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Guter Rat ist nicht teuer

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Jan Heinrich Klaaspedder trottete in Gedanken versunken durch die Gassen des Dorfes. Er schien mit irgendetwas nicht zufrieden zu sein. Missmutig stieß er mit dem Fuß nach einem Stein und kickte ihn mit der Schuhspitze ins Gebüsch. Mit einem schmerzvollen »Miauuuuuh!« flüchtete eine Katze aus dem Gestrüpp, die zufällig in der Flugrichtung des Kiesels vor einem Mauseloch auf Beute gelauert hatte.

»Falsch«, murmelte Klaaspedder. »Alles, was ich mache, ist falsch! Anstatt froh zu sein, dass so viele Leute in den Gottesdienst kommen, gebe ich mir alle erdenkliche Mühe, die auch noch zu vergraulen.«

Es waren heute nicht allzu viele gewesen, die ihm nach dem Gottesdienst am Kirchenportal freudig lächelnd die Hand zum Abschied gegeben hatten. Einige hatten ziemlich zerknirscht dreingeblickt, andere hatten es nicht gewagt, ihrem Seelsorger gerade in die Augen zu schauen und versucht, ihm auszuweichen. Verflixter Ehrgeiz! Warum lag ihm nur so viel daran, gerade den Einen in die Kirche zu bekommen, der sich so standhaft weigerte. Sollte ihm nicht vielmehr daran liegen, die vielen, die kamen, auch zu halten und ihnen das zu geben, was sie von ihrem Seelsorger erwarten durften? Stattdessen verprellte er sie durch seinen ungerechten Zorn auf den Einen. Warum lag ihm nur so viel an Peter Petersen? Vor Klaaspedders Augen entstand das Bild einer jungen Frau, und dem Pastor entrang sich ein Seufzer. Hing es in Wahrheit doch mehr mit dessen Tochter Katrin zusammen, bei deren Anblick ihm das Herz bis zum Halse schlug? War es nicht vielmehr so, dass er Angst davor hatte, die Gemeinde könne über ihn reden, wenn er um die Tochter des Mannes anhielt, der seit Jahrzehnten nicht mehr in der Kirche beim Gottesdienst war?

Seine Gedanken fingen an, um Katrin Petersen und ihren Vater zu kreisen. Rein mechanisch setzte er einen Fuß vor den anderen. Leise knirschte der Kies unter seinen Schuhen und als er aufschaute, fand er sich vor Petersens Haustür. Ungläubig schaute er sich um, denn eigentlich hatte er gar nicht vorgehabt, Petersen zu besuchen. Es war ihm unverständlich, wieso seine Füße ihn hierher getragen hatten. Was sollte das? Was hatte er hier verloren? Er wandte sich zum Gehen, als er plötzlich Katrins Stimme sagen hörte:

»Guten Abend, Herr Pastor! Das ist aber mal eine nette Idee, uns zu besuchen.«

Verwirrt blickte Klaaspedder auf und kam sich vor wie ein ertappter Hühnerdieb. Das Blut schoss ihm in die Wangen, und im Stillen dankte er Gott dafür, dass es schon so dunkel war. So konnte Katrin das nicht mehr bemerken.

Petersens Tochter war gerade um die Hausecke gebogen, als der junge Pastor sich zum Gehen wandte. Sie setzte sich auf die Bank neben der Haustür und deutete einladend auf den freien Platz neben sich. Klaaspedders Herz machte einen Luftsprung. Es war ihm mittlerweile schnurzpiepegal, wie er so plötzlich hier hergekommen war. Hauptsache, dass Katrin ihm wegen der Predigt nicht böse war. Und im Augenblick schien es so, als wäre sie es nicht.

»Tja, äh, eigentlich..., ähem!«

Er musste sich räuspern, denn eigenartigerweise verspürte er plötzlich einen dicken Frosch im Hals. Er trat verlegen von einem Fuß auf den anderen, wagte jedoch nicht, Katrins Einladung zu folgen.

»Guten Abend, Fräulein Petersen«, brachte er schließlich mühsam hervor. »Ja, also, äh, Ihr Vater ist wohl nicht daheim?«

»Oh, das tut mir leid, Herr Pastor! Nein, er ist nicht da. Wissen Sie, heute ist Aalwetter, da halten ihn keine zehn Pferde im Haus!«

»Soso, der Aal, ja, na ja, da kann man wohl halt nichts machen«, murmelte Klaaspedder.

»Darf ich fragen, Herr Pastor, was Sie von meinem Vater wollten?«

Trine lächelte den Geistlichen schmelzend an, und Klaaspedder fühlte sein Herz nun nicht mehr nur im Hals, sondern auch in der entgegengesetzten Richtung schlagen. Mit einem Stoßgebet bat er den Himmel um eine gute Ausrede, und sein Arbeitgeber hatte ein Einsehen mit dem armen, verliebten Mann.

»Tja, Katrin, äh – Fräulein Petersen. Och, eigentlich nichts so sehr wichtiges. Ich wollte, äh..., ja genau...! Ich wollte mich bei ihm für den schönen Karpfen bedanken, den er mir heute Morgen vor die Tür gelegt hat.«

Puh, das war gerade noch mal gut gegangen. Trine seufzte bekümmert und machte ein ernstes Gesicht.

»Aber, Herr Pastor! Das passt doch gar nicht zusammen. Einerseits verdammen Sie die ganze Anglerzunft und machen den ganzen hiesigen Angelverein nieder, und andererseits wollen Sie sich für einen Fisch bedanken, den Ihnen ein Angler gebracht hat.«

Der Vorwurf in ihrer Stimme war unüberhörbar. Klaaspedder seufzte abgrundtief und ließ sich nun doch auf die Bank neben Trine sinken.

»Ja«, murmelte er, »Ja, ich weiß wohl, dass das nicht recht zusammengeht. Aber Katrin, ich meine Fräulein Petersen, Sie wissen ja gar nicht, was Ihr Vater mir antut, und wie viel davon für mich abhängt, dass er an den Gottesdiensten teilnimmt !«

Trine lächelte still, dann sagte sie:

»Herr Pastor, Sie sind noch nicht lange genug bei uns in der Gemeinde, um verstehen zu können, warum mein Vater die Kirche nicht betritt. Aber glauben Sie mir, Sie machen sich ein falsches Bild von ihm. Er ist nicht der gottlose Mensch, für den Sie ihn halten. Ich kenne keinen gottesfürchtigeren Menschen als ihn, Herr Pastor! Oh, entschuldigen Sie, aber Anwesende sind immer ausgenommen.«

»Na ja, mag sein, Fräulein Petersen. Aber ich habe den Eindruck, dass er nicht mal zu Ihrer Hochzeit in der Kirche erscheinen würde.«

Trine hörte wohl den lauernden Unterton in Klaaspedders Stimme und sagte schnell: »Oh, meine Hochzeit ist noch in weiter Ferne, Herr Pastor!«

»So? Das kann ich gar nicht verstehen. Sicher haben doch alle Burschen der Gegend ein Auge auf Sie, Fräulein Petersen?«


Katrin lachte über das durchschaubare Manöver.

»Aber es ist keiner darunter, dessen Augen mir gefallen könnten!«, antwortete sie.

»Stellen Sie so hohe Ansprüche?«, forschte Klaaspedder erstaunt weiter.

»Aber sicher, Herr Pastor. Was soll ich mit so einem jungen Heißsporn, der zwar breite Schultern und starke Arme hat, dessen Kopf aber ansonsten leer ist? Mein Mann müsste eine Mischung aus vielem sein. Wissen Sie, so eine wirkliche Respektsperson, er sollte gläubig und für alle Menschen da sein, vielleicht so ein bisschen wie Sie. Und er muss Angler sein, Herr Pastor. Weil nämlich Angler ein Auge für die kleinen Schönheiten und Wunder der Natur haben, ruhig, gütig und geduldig sind, und in ihrer Seele friedvoll und rein!«

Jan Heinrich Klaaspedder fühlte, wie es ihm die Kehle zuschnürte. Hätte er noch bei ihren ersten Worten jubeln mögen, so war ihm jetzt hundeelend zumute. Fürwahr, Katrin hatte ihm da einen Brocken hingeworfen, an dem er lange und heftig zu kauen haben würde. Er hatte es auf einmal sehr eilig, sich zu verabschieden. Mit einem gemurmelten Hinweis auf die Dunkelheit entschuldigte er seinen plötzlichen Aufbruch. Fluchtartig trat er den Rückzug an, aber Katrins Worte hallten in ihm nach, bis er zuhause war. In dieser Nacht fand er keine Ruhe, tausend Gedanken schwirrten in seinem Kopf hin und her, und erst am frühen Morgen fiel er in einen unruhigen Schlaf.

Petri Heil, Herr Pastor

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