Читать книгу Perry Rhodan 302: Gestatten, Gucky und Sohn! - Clark Darlton - Страница 4

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1.

Der Chef der Solaren Abwehr, Allan D. Mercant, übte sich in Geduld. Er hatte keine andere Wahl. Wer mit einem Mausbiber verhandelte, mußte Geduld besitzen. Ganz besonders dann, wenn dieser Mausbiber Gucky hieß.

»Du mußt das als eine Art Urlaub betrachten, Kleiner. Offiziell kann ich dir diesen Auftrag sowieso nicht erteilen. Ich käme dann in Teufels Küche, wie du dir denken kannst. Jeder würde annehmen, ich würde Rhodans Tochter irgendwie verdächtigen, und das ist nun wirklich nicht der Fall. Ich bin einfach neugierig. Ich möchte wissen, was sie treibt.«

»Was geht denn das uns an?« Gucky räkelte sich in dem Sessel und streckte die Füße dem altmodischen Kamin entgegen, der das Prachtstück in Mercants Privatwohnung darstellte. »Schließlich ist sie verheiratet und hat ein Recht auf ihr Privatleben. Ausgerechnet ich soll darin herumschnüffeln.«

»Das hat mit Schnüffelei nichts zu tun«, versicherte Mercant und blieb auffallend ernst.

»Vielleicht verbringt Suzan mit ihrem Mann verlängerte Flitterwochen.«

»Nach fünf Jahren Ehe?« Mercant schüttelte den Kopf. »Das glaubst du doch wohl selbst nicht?«

»Warum nicht? Soll es aber geben. Iltu und ich sind noch viel länger verheiratet, und wir sind immer froh, wenn wir für uns allein sind und keinen Menschen sehen.«

Mercant legte ein Holzscheit auf die Flammen.

»Ich bin von Natur aus ein mißtrauischer Mensch, Kleiner. Sonst taugte ich nicht für mein Amt. Es steht fest, daß Suzan nur immer kurze Zeit auf der Erde bleibt, um dann mit unbekanntem Ziel zu verschwinden. Manchmal erfahren wir, wo sie sich aufhält. So wie dieses Mal. Sie ist in New-Taylor auf dem Planeten Plophos. Zusammen mit ihrem Mann Dr. Geoffry Abel Waringer, dem merkwürdigen Wissenschaftler mit den verrückten Ideen. Beide besuchen dort Mory, Rhodans Frau. Ein Familientreffen, wenn du so willst. Und nicht das erste.«

»Was hast du gegen Familientreffen?«

»Grundsätzlich wenig. Aber ich muß wissen, womit Suzan sich beschäftigt, und vor allen Dingen muß ich wissen, womit sich ihr Mann beschäftigt. Das ist kein Mißtrauen. Aber ich bin stets auf Nummer Sicher gegangen, Gucky. Waringer ist nach dem Urteil meiner Experten ein fähiger Kopf. Er entwickelt die irrsinnigsten Theorien, und man ist allgemein davon überzeugt, daß er einige von ihnen in die Praxis umsetzen könnte. Das möchte ich genau wissen. Darum mein Auftrag für dich.« Gucky betrachtete die Flammen im offenen Kamin.

»Das Herumspionieren liegt mir einfach nicht.«

»Du würdest nicht auffallen. Jeder andere fiele auf.«

»Ich bin eben ein unauffälliger Typ.«

Mercant fragte: »Also – gehst du nach Plophos oder gehst du nicht?«

Gucky sah Mercant treuherzig an.

»Natürlich gehe ich – schon weil es eine Art Urlaub ist. Was sage ich Suzan, wenn sie mich fragt?«

»Du besuchst offiziell nur Mory. Ihr seid befreundet, und du willst ihr deinen erwachsenen Sohn vorstellen. Ist das kein plausibler Grund?«

»Meinen Sohn vorstellen? Diese Rotznase? Aber, Allan, bevor der Säugling kein vernünftiger Mausbiber ist, kann ich doch nicht mit ihm verreisen. Du weißt doch, welchen Unsinn er immer anstellt. Er ist noch viel zu klein ...«

»Moment mal!« unterbrach Mercant empört. »Sonst redest du aber ganz anders über den Kleinen. Du nennst ihn den Stolz des Universums und das klügste Lebewesen des Kosmos. Warum auf einmal so anders?«

Gucky überwand seine Verlegenheit schnell.

»Alles ist relativ. Wenn man sein jugendliches Alter in Betracht zieht, ist er allerdings außergewöhnlich begabt, aber das schließt nicht aus, daß er für einen Spionageauftrag zu ungeübt ist.«

»Er darf ja nichts davon wissen. Du mußt ihn unauffällig einspannen. Wenn du mit ihm zusammen reist, schöpft niemand Verdacht. Auch Rhodan nicht. Für den bist du eben auf Urlaub. Klar?«

»Sonnenklar«, murmelte Gucky wenig überzeugt. »Eine andere Frage ist, ob Rhodan jetzt einen Urlaub genehmigt.«

»Schon erledigt«, sagte Mercant und lächelte überlegen. »Habe ich für dich gemacht. Du kannst morgen abreisen. Mit dem Schlachtschiff POSEIDON. In ein paar Tagen bist du in New-Taylor. Fein, was?«

»Äußerst fein«, gab Gucky säuerlich zu. »Darf ich auch Iltu mitnehmen? Schließlich gehört die ja zu einem richtigen Urlaub.«

»Ist aber leider kein richtiger Urlaub. Tut mir leid.«

Gucky seufzte. Dann grinste er schon wieder.

»Na, vielleicht doch«, sagte er und streckte seine Glieder. »Sie hat oft andere Ansichten über Kindererziehung als ich. Wird mal wieder Zeit, daß ich mit meinem Sohn allein bin. Da kann ich ihm besser die Ohren langziehen, wenn es sein muß. Iltu schreit bei solchen Gelegenheiten immer so, als würden ihr die Ohren langgezogen.«

»Also mit der POSEIDON«, wiederholte Mercant und wechselte dann das Thema.

*

Mory Rhodan-Abro war am 10. Juli des Jahres zweitausenddreihundertvier geboren worden und somit einhundertunddreißig Jahre alt. Als sie den Zellaktivator des getöteten Obmanns Iratio Hondro erhielt, war sie fünfundzwanzig Jahre alt gewesen. Und genauso sah sie auch noch heute aus. Der Zellverfall war angehalten worden; sie würde nie mehr altern.

Suzan Rhodan-Waringer aber alterte. Sie war bereits dreißig Jahre alt und somit physisch älter als ihre Mutter. Diese merkwürdige Tatsache störte die Freundschaft zwischen Mutter und Tochter keineswegs. Im Gegenteil: Sie war oft Anlaß zu freundschaftlichem Geplänkel zwischen den beiden Frauen, die sich ausgezeichnet verstanden.

Dr. Waringer, Suzans Mann, war nicht in New-Taylor. Er trieb sich irgendwo in der Galaxis herum und ging seinen geheimnisvollen Geschäften nach, die meist darin gipfelten, daß er eine neue Erfindung praktisch erprobte. Rhodan war dann der letzte, der davon erfuhr.

Wenn er davon erfuhr.

New-Taylor war die Hauptstadt des Planeten Plophos, des dritten Planeten des Eugaul-Systems. Dieser Planet gehörte zu den acht Welten, die den gelben Stern Eugaul umkreisten. Sie war erdgleich und erfreute sich fast der gleichen klimatischen Bedingungen wie sie.

Plophos war achttausendzweihunderteinundzwanzig Lichtjahre von der Erde entfernt.

Auf einem bewaldeten Hügel unweit der Stadt New-Taylor stand Morys Palast. Hier wohnte sie, wenn sie nicht gerade auf der Erde bei Rhodan war, und sie hatte ihre Räume so eingerichtet, daß sie jederzeit Rhodans Anwesenheit spürte, selbst wenn er Tausende von Lichtjahren entfernt war. Stereobilder an den Wänden sorgten dafür, daß man aus großen Fenstern auf irdische Landschaften zu blicken glaubte. Eine Funkbildanlage verband Mory mit der Hauptstadt und dem Regierungspalast. Das war notwendig, denn Mory war noch immer Obmann von Plophos und somit Regierungsoberhaupt des Planeten.

Die Tür öffnete sich. Suzan betrat den Raum und ging zu der bequemen Sitzecke. Mory lächelte ihr entgegen.

»Wenn Geoffry nicht da ist, verliebst du dich regelmäßig in meinen Park und gehst stundenlang spazieren. Du mußt schon jeden Pfad auswendig kennen.«

»Tue ich auch«, sagte Suzan und setzte sich ihr gegenüber. »Die frische Luft ist herrlich – fast so wie auf der Erde. Sie erinnert mich an meine Jugend ...«

Morys helles Lachen unterbrach sie.

»Das muß schon lange her sein, Suzan. Aber manchmal ist es wirklich so, daß Erinnerungen – je länger sie zurückliegen, um so lebendiger werden. Ich weiß das von mir. Und ich bin hundert Jahre älter als du.«

»Doch du siehst jünger aus«, stellte Suzan ohne Bitterkeit fest.

Mory legte die Hand auf ihren Arm.

»Das bildest du dir nur ein, Kleines. Du hast keine Falte mehr als ich – nämlich keine. Unsere Kenntnisse der Medizin sind so weit fortgeschritten, daß du vielleicht in weiteren dreißig Jahren einen Zellaktivator brauchtest. Es gibt noch drei oder vier, irgendwo in der Galaxis. Eines Tages wird dein Vater sie finden.«

Suzan wollte antworten, aber sie wurde durch das Summen des Bildfunkgerätes unterbrochen. Mory zog die Augenbrauen in die Höhe und stand auf.

»Was wollen denn die schon wieder?« Sie ging zum Schaltpult und drückte einige Knöpfe ein. Sofort wurde der Bildschirm hell. Das Gesicht eines Mannes erschien darauf. »Ja, was gibt es denn?«

»Das terranische Schlachtschiff POSEIDON hat einen Passagier abgesetzt, Obmann. Eigentlich zwei.«

Mory schüttelte den Kopf.

»Was denn nun? Einen oder zwei?«

»Eigentlich nur zwei halbe, Obmann. Es handelt sich um nichthumanoide Halbintelligenzen. Beide tragen die Uniform der terranischen Flotte, allerdings eine Spezialanfertigung. Das eine der Wesen kann perfekt Interkosmo sprechen und verlangt, zu Ihnen gebracht zu werden.«

Mory hatte eine ungewisse Ahnung, aber sie wollte Gewißheit.

»Und der Name? Hat der Besucher keinen Namen genannt?«

»Doch. Lucky oder so ähnlich.«

»Vielleicht Gucky?«

»Das war es, stimmt. Was soll mit ihm geschehen?«

Mory holte tief Luft.

»Ich erwarte den hohen Besuch von Terra in meinem Palast. Sorgen Sie dafür, daß er mit einem Regierungsgleiter hierher transportiert wird. Sein Begleiter auch.«

»Zu Befehl«, stammelte der junge Offizier fassungslos, dann wurde das Bild dunkel.

Mory setzte sich wieder.

»Gucky ...! Dann wird es ja hier in den nächsten Tagen recht munter zugehen. Der Mausbiber war schon lange nicht mehr hier, und diesmal scheint er noch Iltu mitgebracht zu haben. Will der vielleicht hier seine zweiten Flitterwochen verbringen?«

»Ich mag Gucky sehr gern«, gab Suzan zu. »Er ist immer so lustig und guter Dinge. Vielleicht kann ich ihn dazu bewegen, mich auf meinen Spaziergängen im Park zu begleiten.«

»Er geht nicht gern«, machte Mory sie aufmerksam. »Seine Beinchen sind zu kurz, und ein bißchen Fett hat er auch schon angesetzt. Der Himmel weiß, wie alt er nun ist. Ich fürchte, er weiß es selbst nicht so genau.«

»Wann kann er eintreffen?«

»Mit dem Gleiter in einer halben Stunde, wenn man die Formalitäten der Behörde hinzurechnet.« Sie sah auf die Uhr. »Er kann es auch in zwanzig Minuten schaffen.« Sie schüttelte den Kopf und lächelte nachsichtig. »Der Kleine hat schon immer eine Schwäche für mich gehabt.«

»Ich habe ihn auch gern«, gestand Suzan noch einmal.

*

»Söhnchen« war etwa einen Kopf kleiner als Gucky und trug die gleiche Spezialuniform mit dem bestickten Schlitz am Hinterteil, der für den platten Biberschwanz bestimmt war. Die fremde Umgebung verwirrte ihn ein wenig, und das mochte wohl der Grund dafür sein, daß er brav und mit unschuldigem Gesicht neben seinem Vater stand, und den Offizier der Plophoser nicht einmal unterbrach, als der ihnen die behördlichen Bestimmungen vorlas.

Auch Gucky lauschte aufmerksam, obwohl er den Sermon schon auswendig kannte. Er wollte seinem Sohn mit gutem Beispiel vorangehen.

Dann kam ein zweiter Offizier hinzu und verkündete den Befehl Morys, die Gäste sofort in den privaten Palast zu bringen. Der erste Plophoser schob daraufhin seine Vorschriften in die Tasche und marschierte mit steifen Schritten davon.

»Würden Sie mir bitte folgen«, sagte der andere höflich.

Gucky nickte ebenso höflich, nahm Söhnchen bei der Hand und marschierte hinter dem Offizier her. Der brachte sie zu einem Gleiter mit spitzen Seitenflügeln, die völlig überflüssig waren. Ein Wappen verriet, daß es sich um ein Regierungsflugzeug handelte.

»Bringt der Onkel uns zu Tante Mory?« fragte Söhnchen.

Gucky warf ihm einen strafenden Blick zu.

»Tante Mory ist nicht unsere Tante«, sagte er leise. »Und der Onkel da ist noch lange nicht unser Onkel. Du mußt nicht immer zu jedem fremden Mann gleich Onkel sagen.«

Der kleine Mausbiber hielt den Mund, aber er zeigte dem Plophoser beim Einsteigen freundlich seinen schönen und besonders weiß schimmernden Nagezahn, auf den er so stolz war. Er hatte einen viel schöneren Zahn als Papa, der dauernd nach Horropolis zu Dr. Frettl mußte, um ihn sich reparieren zu lassen.

Die Tür schloß sich, und dann waren sie unterwegs. Der Koffer würde mit einem anderen Gleiter nachgebracht werden, da Gepäckstücke in einem Regierungsgleiter verboten waren. Wahrscheinlich hatte man Angst vor heimlich mitgeführten Bomben.

Gucky überzeugte sich davon, daß der Pilot nicht hören konnte, was in der Passagierkabine gesprochen wurde. Er tat es, indem er einfach in seinen Gedanken las. Aber der Mann dachte nur an seine zahlreiche Familie und seine bevorstehende Beförderung zum Chefpiloten.

»Hör zu, mein Sohn, was ich dir zu sagen habe – und hör gut zu! Mach mir keine Schande bei Tante ... ähem ... Freundin Mory. Du weißt, sie ist Rhodans Frau und sehr einflußreich. Sie ist immer gut zu mir gewesen, und ich habe ihr erzählt, du seist ein tüchtiger und gehorsamer Sohn.«

»Bin ich das nicht?« erkundigte sich Söhnchen unschuldig.

Gucky verschluckte sich fast.

»Du bist ein Nichtsnutz und Taugenichts, wenn du es unbedingt wissen willst. Wenn ich an vorgestern denke, als du den Kommandanten der POSEIDON bei seinem Inspektionsgang fast in den Suppentopf stolpern ließt. Mir standen die Haare zu Berge ...«

»Er hat doch so gern Suppen«, entschuldigte sich Söhnchen.

Gucky holte aus, aber er beherrschte sich eisern. Statt dessen tat er so, als müsse er sich kratzen.

»Oder denke nur an vorige Woche auf dem Mars. Axo hat heute noch blaue Flecken, weil du ihn bei der Teleportationsübung einfach fallen gelassen hast.«

»Seit er Aktionär sämtlicher Brauereien von Terrania ist, wird er täglich dicker. Und schwerer!«

»Axo ist ein würdiger Mausbiber und viel älter als du. Hast du denn überhaupt keinen Respekt mehr vor Älteren?«

»Er trinkt Bier!« sagte Söhnchen patzig.

Gucky holte hörbar Luft.

»Was soll er denn sonst trinken? Wasser vielleicht?«

»Karottensaft, Papi, wie du!«

Guckys Gesicht wurde wieder friedlich.

»Willst du damit sagen, daß ich Axo ein Vorbild sein könnte? Nun, ich gebe zu, ich bin natürlich viel intelligenter als er, aber meine Bescheidenheit läßt es nicht zu, das anderen zu zeigen. Und Bier trinken finde ich auch gewöhnlich. Trotzdem ...«, und er hob drohend den Finger, »... trotzdem ist es ungehörig für einen kleinen Mausbiber, Erwachsene kritisieren zu wollen. Merke dir das, Kaspar.«

Söhnchen horchte auf.

»Kaspar? Warum hast du eigentlich dauernd neue Namen für mich? Jede Minute nennst du mich anders. Wie heiße ich nun wirklich?«

Gucky wurde plötzlich sehr verlegen. Er druckste ein wenig herum, dann sagte er:

»Die Sache ist die, Kleiner: ich suche noch nach einem passenden Namen für dich. Darum probiere ich alle aus, die mir einfallen. Ich lausche dem Klang nach, und meistens gefallen mir diese Namen nicht. Ich bekam viele Vorschläge, aber sie sind alle nicht gut. Du sollst einmal einen Namen erhalten, auf den du stolz sein kannst. Er soll voller Bedeutung sein und deinen Charakter ausdrücken. Es soll ein Name sein, wie er einmalig im Universum ist. Du bist mein einziger Sohn, und ich heiße Gucky.«

»Ja, das weiß ich schon«, versicherte Söhnchen ernsthaft. »Was hat das mit meinem Namen zu tun?«

Gucky schluckte, dann seufzte er.

»Ohne mich gäbe es dich gar nicht«, stellte er tiefsinnig fest. »Aber du bist noch zu jung, um das zu verstehen. Und sei schön artig und bereite dich darauf vor, Freundin Mory zu begrüßen.«

»Ich möchte aber lieber doch Tante Mory zu ihr sagen. Darf ich nicht?«

Gucky warf ihm einen prüfenden Blick zu, dann nickte er.

»Also meinetwegen: Tante Mory – und Tante Suzan.«

*

Als der Gleiter auf dem flachen Dach des Palastes landete, standen Mory und Suzan auf der seitlich angebrachten Terrasse und warteten. Beide kannten natürlich Guckys Sohn bereits, aber sie hatten ihn viele Jahre nicht mehr gesehen. Sie wußten, daß ein Mausbiber sehr lange lebt und daher viel länger als ein Mensch brauchte, um erwachsen zu werden. Guckys Sohn war nun mehr als dreißig Jahre alt, aber er war immer noch ein Mausbiberkind.

»Viel kleiner als Gucky ist er aber nicht«, wunderte sich Suzan, als die beiden Mausbiber quer über das Dach auf sie zukamen. »Und er watschelt schon genau so. Sieht putzig aus, findest du nicht?«

»Laß Gucky das nicht hören«, warnte Mory schnell, ehe sie den beiden Besuchern mit ausgestreckten Händen entgegenging. »Herzlich willkommen auf Plophos, Gucky«, sagte sie und bückte sich, um ihn zu begrüßen. »Wie wir uns über deinen Besuch freuen!«

Gucky schien ein wenig verwirrt zu sein, denn er starrte Mory verwundert an, ehe er murmelte:

»Du wirst aber auch immer jünger, Mory.« Dann richtete er sich zu seiner vollen Größe von einem Meter auf und deutete auf Söhnchen. »Gestatten, mein Sohn.«

Söhnchen machte eine vollendete Verbeugung und führte Morys Hand an seine spitzen Lippen.

»Äußerst angenehm«, piepste er schrill, um sofort unvermittelt zu fragen: »Wo ist die Küche?«

Mory lachte hell auf. Sie drehte sich zu Suzan um.

»Was sagst du nun? Kaum ist er hier, hat er schon Hunger.«

Gucky wirkte betroffen.

»Entschuldige, er ist noch sehr ungezogen. Guten Tag, Suzan! Wie geht es dir?«

»Gut, Gucky. Machst du Urlaub?«

Gucky hielt Söhnchen mit einer Hand fest, damit er nicht entwischen konnte.

»Ja, Urlaub. Endlich einmal richtigen Urlaub. Allerdings fürchte ich, daß von Erholung keine Rede sein kann, aber Iltu hat sie nötig. Darum nahm ich meinen Sohn mit. Ich hoffe, es gibt hier einen stabilen Keller, wo man ihn notfalls einsperren kann. Er kann noch nicht so gut teleportieren, um einfach abzuhauen.«

»Werden wir ja sehen«, schrillte Söhnchen empört und watschelte zu Suzan hinüber. »Freust du dich, Tante Suzan?«

»Natürlich freuen wir uns beide über euren Besuch«, versicherte Suzan aufrichtig. »Das bringt ein wenig Abwechslung in unser eintöniges Dasein.« Ein Schatten huschte über ihr sonst so fröhliches Gesicht. »Geoffry ist mal wieder unterwegs.«

Gucky blieb ganz ruhig.

»Oh, ich hatte mich so darauf gefreut, mich mit ihm zu unterhalten. Kommt er bald wieder?«

»Ich weiß es nicht. Manchmal ist er länger fort, dann wieder taucht er überraschend auf.«

»Und wo steckt er, der gute Onkel Geoffry?«

Sie zuckte die Schultern.

»Ich weiß es nicht. Aber gehen wir doch ins Haus. Hier oben weht ein kühler Wind. Dein kleiner Sohn wird sich erkälten.«

Gucky nickte mechanisch und nahm Söhnchen bei der Hand. Der Lift brachte sie ins unterste Stockwerk des Palastes, wo die Wohnräume lagen.

»Jetzt gibt es einen Willkommenstrunk, und dann zeige ich euch die Zimmer, in denen ihr wohnen werdet«, sagte Mory.

Gucky war plötzlich sehr geistesabwesend. Er nahm den angebotenen Fruchtsaft, trank ihn ohne ersichtlichen Genuß und stellte das Glas auf den Tisch. Söhnchen hingegen nuckelte begeistert an einer Flasche Orangensaft und grinste von einem Ohr zum anderen.

»Hast du was, Gucky?« fragte Mory besorgt. »Bist du müde? Ihr könnt euch ja erst mal ordentlich ausschlafen.«

»Ja ... ja, das mag es sein. Vielleicht bin ich wirklich müde.« Gucky sah in der Tat müde und erschöpft aus. »Schlafen wird mir guttun, und dem Filou da ebenfalls. Ihr seid uns ja nicht böse ...«

»Keineswegs. Das Gepäck wird auch jeden Augenblick eintreffen, dann könnt ihr euch häuslich einrichten. Kommt, ich bringe euch nach oben ...«

Als Gucky später im Bett lag und Söhnchen längst friedlich schlummerte, zerbrach er sich noch immer den Kopf über die Veränderung, die mit Mory und Suzan vor sich gegangen war.

Es war keine äußerliche Veränderung, nur eine mentale.

Er konnte plötzlich ihre Gedanken nicht mehr lesen.

*

In den folgenden Tagen und Wochen geschah eigentlich überhaupt nichts. Gucky und sein Sohn erholten sich – zumindest tat es der Sohn. Er war fast immer mit Suzan zusammen und spielte mit ihr in dem riesigen Park. Er gehorchte ihr aufs Wort, was Gucky total verblüffte.

Gucky selbst beschäftigte sich intensiver mit Mory, unterhielt sich stundenlang mit ihr – und bekam nichts heraus. Er konnte machen, was er wollte, aber seine telepathischen Fähigkeiten versagten gänzlich. Er prallte immer wieder auf ein Abwehrschild, das er nicht zu durchdringen vermochte. Dabei hatte er das untrügliche Gefühl, daß Mory überhaupt keinen Gedankenblock besaß. Es war so, als würde sie gar nicht denken, und das war absolut ausgeschlossen.

Gucky wußte sich bald keinen Rat mehr und gab es auf.

Mory und Suzan umgab ein Geheimnis, das stand fest. Wenn Mercant davon erfuhr, würde sich sein Argwohn nur noch steigern. Und so ganz unrecht würde er ja da auch nicht haben ...

Fast jeden Tag übte Gucky mit Söhnchen im Park die Teleportation. Die Fähigkeiten des jungen Mausbibers beschränkten sich von Geburt an auf Telekinese. Die Teleportation mußte hinzugelernt werden, wenn die Anlagen auch in dem mutierten Gehirn bereits schlummerten.

Gucky deutete auf eine hundert Meter entfernte Baumgruppe, die am Ufer des Sees stand.

»Konzentriere dich auf die Bäume, Kleiner. Von mir aus schließe die Augen, wenn du meinst, es ginge dann besser. Konzentrieren und nur daran denken, daß du gern jetzt dort sein möchtest. So, hast du das? Gut, dann – jetzt! Springen!«

Er beobachtete Söhnchen genau. Die Umrisse des kleinen Mausbibers begannen zu verschwimmen. Seine Gestalt wurde undeutlich – und dann war sie plötzlich verschwunden.

Gleichzeitig erscholl ein fürchterliches Gebrüll. Es kam aus der Richtung des Sees, in dessen Mitte auf einmal Wellen entstanden. Jemand planschte dort mit Armen und Füßen im Wasser herum und schrie aus Leibeskräften.

Söhnchen war fehlgesprungen, und vor nichts hatte er mehr Angst als vor kaltem Wasser.

Gucky teleportierte und holte ihn heraus. Am Ufer setzte er ihn ab und hielt ihm eine Strafpredigt, die in der Behauptung gipfelte, so würde er das Teleportieren wohl niemals erlernen und ewig so dumm bleiben, wie die anderen Mausbiber. Die konnten bis auf wenige Ausnahmen auch nichts anderes als Telekinese.

Söhnchen wirkte zerknirscht. Aber dann sah er in der Ferne ein buntes Kleid auftauchen. Es war Suzan, die ihren täglichen Spaziergang begann. Sie war noch dreihundert Meter entfernt.

Gucky bemerkte sie auch, tat aber so, als habe er sie noch nicht gesehen.

»Also?« fragte er seinen unfähigen Sohn ernst. »Was ist? Probieren wir nun weiter oder nicht?«

»Ich werde dir noch zeigen, wie gut ich teleportieren kann«, versprach Söhnchen – und war verschwunden.

Verdutzt starrte Gucky auf den leeren Fleck, an dem er eben noch gestanden hatte, und dann hörte er das schrille Freudengepiepse in weiter Ferne. Er sah auf. Söhnchen war genau bei Suzan rematerialisiert und tollte mit ihr über die Wiesen.

»So so«, murmelte Gucky etwas verwirrt. »Er kann es also, wenn er nur will. Dem werde ich helfen, mich so auf den Arm zu nehmen! Warte nur, du Gauner!« Er stolzierte in Richtung Suzan davon. »Aber er ist eben doch mein Sohn, man kann es nicht leugnen. Intelligent und klug, sehr fähig, und immer zu einem Späßchen aufgelegt.« Sein Gesicht wurde wieder finster. »Dem werde ich helfen, dem ungeratenen Vaterschreck.«

So genau wußte er nicht, ob er wütend oder stolz sein sollte.

Er setzte sich auf eine der vielen Bänke und ließ sich die warme Sonne auf den Bauch scheinen. Hier trug er die lästige Uniform nicht. Im Pelz fühlte er sich viel wohler.

Jeder fühlte sich eben in seiner eigenen Haut am wohlsten.

Als Gucky nach drei Wochen auf Plophos noch immer keine Ahnung hatte, was für Geheimnisse Suzan und Mory miteinander hatten; als er noch immer nicht wußte, wo Dr. Waringer steckte und was er machte, begann er an seinen kriminalistischen Fähigkeiten zu zweifeln. Natürlich schob er alles auf Söhnchen, der ihn ständig von seiner eigentlichen Aufgabe ablenkte und nichts als Unsinn im Kopf hatte.

Gucky beschloß, ihn ein wenig einzuspannen, ohne ihm etwas zu verraten.

Nach dem Mittagessen nahm er ihn mit aufs Zimmer und sagte:

»Wir müssen einmal von Mann zu Mann reden, mein Sohn. Bilde dir nur nichts darauf ein und schnappe nicht über, Faulpelz und Nichtstuer. Und verstehe mir um Gottes Willen nichts falsch. Was ich dir zu sagen habe, bleibt unter uns, sonst bist du nicht mehr mein Sohn. Hast du das verstanden?«

Söhnchen kuschelte sich auf der Couch in die Kissen und nickte.

»Dann höre gut zu. Ich möchte wissen, was Suzan jetzt in diesem Augenblick macht. Wenn ich teleportiere und zufällig bei ihr im Zimmer – oder wo immer sie sich aufhält – materialisiere, so fällt das auf. Du hingegen kannst dir ja bei ihr alles erlauben. Aber wenn es geht, dann sorge dafür, daß sie dich nicht bemerkt. Bleibe im Hintergrund und beobachte sie. Und dann berichte mir, was sie macht. Hast du das verstanden?«

»Natürlich, ich bin ja nicht dumm. Sagst du das nicht jedem, der es hören will?«

Gucky räusperte sich verlegen.

»Ich kann ja auch nicht jedem verraten, wie dumm du tatsächlich noch bist. Wenn ich von deiner Klugheit spreche, dann meine ich nur die Anlagen, die du in dir trägst.« Er drückte die Brust heraus. »Deine Erbanlagen väterlicherseits«, fügte er mit Nachdruck hinzu.

»Und von Mama habe ich nichts?« wunderte sich der Kleine.

Gucky kam langsam auf ihn zu.

»Du sollst nicht immer soviel fragen, Seppi.« Er stutzte und lauschte dem Klang seiner Stimme nach. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, der Name paßt auch nicht zu dir. – Also nochmals: du hast begriffen, worauf es mir ankommt? Ich will wissen, was Suzan jetzt tut.«

»Verstanden«, piepste Söhnchen und begann sich zu konzentrieren. Suzan konnte nach dem Essen nur in ihren Zimmern sein, die im ersten Stock lagen. »Bin gleich fort ...«

Gucky war nicht ganz wohl in seiner Haut, als sein Sohn verschwunden war. Daß man ihn vielleicht entdeckte, war weniger schlimm. Aber niemals durfte jemand erfahren, daß er von ihm – Gucky – geschickt worden war. Die Blamage wäre zu groß. Außerdem würde dann Rhodan erfahren, daß sein bester Freund sich für Spionagezwecke hatte mißbrauchen lassen.

Schon bereute Gucky, daß er sich auf die ganze Geschichte eingelassen hatte. Wozu eigentlich? Nur weil Mercant von Natur aus ein mißtrauischer Eigenbrötler war? Was ging ihn das überhaupt an, was Suzans Mann tat?

Aber es war nun zu spät, sich deshalb Gedanken oder gar Vorwürfe zu machen. Immerhin hatte er sich dazu hinreißen lassen, nun auch seinen ahnungslosen Sohn einzuspannen.

Gucky machte es sich auf der Couch bequem und wartete.

Einmal mußte Söhnchen ja zurückkommen, wenn er nicht versehentlich abermals im See gelandet war. Aber das hätte man schon gehört. Kilometerweit.

Es dauerte etwa vierzig Minuten, dann flimmerte es in Guckys Zimmer. Sekunden später rematerialisierte Söhnchen, frisch und munter, aber ein wenig verlegen. Als er sah, daß Gucky schlief, atmete er erleichtert auf und schlich sich auf Zehenspitzen zum nächsten Sessel, auf dem er sich zufrieden zusammenrollte und die Augen schloß.

Es war seine Pflicht, dem vielgeplagten Vater nicht die notwendige Ruhe zu rauben.

Schon gar nicht mit den aufregenden Dingen, die er zu berichten hatte ...

Als Gucky am Nachmittag erwachte und seinen Sohn friedlich schlafend im Sessel sah, verschlug es ihm zuerst einmal die Sprache. Er holte tief Luft und stand langsam auf. Vor seinem schlummernden Sprößling stellte er sich in Positur, stemmte die Arme in die Hüften und säuselte:

»Söhnchen! Lümmel! Hörst du mich?«

Söhnchen rekelte sich, rollte sich zur anderen Seite zusammen und schlummerte weiter. Im Schlaf trat er sogar mit einem Fuß nach seinem Vater.

»He, du Nichtsnutz! Willst du wohl aufwachen, wenn dein Vater mit dir spricht? Hat man da noch Töne!«

Söhnchen erwachte, erkannte seinen Vater und begann zu strahlen.

»Ach, du bist es?«

»Ja, ich bin es nur!« schnaufte Gucky wütend, packte den Kleinen am Nackenfell und setzte ihn aufrecht. »Warum hast du mich nicht geweckt, als du zurückkamst?«

»Weil du geschlafen hast, Papi. Warum bist du so böse?«

Gucky zwang sich zur Ruhe.

»Was hast du beobachtet? Etwas Besonderes?«

»Ja«, flüsterte Söhnchen verschämt. »Etwas ganz Besonderes.«

»Rede schon, du Fratz! Es war Tante Suzan, nicht wahr?«

»Ja, sie war es.« Söhnchen richtete sich auf. In seinen listigen Äuglein war ein merkwürdiges Funkeln. »Ich teleportierte und rematerialisierte direkt in ihrem Schlafzimmer. Zum Glück war sie nicht drinnen. Sie war nebenan im Bad. Die Brause rauschte, und sie konnte mich nicht hören.«

Gucky bekam fast keine Luft mehr.

»Sie war im Bad? Und da hast du einen halben Tag gebraucht, wieder zurückzukommen?«

»Nur eine halbe Stunde, Papi. Du hast mir extra gesagt, ich solle Tante Suzan beobachten. Nun, das habe ich auch getan. Ich habe mich ins Bad geschlichen und hinter dem Vorhang versteckt. Von da aus konnte ich Tante Suzan genau beobachten.«

Gucky vermied nur mit Mühe und Not einen »Schlaganfall«. So nannte er die Zornesausbrüche, in denen er seinen Sohn verprügelte.

»Du hast ...! Das ist unerhört! Und dann noch Rhodans Tochter!« Er setzte sich. »Wenn sie nur nichts gemerkt hat! Diese Blamage! Nicht auszudenken! Mein leiblicher Sohn ...«

»Tante Suzan hat nichts gemerkt«, quäkte Söhnchen überzeugt.

Gucky atmete erleichtert auf.

»Dein Glück, schamloses Früchtchen. Wenn Suzan ...«

»Aber Tante Mory hat was gemerkt«, unterbrach ihn Söhnchen.

Gucky starrte ihn an.

»Was sagst du da? Tante Mory? Wieso denn?«

»Sie kam durch das Schlafzimmer ins Bad und wollte Tante Suzan etwas bringen. Da sah sie mich hinter dem Vorhang stehen. Aber sie erwischte mich nicht mehr, weil ich in unser Zimmer zurückteleportierte. Habe ich das nicht schlau gemacht?«

Gucky rang erneut nach Atem. Er kam aus den Aufregungen überhaupt nicht mehr heraus. Und dann versetzte er Söhnlein eine Ohrfeige, die es in sich hatte. Der kleine Kerl purzelte aus seinem Sessel und landete in der äußersten Ecke des Zimmers. Er begann aus Leibeskräften zu brüllen.

Gucky hielt sich die Ohren zu. Da sah er, wie sich die Tür öffnete und Mory hereinkam. Sie rannte sofort zu Söhnchen und bückte sich.

»Dein Rabenvater! Warum hat er dich denn wieder geschlagen? So einen kleinen, süßen Mausbiber zu schlagen ... das ist ja unerhört!«

Gucky erhob sich langsam.

»Mir sind die Nerven durchgegangen, Mory. Weißt du, was er angestellt hat? Er hat sich heimlich ...«

»Ja, ich weiß. Was ist denn schon dabei? Er ist ja noch ein Kind, und da hat er eben gespielt und landete bei Suzan. Na und?«

»Na und ...?« Gucky sah etwas ratlos aus.

»Außerdem«, piepste Söhnchen dazwischen, »hat Papi mir selbst ...«

Weiter kam er aber nicht. Gucky hielt ihm telekinetisch den Mund zu und sagte:

»Ich sagte nur, er solle sich beschäftigen. Ich konnte ja nicht wissen, daß er sich ...«

Mory winkte ab.

»Reden wir nicht mehr darüber, Gucky. Dir kann sowas auch passieren, wenn du die Räumlichkeiten nicht genau kennst. Wer weiß, vielleicht landest du sogar mal in einem Kochkessel.«

Söhnchen kam aus seiner Ecke.

»Paps, schlägst du mich auch nicht mehr, wenn ich den Mund halte?«

»Was soll er nicht sagen?« fragte Mory, neugierig geworden.

»Ach, gar nichts!« erklärte Gucky lahm und nahm Söhnchen bei der Hand. »Gehen wir etwas in den Park spielen. Gehab dich wohl, edle Tante Mory. Wir sehen uns dann später.«

»Aber nicht im Bad«, rief sie hinter ihm her, und Gucky zuckte merklich zusammen.

Um weiteren Peinlichkeiten zu entgehen, teleportierte er mit Söhnchen direkt in den Park zum alten Weiher.

Lieber in der Gesellschaft plophosischer Sechskantfrösche, als weiter von Tante Mory ausgefragt zu werden ...

*

Es war eine sehr komplizierte und schwierige Operation gewesen, die Ara-Chirurgen an Mory und Suzan vorgenommen hatten. Bestimmte Nervenleiter im Gehirn waren durchtrennt worden. Das hatte zur Folge, daß Mory und Suzan parapsychisch »taub« geworden waren. Oder eigentlich besser: Stumm. Denn die Nervenleiter, die das Gedankengut zum Ausstrahlzentrum im Gehirn transportierte, arbeitete nicht mehr. Selbst der beste Telepath konnte nun ihre Gedanken nicht mehr lesen.

Das war die Veränderung, die Gucky bemerkt hatte.

Mory hatte an diesem Tag gerade ihre Morgentoilette beendet und wollte das gemeinsame Frühstück vorbereiten lassen, als die Funkstation von New-Taylor sich meldete. Ein junger Offizier berichtete, daß von der Erde ein längerer Text in Geheimkode eingetroffen sei und daß man ihm den Auftrag erteilt hatte, den Text unverzüglich an den Obmann von Plophos weiterzuleiten.

Mory runzelte die Stirn.

»Keine Erklärungen sonst?«

»Keine, Obmann. Soll ein Kurier den Text überbringen?«

»Tonband?«

»Ja, Obmann.«

»Gut. Sorgen Sie dafür, daß ich die Nachricht so schnell wie möglich bekomme. Danke!«

Sie schaltete das Gerät ab.

Während sie mechanisch die Vorbereitungen traf, die das Frühstück angingen, dachte sie über die Nachricht nach, die von der Erde eingetroffen war. Geheimkode – das bedeutete in diesem Fall: Rhodan. Er war es, der ihr eine Botschaft schickte. Das kam selten vor, wenigstens in Geheimkode. Eine Maschine zum Entschlüsseln war vorhanden, aber sie wurde nur selten benützt. Die meisten Nachrichten, auch die persönlicher Natur, kamen im Klartext an.

Es mußte sich also um eine wichtige Botschaft handeln.

Suzan, Gucky und Söhnchen versammelten sich wie üblich im Frühstückszimmer und unterhielten sich. Man machte Pläne für den Tag und beschloß, einen Ausflug ins nahe Gebirge zu unternehmen. Gucky wollte für die Lebensmittelvorräte zum Picknick sorgen. Suzan kümmerte sich um einen Gleiter, der sie in die Berge bringen sollte. Söhnchen versprach, heute besonders artig zu sein.

Mory lächelte, als sie von den Plänen hörte.

»Einverstanden, aber wir werden den Aufbruch ein wenig verschieben müssen. Von der Erde ist eine Nachricht eingetroffen, die ich noch entschlüsseln und abhören muß. Ihr könnt dabeisein, denn ich wüßte nicht, welche Geheimnisse Rhodan vor euch haben könnte. Warten wir also, bis die Tonrolle eintrifft.«

Gucky verlor auf einmal allen Appetit.

»Eine Nachricht von Perry? Und verschlüsselt? Was soll denn das nun wieder?«

»Keine Ahnung. Warten wir ab.«

Gucky hatte verschiedene Ahnungen, aber die behielt er wohlweislich für sich. Ob Rhodan dahinter gekommen war, daß Mercant ihn mit einem geheimen Auftrag hierhergeschickt hatte? Unterrichtete er nun Mory und befahl, den verräterischen Mausbiber zur Erde zurückzuschicken?

Gucky verging der Appetit nun restlos.

»Nanu, hast du keinen Hunger mehr?« fragte Mory besorgt. »Du willst wohl sparen, damit du nachher in den Bergen alles allein essen kannst?«

»Macht Papi immer«, verriet Söhnchen vorlaut.

Gucky ging nicht einmal darauf ein, was bezeichnend für seinen Zustand war.

Als sie fertig waren, landete ein Schnellgleiter und brachte die Tonrolle mit Rhodans Nachricht. Mory legte sie in den Spezialapparat, der sie zugleich entschlüsselte und vorspielte. Ohne besondere Aufregung zu zeigen, schaltete sie dann das Gerät ein.

Die Stimme Rhodans klang verändert, ein wenig mechanisch, aber es war zweifellos Rhodans Stimme.

Mory hörte gespannt zu. Guckys Gesicht hellte sich bereits nach den ersten Worten merklich auf, und schnell griff er nach einem weißen Brötchen, das Söhnchen ihm großzügig übriggelassen hatte.

Die Nachricht lautete:

»An Mory Rhodan-Abro, Obmann von Plophos! Hallo, Mory, ich hoffe, es geht dir gut und du bist gesund. Ich bin es auch. Wenn ich heute eine Nachricht in Geheimkode sende, so wegen der Abhörgefahr. Nicht nur die Erde, sondern die ganze Milchstraße befindet sich in größter Gefahr, denn es ist ein Gegner aufgetaucht, mit dem wir niemals gerechnet haben. Es ist ein Riesenroboter, der aus den Tiefen der Galaxis kommt und uns angreift. Er hat einen Durchmesser von mehr als zweihundert Kilometern und führt Tausende von modernsten Schlachtschiffen mit sich. Es sind Schiffe irdischer Bauart, und das ist das unbegreifliche Geheimnis des rätselhaften Angreifers. Im Sektor Morgenrot fanden die ersten Kämpfe statt, und wir mußten uns zurückziehen. Wir sind ratlos, Mory. Wenn der Feind die Erde findet, sind wir verloren. Ich brauche nun alle Kräfte, und ich möchte dich bitten, mir meinen besten Helfer zur Erde zu schicken. Er ist bei dir und verbringt dort seinen wohlverdienten Urlaub, aber ich brauche ihn. Bitte Gucky, daß er seinen Urlaub abbricht und sofort nach Terra zurückkehrt. Sein Sohn kann bei dir bleiben. Das ist eigentlich alles. Weitere Einzelheiten treffen bis morgen bei dir ein. Ende.«

Mory blieb sitzen, denn das Gerät schaltete sich selbständig ab.

»Nun, Gucky?« fragte sie.

Gucky sah auf.

»Wie soll ich hier wegkommen? Erst in acht Tagen kommt die POSEIDON von ihrem Patrouillenflug wieder zurück, um mich und den Racker aufzunehmen. Solange kann ich nicht warten.«

»Du bekommst ein Schiff von mir. Wenn Rhodan dich ruft, mußt du folgen. Er braucht dich sofort, nicht erst in einer Woche. Was mag das für ein Gegner sein, von dem er spricht?«

»Ein Roboter, das hast du doch gehört. Aber ein Roboter, der einen Durchmesser von zweihundert Kilometern hat ... das gibt es doch gar nicht!«

»Es muß ihn aber geben, sonst hätte Rhodan es nicht gesagt.«

»Verrückt!« Gucky sah seinen Sohn an. »Du kommst natürlich mit. Mama wird auf dich aufpassen. Ich kann Tante Mory nicht zumuten, auf dich aufzupassen.«

»Er stört nicht«, versicherte Mory.

»Er kommt mit und damit basta!« bestimmte Gucky.

Mory stand auf und ging zu dem Nachrichtengerät, das sie mit dem Regierungspalast verband.

»Wann willst du aufbrechen?« fragte sie und drehte sich um. »Ich muß das Schiff abkommandieren.«

»Was wird aus der Bergtour?« fragte Suzan traurig. Sie hatte sich schon so darauf gefreut. »Wenn wenigstens Söhnchen bliebe ...«

»Wir starten morgen«, entschied Gucky. »Und heute gehen wir in die Berge – Riesenroboter oder nicht ...!«

Perry Rhodan 302: Gestatten, Gucky und Sohn!

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