint. Es ist nur ...«

»Es ist nur was? Dass du dich zurücksehnst nach der Beschaulichkeit der Langeweile? Hoffentlich war zumindest der Sex mit Marc ...«

»Mike.«

»... mit Mike gut.«

»Ja, der Sex war wirklich in Ordnung«, gab ich nur halblaut zurück, da sich zwei Studentinnen, die Teil unserer Lerngruppe waren, direkt neben uns gesetzt hatten. Emma kümmerte sich, wie so oft, überhaupt nicht darum.

»In Ordnung?!«, entgegnete sie unüberhörbar. »Der Sex war wirklich in Ordnung?! Meine Güte, Olivia! Wenn du das auch zu Mike gesagt hast, ist es kein Wunder, dass ihr nicht mehr zusammen seid.«

Um Emmas Ausführungen wieder auf eine akzeptable Lautstärke zu senken, gab ich mich rhetorisch geschlagen. »Der Sex war großartig. Zufrieden?«

»Noch nicht ganz. Dir fehlen schließlich die Vergleichswerte. Du gehörst wahrscheinlich auch zu diesen Menschen, die Blümchensex für das Größte halten und sich schon verrucht vorkommen, weil sei einmal anal ausprobiert haben.«

Ich war durchaus kein Kind von Traurigkeit. In unserer Anfangszeit waren Mike und ich manchmal ganze Tage mitein­ander im Bett geblieben, auch wenn sich irgendwann natürlich eine gewisse Routine eingestellt hatte. Schlimm war eigentlich nur sein Hang gewesen, es sofort für ein Kapitalverbrechen zu halten, wenn ich einmal nicht zum Orgasmus gekommen war. Dann durfte ich ein selbstzerfleischendes Kreuzverhör über mich ergehen lassen und musste ihm dutzendfach versichern, dass das nichts mit seinen Qualitäten als Liebhaber zu tun hatte. Ein zermürbender Prozess, zermürbend für ihn, aber genauso zermürbend für mich.

In gewisser Hinsicht stimmte ich Emma zu. Mike hatte sich nie auf den kunstvollen Tabubruch verstanden, wenig von der animalischen Gier einer Frau und ihren unausgesprochenen Bedürfnissen gewusst. Aber ich war nicht der Mensch gewesen, es ihm zu sagen.

»Für mich gehören Sex und Liebe eben zusammen. Ich kann das nicht so feinsäuberlich trennen wie du«, erklärte ich beherzt und wagte einen letzten Versuch, meine Position zu retten.

Doch Emma rammte teilnahmslos ihre Gabel in die Erbsen und entgegnete: »Du solltest anfangen, von deiner neugewonnen Freiheit Gebrauch zu machen, Olivia. Langweilig kannst du in sechzig Jahren immer noch sein. Jetzt bist du jung, hast ein hübsches Gesicht, einen knackigen Hintern, volle Brüste und nicht zuletzt einen Kopf, der mehr ist, als die Grundlage einer modischen Frisur. Stell dir vor, dass sich eine riesige Bibliothek vor dir auftut – da willst du doch auch nicht nur ein einziges Buch lesen, oder?«

Emma hatte unsere verbale Schlacht gewonnen, sie kannte mich inzwischen zu gut. Zufrieden lächelnd fasste sie ihr Weltbild zusammen: »Amüsier dich.«

***

Amüsier dich.

Ich musste an Emmas Worte denken, als ich wieder einmal zu spät bei »Haute Cuisine« ankam, einem Restaurant im Süden der Stadt, nicht ganz in der Oberklasse französischer Küche angekommen, aber doch auf einem sehr guten Weg.

Jules, mein direkter Vorgesetzter, beließ es diesmal nicht bei verärgerten Blicken, sondern hielt mir eine mehrminütige Ansprache, wie wichtig doch Pünktlichkeit für den reibungslosen Betrieb des Restaurants sei.

Ich verzichtete darauf, Jules zu erklären, dass ich gerade mitten in einer wichtigen schriftlichen Ausarbeitung steckte und diesen undankbaren und schlecht bezahlten Job lediglich machte, um mich knapp über dem Existenzminimum zu halten. Stattdessen ordnete ich meine Dienstkleidung – weiße Bluse, dunkler Rock –, setzte mein freundlichstes Lächeln auf und bediente die ersten Gäste. Es war Montagabend, nicht gerade die typische Zeit für den Besuch eines Vier-Sterne-Restaurants, die Tische waren kaum zu einem Viertel besetzt.

Die Stunden zogen sich.

Weniger Gäste bedeuteten weniger Trinkgeld, aber das gab mir auch die Möglichkeit, die Anwesenden genauer zu beobachten. Ich fragte mich, wer von den Herren wohl eine vorteilhafte Partie wäre und entschied mich schließlich für einen Mann, der allein im hinteren Teil des Restaurants saß. Seine körperliche Präsenz war überwältigend. Die Aura des Geheimnisvollen umgab ihn. In irgendwelchen Hollywood-Filmen wäre er ein Agent gewesen, von dem der Zuschauer lange Zeit nicht weiß, ob er gut oder böse ist. Genau diese Ambivalenz war es, die mich für ihn einnahm.

Fest entschlossen, das Beste aus der Situation zu machen, spielte ich ein wenig mit meinen Reizen. Ich bog den Rücken durch, streckte meine Brust vor und stöckelte so kunstvoll über den Parkettboden, wie es beladen mit einem mittelschweren Tablett nur möglich war.

Während ich am gegenüberliegenden Tisch die Bestellung eines älteren Ehepaars aufnahm, senkte ich meinen Oberkörper unnötig weit hinunter, vorgeblich, um den über 70jährigen die Empfehlung des Tages verständlich zu machen, aber eigentlich, weil ich meinem attraktiven Unbekannten einen tiefen Einblick in meinen Ausschnitt gewähren wollte.

Als ich mich wieder aufrichtete, sah ich kurz zu ihm hinüber. Aus seinen Augen sprach pures Begehren.

Den Höhepunkt meiner kleinen Vorstellung leitete ich mit einer Gabel ein, die ich – so ungeschickt aber auch! – fallen ließ und ganz langsam, mit durchgestreckten Beinen und einem Rock, der sich bei dieser Bewegung eng an meinen Hintern schmiegte, aufhob ... Es war unnötig, mich seiner Aufmerksamkeit zu versichern.

Abgesehen von vielsagenden Blicken blieb er vollkommen passiv. Weiter in die Offensive wollte ich nicht gehen, weniger aus einem Mangel an Mut heraus, sondern weil mir völlig unklar war, wie ich auf gesellschaftlich akzeptable Weise andeuten sollte, dass ich bereit war mit einem völlig fremden Mann ins Bett zu gehen.

Ich gab mein kleines Spiel bereits verloren, als er die Rechnung, übertrieben aufgerundet, bezahlte. Doch bevor ich nach dem gebrauchten Geschirr greifen konnte, um es zurück in die Küche zu tragen, spürte ich seine Finger an meinem Handgelenk. Sein Griff war entschlossen, aber nicht unangenehm. Er wusste sehr genau, was er tat.

»Wie lange müssen Sie heute noch arbeiten?«, fragte er gerade so laut, dass nur ich seine Worte verstehen konnte.

Die Farbe meines Gesichts wollte entschieden ins Rötliche übergehen, aber mit einer übermäßigen Anstrengung gelang es mir, ruhig und souverän zu wirken. »Weshalb interessiert sich ein Mann wie Sie für die Arbeitszeiten einer gewöhnlichen Kellnerin?«, gab ich kühl zurück, so kühl wie es in dieser Situation überhaupt möglich war.

Doch er durchschaute mich. »Weil Sie eben nicht nur eine gewöhnliche Kellnerin sind, sondern eine äußerst attraktive Frau, und seit etwa einer Stunde nichts unversucht lassen, mir das zu zeigen.«

Seine Worte klangen kraftvoll und überlegt, vermutlich war er es gewohnt, beruflich vor vielen Leuten zu reden.

»Ist das so, ja? Vielleicht bilden Sie sich auch alles nur ein, Mr ...«

»John. Einfach nur John. Und für Tagträume bleibt mir keine Zeit, ich stehe mit beiden Beinen fest im Leben. Glauben Sie mir: Ich weiß, was ich will.«

Ich wagte einen kleinen Vorstoß. »Und das wäre?«

»Das sind Sie.«

Ich biss mir auf die Unterlippe. Hatte ich nicht genau das beabsichtigt? So viel Mühe hatte ich darauf verwandt, ihm meine äußerlichen Vorzüge zu präsentieren, seine und meine Fantasie immer weiter befeuert, nur um jetzt einen Rückzieher zu machen? Ganz bestimmt nicht.

»Das trifft sich gut«, entgegnete ich, wobei es mir immer schwerer fiel, die Maskerade der Gleichgültigkeit aufrecht zu erhalten.

»Meine Schicht dauert bis zweiundzwanzig Uhr. Treffen wir uns im Anschluss?«

»Ich hole Sie ab.«

»Einverstanden. Warten Sie hinter dem Gebäude.«

Es kam mir so vor, als hätte ich gerade eine Verschwörung angezettelt ... Es fühlte sich gut an, ein böses Mädchen zu sein.

»Wie heißen Sie überhaupt?«

Ich wollte ihm nicht meinen richtigen Namen verraten, also dachte ich an meine jüngste Vorlesung, in der Shakespeares Hamlet im Mittelpunkt gestanden hatte.

»Ophelia«, antwortete ich schließlich und verschwand mit dem Geschirr in der Küche, eifrig bemüht, meinen Hintern bei diesem Abgang hübsch schwingen zu lassen. Etwas Derartiges war mir noch nie passiert. An Gelegenheiten hatte es nicht gemangelt, oft genug waren Männer mit ziemlich eindeutigen Absichten an mich herangetreten, doch nie zuvor hatte ich mich auch darauf eingelassen.

Salvatore, unser Chefkoch, hatte eine Flasche Merlot geöffnet, um damit eine Sauce au vin rouge zuzubereiten. Als er mich sah, bot er mir spontan ein Glas an. Dankend nahm ich an und spürte sofort, wie der letzte Rest Nervosität einer ungeduldigen Vorfreude wich. Doch was, wenn meine Hoffnungen enttäuscht werden würden? Vielleicht hatte längst etwas anderes Johns Aufmerksamkeit erweckt. Warum sollte er noch zwei Stunden warten, bis er sich in eine Seitengasse schleichen und eine Aushilfskellnerin treffen würde?

***

John hielt sein Wort.

Als ich nach dem Ende meiner Schicht aus dem Personal­eingang trat, stand sein Wagen bereits davor. Er stieg aus, wir küssten einander kurz auf die Wange, dann öffnete er mir die Beifahrertür.

»Wie aufmerksam von Ihnen«, quittierte ich seine Geste.

»Sie werden bald lernen, dass Höflichkeit nur eine meiner vielen Qualitäten ist.«

John startete den Motor, der wie eine gut abgerichtete Raubkatze mit geschmeidigem Schnurren reagierte. Der Wagen kostete wahrscheinlich mehr als mein gesamtes Studium. Die verschwenderische Eleganz der Ausstattung streckte sofort ihre ledernen und verchromten Arme nach mir aus.

»Schnallen Sie sich besser an«, sagte John, als mich die Beschleunigung bereits in den unverschämt bequemen Sitz presste.

Wir bogen auf die Ausfahrtstraße und fuhren, immer ein wenig über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, in den Teil der Stadt, der hauptsächlich den Wohlhabenderen vorbehalten war.

Er fuhr schnell, aber nicht riskant. Überhaupt wurde ich das Gefühl nicht los, dass er in jeder Sekunde alles unter Kontrolle hatte. Sein Blick war konzentriert, seine Energie ganz auf einen bestimmten Punkt gerichtet.

Ohne Frage, John war ein Alphatier.

Er sprach eine tief in mir verborgene Seite an, eine Seite, die unter unzähligen Schichten Erziehung und Gesellschaft geschlummert hatte und sich nur allmählich den Weg an die Oberfläche meines Willens erkämpfte. Etwas Urzeitliches lag darin, etwas Wildes. Dieser Mann konnte auch Mammuts jagen und Säbelzahntiger erlegen.

Mike mit seiner postmodernen Aufgeklärtheit würde über mich den Kopf schütteln. Dass ich angetan war von diesem archaischen Krieger und dem Gefühl der Macht, das er ausstrahlte ... Doch zum ersten Mal war mir Mike völlig egal. Es gelang mir, den Gedanken an ihn loszulassen, dem Lichtspiel der vorüberziehenden Laternen zu folgen und meine Hand wie selbstverständlich auf Johns Knie zu legen. Die Begeisterung für das Neue hatte gewonnen. Es war ein Sieg über den Alltag, über alles, was bisher gewesen war.

Ich wusste, dass ich mit John niemals eine Beziehung haben würde. Dass es nichts anderes gab als diese Nacht und unsere einzige Verbindung darin bestand, einander Vergnügen zu schenken – und genau das war es, was ich wollte. Einmal die Leichtigkeit genießen, von der mir Emma so unverblümt erzählte, einmal selbst die Ruchlosigkeit erleben, in einem fremden Bett zu erwachen.

Die Fahrt war zu kurz, um mich längeren Gedanken hinzugeben. Mit einer entspannten Drehung parkte John den Wagen direkt vor einem Haus, das einem Katalog für postmoderne Architektur entsprungen sein könnte. Glas und Stahl dominierten die Konstruktion, allerdings ohne kalt oder steril zu wirken.

»Hier wohnen Sie?«, fragte ich.

Woraufhin John erwiderte: »Ja, ich habe das Anwesen vor kurzem gekauft. Eigentlich ist es zu groß für mich allein, aber man gewöhnt sich daran.«

Ich trat über die breite Schwelle. Kurzzeitig verließ mich mein Mut, als sich die Tür hinter mir schloss. Ich fühlte mich ausgeliefert, spürte, dass es von hier an nur einen Weg gab und ich ihn gehen musste, ganz egal, wohin er mich führen würde.

John bemerkte den Wechsel meiner Stimmung.

»Ist alles in Ordnung?«

Ich nickte tapfer, aber wenig überzeugend. Er trat auf mich zu und schloss mich in seine Arme.

»Du bist bei mir, alles ist gut«, hörte ich seine Stimme ganz nah an meinem Ohr. Und so banal wie seine Worte sein mochten, waren sie in diesem Moment genau das, was ich brauchte. Ich sog den verführerischen Duft seines After-Shaves ein, rieb mich an seiner markanten Wange, bewegte mich langsam, aber unaufhaltsam auf seinen Mund zu. Als unsere Lippen einander fanden, war ich für ein paar Sekunden wie gelähmt. Erst Johns Zunge brachte das Leben in mir zurück.

Er brauchte nicht zu wissen, dass er erst der zweite Mann in meinem Leben sein würde. Er mochte sich über mich, die junge Kellnerin, die direkt nach dem Ende der Schicht in seinen schicken Wagen stieg, seinen Teil denken.

John führte mich an der Hand die Treppe hinauf in sein Schlafzimmer. Über dem Bett hing ein Gemälde von Richard Gerhardson, meinem Lieblingsmaler.

»Ist das ein Original?«

»Es würde von sehr schlechtem Geschmack zeugen, eine Kopie aufzuhängen. Besonders an diesem Ort, der doch der aufrichtigen Sinnesfreude vorbehalten ist.«

Er sagte es mit einem ironischen Unterton, der meine Vorstellungskraft befeuerte und in mir Bilder ausschweifender Lust provozierte. Wie viele Frauen hatte John hier schon geliebt? War ich eine Nummer von vielen? Ahnte er auch nur, welch erlesener Schatz ihm da direkt in die starken Hände gefallen war?

Nur wenige Wochen zuvor hätte ich ihn kaum eines Blickes gewürdigt, so sehr in dem Glauben, dass Herz und Körper stets die gleiche Sprache sprechen. Doch als Johns Arme mich von hinten umschlangen, seine Finger erst meinen Hals, dann mein Dekolleté streichelten, da begriff ich endgültig, dass manchmal einfach die blindwütige Lust regierte.

Mein Blick verweilte auf dem Gemälde; ich betrachtete die kraftvollen Pinselstriche, konzentrierte mich solange auf die starken Farben, bis alles vor meinen Augen verschwamm. Johns heißer Atem, sein entschlossener Biss in meinen Nacken ... die Beine wollten unter mir nachgeben. Ich zwang mich, aufrecht stehen zu bleiben. Es war mir unmöglich, mich umzudrehen, doch ich begriff, dass John das auch gar nicht beabsichtigte. Vorerst genügte ihm meine Rückseite. Er zog mir nach und nach jedes Kleidungsstück vom Leib, hakte meinen BH auf und ließ meinen Slip nach unten gleiten. Das alles geschah so selbstverständlich, so autoritär, dass mich meine Erregung fast schon heimtückisch überfiel.

Kurz ging John auf Distanz, um sich ein Kondom überzustreifen, dann kam er wieder nahe, näher als jemals zuvor. Er brachte mich in die gewünschte Position, breitete meine Beine mit seinen Knien etwas weiter auseinander und drang dann, ohne auf mein Einverständnis zu warten, in mich ein.

Von John genommen zu werden, war anders, anders als alles, was ich kannte. Sein kraftvolles Liebesspiel hatte wenig mit dem verkopften Beischlaf gemein, den ich bisher gewohnt war. John kümmerte sich nicht groß darum, ob ich auf meine Kosten kommen würde, seine Bewegungen besaßen eine wohltemperierte Arroganz, eine Direktheit, die mir mehrfach eine ohnmächtige Schwärze vor die Augen treten ließ. Gerade diese Gleichgültigkeit gegenüber dem, was ich dabei empfand, erregte mich zutiefst. Es war egal, ob ich kommen würde, John würde das nicht als Beweis für seine Männlichkeit brauchen – und genau dies ließ meine Sinne auf eine Reise gehen, an deren Ende ein gewaltiger Gipfel aufragte.

Ich erreichte ohne jede Anstrengung den Höhepunkt. Einen Moment verharrte ich noch auf der vorletzten Stufe, genoss das sanfte Vorbeben und warf mich dann mit größter Lust hinein in den bodenlosen Abgrund, der sich vor mir auftat.

John war mein Orgasmus nicht entgangen. Er zog sich mit einer beachtlichen Selbstbeherrschung aus mir zurück. Ich drehte mich zu ihm herum, unschlüssig, ob er nur die Stellung wechseln oder von mir auf eine andere Art verwöhnt werden wollte. Auch wenn ich vielleicht nicht den Erfahrungsreichtum meiner Freundin besaß, wusste ich doch, was die meisten Männer sich wünschten. Ich beschloss, mich bei John für die genossene Lust angemessen zu revanchieren.

Schnell sah ich mich in dem Zimmer um. Nicht weit von mir entfernt fand ich ein dunkles Tuch – eine passende Requisite für den nächsten Akt. Ich band den Stoff um Johns Kopf, auch wenn er zunächst widerwillig darauf reagierte. Mit intensiven Küssen stellte ich seine Zweifel ruhig.

»Jetzt bist du an der Reihe, John.«

»An der Reihe? Das klingt, als wäre es ein Spiel.«

»Ist es auch. Ein Spiel um Vertrauen und sich ausliefern. Solltest du die Augenbinde abnehmen, verlierst du.«

»Und das bedeutet?«

»Dass ich sofort aufhören werde.«

»Womit willst du denn auf ...«

John brachte den Satz nicht zu Ende. Ich hatte mich vor ihn gekniet und seine glühende Spitze zwischen meine Lippen gleiten lassen. Ein Stöhnen entrang sich seiner Kehle. Langsam arbeitete ich mich vorwärts, bis sein Schwanz meinen Mund ganz ausfüllte. Nur widerwillig ließ ich ihn hinaus. Ich genoss die ansteigende Hitze, das Pulsieren an meiner Zunge, die jeden Winkel erforschte. Mit den Fingern streichelte ich seine Oberschenkel, stimulierte seinen Hoden und verirrte mich immer wieder an seinen Hintern.

Diese berauschende Macht ... Zwar war ich es, die vor ihm kniete, die ihn verwöhnte, aber zugleich konnte ich seinen Genuss steuern. Hielt ich einmal kurz inne, spürte ich, wie sein ganzer Körper förmlich darum bettelte, dass ich meine kunstvolle Behandlung fortsetzte. Bevor die erste Welle über ihn kam, zog ich mich zurück – statt meinen Lippen bekam John meine Brüste zu spüren, zwischen denen er laut und kräftig ejakulierte. Seine Lust benetzte meinen kompletten Oberkörper; mit meinen Fingern half ich nach, sie auch wirklich überall zu verteilen. Ich genoss es, derartig beschmutzt wurden zu sein.

***

Es wäre übertrieben zu behaupten, dass diese Nacht mein Leben verändert hatte, aber als ich am nächsten Morgen erwachte, war etwas verschwunden und etwas Neues an seinen Platz getreten. Mike war weiter von mir entfernt als je zuvor. Aber auch der Mann, der neben mir lag, vermittelte mir keine Nähe. Eine unbestimmte Gleichgültigkeit lag zwischen uns.

John schlief noch. Fahl schien das erste Licht des Tages durch die Vorhänge. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, unbemerkt zu verschwinden, doch kaum hatte ich meine Sachen zusammengesucht, schlug er die Augen auf.

»Guten Morgen meine Schöne ... Wo willst du so früh hin?«

Seine Stimme wirkte belegt, aber sie hatte die gleiche Autorität wie am Abend zuvor.

»Ich habe heute noch Vorlesung«, entgegnete ich mit dem Höchstmaß an Entschlossenheit.

»Aber die beginnt doch sicherlich nicht um sieben Uhr?«

»Nein, aber ich will vorher noch nach Hause und etwas frühstücken.«

»Frühstücken kannst du bei mir.«

John spürte meinen schwächer werdenden Widerstand, setzte sich auf und griff nach meiner Hand. Als ich sie ihm überließ, zog er mich sofort wieder in das Bett.

»Ich muss gehen, John, ich muss wirklich ...«

Er vergrub sein Gesicht an meinem Hals, seine erwachende Leidenschaft und die Erinnerung an die vergangene Nacht überwältigten mich. Ich war nicht gewappnet gegen diese ungefilterte Leidenschaft und überließ mich ganz seinen Berührungen.

»Stimmt etwas nicht?«, fragte er schließlich, als meine Passivität fast greifbar wurde. Doch ich presste seinen Kopf an meine Brust, und er machte weiter. Ich wollte ihn noch einmal in mir spüren, wollte noch einmal so gänzlich ausgefüllt sein wie in der vergangenen Nacht. Er war geübt darin, Frauen zu entkleiden. Wenige Handgriffe genügten und ich stand wieder nackt vor ihm.

Dieses Mal liebten wir uns in der Missionarsstellung. John war sehr ausdauernd, aber meinen gezielten Berührungen an seinem Rücken konnte er dennoch nicht allzu lange Widerstand leisten. Ich spürte seine Hitze an meinem Bauch. Seine Schulter schmeckte salzig, als ich mein Gesicht dort vergrub. Auch wenn ich nicht zum Höhepunkt kam, war es großartig, diesen Mann in seinem Element zu erleben. John war ein Glücksfall. Ich hatte es mit einem talentierten Liebhaber zu tun, bei dem jeder einzelne Stoß größte Willenskraft besaß.

Im Anschluss sprang ich schnell unter die Dusche. Als ich, etwas erfrischt und nach seinem Deo riechend, aus dem Bad trat, lag John noch immer auf dem Bett.

»Auf dem Tisch findest du das Geld für dein Taxi«, sagte er und lächelte.

Ich erkannte auf den ersten Blick, dass die bereitgelegten Scheine etwa zehnfach so viel waren, wie ich an einem ganzen Abend im Restaurant verdiente. »Aber das ist viel zu viel. Kein Taxi der Welt kostet ...«

Sein Blick befahl mir, zu schweigen. »Es ist auch ein Trinkgeld, wenn du es so willst. Ein kleiner Dank für deine Gesellschaft.«

»Hältst du mich etwa für ...«

»Nein!«, entgegnete er deutlich, sein Tonfall duldete keine Zweifel. »Ganz bestimmt nicht. Ich halte dich für eine stolze, unabhängige Frau, Ophelia. Eine Frau, die sich ihren Platz erst noch erkämpfen muss. Und wenn ich dabei etwas behilflich sein kann ...«

»Du findest immer die richtigen Worte, oder?«

»Das ist mein Job.«

»Ein Job, der dich einsam macht. So einsam, dass du Trost in zufälligen Begegnungen suchst ...«

Dieses Mal, dieses eine Mal, wollte ich das letzte Wort behalten. Ich legte meinen Zeigefinger auf seine Lippen, er küsste ihn zärtlich. Bevor aus dieser Geste mehr erwachsen konnte, wandte ich mich um und ging. Von der bereitgelegten Summe nahm ich lediglich den obersten Schein, sodass es gerade für das Taxi reichen würde, dann verließ ich das Haus.

Während der Fahrt beschrieben meine Gedanken unregelmäßige Bahnen. Ich sah aus dem Fenster und blickte auf die erwachende Stadt. Es war ein Ausflug gewesen, eine Reise in eine andere Welt. Ich hatte diese Nacht nicht im kleinen Zimmer einer Wohngemeinschaft verbracht, das hier war keine überfüllte U-Bahn. Ein anderes Leben war möglich, wenn ich es wollte, es lag ganz in meiner Hand ... Ich besaß die Macht. Aus dem brodelnden Chaos in mir kämpfte sich ein Hochgefühl empor.

Als ich die Wohnung betrat, kamen mir Emma und Philson entgegen, beide nur in Unterwäsche. Meinem Professor war die Situation sichtbar unangenehm, doch meine Freundin und Mitbewohnerin lächelte mir vielsagend zu. Während er sich mit seiner restlichen Kleidung in das Badezimmer flüchtete, begrüßte mich Emma mit der Gelassenheit eines Menschen, für den Scham etwas äußerst Ungewöhnliches war. Sie zeigte keine Anstalten, sich anzuziehen, stattdessen lehnte sie sich an den Türrahmen und machte zweideutige Gesten, über die ich, der Moment war einfach zu absurd, herzlich lachen musste.

Nach einer halben Minute, dieses Tempo hätte ich einem würdigen Professor in seinen besten Jahren gar nicht zugetraut, kam Philson vollständig bekleidet aus dem Bad. Nur seine Krawatte hatte er noch nicht gebunden, nachlässig hing sie ihm um den Hals, als er mit schnellen Schritten an uns vorbeizog und dabei eine Verabschiedung eher murmelte als aussprach.

»Wir sehen uns dann im Hörsaal, Honey«, rief Emma ihm nach. Die Tür schloss sich hinter ihm.

»Honey? Du nennst ihn Honey?«

Während sich meine Freundin schließlich doch ihren Bademantel überwarf, schüttelte ich noch immer leicht fassungslos meinen Kopf.

»Ja, irgendwie stand er darauf.«

»Emma, du kannst doch nicht einfach unseren Professor vögeln!«

»Oh, und wie ich das kann. Ich würde sogar behaupten, dass ich ziemlich gut darin bin.«

Das alles war so absurd, dass wir beide gar nicht anders konnten, als in herzhaftes Lachen auszubrechen. Als wir uns wieder beruhigt hatten, setzten wir uns in die Küche, Emma bereitete Tee zu.

»Ich will alles wissen. Jedes einzelne schmutzige Detail«, sagte ich, während meine Mitbewohnerin mit zwei dampfenden Tassen beladen an den Tisch trat.

»Na gut, sonst wirst du ja nie Ruhe geben«, erwiderte sie und nahm Platz.

»Gestern ... gestern war es einfach so weit. Ich hatte Philson schon länger mit eindeutigen Blicken belagert, er hätte blind sein müssen, um mein Interesse nicht zu bemerken, doch er spielte viel zu sehr den Gentleman, um von sich aus die Initiative zu ergreifen. Also war es an mir, ihn gestern bei einer zufälligen Begegnung in der Bibliothek zu fragen, ob er mir nicht etwas Hilfestellung geben könne ...«

»Hilfestellung, verstehe.«

»Ja ... Ich erklärte Philson, dass ich seinen Vorlesungen immer höchst begeistert lauschen würde, aber doch im Themenbereich des elisabethanischen Theaters den roten Faden verloren hätte. Er bemühte sich natürlich von ganzem Herzen, mir alles begreiflich zu machen. Wir saßen in der Bibliothek, bis sie uns rausschmissen. Ich fragte ihn, ob wir die Unterhaltung noch in einem etwas gemütlicheren Rahmen fortsetzen könnten, aber er zögerte. Erst, als ich ihm erklärte, dass meine WG nur einen Steinwurf von der Universität entfernt sei und meine Mitbewohnerin den ganzen Abend arbeiten würde, war er einverstanden.«

»Du bist so durchtrieben, Emma.«

»Oh, es wird noch besser. Kaum hatte ich Philson auf unserem Sofa geparkt und ihn mit Wein versorgt, meldete sich sein schlechtes Gewissen. ›Vielleicht sollte ich lieber gehen‹, sagte er, aber da kannte er mich schlecht. Wer von mir einmal in die heiligen Hallen dieser Wohngemeinschaft eingeladen wird, bleibt mindestens über Nacht.«

»Du hast also die Tür verriegelt und den einzigen Schlüssel in deinem Dekolleté versteckt.«

»Nicht ganz, obwohl das eine interessante Idee ist. Stattdessen hatte ich Philson damit geködert, dass ich sein Verantwortungsbewusstsein wirklich zu schätzen wüsste, dass er der ultimativen Versuchung widerstehen könnte, mit einer jungen, attraktiven, tabulosen Studentin zu schlafen ... Wie schwierig es doch sein müsste, die eigene Erregung zurückzuhalten und die Situation nicht auszunutzen ...«

Emma lächelte bei der Erinnerung daran.

»Du hättest sein Gesicht sehen sollen, Olivia. Sein Unterkiefer hakte sich förmlich aus ... Bevor er vielleicht doch noch einen klaren Gedanken fasste und die Flucht ergriff, küsste ich ihn. Ich stand auf, nahm ihn an die Hand und führte ihn in mein Zimmer, wo ich ihn mit größter Freude ...«

»Ist gut, ich kann mir den Rest denken«, sagte ich und nahm einen Schluck Tee, der immer noch sehr heiß war.

»Du wolltest doch alles wissen. Jedes einzelne, schmutzige Detail.«

Meine Mitbewohnerin war eine Meisterin darin, die eigenen Worte als Waffe einzusetzen. Ich fügte mich also und lauschte ihren Ausführungen interessierter, als ich es mir selbst eingestehen wollte.

»Philson wirkte zunächst noch etwas unterkühlt. Ich glaube ernsthaft, dass ihm so etwas vorher noch nicht passiert war – eine Vergeudung, wenn du mich fragst. Er scheint viel zu trainieren und hat einen großartigen Körper. Kaum hatte ich ihn von aller unnötigen Kleidung befreit, sprang mir auch schon seine Erektion entgegen. Philson war sehr nervös, also beschloss ich, ihm zunächst mit meiner Hand etwas Entspannung zu verschaffen. Viel war gar nicht nötig. Wahrscheinlich lässt ihn seine Frau nicht mehr so oft ran, soll bei langjährigen Ehen ja vorkommen.«

Ich hielt mich an meiner Tasse fest, als wäre sie der rettende Griff in diesem Strudel aus intimen Einzelheiten.

»Er saß auf meinem Bett, während ich vor ihm kniete, mit Daumen und Zeigefinger einen Ring um sein bestes Stück bildete und ihn ein bisschen wichste. Als es ihm kam, presste ich meine Brüste an seinen Schwanz, sein Samen spritzte mir bis an das Kinn. Von da an war es vorbei mit der Zurückhaltung. In der nächsten Runde vögelte er mich auf meinem Schreibtisch, dann auf dem Fußboden. Egal, was so manche Frauenrechtlerin sagt, in bestimmten Augenblicken kann es richtig geil sein, einfach nur benutzt zu werden.«

»Du bist unmöglich, Emma.«

»Und du unglaublich spießig, Olivia.«

»Ach ja?«

Obwohl ich beschlossen hatte, die Erlebnisse der vergangenen Nacht für mich zu behalten, fühlte ich mich durch das vernichtende Urteil meiner Freundin herausgefordert, ihr davon zu erzählen.

»Weißt du eigentlich, warum ich erst heute Morgen nach Hause kam? In den Sachen von gestern?«

Einen Moment stutzte Emma und begutachtete mich dann sehr genau, als würde sie ernsthaft an meiner Identität zweifeln. Nachdem sie keine Anzeichen dafür entdecken konnte, dass ich von Außerirdischen durch eine Doppelgängerin ersetzt wurden war, fasste sie ihr Erstaunen über mich in stockende Worte.

»Nein ... doch ... oder ... Hast du etwa wirklich?«

»Oh ja. Mit einem Typen, der mir nie zuvor begegnet war. Ich habe ihn im Restaurant mit meinen Reizen betört, anschließend fuhren wir in seinem Sportwagen zu ihm.«

Emma schlug mir im Spaß auf den Oberarm.

»Wusste ich’s doch! In dir steckt eine Tigerin, meine Liebe. Du kannst ja ein richtiges Luder sein, wenn du willst. Und, wirst du ihn wiedersehen?«

»Nein. Das war eine einmalige Sache. Einmalig mit ihm, meine ich.«

Nun kannte die Begeisterung meiner Freundin kein Halten mehr. »Meine Güte, das wird ja immer besser! Stark die Macht in dir ist, junge Mitbewohnerin«, sagte sie und schloss mich über den Tisch hinweg in ihre Arme, wobei wir fast unsere Tassen umgeschüttet hätten.

»Vielleicht kommen wir jetzt wieder zu dir, Emma. Immerhin hast du einen Mann verführt, der dein Vater sein könnte.«

»Aber ich bitte dich ... Das ist ganz normal. Reifere Männer und junge Frauen, die ziehen einander an wie ... wie ... mir fällt gerade kein passender Vergleich ein.«

»Wie Magnete?«

»Ja, wie Magnete. Und diese Verbindung kann für beide sehr ... aufregend sein.«

Bei diesen Worten gab sich Emma ihren Erinnerungen hin, mit verklärtem Blick starrte sie in ihren Tee, ein Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. So ungern, wie ich ihre glückliche Versenkung unterbrechen wollte, musste ich diesen einen Punkt doch ansprechen.

»Fühlt sich das nicht falsch an, mit einem verheirateten Mann zu schlafen?«

Emma wiederholte meine Frage und ahmte dabei meine Stimme nach.

»Die Ehe ist nicht mehr das, was sie einmal war. Vielleicht war sie auch nie so, wie sie sein sollte. Ich meine: Jahrzehnte lang immer nur mit dem gleichen Menschen ins Bett zu gehen, das hält doch niemand aus ... Man will doch Abwechslung. Außerdem haben gestandene Männer den Vorteil, dass sie im Vergleich zu irgendwelchen unreifen Jünglingen äußerst spendabel sind. Ein gutes Essen oder ein schickes Kleid sind fast immer drin, wenn du es richtig angehst.«

Ich konnte mir den Unterton moralischer Entrüstung nicht ganz verkneifen. »Das klingt für mich nach Prostitution.«

Emma versuchte sich in einem beleidigten Gesichtsausdruck. »Nein, ganz und gar nicht ... Sieh nur, letztens hatte ich ein Treffen mit einem echten Gentleman. Als wir bei unserem Gang durch die Stadt am Schaufenster eines Schuhladens vorbeikamen, entdeckte ich ein wundervolles Paar Pumps. Und – was soll ich sagen? Mein Begleiter hat sie mir sofort gekauft. Für ihn hat sich dieses Geschäft übrigens auch gelohnt ... Ich weiß nicht warum, aber die meisten Männer stehen darauf, wenn Frauen die Schuhe beim Sex anlassen.«

Ich ließ mich zu einem kindischen Wettbewerb verleiten und gab damit an, welche Summe mir John angeboten hatte – und wie ich, erhaben über jeden Zweifel, nur meinen Anteil für das Taxi abzweigte.

»Wo ist das Problem? Du hättest ruhig das komplette Taschengeld von ihm annehmen sollen. In den Wirtschaftswissenschaften nennen Sie das eine Doppelsieg-Strategie, glaube ich.«

»Eine Doppelsieg-Strategie?«

»Ja, wenn alle Beteiligten einen Gewinn davon haben. Lust gegen Geld ist doch ein äußerst vorteilhaftes Geschäft, gerade für so eine unvermögende Studentin wie dich.«

»Womit wir wieder bei der Prostitution wären«, entgegnete ich ernüchtert.

»Das ist so ein Kampfbegriff für dich, oder? Prostitution hier, Prostitution da. Nenn es wie du willst, ich finde es nur fair, wenn erfolgreiche Männer für ein bisschen Zuneigung junge Frauen unterstützen. So stellen wir die Harmonie des Universums wieder her.«

Ich verkniff mir die Frage, wie genau die Harmonie des Universums damit zusammenhängen sollte, dass sich ein Mann gegen Bezahlung mit einer Frau vergnügte – stattdessen überließ ich mich der hypnotischen Wirkung, die Emmas Worte auf mich hatten.

Es war einfach zu reizvoll. Die Vorstellung, Einkäufe nicht mehr mit Pfandbons bestreiten zu müssen. In Restaurants essen gehen zu können, statt dort für einen Hungerlohn zu arbeiten. Vielleicht sogar in einen Stadtteil zu ziehen, der nicht hauptsächlich für seine erschreckend hohe Quote an Gewaltverbrechen populär war.

***

Ohne irgendwelche Einwände gelten zu lassen, schleppte mich Emma gleich am nächsten Wochenende zu einem Double­-Date, wie sie es nannte. Ich hatte mir vorgenommen, meine neugewonnene Freiheit ruhig angehen zu lassen, aber meine Freundin schien zu befürchten, dass ich ohne ihre fachkundige Anleitung gleich wieder in mein altes, vielleicht wirklich etwas langweiliges Leben zurückfallen würde.

Wir besuchten das »Kollateral«, eine Bar, so sehr Mainstream, dass sie fast schon wieder alternativ zu nennen war. Die Wände zierten Zeitungsartikel aus den letzten drei Jahrzehnten, im Hintergrund wurde unaufdringlicher Soul gespielt.

Zunächst machten wir es uns an der Theke bequem, ließen unsere Blicke wie zufällig durch den Raum kreisen und erkundeten das Gelände. Emma konnte wirklich einen militärischen Sprachstil anschlagen, wenn die Situation es erforderte. Ziele wurden ausgemacht und anvisiert, taktisch wichtige Gebiete erobert, Stellungen gehalten – an ihr war eindeutig ein Offizier verlorengegangen.

Lange dauerte es nicht, bis sie auf zwei Herren zeigte, die es sich in der hinteren Ecke gemütlich gemacht hatten.

»Was hältst du von denen?«

Der erste schien knapp unter fünfzig zu sein, war würdevoll ergraut, hatte einen Old Fashioned vor sich stehen und artikulierte mit großen Gesten. Sein Gegenüber wirkte eher still und in sich gekehrt, als wäre alles Wichtige längst gesagt worden. Mit seinem vollen dunklen Haar schätzte ich ihn auf knapp dreißig.

»Du nimmst den Jüngeren, ich den Älteren, ja?«, bestimmte Emma und war schon auf dem Weg zu den beiden, mich an der Hand mit sich ziehend, bevor ich auch nur an Widerstand denken konnte.

»Dürfen wir uns zu Ihnen setzen?«, fragte Emma die beiden. Die Verwunderung stand ihnen ins Gesicht geschrieben, doch schnell fasste sich Old Fashioned und erhob sich sogar, um meiner Freundin und mir die Stühle anzubieten. In gewisser Hinsicht konnte ich ihre Vorliebe für Gentleman der alten Schule verstehen, aber mich reizte sein stiller Sitznachbar wesentlich mehr. Dieser war inzwischen dazu übergegangen, mich etwas schüchtern von der Seite zu mustern, was mich darin bestätigte, dass mein Interesse nicht einseitig war.

»An der Bar gibt es leider nur langweilige Gesprächspartner, weshalb wir nun bei euch unser Glück versuchen.«

Emma verstand es wirklich, das Eis zu brechen.

»Wir führten gerade eine Unterhaltung über zeitgenössische Malerei. Mein junger Freund hier«, Old Fashioned zeigte auf sein Gegenüber, »er meinte, dass Bilder aktueller Künstler uns sehr viel mitzuteilen hätten. Ich halte diese unverständlichen Kritzeleien hingegen nur für eine gute Wertanlage ...«

»Sie sind im Kunsthandel tätig?«, schaltete ich mich dazwischen und versuchte, den Jüngeren der beiden durch einen intensiven Blickkontakt zu ermuntern, sich an dem Gespräch zu beteiligen, doch er blieb still. Wieder ergriff Old Fashioned die Initiative und übernahm die Vorstellung.

»Ich bin Henry, das ist Ethan.«

»Sehr schön. Emma und Olivia«, entgegnete meine Freundin und fuhr mit einem Augenzwinkern fort: »Uns gibt es nur im Doppelpack.«

Es entwickelte sich eine unerwartet abwechslungsreiche Diskussion. Emma und Henry philosophierten darüber, weshalb Männer und Frauen einander immer wieder missverstanden. Ich hingegen ließ mir die Chance nicht entgehen, Ethans Kunstgeschmack auszutesten. Angeregt erzählte ich von verschiedenen Ausstellungen, die ich besucht hatte und fragte ihn nach seiner Meinung zu bestimmten Malern.

Irgendwann gab Emma dann das allgemeine Zeichen zum Aufbruch.

»Wisst ihr beide eigentlich, dass ihr ganz große Glückspilze seid?«, warf Emma den Männern zu.

»Nein, warum?«, fragte Ethan so unschuldig, dass ich ihn einfach sexy finden musste.

»Weil wir beide eine Wohngemeinschaft haben, die kaum fünf Minuten Fußweg von hier entfernt ist.«

»Soll das heißen, ihr ladet uns zu euch ein?«, fuhr Henry dazwischen und fügte noch schnell hinzu: »Wir versprechen auch, artig zu sein.«

Emma lächelte zweideutig. »Mir wäre es lieber, wenn ihr unartig wärt.«

Die beiden Männer lachten. Emma war ganz in ihrem Metier.

Wir verließen das »Kollateral« und gingen, meine Freundin bei Henry im Arm, ich neben Ethan, in unsere Wohnung.

Die kühle Nachtluft tat mir gut. Mein Geist war wach und begierig darauf, mehr von meiner neuen Bekanntschaft zu erfahren. Für eine Zufallsbegegnung, die ich allein Emma zu verdanken hatte, war er ganz und gar wundervoll. Er berichtete mir von seinen vielen Auslandsreisen und fragte mit aufrichtigem Interesse nach meinem Studium, von dem ich ihm ein paar Eindrücke schilderte.

»... manchmal ist es natürlich stressig, klar. Aber was könnte es Schöneres geben, als sich mit großartiger Literatur zu befassen?«

»Ich hatte schon immer eine Schwäche für belesene Frauen«, entgegnete Ethan und errötete leicht, als wäre der letzte Satz ein unangemessenes Geständnis gewesen. Ich griff nach seiner Hand und ließ sie erst wieder los, als ich in meiner Tasche nach dem Schlüssel suchte.

Emma erzählte von ihren Teenagerjahren, als sie sich oft genug in das Haus ihrer Eltern schleichen musste, weil sie nicht schon wieder bei der gnadenlosen Überschreitung der vereinbarten Zeit erwischt werden wollte. Wir griffen die Anekdote auf und schlichen das komplette Treppenhaus im Dunkeln hinauf, als könnte jeden Moment eine zornige Mutter auf dem Absatz stehen ...

Ein paar Minuten machten wir es uns noch im Wohnzimmer bequem, um die Situation nicht zu eindeutig aussehen zu lassen. Emma brachte Nachschub an Getränken und legte entspannte Musik auf. Ihre angeregte Konversation mit Henry ging dann ziemlich schnell in wildes Küssen über. Ich verkniff mir die ironische Bemerkung, dass sich die beiden doch bitte ein Zimmer nehmen sollten, und tatsächlich zogen sie sich – Emma vorneweg – sehr bald zurück.

Mir war nicht klar, wie ich Ethan aus der Reserve locken sollte, in der neuen Zweisamkeit brachte ich weit weniger Mut auf als zuvor. Die ganze Situation drohte sehr schnell in etwas Verkrampftes abzugleiten, also suchte ich fieberhaft nach einer Lösung und fand sie darin, mich mit ihm ebenfalls zurückzuziehen.

Da mein Zimmer nicht wesentlich mehr Sitzmöglichkeiten als einen Drehstuhl bot, machten wir es uns gleich auf dem Bett bequem. Ich dachte, dass nun alles wie von selbst laufen müsste, doch Ethan war eine echte Herausforderung. Nachdem ich mit dem Verweis darauf, dass der Heizkörper sich nicht richtig einstellen ließ und es ziemlich warm sei, meinen Cardigan abgelegt hatte, begann er wieder, nach meinem Studium zu fragen ... Männer waren wesentlich komplexer, als das Klischee behauptete. Ich konnte mir wohl schlecht ein Post-it mit den Worten »Küss mich!« auf die Stirn kleben.

Schließlich kam mir Emma zu Hilfe, die mit Henry scheinbar keine Probleme hatte. Die beiden stöhnten so laut um die Wette, dass selbst eine massive Steinwand die Ausrufe ihrer Leidenschaft nicht dämpfen konnte.

»Die beiden amüsieren sich ja ganz gut«, sagte ich zu Ethan, während das Quietschen des Bettes in einen schnelleren Rhythmus wechselte. Auch ihn schien die eindeutige Geräuschkulisse nicht kalt zu lassen. Als ich meine Hand auf sein Knie legte, schlug er die Beine mit einiger Verlegenheit übereinander. Dabei hatte ich längst bemerkt, was sich unter dem Stoff seiner Hose abzeichnete.

»Vielleicht sollten wir ihnen zeigen, dass wir ebenfalls Spaß haben, was meinst du?«

Endlich setzte bei Ethan die längst überfällige Erkenntnis ein. Er rutschte näher, legte den Arm um mich und setzte zu einem Kuss an. Als unsere Lippen sich trafen, war ich fast schon wieder versöhnt – für so viel Kunstfertigkeit hatte sich das Warten gelohnt. Seine Zunge war ganz und gar nicht schüchtern, neugierig drängte sie sich an meine, verlangte nach mehr und bekam es.

Ich half ihm aus seinem Sakko und dem Hemd, er revanchierte sich, indem er mich von meinem Shirt befreite. Als wir schließlich nur noch in Unterwäsche auf dem Bett lagen, hatte Ethan endgültig jede falsche Schüchternheit verloren. Sein Mund erkundete mehrfach meinen ganzen Körper. Er fuhr an meinem Hals hinunter, liebkoste meine sich aufrichtenden Brustwarzen, glitt über meinen Bauch hinweg in meinen Schoß, wo er kurz verweilte, um dann an meinen Beinen entlang bis zu den Zehen vorzudringen und jeden einzelnen von ihnen zwischen die Lippen zu nehmen. Als sich sein Kopf langsam wieder meinem erregten Zentrum näherte, raubte mir die Sorgfalt seiner Zärtlichkeiten fast den Verstand. Langsam zog er mit den Zähnen meinen Slip herunter, unter dem bereits meine vor Erregung glänzende Spalte wartete.

»Komm ... komm in mich«, stöhnte ich wollüstig hervor, doch Ethan dachte nicht daran. Stattdessen erkundete er mit seiner Zunge jeden verborgenen Winkel, fand offenkundig Gefallen am salzigen Geschmack meiner Erregung und widmete sich so hingebungsvoll meiner Perle, dass ich jedes Zeitgefühl vergaß. Ich war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig, alles um mich herum verschwamm.

Bevor ich den Orgasmus erreichte, hielt er inne.

»Frauen sind wunderschön, wenn sie kommen«, sagte er und sah mich an. Den Rest erledigten seine Finger, mit denen er mich nicht weniger gekonnt als mit seinem Mund verwöhnte. Ethan hatte begriffen, dass weniger manchmal mehr sein konnte, dass es nicht immer darum ging, sich so schnell und kräftig wie nur möglich zu bewegen. Vorsichtig brachte er mich bis an den Gipfel. Ich zwang mich, die Augen geöffnet zu halten, doch sein Blick war zu mächtig, um ihm im Moment der größten Lust standhalten zu können. Meine Wahrnehmung verschmolz zu einem winzigen, unglaublich dichten Punkt.

Vermutlich hatte ich sehr laut geschrien. Als ich wieder zu mir kam, lächelte Ethan mich an und flüsterte: »Nun dürften sie nebenan auch wissen, dass du dich mit mir nicht langweilst.«

Ich zog seinen Kopf zu mir und küsste ihn, während meine Hände über seinen Oberkörper glitten.

»Und was machen wir nun mit dir?«

»Das überlasse ich dir.«

Ich gönnte mir noch eine weitere Minute, um wieder zu Atem zu kommen, und überlegte dann, wie ich mich bei ihm erkenntlich zeigen konnte. Die Aufmerksamkeit, die er in der Zwischenzeit meinen Brüsten zuteilwerden ließ, nahm mir die Entscheidung ab.

»Stell dich hin«, erklärte ich und war selbst etwas von der Autorität überrascht, die sich in meine Stimme schlich. Nachdem Ethan meiner Aufforderung gefolgt war, kniete ich mich vor ihn und verwöhnte seinen Schwanz, bis die Spitze glänzend und dunkelrot vor mir aufragte. Immer wieder wechselte ich spielerisch zwischen Mund und Fingern. Seiner Reaktion nach gefiel ihm beides gleichermaßen. Als ich zu ihm aufsah, hatte er den Kopf in den Nacken gelegt, sein Stöhnen war in eine höhere Tonart gewechselt – lange würde es bei ihm nicht mehr dauern.

Mit dem linken Arm drückte ich meine Brüste herauf, sodass sie noch etwas größer wirkten, mit der Rechten presste ich sein heißes Glied dazwischen. Wie im Wahn stieß er meinen Namen hervor, laut und unartikuliert, dann endlich entlud sich seine aufgestaute Lust. Willenlos sank er zu Boden, wo ich ihn mit zärtlichsten Küssen empfing.

***

Die nächsten Monate waren von einer trügerischen Leichtigkeit geprägt. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass dieser Zustand der Schwerelosigkeit, des unbekümmerten in-den-Tag-hinein-Lebens irgendwann in sein Gegenteil umschlagen müsste, und ich mich schließlich für meinen freizügigen Umgang mit Männern verachten würde.

Emma kannte solche Zweifel nicht, oder verbarg sie zumindest besser als ich. Oft nahm sie mich mit »auf die Jagd«, wie sie es nannte. Schnell wurde das »Kollateral« zu unserem Stammlokal.

»Die Dichte an wohlhabenden Männern ist hier so hoch wie sonst nirgends.« Das waren ihre Worte gewesen, und so enterten wir alle paar Wochen gemeinsam, in unsere heißesten Outfits gehüllt, die Bar.

Zu zweit waren wir ein unschlagbares Team. Emma mit ihrer direkten, manchmal etwas unverschämten Art, zog einen anderen Typ Mann an als ich. Durch meine Distanziertheit, meine kühlen Blicke und sparsamen Worte forderte ich die Eroberer heraus, die Alpha-Tiere, die sich erst dann für etwas begeisterten, wenn es schwierig zu erlangen war. Manchmal ließ ich einen Kerl stundenlang zappeln, obwohl ich schon bei Betreten der Bar beschlossen hatte, mit ihm die Nacht zu verbringen.

Ich wollte umgarnt werden.

Selbst wenn ich jemanden noch so anziehend fand, hielt ich mich zurück, gab die Unentschlossene und ließ ihn um die richtigen Worte und Gesten ringen, bis ihm der Schweiß auf die Stirn trat. Es gab Naturtalente, die sich nichts anmerken ließen, Spieler, die einen hohen Einsatz brachten, aber nicht immer gewannen. Es gab die Vernünftigen, die mir bei einem Tom Collins von ihren Zukunftsplänen berichteten und die Glücksritter, die durch puren Zufall zu einem kleinen Vermögen gekommen waren. Mit der Zeit verstand ich mich darauf, die einzelnen Verhaltensweisen zu analysieren und mich darauf einzustellen. Ich konnte zu jedem Zeitpunkt genau die Frau werden, die sich mein Gegenüber schon immer gewünscht hatte.

In einer Beziehung geht es darum, aufrichtig und authentisch zu sein. Bei dem, was Emma und mir vorschwebte, besaß die Schauspielerei eine sehr wichtige Rolle. Wenn wir uns am Tag danach über unsere Erlebnisse austauschten, begeisterten wir uns oft an den unterschiedlichen Rollen, in die wir schlüpfen konnten. Der Vamp. Die Trostsuchende. Das Mädchen von nebenan. Die Diva.

Schnell erreichte ich einen Punkt, als ich die Zahl derer, mit denen ich geschlafen hatte, nicht mehr überblicken konnte. Als ich Emma davon erzählte, brach sie in schallendes Gelächter aus.

»Gott, das passierte mir bereits mit neunzehn!«

Das Bekenntnis meiner Freundin tröstete mich weniger, als sie vermutlich erwartet hatte.

»Das ist doch das Merkwürdige an unserer Gesellschaft. Als Mann würdest du jetzt stolz vor deinen Kumpels prahlen, dass du schon soundso viele Bräute flachgelegt hast. Als Frau schlägst du dich mit einem schlechten Gewissen herum und fürchtest dich ständig davor, als Schlampe bloßgestellt zu werden. Das ist doch Schwachsinn! Ich habe Sex schon immer geliebt. Es ist ein wunderbares Gefühl, begehrt zu werden. Einen Menschen kennenzulernen, sich auf ihn einzulassen, und wenn es auch nur für ein paar Stunden ist. Warum sollte ich das nicht ausleben dürfen? Bin ich deswegen schlechter als jemand, der eine dauerhafte Beziehung vorzieht? Warum denn? Weil ich wählerischer bin? Weil ich etwas erleben möchte, bevor mein Bindegewebe den Geist aufgibt und sich meine Brüste der Schwerkraft unterwerfen?«

Es gab einen Knoten in dieser Argumentation, das spürte ich intuitiv, aber ich war nicht in der Lage, ihr zu widersprechen.

Mein Kleiderschrank füllte sich derweil mit den Kreationen namhafter Designer, auf meiner Kommode sammelten sich exquisite Halsketten und Ohrringe, das Schuhregal quoll über vor Pumps in allen Formen und Farben. Mit der Zeit wurde es leichter, diese kleinen Bestechungen, wie Emma sie nannte, anzunehmen. Es war Teil des Spiels. Wir hatten die Regeln nicht aufgestellt, wir befolgten sie nur.

Als junge Frau, die den Männern die richtigen Signale sandte, musste man nicht einmal danach fragen. Die erfahreneren Herren verstanden sich darauf, kleinere oder größere Geschenke zu einer Verabredung mitzubringen und mit der größten Selbstverständlichkeit die Rechnung noch so hochklassiger Restaurants zu übernehmen. Sie begleiteten uns ohne Widerrede bei diversen Shopping-Touren und wurden nicht von der anstrengenden Ungeduld beherrscht, die bei jüngeren Kandidaten so häufig anzutreffen war. Während sie es genossen, ihre Eroberungen in der Öffentlichkeit vorzuführen, profitierten wir von ihren materiellen Zuwendungen. Immer wieder dachte ich an die Doppelsieg-Strategie, von der Emma gesprochen hatte.

Doch ein schickes Kleid bezahlte nicht meine Studiengebühren, mit einer Einladung in die Oper konnte ich meine Miete nicht begleichen. Erschwerend kam hinzu, dass mein Vater vor kurzem arbeitslos geworden war, sodass seine ohnehin eher symbolischen monatlichen Zuschüsse auf einen neuen Tiefpunkt gesunken waren.

Alles in allem waren die Einnahmen, die ich mit spendablen Herren mittleren Alters erzielte, zu unregelmäßig, um davon leben zu können. Zugleich verbrachte ich so viel Zeit damit, einen geeigneten Gentleman für mich einzunehmen, dass ich kaum noch meinen Nebenjob im Restaurant bestreiten konnte.

Ich besprach mich mit Emma, die vor dem gleichen Problem zu stehen schien. Wir saßen in der Küche unserer Wohngemeinschaft und köpften gerade die zweite Flasche Wein, einen edlen, südfranzösischen Tropfen, der meiner Freundin von ihrem letzten Liebhaber vermacht worden war.

»Hm. Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte ich mal was mit einem Informatiker. Ziemlicher Nerd, der Kerl, aber er kannte sich nicht nur im Umgang mit Computern sehr gut aus. Wenn er mich nicht gerade ins Nirwana leckte, erzählte er mir von seinem Vorhaben, ein Start-Up-Unternehmen zu gründen. Das Wichtigste dabei wäre, einem großen Netzwerk anzugehören. Denn woher sollten sonst die, die etwas wollen, von denen wissen, die es haben?«

Das klang ungemein logisch, doch war mir noch nicht ganz klar, wie sich die Überlegungen eines Informatikers darauf anwenden ließen, mit Sex Geld zu verdienen.

»Du meinst also, wir sollen Kontakte knüpfen? Werbung machen?«

»Ja. Oder uns eine Agentur suchen.«

»Aber dann sind wir ...« Ich wusste nicht, wie ich den Satz beenden sollte, glücklicherweise war auf Emma Verlass, die mir nur zu gern ins Wort fiel. »... auch nichts anderes als jetzt. Nur vielleicht sozialversichert. Und nicht mehr allein.«

Im allwissenden Internet fanden wir sehr schnell, was wir suchten. Es gab die verschiedensten Anbieter, einige hatten sich direkt auf junge Studentinnen spezialisiert. Manches wirkte eher billig, die verfügbaren Damen wurden präsentiert wie Zuchtkühe auf einer Landwirtschaftsmesse, die Begleittexte reduzierten die Abgebildeten auf ihre Körbchengröße und den Umstand, ob sie gegen Aufpreis für Analsex zu haben waren.

Und dann waren da die besseren Seiten. Besonders ansprechend fand ich den »Musentempel«, eine Agentur, die sowohl einen höherwertigen Begleitservice anbot als auch entsprechende Räumlichkeiten, in denen die zahlungskräftige Kundschaft ihre speziellen Vorlieben ausleben konnte. »Wir inspirieren unsere ausgewählten Klienten auf jede erdenkliche Art und Weise.«

Die Aufmachung war professionell, die Bilder der Musen besaßen Stil und eine kühle erotische Ausstrahlung. Während sich das moralische Prinzip in mir noch einen brutalen Kampf mit der Vorstellung von finanzieller Unabhängigkeit lieferte, klickte Emma bereits auf den Kontakt-Button und setzte eine E-Mail an die Agentur auf.

»Was machst du da?«, fragte ich aus einer gewissen rhetorischen Notwendigkeit heraus, obwohl es natürlich nicht zu übersehen war.

»Was soll ich schon machen? Ich frage dort an, ob sie Interesse an zwei geistreichen und ziemlich heißen Studentinnen haben.«

»Du willst das jetzt wirklich durchziehen?«

»Du doch auch. Im Unterschied zu dir habe ich meine vorgeschobenen Hemmungen nur schneller aufgegeben.«

Erschrocken von so viel Eifer griff ich nach Emmas Hand, das Tippen stoppte. Ich suchte verzweifelt nach Gegenargumenten, um zumindest eine gewisse Bedenkzeit auszuhandeln.

»Aber dann müssen wir irgendwelchen wildfremden Typen zu Diensten sein, ihnen jeden noch so perversen Wunsch erfüllen.«

Emma lachte laut auf. »Meine Güte, ich hatte nun schon mit einigen merkwürdigen Männern zu tun, aber die meisten begnügten sich völlig damit, einen gekonnten Blow Job zu kriegen. Hast du etwa Angst, vor einem älteren Herren im Schulmädchen-Look aufzumarschieren, um dir von ihm ordentlich den Hintern versohlen zu lassen?«

»Wie kommst du denn auf ...«

Auf diesen Einwand hin warf mir meine Freundin einen so amüsierten wie wissenden Blick zu.

EscortLady | Erotischer Roman (Erotik, Erotikroman, Erotik ab 18 unzensiert, sinnlich und heiß)

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