Читать книгу Perry Rhodan 742: Rückkehr fraglich - Clark Darlton - Страница 4

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1.

In den ersten Stunden verlief alles ohne Komplikationen.

Das von Perry Rhodan gekaperte Schiff der Zgmahkonen, von den Terranern auf den hoffnungsvollen Namen MORGEN getauft, war nach abenteuerlichem Flug durch einen der achtzehn Dimensionstunnel aus der Galaxis der Laren in die schützende Umhüllung des so genannten Dakkardim-Ballons innerhalb der Rute zurückgekehrt. Von dem Planeten Volterhagen war das einst von den Keloskern konstruierte Instrumentarium geholt worden, das »Beraghskolth« genannt wurde und in etwa an das bereits mit dem Robotgehirn der SOL integrierte Shetanmargt erinnerte.

Auch das Beraghskolth sollte in die SOL eingebaut werden, um dem riesigen Generationenschiff der Terraner das Passieren eines Dimensionstunnels zu ermöglichen, der die Dakkarzone mit dem normalen Universum verband.

Der keloskische Rechenmeister Dobrak leitete die Arbeiten, wenn Rhodan auch das Gefühl nicht los wurde, dass der geniale Wissenschaftler es nur mit größten Bedenken tat.

Ihm zur Seite standen Olw und Py, die beiden »Spezialisten der Nacht«, deren nahezu unglaubliches Schicksal die Gemüter fast aller Terraner beschäftigte. Diese drei Fremden waren neben anderen Keloskern die einzigen Verbündeten, die den Menschen in einem unbekannten Universum, unzählige Lichtjahre von der Milchstraße entfernt, zur Seite standen.

Dobrak wirkte ungeschlacht und plump, etwa wie ein aufrecht gehender Elefant. Aber sein Gehirn war derart entwickelt, dass es siebendimensionale mathematische Vorgänge leichter erfasste als ein Mensch das Große Einmaleins. Im Ausgleich dazu hatte die Natur für ungeschickte Greifwerkzeuge gesorgt, mit denen nur die primitivsten Arbeiten getan werden konnten.

Fünf Stunden nach Beginn der Einbauarbeiten beendete Leutnant Shake Karwanter seinen Dienst im Observatorium der Astronomischen Sektion und kehrte in seine Kabine zurück, die in mehrere kleinere Räume unterteilt worden war, um das familiäre Zusammenleben zu erleichtern.

Er war zwanzig Jahre alt gewesen, als die SOL zu ihrer Odyssee aufbrach, und nun war er schon etwas mehr als sechzig. Kurz nach dem Start war Bilda geboren worden, die er zwanzig Jahre später heiratete. Vor zehn Jahren hatten sie einen Sohn bekommen, den sie Törn nannten.

Bilda arbeitete im Kindergarten der SOL als Erzieherin und sorgte so dafür, dass die im Schiff heranwachsende Generation auf die Bordschule vorbereitet wurde, um später die Aufgaben der älteren übernehmen zu können.

Karwanter duschte sich und zog den Freizeitanzug an. Sein Sohn war mit den Schularbeiten beschäftigt und ließ sich nicht stören, auch dann nicht, als ein Arbeitsroboter kam und das Essen brachte.

Bilda setzte sich zu ihrem Mann.

»Gibt es Neuigkeiten?«, fragte sie, als sie aßen.

Er schüttelte den Kopf.

»Was meine Arbeit anbetrifft – nein. Immer dasselbe. Sie haben aber das Beraghskolth geholt und sind dabei, es einzubauen.«

»Das ... was?«

Er kaute, ehe er antwortete: »Ihr seid alle über den Interkom informiert, nehme ich an.«

»Natürlich gab es Informationen, aber ich frage dich, wer daraus schlau werden soll. Ein Instrumentarium, hieß es, das uns die Rückkehr in die Milchstraße ermöglichen soll. Aber sonst ...«

»Ich will versuchen, es dir zu erklären, soweit ich es selbst verstanden habe. Meine Spezialität ist astronomische Beobachtung, wie du weißt, und von siebendimensionaler Mathematik verstehe ich absolut nichts. Aber das Ding hat damit zu tun. Es soll uns den Flug aus dem Schwarzen Loch in das Normaluniversum gestatten.«

Sie nickte.

»Na schön, dann versuche es mir zu erklären.«

»Das Beraghskolth ist ein Spezialgerät der Kelosker, deren siebendimensionales Denkvermögen uns immer ein Rätsel bleiben wird, so wie ein zweidimensionales Wesen unsere normale dritte Dimension niemals begreifen kann. Auch unsere positronischen Gehirne versagen vor der Mathematik der Kelosker und geben auf, nur bei einer Integration können sie mithalten, wie wir ja erfahren haben. Die Konstruktion und Arbeitsweise des Beraghskolths ist einmalig und unbegreiflich für uns, obwohl wir seine Wirkungsweise vielleicht erfasst haben – aber das Wie ist und bleibt unbekannt.«

»Und trotzdem können wir etwas damit anfangen?«

»Wir versuchen es«, schränkte er ein. »Das Beraghskolth kann den hyperdimensionalen Energiehaushalt des Dimensionstunnels beeinflussen, und das wird unbedingt notwendig sein, wenn wir dieses Universum verlassen wollen, um in den Einsteinraum zurückzukehren. Wenigstens behauptet Dobrak das, und der sollte es wohl wissen. Unsere Wissenschaftler haben das überprüft und sind zu dem Ergebnis gelangt, dass der Apparat tatsächlich die Fähigkeit besitzt, die Energieströme der hyperenergetischen Black-Hole-Entladung zu steuern.«

Bilda nickte, ohne ihr Gesicht zu verziehen.

»Dieser Effekt beruht in erster Linie auf der rechnerisch überdimensional auszulegenden Erfassung fünfdimensionaler Entladungsfronten, die von den Steuerenergiefeldern des Beraghskolths einwandfrei beherrscht werden können.«

»So, und das weiß man?«, wunderte sich Bilda.

»Sicher, und zwar von den Keloskern. Sie gingen davon aus, dass überdimensionierte Entladungen, falls man sie gezielt einsetzen kann, einen niedrigeren Energiewert nicht nur beherrschen, sondern ihn sogar absorbieren oder zur Kraftentfaltung anregen können.«

»Aha!« Sie ließ nur allzu deutlich durchblicken, dass sie absolut nichts von dem verstanden hatte, was er ihr zu erklären versuchte. »Sprich weiter, Shake, mit der Zeit komme ich schon dahinter.«

»Es wird gleich verständlicher, Bilda. Die praktische Nutzung des Beraghskolths ist natürlich nur dann möglich, wenn wir es mit einer konventionellen Anlage zur normalen Energieerzeugung, zum Beispiel Atomkraftwerken, koppeln. Das Erstaunliche ist nämlich, dass es weniger Arbeitsstrom als ein normaler Schutzschirm benötigt. Dobrak erläuterte uns, es handelte sich dabei lediglich um eine Art Anregungsimpuls, der in der Art eines Zündfunkens arbeite. Sobald dieser Funke gezündet habe, schalte das Beraghskolth auf Autarkbetrieb um.«

»Ach, dann braucht es keine Energie mehr?«

»O doch, aber so viel, dass wir es nicht mehr damit beliefern könnten. Es versorgt sich selbst, und unsere Spezialisten schätzen, dass fünftausend sehr heiße Sterne notwendig wären, diese benötigte Energie zu liefern. Das ist unvorstellbar – und unserer Meinung nach auch unmöglich zu realisieren. Infolgedessen zapft das Gerät auch keineswegs normale Sonnen oder Energien des fünfdimensionalen Überlagerungsraums an, sondern bedient sich der energetischen Reserven des sechsdimensionalen Raumes.«

»Wieviel Dimensionen gibt es denn nun überhaupt?«, wollte Bilda wissen.

»Dobrak erwähnte, dass zur Beherrschung und zum Verständnis der sechsten Dimension die rechnerische Erfassung der siebten unbedingt notwendig sei. Daraus geht klar hervor, dass unser Beraghskolth keineswegs die Energien der sechsten Dimension ausnützen könnte, wenn es nicht siebendimensional erdacht und konstruiert worden wäre. Durch den minimalen Anregungsstrom, den wir liefern müssen, beginnt das Ding zu arbeiten. Es sendet einen Zapfstrahl aus, der in die sechste Dimension vordringt. Dort holt er sich die unvorstellbaren Kräftereserven, die notwendig sind, die Dimensionstunnels und Übersättigungsenergien der Schwarzen Löcher zu beherrschen.«

Bilda wartete, bis der Roboter abgeräumt hatte, dann meinte sie: »Und das alles hat man in der kurzen Zeit schon herausgefunden?«

»Dobrak hat dabei geholfen. Ohne ihn hätte es vielleicht Jahre gedauert. Doch ich bin gleich fertig, hör nur zu! Das Beraghskolth ist keine Maschine im eigentlichen Sinn. Es besteht einfach aus halbentstofflichten Energieballungen von verschiedenartiger Form und Färbung. Diese Einzelteile – nennen wir sie mal so – wurden an Bord unserer SOL gebracht und sollen nun zu so genannten Schaltblöcken vereinigt werden. Insgesamt handelt es sich um einundzwanzig Haupteinzelteile. Sie müssen untereinander verbunden werden, und zwar mit Hilfe drahtloser Energieleiter. Die erforderlichen Projektoren besitzen wir zum Glück.«

»Ohne Glück wären wir schon längst in der Hölle«, stellte Bilda trocken fest. »Nur weiter, Shake.«

»Alle einundzwanzig Segmente müssen mit dem Anregungsstrom versorgt werden, dann erst beginnt das Beraghskolth selbständig zu arbeiten.« Er deutete vage gegen die Decke der Kabine. »Was ich dir bisher zu erklären versuchte, betrifft nur die Arbeitsweise des Geräts, doch allein optisch bedeutet es schon ein Wunder. Du musst dir vorstellen, dass die einzelnen Segmente in verschiedenen Räumen untergebracht wurden. Dort schweben sie in der Luft und glühen in unterschiedlichen Farbtönen, die von Grau bis Blutrot reichen. Wir nehmen an, die Farben kennzeichnen die einzelnen Funktionen der Segmente.«

»Hat man das Ding schon in Betrieb genommen?«

»Nein, noch nicht. Man ist dabei, die einzelnen Anschlüsse zu installieren. Es kann noch Tage dauern, bis alles perfekt ist.«

Sie lehnte sich zurück.

»Es ist merkwürdig«, sagte sie dann nachdenklich. »Ich wurde vor einer halben Ewigkeit hier auf dem Schiff geboren und habe außer einigen Planeten nichts sonst gesehen. Du hast mir die Erde geschildert, und ich kann sie mir vorstellen, aber ich müsste lügen, wenn ich sagen sollte, ich hätte Sehnsucht nach ihr. Sie bedeutet mir kaum etwas. Die SOL ist meine wahre Heimat – und auch die von Törn.« Sie seufzte. »Und darum verstehe ich auch die Anstrengungen Rhodans nicht, in die Milchstraße zurückzukehren. Warum suchen wir uns nicht einen wunderbaren Planeten im Normalraum und bleiben dort?«

Karwanter hatte das schon mehr als einmal von ihr gehört. Und nicht nur sie, sondern viele der SOL-Geborenen dachten so wie Bilda. Die SOL war in der Tat die Heimat der neuen Generation, die an Bord geboren worden war. Ein Schiff von vier Kilometern Länge war eine autarke Welt für sich und bot die besten Lebensbedingungen, die man sich vorstellen konnte. So konnte es kein Wunder sein, dass die Menschen, die darin lebten, es im Laufe der Jahrzehnte als endgültige Heimat empfanden, besonders eben jene, die die Erde nicht kannten.

»Ich kenne nur die Erde und den Mond, nicht aber den Stern, der Sol genannt wird und von dem unser Schiff seinen Namen bekam. Aber ich weiß, dass Rhodan Freunde in der Milchstraße zurückließ. Das alles ist nun schon mehr als hundert Jahre her. Ich kann verstehen, dass die Generation vor uns wissen will, was inzwischen geschah.«

»Und unsere Kinder sollen es auch verstehen – ich merke es an den Themen, die wir erhalten. Bereits im Kindergarten beginnt es, und die Kleinen müssen Lieder lernen, in denen die Erde mit ihren grünen Hügeln, blauen Meeren und schneebedeckten Gebirgen besungen wird. Dazu laufen in den Videoräumen Mikrofilme, um auch optisch die Sehnsucht nach dem zu wecken, was niemand kennt.« Sie sah an Shake vorbei. »Ich will ehrlich sein: mich haben die Bilder von der Erde sehr beeindruckt.«

»Sie muss nicht mehr das gewesen sein, was sie einst war«, sagte er. »Nach dem Sprung in den Mahlstrom hat sie sich verändert – und vor allen Dingen haben sich die Menschen geändert. Was wir jetzt tun, ist nur der Versuch, die Vergangenheit wieder heraufzubeschwören.«

»Vielleicht ist sie schöner als die Gegenwart und Zukunft ...«

»Vielleicht«, gab er zu und schloss die Augen. »Ich bin müde.«

»Dann lege dich hin und versuche zu schlafen. Ich kümmere mich um Törn und seine Aufgaben. Navigation, glaube ich. Will man Raumfahrer aus ihnen machen?«

»Ohne geeigneten Nachwuchs sind wir eines Tages verloren, Bilda, das solltest du nicht vergessen. Die Themen der Schule sind so gewählt, dass sich ganz von selbst eine Elite herausbildet, die eines Tages das Schiff übernehmen wird. Vielleicht gehört Törn auch dazu.«

Noch ehe Bilda antworten konnte, kam Törn in den Raum. Mit einer ungeduldigen Gebärde warf er seine positronische Schreibtafel auf den Tisch und sagte störrisch: »Das ist ein schöner Mist! Wozu soll ich das lernen? Die tun ganz so, als solle jeder von uns einmal der Kommandant werden und Perry Rhodan ablösen, dabei weiß doch jeder, dass er einen Zellaktivator hat und unsterblich ist.«

Es dauerte einige Sekunden, bis Karwanter sich von seiner Überraschung erholte.

»Was ist denn mit dir los? Wie kannst du so einen Unsinn daherreden? Du warst doch bis jetzt ein guter Schüler und hattest Spaß an der Materie. Natürlich müsst ihr auch Navigation lernen, sonst würdet ihr niemals eure Umwelt begreifen können. Wir leben in einer künstlichen Welt, Törn, die wir steuern müssen. Unser Leben hängt davon ab, dass wir keine Fehler begehen. Ich hoffe, du verstehst das ...«

»Ich will aber nichts davon verstehen! Warum landen wir nicht auf einem der vielen unbewohnten Planeten und bleiben dort? Wie war es denn auf ›Last Stop‹? Warum blieben wir nicht dort? Es gab Flüsse und Meere, Ebenen und Gebirge, Wälder und Täler – und es gab Tiere und Blumen! Es war viel schöner als in diesem Schiff!«

Karwanter warf seiner Frau einen unsicheren Blick zu, denn er wusste, dass sie ähnlich dachte.

»Du weißt, dass Last Stop zum Untergang verurteilt war. Der Planet wurde von einem Black Hole verschluckt, so wie auch die SOL. Wir überlebten, aber niemand weiß, ob auch der Planet überlebte. Sicher, vielleicht finden wir eines Tages eine Welt, auf der wir bleiben, und ich kann nur hoffen, dass es die Erde ist, denn sie war unsere Heimat. Aber um das zu erreichen, musst du heute lernen, und wenn es dir noch so wenig Freude bereitet.«

Törn ging zur Tür. Er drehte sich um und sagte: »Ich werde nichts mehr lernen, Vater! Und die anderen in meiner Klasse denken genauso. Wir wollen raus aus dem Schiff! Wir wollen Gras unter unseren Füßen haben, nicht immer diesen kalten Stahl.«

Bilda wich den fassungslosen Blicken ihres Mannes aus, als sie ihren Sohn das sagen hörte, was sie immer schon dachte. Sie konnte niemals seine Partei ergreifen, ohne Shake zu verlieren, das wusste sie. Aber sollte sie deshalb ihren Sohn im Stich lassen?

Es gab keinen Kompromiss, das spürte und ahnte sie. Aber sie begriff nicht, wie es möglich sein konnte, dass Törn alle Hemmungen plötzlich fallen ließ und das sagte, was er dachte und fühlte.

»Geh in dein Zimmer!«, befahl sie sanft. »Wir reden später noch darüber. Vater wird dir bei den Aufgaben helfen.«

Törn nickte wortlos und schloss die Tür hinter sich.

»Verstehst du das, Bilda?«, fragte Karwanter. »Was ist nur in den Jungen gefahren?«

Sie versuchte zu lächeln, aber es gelang ihr nicht ganz.

»Einmal musste es ja herausbrechen aus ihm, Shake. Sicher, da ist ein Widerspruch, denn gerade das Schiff ist doch seine Heimat, wie es auch meine ist. Und trotzdem möchten wir beide, Törn und ich, dass wir es verlassen, um auf einem Planeten zu leben. Ich fürchte, diese Sehnsucht ist die Folge des Versuchs, uns die Erde schmackhaft zu machen. Wir, die wir die Erde nicht kennen, müssen ja glauben, dass auch andere Planeten so schön wie die Erde sind, und wir wehren uns instinktiv dagegen, unser ganzes Leben damit zu verbringen, jene Galaxis zu erreichen, in der die Erde einst ihre Sonne umkreiste. Wozu das? Wie sollen wir SOL-Geborenen das je verstehen?«

»Es geht um das Schicksal der Menschheit«, versuchte Karwanter eine Begründung zu finden. »Du siehst immer nur die paar tausend Menschen in der SOL. Vergiss nicht, dass sie nur ein winziger Bruchteil der gesamten Menschheit sind! Und noch viel mehr blieben in der Milchstraße zurück, hilflos dem Konzil ausgeliefert, dem wir hier nun endlich auf die Spur kamen. Wir haben die Möglichkeit, sie zu befreien. Was ist dagegen unser eigenes Schicksal, die Jahre, die wir im Schiff verbringen müssen?«

Bilda schloss die Augen, und es sah so aus, als dächte sie nach. Vielleicht tat sie das auch, aber sie kam zu keinem Ergebnis, das Karwanter hätte zufriedenstellen können.

Und sie sagte es auch: »Vielleicht fehlt uns, die wir in der SOL geboren wurden, die Beziehung zur Menschheit. Wir wollen leben, nicht nur in einer Hohlwelt aus Stahl dahinvegetieren. Die Schule für unsere Kinder muss sein, das sehe ich ein. Sie würden ein falsches Weltbild bekommen, wenn man sie nicht mit der Realität konfrontierte. Auf der anderen Seite fiele ihnen das Leben im Schiff leichter, wenn sie es als Heimat akzeptierten – doch dagegen steht, dass immer wieder als Endziel die Erde propagiert wird.«

»Das hat seinen Sinn«, meinte Karwanter. »Es gibt ja auch Bestrebungen unter der älteren Jugend, die SOL als endgültige Heimat zu akzeptieren und das Schiff für alle Ewigkeit durch das Universum treiben zu lassen. Sie stützen sich auf unsere bisherigen Erfahrungen, dass Landungen auf Planeten stets mit Ärger und Gefahren verbunden waren. Immer waren schon andere Intelligenzen dort, die uns Schwierigkeiten bereiteten. Darum ziehen diese Leute die SOL als Heimat vor.«

»Sie vertreten genau das Gegenteil von dem, was Törn meint.«

»Sicher, und beides ist falsch!«

»Das sagst du!«

»Nicht nur ich, Bilda! Was wir brauchen, ist eine Kombination aus beiden Auffassungen. Das Schiff ist unsere Heimat, bis wir die endgültige gefunden haben!«

»Wir haben die Erde verloren, Shake, vergiss das nicht. Bevor ich geboren wurde, seid ihr von ihr geflohen.«

Er nickte.

»Du hast recht, aber das ist kein Grund, den Glauben an eine Rückkehr zu verlieren. Und vergiss außerdem nicht, was du in der Schule gelernt hast! Die Erde befindet sich in einem fremden Universum, sie kreist um eine verderbliche Sonne, die nichts mit Sol gemeinsam hat. Erst wenn sie in die Milchstraße zurückgeführt wird, kann sie wieder die echte Heimat der Menschen sein.«

Bilda seufzte.

»Ich verstehe nicht viel von Technik, ich kümmere mich um die Kinder und um ihr Wohlergehen. Vielleicht wird es niemals möglich sein, die Erde zu ihrer Sonne zurückzubringen. Und das, was du mir von diesem Gerät erzählt hast, klingt auch nicht überzeugend.« Sie erhob sich. »Ich muss mich um Törn kümmern. Ehrlich gesagt, ich mache mir Sorgen um ihn.«

»Geh nur, Bilda. Ich bin wirklich müde. Wecke mich in zwei Stunden, ich muss zurück ins Observatorium. Die Orterzentrale ist direkt mit uns verbunden. Wir beginnen mit Spezialbeobachtungen.«

»Ich werde dich wecken«, versprach sie und ging.

Als Karwanter auf seinem Bett lag, kam ihm zu Bewusstsein, dass er seinen Sohn bisher nicht gekannt hatte. Sicher, es war vorgekommen, dass der Junge lieber in den Illusionsräumen oder Sporthallen war als in der Schule, aber das war natürlich und ging anderen ganz genauso. Aber nun revoltierte er offen.

Warum von einem Tag auf den anderen?

Noch während er darüber nachdachte, schlief er ein.

*

Nicht nur Törn verhielt sich an diesem Tag merkwürdiger als sonst. Und es waren auch nicht nur Jugendliche und Schüler, die ohne äußerlichen Anlass ihre Meinung änderten und sogar gewalttätig wurden.

Zum ersten Mal seit Menschengedenken geschah ein kaltblütiger Mord an Bord der SOL.

Techniker Fallenday war in den Kreisen, in denen er verkehrte, als gutmütiger und hilfsbereiter Mann bekannt. Wie sich später herausstellte, war auch sein in SENECA gespeichertes Psychogramm völlig in Ordnung.

Es begann damit, dass sein Freund und Kollege Ramsodes ihn in seiner Kabine aufsuchte und ihn bat, ihn für eine Stunde zu vertreten, da er eine dringende Angelegenheit zu erledigen habe. Wie nicht anders zu erwarten, stimmte Fallenday zu.

Ramsodes eilte inzwischen zu seinem Rendezvous mit einer jungen Technikerin, die er erst vor wenigen Tagen bei einer Besprechung kennengelernt hatte.

Fallenday versah indessen den Dienst seines Kollegen und war der Auffassung, es handle sich bei dessen dringender Angelegenheit um eine halb dienstliche Sache, die keinen Aufschub duldete. Er war müde und hätte lieber geschlafen.

Einige Roboter versahen ihren üblichen Dienst, ohne sich um Fallenday zu kümmern, aber das war absolut normal und keineswegs ungewöhnlich. Erst als ihm einer versehentlich beim Vorbeigehen auf die Zehen trat und weitermarschierte, ohne die programmierte Entschuldigung auszusprechen, riss bei Fallenday der Faden.

Er hätte später nie zu sagen vermocht, warum er die Nerven verlor. Jedenfalls ergriff er den erstbesten Gegenstand, der in Reichweite lag – einen schweren Schaltschlüssel –, und schmetterte ihn gegen den breiten Rücken des Roboters, der sich dreimal um seine eigene Achse drehte und dann zu Boden polterte.

Noch bevor er fiel, wusste Fallenday, sendete er ein Notsignal aus, das von der zentralen Kontrolle empfangen und registriert wurde. Bereits Sekunden später würde man wissen, dass einer der Arbeitsroboter ausgefallen war, und entsprechende Nachforschungen anstellen. Das, was er getan hatte, war Sabotage. Darauf stand zumindest ein strenger Verweis, wenn nicht mehr.

Als er sich nähernde Schritte hörte, verlor er völlig die Kontrolle über sich selbst. Sie kamen schon, um ihn zu holen, denn sicherlich war er über den Interkom beobachtet worden. Er sah nicht mehr, dass es sein Freund und Kollege Ramsodes war, der von seinem Rendezvous zurückkam, um ihn abzulösen. Blindlings schlug er mit dem Schaltschlüssel auf ihn ein, bis er blutüberströmt zusammensank. Ohne sich um den Niedergeschlagenen zu kümmern, warf er die Waffe weg und rannte zum Ausgang.

Da hörte er abermals Schritte.

Er kehrte um und lief quer durch den Raum in Heckrichtung davon. Dort kannte er sich aus. Trotz Interkom und anderer Sicherheitsvorkehrungen würde er ihnen entkommen und sich verbergen, bis die SOL mal wieder auf einem Planeten landete und er endgültig fliehen konnte.

In einer kleinen Kammer, die mit Ersatzteilen und Werkzeugen bis zur Decke angefüllt war, fand er ein Versteck. Er verkroch sich unter einige Ballen Kunststoff und wartete.

Inzwischen fanden die von der Kontrollzentrale ausgeschickten Männer die Leiche von Ramsodes, der nur von Fallenday oder einem anderen Techniker ermordet worden sein konnte. Nicht weit von ihm entfernt lag der zerstörte Roboter. Das Rätsel wurde immer größer, das Motiv unfassbarer.

Eine kurze Kontrolle ergab, dass Fallenday tatsächlich nicht in seiner Unterkunft war und auch sonst unauffindbar blieb. Nur er konnte der Täter sein.

Die systematische Suche begann, und es dauerte nicht lange, bis man Fallenday entdeckte und nach kurzer Gegenwehr festnahm.

Das Verhör blieb ohne Resultat. Fallenday beteuerte immer wieder seine Unschuld und behauptete, »irgend etwas« habe ihn dazu getrieben, den Roboter zu vernichten und Ramsodes zu erschlagen.

Noch während Fallenday von den Psychiatern untersucht wurde und Rhodan sich den Vorfall in allen Einzelheiten schildern ließ, trafen neue Meldungen aus allen Sektionen der SOL ein, die darauf schließen ließen, dass gewisse Veränderungen in der Mentalstruktur einiger Besatzungsmitglieder stattfanden. Fallenday schien demnach kein Einzelfall zu sein, wenn auch kein weiterer Mord mehr registriert wurde.

Rhodan wusste sofort, dass es sich nicht um einen Zufall handeln konnte. Der Gedanke, dass ein Zusammenhang mit dem Einbau des Beraghskolths bestand, erschien ihm absurd, aber tief im Unterbewusstsein blieb doch der Verdacht. Er würde mit Dobrak darüber diskutieren müssen, doch im Augenblick hatte er genug damit zu tun, das Geschehen an Bord der SOL wieder unter Kontrolle zu bekommen.

In den Lagerräumen hatte es eine Explosion gegeben, ohne dass eine Ursache dafür gefunden werden konnte. Ein junger Offizier, der zum Hangarpersonal gehörte, schleuste sich mit einem der Beiboote aus und raste in den Trümmergürtel der energetischen Blase hinein, als lege er es darauf an, gegen eines der herumtreibenden Wracks zu prallen und vernichtet zu werden. Nur der blitzschnell eingeschaltete Traktorstrahl der SOL konnte das Beiboot im letzten Augenblick erfassen und es in den Hangar zurückbringen.

In einer der Schulen setzten die Jungen ihre Lehrer fest und schlossen sie ein. Dann schlugen sie das Mobiliar des Unterrichtsraums kurz und klein, ehe sie vom Aufsichtspersonal überwältigt werden konnten. Sie waren übrigens später wochenlang damit beschäftigt, den Schaden wieder gutzumachen.

Kurzum, es geschahen Dinge, die noch vor Stunden als unmöglich gegolten hätten, und noch während Rhodan die Berichte studierte, versammelten sich einige ältere Offiziere in der Messe, um die Lage zu beraten. Rhodan hatte sein Kommen zugesagt.

»Das hat alles mit dem Ding zu tun, das sie aus der anderen Galaxis holten, mit diesem überdimensionalen Rechner«, sagte ein ergrauter Major, der die Sonne und die Milchstraße noch gekannt hatte. »Die Leute spielen erst seit dem Augenblick verrückt, in dem es an Bord gebracht wurde. Wir sollten das Rhodan klipp und klar sagen und ihn zu einer Entscheidung zwingen.«

»Zu was für einer Entscheidung?«, fragte ein Techniker von hohem Rang.

»Wir müssen auf den Einbau verzichten und nach anderen Mitteln suchen, die uns das Durchqueren eines Dimensionstunnels erlauben. Vielleicht hilft auch eine Abschirmung – nur: welcher Art muss sie sein?«

»Sechsdimensional und hochenergetisch«, vermutete jemand, der in der Physikalischen Abteilung eine Menge zu sagen hatte. »Wir hatten bisher noch keine Zeit, die Arbeitsweise des Beraghskolths zu studieren und zu analysieren, aber eine Gegenreaktion müsste auf dieser Arbeitsweise basieren. Doch, um ehrlich zu sein, ich glaube nicht so recht an einen Zusammenhang des jetzt stattfindenden Zusammenbaus und der Veränderung unserer Psyche. Haben denn auch wir, die wir hier versammelt sind, uns verändert?«

»Vielleicht werden nur labile Charaktere angegriffen«, vermutete der Major. »Dagegen ließe sich etwas unternehmen.«

»Das Übel muss an der Wurzel beseitigt werden!«, ließ sich der Techniker vernehmen. »Das Beraghskolth muss raus aus der SOL!«

Rhodan, der den Raum betreten hatte, sagte noch von der Tür her: »Keine übereilten Entscheidungen, wenn ich bitten darf!« Er kam zum Tisch und setzte sich. »Ich habe Dobrak gebeten, an der Beratung teilzunehmen. Er wird bald hier sein. Bis dahin können Sie die Gelegenheit nutzen, mir Ihre Meinung darzulegen.«

Rhodan hätte sich nicht über eine mangelnde Beteiligung an der Aussprache beschweren können. Jeder wollte zu Wort kommen und keiner sparte mit guten Ratschlägen. Alle waren sich darin einig, dass nur das Beraghskolth die Ursache des Übels sein konnte.

Dann erschien der Kelosker.

Man hatte sich schon lange an seinen Anblick gewöhnt, und es gab in der SOL wohl niemand mehr, der den Fehler begangen hätte, fremde Lebewesen nach ihrem Aussehen zu beurteilen. Dobrak stellte seinen kleinen Translator auf den Tisch, rückte zwei Stühle zurecht, und setzte sich, obwohl er sicherlich bequemer gestanden hätte. Aber wenn er stand, überragte er die sitzenden Terraner um fast anderthalb Meter. Und wenn möglich, dann versuchten die Kelosker höflich zu sein.

Rhodan fasste die Bedenken seiner Ratgeber zusammen und bat den Rechenmeister um seine Meinung. Dobrak sagte: »Auch die Spezialisten der Nacht, Olw und Py, haben gewarnt. Allerdings sehen sie die Hauptgefahr nicht in sechsdimensionaler Energieabstrahlung, die lebende Gehirne beeinflussen kann, sondern mehr in der Tatsache, dass den Zgmahkonen die Erbeutung des Beraghskolths nicht verborgen geblieben sein kann. Sie werden die technische Möglichkeit besitzen, es zu orten. Damit besteht die Gefahr, dass sie auch die SOL finden und angreifen.«

»Was sollen wir tun? Gibt es keinen anderen Weg, mit unserem Schiff den richtigen Tunnel zu durchqueren und in unsere eigene Galaxis zu gelangen?«

Dobraks Gesicht blieb scheinbar ausdruckslos.

»Die SOL ist zu groß, einen anderen Weg zu versuchen. Nur das Beraghskolth garantiert die ungefährliche Passage. Es absorbiert die schädlichen Energien überdimensionaler Ausbrüche – einfach gesagt. Wir müssen es einbauen!«

Ein allgemeines Gemurmel der Anwesenden legte Zeugnis von der aufgestauten Erregung ab, die sich Luft zu machen versuchte. Zu der allgemeinen Gefahr kam nun auch noch die Aussicht, von den Zgmahkonen geortet und angegriffen zu werden. Sie waren eins der sieben Konzilsvölker, von denen bisher allerdings nur sechs bekannt waren. Sie beherrschten die Dimensionstunnels und die Ausgänge zu den anderen Galaxien – und sie waren nicht gerade zimperlich, wenn es darum ging, ihr Ziel zu erreichen.

»Ich bin ebenfalls davon überzeugt!«, rief Rhodan und beendete damit die allgemeine Aussprache, indem er auf den Kelosker deutete. »Dobrak hat recht! Das Beraghskolth muss in der SOL untergebracht werden, oder wir sind dazu verurteilt, für alle Zeiten in der Rute zu bleiben, möglicherweise in diesem Dakkardim-Ballon, der nur einen sehr unsicheren Schutz bietet. Nach genauem Studium der einlaufenden Berichte ist festzustellen, wer von der Mannschaft gefährdet ist. Er muss isoliert werden. Die von der Energieabstrahlung verursachten Detonationen in der SOL ...«

Das laute Summen des Interkoms unterbrach ihn. Die Computerzentrale meldete sich.

»Der Rechenverbund aus SENECA und Shetanmargt zeigt erhebliche Störungen. Die Resultate sind ungenau. Wir haben mechanische Computer eingesetzt. Wir erbitten weitere Anweisungen.«

Rhodan warf Dobrak einen fragenden Blick zu, versprach in wenigen Minuten zurückzurufen und sagte: »Was bedeutet das, Dobrak? Welchen Einfluss kann das Beraghskolth auf SENECA nehmen? Kann es unser Bordgehirn zerstören?«

»Es wäre möglich, aber ich glaube es nicht. Wahrscheinlich handelt es sich nur um eine vorübergehende Störung durch Lahmlegung einiger Leiter. Sobald der Einbau beendet ist, hören die Nebenwirkungen auf. Wir dürfen nur nicht zuviel Zeit verlieren.«

»Hoffen wir alle, dass es nicht mehr ist. Ich persönlich bin in jedem Fall für die Fortsetzung der Arbeiten am Beraghskolth, nur müssen entsprechende Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden. Darum kümmere ich mich, während Dobrak, Olw und Py mit unseren Technikern den Zusammenbau beschleunigen. Gibt es noch Einwände oder Vorschläge, meine Herren?«

»Wir warten auf die Anweisungen«, sagte der Major.

*

Törn, der sich ebenfalls an der Revolte gegen die Lehrer beteiligt hatte, war von Bilda in seinem Zimmer eingesperrt worden, nachdem er keine Reue gezeigt hatte. Inzwischen waren weitere Informationen über Interkom durchgegeben worden. Sicherheitskommandos durchkämmten das Schiff und isolierten die vom Computer bezeichneten Gefährdeten. Es waren einige hundert Männer und Frauen – und natürlich auch Kinder.

Karwanter hatte den Dienst im Observatorium übernommen und die Verbindung zum Orterzentrum hergestellt. Der große astronomische Bildschirm war in zwei gleiche Teile aufgespalten worden. Auf der einen Hälfte wurde das projiziert, was die weitreichenden Positronenteleskope heranholten, und auf der anderen erschienen die Echos der Orterzentrale.

Beide optischen Eindrücke waren naturgemäß sehr unterschiedlich.

So erschien auf dem astronomischen Schirm der Großteil aller in der rutenförmigen Kleingalaxis vorhandenen Sterne als mehr oder minder hell leuchtende Punkte. Rhodans Wissenschaftler hatten die Zahl aller hier vorhandenen Sterne auf dreitausend geschätzt. Im Vergleich dazu gab es nur wenige Planeten, nämlich dreiundsechzig. Nur mit Hilfe von SENECA hatte man die Anzahl der Planeten so exakt berechnen können, ohne jene der Sterne genau zu kennen. Das Bordgehirn benutzte dazu die unsichtbaren Reflexionen der Massetaster.

Über Interkom sagte der Chef der Orterzentrale: »Leutnant Karwanter, es wäre gut, wenn Sie meine Beobachtungen überprüften und mir das Resultat bestätigten. Wie Sie sehen können, haben wir einige Echos auf dem Schirm. Diese Echos bleiben nicht stationär, sondern verändern ständig ihre Positionen, und wie mir scheint, nach einem ganz bestimmten System. Wenn sich Ihre Vermutungen mit meinen decken, erhalten wir auch ohne das gestörte Robotgehirn ein Resultat.«

»Ich werde mich bemühen«, versprach Karwanter und begann mit den Beobachtungen, obwohl er ständig über seinen Sohn nachdenken musste, und nicht nur über ihn. Das Generationenproblem der SOL beschäftigte ihn mehr, als er zugeben wollte, und das nicht erst seit heute.

Die Echos auf dem Schirm wanderten quer durch die Rute, von einem Rand zum anderen, dann änderten sie die Richtung und wurden kleiner und wieder größer, was nur bedeuten konnte, dass sie sich von der SOL entfernten und sich ihr dann wieder näherten.

Es war, als suchten sie etwas, das sie nicht sehen konnten.

»Sie sollten Rhodan unterrichten«, sagte Karwanter, nachdem er der Orterzentrale seine Vermutung mitgeteilt hatte.

»Ihr Ergebnis deckt sich mit dem meinen«, erhielt er zur Antwort. »Die Zgmahkonen erinnern mich an Jäger, die ihre Beute zwar wittern, sie aber weder sehen noch hören können. Außerdem beweist die Schematik einwandfrei, dass sie sich ihrer Sache durchaus nicht sicher sind. Aber Sie haben recht: ich werde den Chef von unseren Beobachtungen unterrichten. Ich informiere Sie, sobald ich neue Anweisungen erhalte.«

Karwanter nutzte die Ruhepause, sich mehr den astronomischen Beobachtungen zu widmen, obwohl dabei nichts Neues zu erwarten war. Sie interessierten ihn mehr als die Ortungen, die im Endresultat Angelegenheit der Sicherheitsabteilung waren. Seine Aufgabe war es lediglich, die astronautischen Koordinaten zu bestimmen.

Er war allein im Observatorium und erschrak naturgemäß, als dicht bei ihm, nur wenige Meter entfernt, aus dem Nichts heraus plötzlich der Mausbiber Gucky materialisierte und dann zum nächsten Sessel watschelte, um sich dort niederzulassen.

»Hallo, Leutnant«, sagte er piepsig. »Freut mich, Sie persönlich kennenzulernen.«

»Hallo«, erwiderte Karwanter etwas verblüfft. Er wusste, welche Sonderstellung der nur hundert Zentimeter große Außerirdische genoss, abgesehen von der Tatsache, dass er ein hervorragender Mutant war – Teleporter, Telepath und Telekinet. Und schließlich, das wusste Karwanter noch aus der Schule, war der Mausbiber »von Anfang an« dabei gewesen.

Gucky rekelte sich und sah auf den geteilten Bildschirm.

»Rhodan wird gerade von der Orterzentrale informiert, und da ich rein zufällig Ihre Gedanken empfing, dachte ich mir, schau doch mal nach. Ja, und da bin ich! Sie meinen also, die Zgmahkonen können uns orten? Wir strahlen Energie ab, die sie empfangen ...?«

Karwanter begann, sich von seiner Überraschung zu erholen.

»Ja, das nehme ich logischerweise an. Wir können sie ja schließlich ebenfalls orten, wenn auch mit anderen Methoden – aber wissen wir denn, welche sie anwenden?«

»Keine Ahnung«, gab der Mausbiber zu. »Aber ich nehme an, dass in unserem Fall dieses Bera... Beraghs... kolth schuld daran ist.« Er stierte einige Sekunden blicklos vor sich hin, dann nickte er so heftig, dass seine bepelzten Ohren wackelten. »Nun, was habe ich gesagt? Rhodan vermutet es auch gerade und will Dobrak fragen. Gleich wissen wir es.«

Karwanter wusste natürlich, dass es Telepathie und Gedankenübertragung gab, aber das echte Erlebnis war doch überwältigend für ihn. Gucky war in der Lage, die Gedanken eines jeden in der SOL zu empfangen und – wenn er das wollte – im Bruchteil einer Sekunde zu ihm zu teleportieren.

Als der Schirm des Interkoms aufleuchtete, sagte der Mausbiber: »Das ist die Orterzentrale. Sie wird bestätigen, was ich behauptete.«

Und genauso war es dann auch.

Als die Verbindung unterbrochen wurde, fragte Karwanter: »Darf ich mich erkundigen, warum ...?«

»Ich weiß schon, was Sie wissen wollen, Leutnant. Nein, es ist kein Zufall, dass ich hier bin. Aber es war Zufall, dass ich von der Revolte der Schulkinder erfuhr. Ich habe mich darum gekümmert, und es ist tatsächlich so, wie man vermutet: dieses Bera..., also dieses Ding hat Schuld. Vielleicht hören die hyperdimensionalen Einflüsse auf, wenn man es erst einmal richtig installiert hat, aber bis dahin ist mit Überraschungen zu rechnen.«

»Was habe ich mit den Schulkindern zu tun?«

»Törn!« Gucky rutschte aus dem Sessel und spazierte in dem Observatorium hin und her. »Er kennt mich nicht persönlich, aber ich ihn. Es gehört zu meinen Aufgaben, unauffällig über die junge Generation zu wachen. Dabei fiel mir Törn auf, und ich wurde so etwas wie sein Schutzengel. Dann trat die Veränderung ein, obwohl er sich schon immer gefragt hatte, ob die ›Alten‹ auf dem richtigen Kurs waren, wenn sie die Milchstraße suchten. Doch das taten seine Kameraden auch, also keine Besonderheit. Nun aber war er einer der Radikalsten, als es darum ging, sich selbst zu bestätigen. Frei von jeden Hemmungen reagierte er sich gründlich ab. Nun hockt er eingeschlossen in seinem Zimmer und fühlt sich ungerecht behandelt. Und vor der Tür sitzt eine gewisse Bilda Karwanter und macht sich Vorwürfe. Dabei hat sie recht getan, die Gute ...«

»Vielleicht sollte ich mich darum kümmern ...«

Gucky winkte ab.

»Keine Sorge, Leutnant ... ah, Sie heißen also Shake? Gut, das ist einfacher. Sie können mich Gucky nennen. Es ist meine Aufgabe, auf die Kinder zu achten, und das werde ich tun. Bleiben Sie hier, bis Ihr Dienst beendet ist. Ich bin sicher, wir sehen uns wieder. Und noch etwas: Ich mag Törn besonders gern, deshalb war ich bei Ihnen.«

Ehe Karwanter etwas erwidern konnte, entmaterialisierte der Mausbiber und verschwand.

*

Py und Olw, die beiden Spezialisten der Nacht, bestätigten Dobraks Vermutung, dass die Zgmahkonen durch geheimnisvolle Strahlungen des Beraghskolths auf die SOL aufmerksam wurden. Sie rieten übereinstimmend zum Abbruch des Einbaus, fanden jedoch zu ihrer Überraschung in dem Kelosker einen Gegner.

»Das wäre ein Fehler!«, behauptete Dobrak. »Die Hälfte der Arbeit ist beinahe geschafft, abgesehen von der fast unglaublichen Tatsache, dass es überhaupt gelang, das Gerät zu entführen. Wir müssten Narren sein, gäben wir so kurz vor dem Ziel auf.«

Rhodan war ganz seiner Meinung, auch wenn er Komplikationen befürchtete. Er wusste aber, dass er das Risiko eingehen musste. Und so wie die Dinge jetzt aussahen, war die Entdeckung unvermeidlich. Früher oder später musste es zum Zusammenstoß mit den Zgmahkonen kommen.

»Man sucht nicht nur uns, sondern auch dieses Schiff«, erinnerte Olw unbeirrt. »Ich kenne die Zgmahkonen, denn schließlich stamme ich, wie auch Py, von ihnen ab. Sie werden sich eine solche Chance nicht entgehen lassen.«

»Sicher nicht«, gab Dobrak zu. »Aber sollen wir deshalb aufgeben? Die Terraner werden es niemals tun ...«

»Richtig!«, bestätigte Rhodan entschlossen. »Ich bitte euch, jetzt weiterzumachen, meine Techniker helfen euch. Ich kümmere mich um die Nebenerscheinungen innerhalb der SOL und die Zgmahkonen.«

»Da wäre noch ein weiterer Aspekt, den wir nicht vergessen sollten«, sagte Olw, als Rhodan sich zum Gehen wandte. »Die sieben Nullbewahrer sind von Natur aus misstrauisch, sonst wäre ihr Leben nur sehr kurz. In den Schlafgrüften ruhen noch zehn Spezialisten der Nacht, vielleicht erwachten einige von ihnen. Unbewusst vielleicht warnten sie die Diktatoren, obwohl sie ihre Gegner sind. Sie haben mit Sicherheit die Ankunft des Beraghskolths bemerkt.«

Rhodan war stehengeblieben.

»Die anderen Spezialisten der Nacht ...?« Er nickte. »Das klingt wahrscheinlich. Wir werden nicht warten, bis sie uns verraten haben, ungewollt oder nicht. Dobrak, wie lange wird der Einbau dauern?«

Der Kelosker antwortete: »Nach terranischer Zeitrechnung nicht unter zwölf bis zwanzig Tagen – wenn keine Komplikationen auftreten. Aber ich fürchte, die haben wir ja schon.«

»Keine technischen, Dobrak.«

Rhodan verließ den Raum, in dem die Spezialisten arbeiteten, und kehrte in die Kommandozentrale zurück.

Seine Anweisungen kamen knapp und präzise.

Perry Rhodan 742: Rückkehr fraglich

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