Читать книгу Perry Rhodan 935: Mysterium des Weltalls - Clark Darlton - Страница 4

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1.

Die KARMA, das hundertfünfzig Meter lange, geschossförmige Raumschiff der Sceddors, bewegte sich mit Überlichtgeschwindigkeit durch den Leerraum zwischen zwei unbekannten Galaxien.

An Bord hielt sich kein Sceddor auf, sondern nur das Konzept Ellert/Ashdon und der Roboter Akrobath, der, in seiner Konzentration niemals nachlassend, die Kontrollen des Schiffes beobachtete.

Auch wenn sich kein Sceddor an Bord befand, so steuerten sie doch indirekt das Schiff. Die ursprüngliche Programmierung, von ihnen durch eine telepathische Kontaktschaltung eingespeichert, war wieder aktiviert worden. Es bestand die vage Hoffnung, dass diese Programmierung direkt zu ES führte. Der Unsterbliche hatte einen Notruf ausgeschickt, der von Ernst Ellert und Gorsty Ashdon aufgefangen worden war.

Die beiden Bewusstseine waren im Körper eines untersetzten Mannes gefangen und konnten ihn nicht problemlos verlassen. Sie hatten von EDEN II Abschied genommen, um ES Hilfe zu bringen.

Wo aber war ES?

Den einzigen dürftigen Hinweis hatten sie auf Sceddor erhalten, und mit ihm auch das Schiff. Da kein anderer Ausweg blieb, verließen sie sich nun wieder auf diese Programmierung und hofften, dass sie das Schiff zu ihrem ersehnten Ziel bringen würde.

Lange schon lag die Galaxis Ganuhr hinter ihnen, und auch die Galaxis Krähohl war nur noch ein verschwommener Lichtfleck hinter dem Heck der KARMA. Das automatisch gesteuerte Schiff raste einem unbekannten Ziel entgegen, von dem niemand wusste, ob es auch das richtige war.

Akrobath, der begabte Roboter mit dem Scheibenkörper und dem menschlichen Gesicht, hatte Fortschritte gemacht. Er beherrschte die Automatik der KARMA und kontrollierte sie nach seinem Willen. Seit einigen Tagen jedoch überließ er das Schiff seiner ursprünglichen Programmierung.

Das Bewusstsein Ernst Ellerts war erwacht, aber es hatte sich isoliert und damit völlig abgekapselt. Gorsty Ashdons Bewusstsein hingegen ruhte.

In solchen Perioden, in denen ein Bewusstsein »isoliert« war oder »ruhte«, gab es keinerlei Verbindung zu einem anderen Bewusstsein. Ellert hatte Sorgen. Nur zu gut entsann er sich noch der fast katastrophalen Folgen seiner »Aufladung« durch die geheimnisvolle Lichtquelle, die er in der Galaxis Krähohl erfahren hatte. Gegen seinen Willen hatte er den gemeinsamen menschlichen Körper verlassen müssen, um die Existenz des Bewusstseins Ashdon zu retten. Er hätte sonst Ashdon aus dem gemeinsamen Körper verdrängen müssen, was Ashdons energetisches Ende bedeutet hätte.

Die Wirkung der unerklärlichen Aufladung durch die Lichtquelle hatte inzwischen nachgelassen und war noch vor Verlassen der Galaxis Krähohl verschwunden.

Oder nicht?

Seit die KARMA durch den Leerraum flog, der die Sterneninseln trennte, war es Ellert, als ergriffe jemand, der nicht Ashdon sein konnte, von ihm Besitz. Zuerst war es nur wie ein zögerndes Tasten gewesen, das sich langsam und beharrlich vorarbeitete, als wolle es Kontakt aufnehmen. Aber auf Ellerts Anfragen gab es keine Antwort.

Dann wurde das Tasten und Sondieren stärker.

Ellert ahnte mehr, als er es wusste, dass dieses Tasten feindlicher Natur war. Es wollte etwas von ihm.

Aber was?

Ashdon gegenüber ließ er sich nichts anmerken. Das unterlegene Bewusstsein wäre nur verunsichert worden. Außerdem wollte Ellert erst wissen, wer da versuchte, Einfluss zu gewinnen – und was seine Absicht war.

Waren es vielleicht doch Nachwirkungen der Lichtquelle?

Das Schiff befand sich im Leerraum. Im Umkreis von Zehntausenden von Lichtjahren gab es keinen Stern, keinen Himmelskörper, der bewohnt sein konnte. Die einwandfrei funktionierenden Fernorter zeigten weder Materie noch energetische Ballungen an.

Ellert begann zu ahnen, dass die nun schon eine Million Lichtjahre zurückliegende Lichtquelle nicht vergessen werden durfte. Sie übte ihren Einfluss immer noch auf ihn aus – oder es war eine Art von posthypnotischem Einfluss, mit dem sie jetzt in diesem Augenblick nichts mehr direkt zu tun hatte.

Ein hypnotischer Einfluss auf ein bloßes Bewusstsein?

Das war mehr als unwahrscheinlich.

Oder doch nicht?

Wieder verspürte Ellert das vorsichtige Tasten, und wenn er sich nicht irrte, war es inzwischen drängender geworden. So als würde es selbst stärker, intensiver. Vielleicht realisierte es den geringen Widerstand, der ihm entgegengesetzt wurde, und verdoppelte daher seine Anstrengungen.

In diesem Moment bedauerte Ellert, nicht mit Akrobath in Verbindung treten zu können, ohne dass Ashdon an dieser Verbindung teilnahm. Er wollte die neue Bedrohung – falls es eine war – vor seinem Freund geheim halten. Er wollte ihn nicht beunruhigen.

Akrobath müsste die Fernorter noch intensiver einsetzen, denn es bestand durchaus die Möglichkeit, dass es auch im Vakuum ein energetisches Lebewesen gab, dessen Existenz als unwahrscheinlich galt, wenn man normale Normen setzte. Ein solches Wesen war durchaus in der Lage oder konnte es sein, Einfluss auf andere energetische Lebensformen zu nehmen. Und Ellert/Ashdon waren eine solche Lebensform, auch wenn sie einen humanoiden Körper besaßen.

Der Gedanke beruhigte und faszinierte Ellert gleichermaßen.

Zumindest lenkte er von der Lichtquelle ab, gegen die es keinen Widerstand gab, wie die Erfahrung bewiesen hatte.

Der Mann, der die beiden Bewusstseine beherbergte, erwachte.

Im gleichen Augenblick lösten sowohl Ellert wie auch Ashdon ihren abschirmenden Mentalblock auf, um Kontakt aufnehmen zu können.

»Nun ist er ausgeruht, Ernst. Und er verspürt Hunger.«

»Er hat seit Stunden nichts gegessen.«

Bei der Zwischenlandung auf dem Planeten Scharzo in der Galaxis Krähohl war es Ellert/Ashdon gelungen, friedlichen Kontakt zu der Bevölkerung aufzunehmen. Die KARMA war durch Leitungsschaden manövrierunfähig geworden und konnte dank der Hilfe der Scharzanen und des Geschickes von Akrobath wieder instand gesetzt werden. Bei dieser Gelegenheit war auch die kärgliche Einrichtung des Robotschiffes vervollständigt worden.

So kam es, dass Ellert/Ashdon sich bequem an einen gedeckten Tisch setzen konnte und nicht stehend essen musste.

»Richtig gemütlich«, stellte Ashdon fest. »So lässt es sich aushalten. Wenigstens für eine Weile«, fügte er schnell hinzu.

In der Zentrale musste Akrobath bemerkt haben, dass der organische Körper erwacht war, denn er kam durch den Gang in die Kabine geschwebt, deren Tür nicht verschlossen war. Sanft landete er auf dem Boden.

»Wie ich sehe, muss wieder Energie getankt werden«, stellte er fest. Bei jeder passenden oder auch unpassenden Gelegenheit liebte er es, die Vorteile seiner rein mechanischen Existenz hervorzuheben. »Der Mensch ist ein bedauernswertes Wesen. Es ist von so vielen Dingen abhängig, ob es die nächsten Stunden noch erlebt oder nicht.«

»Ein richtig geführter Schlag mit dem Vorschlaghammer verwandelt dich in einen Haufen Schrott«, konterte Ashdon, der es nicht lassen konnte, sich mit Akrobath zu streiten. »Das solltest du dir endlich merken.«

»Aha, das ist der kämpferische Geist von Ashdon«, erkannte der Roboter. »Aber vergiss nicht, dass es auch Probleme gibt, die sich ohne Gewalt lösen lassen.«

Ellert wusste, dass sich nun ein schier endloses Gespräch entwickeln würde, wenn er nicht angriff.

»Wo steht die KARMA jetzt, Akrobath? Wie lange noch bis zur nächsten Galaxis?«

»Drei Tage«, gab der Roboter Auskunft. »Dann erreichen wir den Rand und müssen die Geschwindigkeit herabsetzen.«

Der geheimnisvolle Antrieb des Schiffes kannte keine Transitionen oder gar den Flug durch den Linearraum. Die KARMA überschritt ganz einfach die Geschwindigkeit des Lichtes in ungeheuerlichem Ausmaß, wobei wegen des Fehlens eines temporalen Bezugspunkts die Frage offen blieb, ob eine Zeitverschiebung stattfand oder nicht.

Es war Ellert nicht gelungen, anhand seiner Erinnerungen festzustellen, um welche Galaxis es sich handelte, der sich das Schiff nun näherte. Aber das spielte auch keine Rolle. Sein Ziel war es, den Unsterblichen zu finden, und das nicht nur, um ihm zu helfen, sondern um auch endlich wieder Kontakt zu den Terranern zu erhalten.

Was war alles geschehen, seit die Erde wieder ins Solsystem zurückgekehrt war?

»Ich bin in der Zentrale«, sagte schließlich der Roboter, als ihm das lange Schweigen zuviel wurde.

»Wir kommen dann auch«, versprach Ellert. Er wartete, bis Akrobath im Gang verschwunden war, ehe er leiser fortfuhr: »Ich fürchte, Gorsty, wir haben bald ein neues Problem, aber ich bin mir noch nicht sicher. Vorher möchte ich nicht gern darüber spekulieren.«

Die beiden Bewusstseine konnten sich auch lautlos unterhalten, wenn die Lage es erforderte, aber meist sprachen sie durch den Mund ihres gemeinsamen Körpers. Schon deshalb, damit dessen Stimmbänder nicht einrosteten, wie Ashdon sich ausdrückte.

»Ich habe bereits gemerkt, dass dich etwas bedrückt«, gab er jetzt zu. »Aber ich wollte dich nicht fragen.«

»Vielleicht ist es auch nichts«, hoffte Ellert und ließ den Mann aufstehen. »Mal sehen, was der Roboter macht.«

Akrobath machte bereitwillig Platz und überließ dem Konzept den Kontrollsessel. Er ließ sich nebenan auf dem schmalen Konsolentisch nieder.

Der große Bildschirm war in Flugrichtung aktiviert. In seiner Mitte war der milchige Fleck größer geworden, aber noch immer unendlich weit entfernt. Bis auf winzige Lichtpunkte, die ferne Welteninseln darstellten, war der Raum leer.

»Keine Ortungen?«, vergewisserte sich Ellert. »Energie oder Materie?«

»Materie schon gar nicht«, sagte Akrobath überlegen. »Von zwei oder drei Atomen alle paar Kilometer abgesehen. Bei unserer hohen Geschwindigkeit prasseln sie allerdings ganz schön gegen den Schutzschirm. Und was die Energieortung angeht – nun ja, die ist natürlich positiv, aber nicht neu.«

»Du meinst die magnetischen Kraftfelder?«

»Richtig, die meine ich. Aber du meintest natürlich etwas anderes, nehme ich an. Hättest du sonst danach gefragt?«

»Du hast recht wie immer«, gab Ellert zu. »Ich dachte an ungewöhnliche Energieballungen oder etwas Ähnliches. Eben etwas Unbekanntes.«

»Negativ«, bestätigte Akrobath seine ursprüngliche Aussage.

»Warum fragst du eigentlich?«, wollte Ashdon wissen.

»Es war nur so eine Vermutung, die auch falsch sein kann«, wich Ellert aus.

Er wollte noch warten, ehe er sich Ashdon offenbarte.

*

Der Mann ruhte auf seinem Lager. Ashdon hatte sich abgekapselt, und auch Ellert bemühte sich, seinen Mentalblock stabil zu halten. Aber er fühlte den fremden Einfluss wieder, stärker als bisher.

Es war in der Tat der Hypnose nicht unähnlich, aber im Umkreis von Hunderttausenden von Lichtjahren gab es niemand, der ihn hätte hypnotisieren können. Es musste eine Nachwirkung der Lichtquelle und ihrer geheimnisvollen Strahlung sein, die sich nun wieder bemerkbar machte.

Aber nichts drängte ihn, den Körper zu verlassen, wie es schon einmal geschehen war. Ganz im Gegenteil: Er sollte den Körper nicht verlassen!

Der Befehl war eindeutig und klar.

Der Schock trat erst ein, als Ellert einen zweiten Befehlsimpuls auffing, der ebenfalls unmissverständlich war.

Er lautete: Eliminiere das Bewusstsein Ashdon!

Der Befehl war so ungeheuerlich, dass Ellerts Abschirmblock augenblicklich zusammenbrach, weil keine Konzentration mehr vorhanden war. Ashdon kam sofort aus seiner Isolierung.

»Was ist los, Ellert? Ich habe deinen Schock gespürt. Ist etwas geschehen?«

»Es ist ... es ist mir unerklärlich, Gorsty, mein Freund. Aber ich kann nichts dagegen tun. Ich empfange Befehle von irgendwoher, vielleicht eine posthypnotische Beeinflussung der Lichtquelle. Die Befehle sind mit einem Zwang verbunden, sie auszuführen ... mit dem Zwang, dich zu eliminieren.«

»Mich zu eliminieren? Wer sollte ein Interesse daran haben?«

»Keine Ahnung. Aber beruhige dich: noch kann ich dem Drang widerstehen, diesen furchtbaren Befehl auszuführen. Außerdem: wie sollte ich es bewerkstelligen, dein Bewusstsein zu töten?«

Ashdons Bewusstsein blieb an der Schwelle zur völligen Isolation, um sich bei einem Anzeichen von Gefahr sofort zurückziehen zu können. Sie schien ihm das einzige Mittel zu sein, einer eventuellen Katastrophe zu entgehen, wenn auch nur für eine gewisse Zeit. Dann würde das stärkere Bewusstsein Ellerts den Block sprengen und sein Vorhaben durchführen, ob er wollte oder nicht.

»Du würdest es tun können«, befürchtete Ashdon. »Was sollen wir nun unternehmen? Warten?«

Ellert selbst, aufs äußerste bestürzt über das unheimliche Drängen in seinem Bewusstsein, suchte verzweifelt nach einem Ausweg aus dem Dilemma. Wieviel Zeit blieb ihm noch? Das schien ihm die primäre Frage zu sein. War das Drängen aus dem Unbekannten stärker als sein rational denkender Verstand? Würde es auch dann noch wirksam bleiben, wenn er versuchte, den gemeinsamen Körper zu verlassen?

Er wusste, welches Risiko dieser Versuch bedeutete. Gut, es war einmal gelungen, als auf Scharzo ähnliche Bedingungen entstanden. Er hatte körperlos die Nähe der Lichtquelle aufgesucht und war dann wieder in den Körper zurückgekehrt.

Würde es noch einmal gelingen?

»Noch warten wir«, beantwortete er endlich Ashdons Frage. »Erst dann, wenn keine andere Wahl mehr bleibt, werde ich unseren Körper verlassen. Es besteht die Möglichkeit, dass damit auch der fremde Einfluss verschwindet. Ich frage mich nur, warum passiert es erst jetzt, wo wir uns doch mit jeder Sekunde um Lichtstunden von der Lichtquelle entfernen? Das ist unerklärlich und sogar unlogisch.«

»Vielleicht ist es etwas ganz anderes«, vermutete Ashdon. »Wenn es stärker wird, könnte man daraus schließen, dass wir uns ihm nähern, statt dass wir uns entfernen. Es kann also in der Galaxis vor uns sein.«

»Was auch immer – es ist gefährlich. Und es wird schlimmer.«

»Kann ich mich wehren?«

»Sicher, aber nicht lange.«

»Was ist mit Akrobath, Ernst? Ob er helfen kann?«

»Akrobath ist ein technisches und mathematisches Genie, sehr praktisch veranlagt und hilfsbereit. Aber von der Problematik, mit der wir es jetzt zu tun haben, versteht er nichts.«

»Bist du sicher?«

»Nein, aber ich nehme es an.«

»Dann frage ihn doch!«

»Nein, noch nicht. Ich will ihn nicht beunruhigen. Wir müssen versuchen, allein mit dieser furchtbaren Bedrohung fertig zu werden.«

Lange Zeit schwieg Ashdon, jederzeit bereit, sich total zurückzuziehen, wobei er nicht wusste, ob es viel nützen würde. Er wartete auf Ellerts Angriff, aber der kam nicht. Dafür sagte er: »Hör zu, Gorsty, es wird immer stärker. Ich kann dem Drang bald nicht mehr widerstehen, und dann muss ich versuchen, dich zu eliminieren, ob ich will oder nicht. Zieh dich jetzt zurück. Ich werde unseren Körper verlassen, aber in der Nähe bleiben. Akrobath muss vorerst nicht informiert werden. Ich kehre zurück, sobald die Gefahr vorüber ist.«

»Ich war schon einmal allein«, erinnerte Ashdon. »Und es war nicht gut.«

»Du hast Akrobath, unseren Freund. Vielleicht ist alles nur eine vorübergehende Erscheinung. Ich verlasse dich ungern, aber es muss sein. Oder ist es dir lieber, wenn ich dich gegen meinen Willen töte? Dabei ist mir nicht klar, wie man ein Bewusstsein töten kann ...«

»Ich ahne es«, gab Ashdon zu. »Ich spüre, wie energetische Impulse von dir zu mir kommen. Sie sind drohend und drängen mich zurück. Aber wohin ...?«

»Schirm dich ab!«, riet Ellert. »Schnell!«

Er spürte, dass er nun dem immer stärker werdenden Drang nicht mehr länger widerstehen konnte, ohne eine Katastrophe heraufzubeschwören. Er war verloren, wenn er nicht sofort den Versuch unternahm, Ashdons schwächeres Bewusstsein zu eliminieren – wie auch immer.

Mit äußerster Anstrengung wehrte er das Drängen ab und konzentrierte sich darauf, den Körper zu verlassen. Ganz früher, so entsann er sich immer wieder, war das ein Kinderspiel gewesen. Er wollte es einfach, und es geschah. Körperlos durcheilte er das Universum.

Die ungeheure Konzentration nahm alle Energien in Anspruch, die ihm zur Verfügung standen. Aber die Drangimpulse flossen jetzt an ihm vorbei wie der Strom an einer Klippe.

Und dann musste Ellert erkennen, dass er sich vergeblich bemühte und seine Energien verschwendete. Das Drängen wurde wieder stärker, ohne dass er den Körper verlassen konnte. Er klebte förmlich an ihm fest.

... und er musste Ashdons Bewusstsein eliminieren!

Sofort!

»Ashdon! Gorsty! Wehre dich! Ich muss dich töten!«

In der Kabinentür erschien Akrobath.

»Was ist denn das nun wieder für ein dummes Spiel? Euch ist wohl langweilig, was? Dem kann abgeholfen werden. In Richtung der Trennwand zum Antriebsteil liegt eine Menge Dreck herum, und ...«

»Akrobath!«, rief Ellert verzweifelt, da Ashdon in Isolation blieb. »Hör auf damit! Hilf uns lieber! Wir sind in Gefahr!«

Akrobath kam herbeigeschwebt und landete dicht neben dem Lager.

»Gefahr? Ich sehe keine Gefahr! Die Instrumente und ...«

»Ich bin die Gefahr!«

Da der Roboter über einen Emotionssektor verfügte, weil man ihn ursprünglich für andere Zwecke konstruiert hatte, schwieg er völlig fassungslos. Ellert nutzte die Gelegenheit, ihm das Vorgefallene zu erklären und schloss: »Der Versuch, den Körper vorübergehend zu verlassen, ist fehlgeschlagen. Du bist meine letzte Hoffnung! Was sollen wir tun?«

Die Antwort kam sofort in Form einer Gegenfrage: »Wenn sich zwei organische Lebewesen, meinetwegen Menschen, auf den Tod bekämpfen, und sie beide in einem Käfig eingesperrt sind und nicht herauskönnen, was würde man dann tun, wenn man ihr Leben erhalten möchte?«

»Entweder würde man einen von ihnen herauslassen ...«

»Gut, aber in deinem Fall geht das ja nicht. Der Käfig ist auch von außen verschlossen.«

Ellert nickte zustimmend.

»Na schön, ich nehme an, man würde die beiden Menschen betäuben, also kampfunfähig machen.«

»Sehr richtig! Du bist enorm klug, Ellert. Sieh mich nicht so fragend an! Habe ich dir nicht eben die Antwort auf dein Problem gegeben?«

»Wieso denn? Wie willst du Bewusstseine betäuben? Ein Bewusstsein ohne Bewusstsein ist tot!«

»Unsinn!«

Nach längerem Nachdenken glaubte Ellert, die Lösung gefunden zu haben. Wenigstens eine Lösung, die eine unmittelbare Gefahr für die Existenz Ashdons abwehrte. Allerdings nur für einen bestimmten Zeitraum.

»Hör zu, Akrobath, du hast mich auf eine Idee gebracht, die zumindest einen Aufschub verspricht. Ich werde dir nun genau erklären, was du tun musst, aber vergiss nicht die Verantwortung, die ich dir damit übertrage. Du wirst praktisch der alleinige Kommandant der KARMA.«

»Das war ich eigentlich schon immer«, meinte Akrobath.

»Du musst sofort unseren Körper paralysieren, und zwar tief und intensiv genug, dass auch unsere Bewusstseine von dieser Paralyse ergriffen werden. Ich weiß nicht, wie und ob das möglich ist, aber du musst es unter allen Umständen versuchen. Eine körperliche Lähmung allein genügt nicht, denn mein Bewusstsein würde weiterhin versuchen, jenes von Ashdon zu eliminieren. Es muss also eine völlige Bewusstseinsausschaltung vorgenommen werden. Sie darf erst dann wieder aufgehoben werden, wenn die Gefahr vorüber ist. Aus diesem Grund musst du ständig darüber wachen, dass die Ohnmacht stabil bleibt. Nutze die Zeit, eine Lösung zu finden. Bemühe dich darum, es hängt alles davon ab. Sollte es dir nicht gelingen, so musst du versuchen, Kontakt zu hochintelligenten Lebewesen herzustellen, und sollte es Jahrzehnte dauern.«

»Das überlebt euer Körper niemals ...«

»Die Lebenserhaltungsanlage funktioniert, wie wir seit Scharzo wissen. Aktiviere sie und schließe den Mann an. Zur Kontrolle stelle auch noch eine Verbindung zur Mentalmessanlage her. Damit lässt sich unser Zustand überprüfen, und jede Veränderung wird registriert. Hast du alles verstanden?«

»Ich denke schon, Ellert, aber es ist riskant.«

»Nicht riskanter, als würden wir nichts unternehmen.«

Akrobath verzichtete auf weitere Einwände und begann mit der Arbeit. Ellert/Ashdon konnte in der Kabine bleiben, denn die Leitungen der beiden Anlagen reichten aus. Mit Hilfe eines Schockstrahlers der Sceddors paralysierte der Roboter den Mann und schließlich auch die beiden Bewusstseine, bei denen man allerdings nicht von einer regulären Ohnmacht sprechen konnte. Praktisch wurden sie lediglich gezwungen, sich in eine absolute Isolation zurückzuziehen, die sie nicht durchbrechen konnten.

Im ersten Augenblick war Ellert der Meinung, dass der Plan misslungen war, denn der Drang, Ashdon anzugreifen, war nicht verschwunden. Dann aber wurde ihm klar, dass er nichts unternehmen konnte, da er selbst, wie Ashdon auch, ein Gefangener des gewaltsam von außen stabilisierten Abwehrblocks war. Allerdings war er außerdem noch blind, denn die Augen des paralysierten Mannes hatten sich fest geschlossen.

Akrobath schloss die Geräte an, kontrollierte die mentale Messanlage und war mit dem Ergebnis zufrieden. Sobald ein Nachlassen der Paralyse eintrat, würde ein Summzeichen ertönen. Dann war es Zeit, die Lähmung zu erneuern.

Mit sich, aber nicht mit der Situation zufrieden, kehrte der Roboter in die Zentrale zurück.

Ganz anders, als er es sich immer vorgestellt hatte, war sein Wunschtraum in Erfüllung gegangen, einmal der wirkliche Kommandant eines Raumschiffes zu sein.

Nun war er es, aber seine ganze Besatzung bestand aus einer lebenden Leiche, die zwei aktionsunfähige Bewusstseine beherbergte.

Akrobath fühlte sich auf einmal sehr einsam.

*

Drei Tage lang versuchte der Roboter, eine Lösung des Problems zu finden. Im wahrsten Sinne des Wortes kramte er die äußersten Ecken seines Erinnerungsspeichers aus, der mit allen nur erdenklichen Erfahrungswerten vollgestopft war. Er war ganz allein auf sich und auf die gespeicherten Daten angewiesen, denn er konnte weder Ellert noch Ashdon um Rat fragen.

Er recherchierte vergebens.

Zwischendurch musste er immer wieder die Anlagen kontrollieren, von denen das Leben des Mannes und auch die Existenz der Bewusstseine abhing. Zum Glück traten keine Komplikationen auf.

Schließlich gab Akrobath es auf, selbst eine Lösung finden zu wollen, obwohl er sich diesen Triumph gern gegönnt hätte. Er konzentrierte sich auf das, was Ellert ihm geraten hatte: Kontakt zu Intelligenzen, die vielleicht helfen konnten.

Es war so gut wie unwahrscheinlich, dass ihm das in absehbarer Zeit gelingen würde. Vor ihm lag eine unbekannte Galaxis, in der es vielleicht tausende hochintelligenter Völker gab und zehntausend technische Zivilisationen, aber wie sollte er sie finden? Jeder Kontaktversuch war mit Gefahren verbunden. Das geringste Missverständnis konnte die Vernichtung bedeuten.

Als sich die KARMA dem äußeren Rand der fremden Galaxis näherte, drosselte Akrobath die Geschwindigkeit des Schiffes. Auf dem Bildschirm zogen in einiger Entfernung die ersten Sterne vorbei. Es waren einsame Sonnen, die sich vielleicht in Millionen von Jahren aus dem Gravitationsbereich ihrer Galaxis lösen würden, um die weite Reise durch den Leerraum anzutreten. Bis sie die benachbarte Welteninsel erreichten, würden Jahrmilliarden vergehen.

Akrobath blieb bei Überlichtgeschwindigkeit, aber Fernorter und Massetaster arbeiteten ununterbrochen und zauberten die erhaltenen Werte auf die Minischirme.

Diesen Werten nach zu urteilen, gab es im Umkreis von Hunderten von Lichtjahren weder organisches Leben noch technische Zivilisationen.

»In sternenarmen Randzonen ist das fast immer so«, tröstete sich der Roboter. »Es wäre das, was Ellert ein Wunder nennt, wenn ich gleich Erfolg hätte.«

In den letzten beiden Tagen hatte sich Akrobath die Selbstgespräche angewöhnt, er fühlte sich dann nicht mehr so einsam.

Die KARMA bewegte sich, wie gesagt, noch immer mit einer Geschwindigkeit fort, die hoch über der des Lichtes lag. Das Geheimnis des Sceddor-Antriebs hatte Akrobath von Anfang an interessiert, aber es war ihm nicht gelungen, es auch nur annähernd zu lösen. Vergeblich hatte er auch versucht, durch die stählerne Trennwand in den eigentlichen Antriebsteil des Schiffes zu gelangen, der im Heck lag. Aber er kannte sich wenigstens mit den Kontrollen der KARMA aus und beherrschte sie einwandfrei. Der ehemalige »Kundschafter« der Sceddors gehorchte ihm.

Zwei Tage später rückten die Sterne näher zusammen, ohne dass die Fluggeschwindigkeit herabgesetzt werden musste. Akrobath gönnte sich keine Erholungspause, weil sie für ihn überflüssig war. Alle paar Stunden überzeugte er sich davon, dass die Lebenserhaltungsanlage an die er Ellert/Ashdon angeschlossen hatte, einwandfrei funktionierte und der Mann in tiefer Bewusstlosigkeit auf seinem Lager ruhte.

Als er wieder einmal von seinem Kontrollgang in die Zentrale zurückkehrte, galt sein erster Blick – wie immer – den Bildschirmen der Fernorter und Massetaster, die über viele hundert Lichtjahre hinweg ihre Daten einholten.

Die bisher negativen Anzeigen hatten sich verändert.

Akrobath speiste die erhaltenen Daten in den Auswertungscomputer und wartete ungeduldig auf das Resultat. Als er es erhielt, wusste er nicht, ob seine Hoffnungen sich erfüllt hatten oder nicht.

Ein Stern in Flugrichtung, noch mehr als acht Lichtjahre entfernt, besaß zumindest einen bewohnten Planeten. Die Automatik lieferte den Beweis für organische Lebensform, ohne allerdings nähere Angaben über ihren Entwicklungsstand machen zu können. Die Frage, ob es sich um eine primitive Form oder um eine technische Zivilisation handelte, blieb vorerst unbeantwortet.

Akrobath entschloss sich, den Planeten näher in Augenschein zu nehmen, auch wenn dabei vielleicht kostbare Zeit verloren ging.

Erst als der Zielstern zu einer flammenden Sonne geworden war, verringerte er die Fluggeschwindigkeit. Der vierte Planet war es, den er untersuchen musste. Alle anderen waren unbewohnt.

Mit Unterlicht drang er in das System ein, bei einem Anzeichen von Gefahr blitzschnell bereit, die Flucht anzutreten. Die KARMA war schließlich so gut wie unbewaffnet.

Die Daten ließen allerdings auf keine Gefahr schließen.

In großer Entfernung schleuste er das Schiff in eine stabile Umlaufbahn und widmete sich völlig der Aufgabe des Beobachtens. Mit der optischen Vergrößerung holte er die Oberfläche der unbekannten Welt so weit wie möglich heran, bis er jede Einzelheit erkennen konnte. Gleichzeitig erfuhr er durch die Fernorter, dass sich Metallansammlungen auf dem Planeten befanden, die kaum natürlichen Ursprungs sein konnten.

Das bedeutete zumindest, dass die Bewohner das Stadium der Metallbearbeitung erreicht hatten.

»Das genügt kaum für meine Zwecke«, murmelte Akrobath enttäuscht. »Was ich jetzt brauche, sind Wesen, die sich bereits in einer Phase der Vergeistigung befinden, wie sie meist nach dem Stadium der Überzivilisation eintritt. Aber es kann ja sein, dass in diesem Fall die Erzansammlungen ein Relikt sind.«

Auch das hatte es schon gegeben, entnahm er seinem Erinnerungsspeicher. Welten, auf denen hochintelligente Lebewesen dem Fortschritt der Zivilisation und der Technik entsagt hatten, um sich nur noch der Meditation zu widmen. Ihr Ziel war es, die Geheimnisse des Universums und des Lebens zu ergründen, und wenn sie dieses Ziel auch nicht erreichten, so war doch innere Zufriedenheit ihr Lohn gewesen. Der entscheidende Faktor aber war, dass sie mehr wussten als andere.

Akrobath wurde durch ein Alarmsignal aufgeschreckt. Ein Blick auf den Massetaster informierte ihn, dass sich der KARMA ein metallisches Objekt näherte, und zwar mit ziemlich hoher Geschwindigkeit.

Sein erster Gedanke war, dass die Unbekannten ihm ein Raumschiff entgegenschickten, um seine Identität festzustellen. Das wäre ein logisches Unterfangen, und nach den Gesetzen des Weltraums war er verpflichtet, sich zu identifizieren.

Das Objekt geriet nach einiger Manipulation auf den Hauptschirm.

Akrobath erschrak zum zweiten Mal und verfluchte insgeheim die Tatsache, dass man ihm menschliche Gefühle einprogrammiert hatte.

Das Objekt hatte die Form eines überschlanken Zylinders mit abgestumpfter Spitze. Es war etwa zehn Meter lang, also niemals ein bemanntes Raumschiff. Außerdem begann eins der Instrumente in den Konsolen der KARMA wie wild zu ticken.

Radioaktivität!

In den nun folgenden Sekunden handelte Akrobath absolut automatisch. Es gab keine Verzögerung, die messbar gewesen wäre.

Die KARMA beschleunigte mit ungeheuerlichen Werten und schoss aus der Kreisbahn hinaus. Auf dem Bildschirm war zu sehen, dass auch das atomare Geschoss seinen Kurs änderte und dem fliehenden Schiff folgte, aber es blieb zurück.

»Freundlicher Empfang«, murmelte Akrobath, ohne seine stoische Ruhe zu verlieren. »Entweder haben sie schlechte Erfahrungen gemacht, oder sie sind einfach böse von Natur aus. In beiden Fällen ist von ihnen keine Antwort auf meine Fragen zu erwarten ...«

Er steuerte einen dahinziehenden Asteroiden an und raste dicht an ihm vorbei in den freien Raum hinaus. Dann wartete er gespannt.

Seine Berechnungen waren, wie immer, exakt gewesen.

Der Atomtorpedo mit der automatischen Zielautomatik war der KARMA gefolgt, die er jedoch allmählich wegen der zu groß gewordenen Entfernung verlor. Sie war dem Tastbereich entkommen.

Aber dann erfasste die Automatik das neue Ziel und steuerte es direkt an. Mit voller Wucht traf das Geschoss den kleinen Weltkörper und detonierte.

Akrobath versuchte nicht, seine Schadenfreude zu unterdrücken. Sie entschädigte ihn ein wenig für die erlittene Enttäuschung.

Die KARMA nahm wieder Geschwindigkeit auf und ging auf Überlicht.

Mit Ellert/Ashdon war alles in bester Ordnung, soweit sich das beurteilen ließ.

*

Zwei Tage lang geschah nichts von Bedeutung.

Die KARMA drang immer weiter in die namenlose Galaxis ein. Der durchschnittliche Abstand der Sterne voneinander schrumpfte auf zwei bis drei Lichtjahre. Einmal zeigten die Instrumente noch organisches Leben an, aber Akrobaths vorsichtige Nahuntersuchung entpuppte sich erneut als Fehlschlag. Der Bildschirm zeigte in der Vergrößerung nur unübersehbare Urwälder und vereinzelte Lichtungen, auf denen sich unförmige Ungeheuer langsam fortbewegten.

»Immer noch besser als Atomraketen«, sagte sich der Roboter und setzte den Flug ins Ungewisse fort.

Ellerts eingeschlossenes und daher in gewissem Sinn paralysiertes Bewusstsein wusste von alledem nichts. Die Augen des Mannes konnten nichts sehen, seine Ohren nichts hören.

Zum ersten Mal seit langer Zeit vermisste er den Kontakt mit Ashdon. Was er bisher als Ruhepause betrachtet hatte, wurde nun zur Qual. Für ihn wie auch für Ashdon musste es so sein, als existiere der andere nicht mehr. Es war jedoch die einzige Möglichkeit, die Katastrophe der Elimination zu verhindern.

Es störte ihn gewaltig, dass er nicht wusste, was »draußen« geschah. Er hatte nicht die geringste Ahnung von dem, was Akrobath unternahm und ob er Erfolg haben würde. Er existierte als energetische Einheit in ständiger Finsternis – in einem grauenhaft engen Gefängnis.

Sein Dasein war zeitlos geworden, aber in einem anderen Sinn als früher, als er noch körperlos das Universum durchstreifte. Wenn es auch meist der Zufall gewesen war, der ihn den Gesetzen der jeweiligen Zeitebenen unterwarf, so war er doch immer in der Lage gewesen, in die terranische Gegenwart zurückzukehren.

Doch jetzt schien es überhaupt keine Zeit mehr zu geben.

Vergingen Stunden, Tage, Jahre oder Jahrtausende?

Er wusste auch nicht, welche Lebensdauer man dem Roboter Akrobath zugedacht hatte. Würde sie ausreichen, die Rettungsaktion zu organisieren?

Dabei ging es nicht einmal um ihn, Ellert, selbst. Es ging um die Existenz des Bewusstseins Gorsty Ashdon, der ihm von ES einst als Partner zugeteilt worden war. Aber nicht nur deshalb war Ellert gewillt, ihm zu helfen. Er hatte das noch junge Bewusstsein schätzen gelernt. Ashdon war sein Freund geworden.

Ellert begann sich in Erinnerungen zu flüchten, als er plötzlich glaubte, Impulse empfangen zu können.

Es waren aber keine Befehle, Ashdon zu eliminieren.

Es waren völlig fremde Impulse, und mit ihnen kam der erste Lichtschimmer ...

Perry Rhodan 935: Mysterium des Weltalls

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