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Einleitung: Quillt Dein Krug über?


Ein Philosophieprofessor steht eines Tages vor seinen Studenten, greift schweigend zu Beginn der Vorlesung unter sein Pult, holt einen großen Glaskrug hervor und stellt ihn vor sich auf den Tisch. Wieder greift er unter sein Pult, holt ein großes Behältnis mit wertvollen bunten Steinen hervor und füllt diese bis oben hin in den Glaskrug. Als er damit fertig ist, fragt er seine Studenten, ob der Krug voll sei. »Ja«, meinen diese einstimmig, »der Krug ist eindeutig voll!«

Der Professor langt erneut unter sein Pult, holt ein großes Behältnis mit Kieselsteinen hervor und schüttet diese in den Krug. Die Kieselsteine suchen sich ihren Weg an den wertvollen Steinen vorbei und füllen die Zwischenräume aus. Der Professor fragt seine Studenten wieder, ob der Krug voll sei. Nun sind sich die jungen Leute nicht mehr so sicher und sagen lieber nichts.

Der Prof greift nochmals unter sein Pult, holt einen großen Sack mit Sand hervor, füllt auch diesen in den Krug. Die feinen Sandkörner rieseln bis auf den Boden des Kruges durch, füllen auch den kleinsten Raum. Wiederum fragt er seine Studenten, ob der Krug nun voll sei, und jetzt sind sich alle einig: »Ja, der Krug ist voll! Voller geht nicht!«

Erneut greift der Professor unter sein Pult, holt eine Flasche Bier hervor, füllt das Bier in den Krug und sagt schmunzelnd: »Meine Damen und Herren, Platz für ein Bier ist immer!«

Vielleicht hast Du diese Anekdote schon mal gehört. Sie zählt zu den plakativen Klassikern in der Weiterbildung, und auch ich nutze sie gerne in meinen Seminaren, um die Teilnehmer für ein wichtiges Thema zu sensibilisieren.

Versetz Dich bitte an dieser Stelle in den Vorlesungsraum und überleg Dir: Was wäre passiert, wenn der Professor zuerst den großen Sack mit dem Sand genommen hätte, um den Krug zu füllen? Richtig, der Krug wäre voll geworden – natürlich unter der Voraussetzung, dass der Sandsack mehr Sand beinhaltet, als der Krug fassen kann. Der Krug wäre randvoll gefüllt gewesen und der Professor hätte keine Chance gehabt, noch Kieselsteine oder gar wertvolle Steinen in den Krug zu legen. Lassen wir an dieser Stelle mal das Bier außen vor – der Nachsatz ist nur ein Schmunzler und spielt für die Moral der Geschichte in meiner Version keine Rolle.1

Ein Tag in Deinem Leben

Und jetzt stell Dir bitte vor, dieser zunächst leere Glaskrug entspräche einem Tag in Deinem Leben. Um Mitternacht bekommst Du einen leeren Krug, und dieser füllt sich im Laufe des Tages – ganz automatisch, einfach weil die Zeit, weil der Tag vergeht und sich mit Aktivitäten füllt. Um Mitternacht ist der Krug voll, und Du bekommst einen neuen leeren Krug. Auch dieser füllt sich wieder komplett auf. Und so füllen sich Krüge um Krüge, Tage um Tage Deines Lebens – einfach weil die Zeit vergeht.

Die spannende Frage, die Du Dir jetzt stellen darfst, lautet: Mit was füllen sich Deine Tage normalerweise?


 Füllen sich Deine Tage mit wertvollen Steinen? Mit wesentlichen Aufgaben? Mit Aktivitäten, die wichtig für Dich sind? Aktivitäten mit Menschen, die Dir am Herzen liegen? Deine Familie, Dein Partner, Deine Partnerin, Deine Gesundheit, Deine Kinder oder Deine besten Freunde? Aktivitäten, die – wenn alles andere wegfiele und nur sie übrig blieben – Dein Leben immer noch schön und erfüllt sein ließen?


 Füllen sich Deine Tage mit Kieselsteinen? Mit nicht ganz so wichtigen Aktivitäten, mit Aufgaben, die gemacht werden müssen, damit der Alltag rundläuft, die aber für Dich nicht wirklich wichtig sind? Kieselsteine können Tätigkeiten in Deiner Arbeit beschreiben sowie in Deinem privaten Alltag. Sie sind häufig Angelegenheiten rund um Deine Wohnung, Dein Auto oder andere Alltagsgegenstände oder Arbeits-abläufe. Sie tragen wenig zum Erfolg bei – zu Deinem eigenen oder zum Erfolg Deines Teams oder des Unternehmens (oder Deiner Familie). Oftmals sind es – im Job und privat – Aufgaben, die zwar gemacht werden müssen, aber es ist überhaupt nicht wichtig, dass Du Dich höchstpersönlich darum kümmerst.


 Oder füllen sich Deine Tage mit Sand? Mit völlig unwichtigem Kram? Völlig unwichtige Dinge – der Sand im Getriebe? Interessanterweise fallen uns diese Sand-Aufgaben oft ungefragt in unseren Krug. Weil andere Menschen sie uns reinwerfen – indem sie uns Aufgaben aufdrücken, die null Relevanz für uns haben. Oder weil es sich manchmal auch einfach prima anfühlt, beschäftigt zu sein. Kennst Du das? Dass Du Dich lieber mit völlig unwichtigem Zeug beschäftigst, wie die Kugelschreiber in Deiner Schublade nach Farben zu sortieren, als die wichtigen Aufgaben anzupacken? Manchmal machen wir das, weil wir einen akuten Anfall von Aufschieberitis haben. Ein Thema, das ein eigenes Buch verdient hat. Oder wir kümmern uns um die Sand-Aufgaben, weil wir nicht erkennen, dass es in Wirklichkeit Sand ist, und denken, es sei nötig, die Aufgabe zu erledigen. Wir denken, das müssten wir machen. Frag Dich mal, wenn Du Dich bei einer potenziellen Sand-Aufgabe ertappst: »Warum muss ich das tun?«. Und wenn die Antwort ist: »Das haben wir schon immer so gemacht!«, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Du einer echten Sand-Aufgabe auf den Leim gegangen bist, sehr hoch. Und dann wäre es super, wenn Du solche Aufgaben gar nicht mehr machst. Wenn Du lernst, »Nein!« zu sagen. Du hast sie gemacht, weil es Dir eine kleine erholsame Auszeit geschenkt hat? Dann war es keine Sand-Aufgabe, sondern ein wertvoller Stein!

Erkennen als Basis für »Tu Du!«

Denk an dieser Stelle einen Moment darüber nach, womit sich Deine Tage normalerweise im Laufe eines Jahres füllen. Oder mach Dir dazu Notizen in Deinem Coaching-Workbook, das Du gratis unter www.Gluexx-Factory.de/abgeben herunterladen kannst. Das Passwort zum Download findest Du im Vorwort.

Diese Frage macht meine Seminarteilnehmer und Coachingklienten oft sehr nachdenklich. Weil sie an dieser Stelle zum ersten Mal merken, dass ihre Krüge schneller mit Sand gefüllt werden, als es ihnen lieb ist. Weil ein Tag schneller vorbeigeht, als es ihnen lieb ist. Ein Tag, an dem sie sich den Großteil davon mit völlig unwichtigem Zeug herumplagen und deshalb oft keine Zeit mehr haben für Aufgaben, Menschen oder Aktivitäten, die ihnen wirklich wichtig sind.

Selbstverständlich habe ich auch viele Teilnehmer, die an dieser Stelle merken, dass ihre Krüge in der Regel eine gesunde Mischung sind. Sie erkennen, dass sie bereits sehr viele ihnen wichtige Aufgaben im Laufe der Tage erledigen und auch Kieselsteine und Sand in ihrem Krug sind.

Eine solche Mischung ist prima. Denn zu einem erwachsenen Leben gehören auch Pflichten, die wir als Sand empfinden, aber die eben gemacht werden müssen. Wir leben nicht im einem rosaroten Zucker-Schloss, in dem wir ausschließlich das tun, was wir lieben. Und das ist gut so. Stell Dir vor, Du hättest nur noch Zuckerguss-Aufgaben – auch das kann schnell langweilig werden. Und wir hören auf zu wachsen, wenn wir nicht auch immer wieder mit unangenehmen Tätigkeiten gefordert werden.

Ziel unserer Nachdenk-Runde soll deshalb auch nicht sein, dass wir ab sofort nur noch wertvolle Steine in unsere Krüge legen. Das wäre unrealistisch, also leg Deine Messlatte an die Menge der wertvollen Steine bitte nicht von vornherein auf eine solche Höhe! Solange Deine Tage eine gesunde Mischung sind und Du über die Tage hinweg betrachtet überwiegend wertvolle Steine in Deinen Krügen hast, ist alles im grünen Bereich. Mach also weiter wie bislang, und klopf Dir selbst anerkennend auf die Schulter: Du machst alles richtig!

Wach auf, wenn Kiesel und Sand dominieren

Wenn sich Deine Krüge allerdings schneller mit Sand und Kiesel füllen, als Dir lieb ist, und Du deshalb nicht genügend Raum mehr für Deine wichtigen Steine hast, dann dürfen wir darüber nachdenken, was Du ab sofort in Deinem Alltag verändern kannst. Denn solange Du alle Freiräume und all Deine Energie für die unwichtigen Dinge in Deinem Leben aufwendest, hast Du für die wertvollen Steine keine Zeit, keine Energie mehr. Mit dem Effekt, dass Du müde, krank, lustlos und gestresst sein wirst.

Dein Alltag fühlt sich derzeit genau so an? Du versackst in Sand, und die wichtigen Aktivitäten finden nicht mehr statt? Du bist den lieben langen Tag mit unwichtigem Zeug beschäftigt und hast am Freitagabend schlicht keine Energie mehr, Dich »spontan« mit Freunden zu treffen? Geschweige denn Sport, zu machen, Dich gesund zu ernähren oder endlich die lang ersehnte Weiterbildung anzugehen? Als Unternehmer oder Führungskraft bist Du ständig nur damit beschäftigt, den Laden einigermaßen am Laufen zu halten, anstatt ihn strategisch zu entwickeln?

Willkommen im Klub! Einer Studie der Management-Beratung »Factor P« zufolge verbringen Berufstätige in Bürojobs rund 50 Prozent ihrer Arbeitszeit mit sogenannten nicht wertschöpfenden Aufgaben. Im Klartext: Sie füllen ihre Krüge zu 50 Prozent mit Sand. Spitzenreiter unter den Sand-Aufgaben sind Bürokratie- und Verwaltungsangelegenheiten (Formulare ausfüllen, Anträge stellen), Warten auf Informationen, Fehlersuche und Fehlerkorrekturen, unnötige Dokumentation oder das Fahnden nach verlegten Werkzeugen.

Auch Führungskräfte verbringen knapp die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Verwaltungskram oder sogar operativer Arbeit. Sie erledigen das Tagesgeschäft an der Basis, da Mitarbeiter krank oder im Urlaub sind oder das Personal nicht ausreichend aus-gebildet ist. Nur 13 Prozent ihrer Zeit führen sie wirklich.2

Entscheiden mit der ABC-Analyse?

Viele Unternehmen haben erkannt, dass nicht alles, was wir tun, sinnvoll eingesetzte Zeit ist, und versuchen der Übermacht der Sand-Aufgaben Herr zu werden. Gerne greifen sie dabei auf die sogenannte ABC-Analyse zurück, um die Zeit-Aufgaben-Prioritäten-Verteilung sichtbar zu machen.

Der »Erfinder« der ABC-Analyse, der Manager H. Ford Dickie, schrieb 1951 in einem Artikel, dass die ABC-Analyse helfen könne, sich auf das Wesentliche zu fokussieren.3 Im Zuge von Kosteneffizienz-Denken waren in den Folgejahrzehnten weltweit Berufstätige angehalten, ihre Aufgaben in einer To-do-Liste zu notieren und anschließend nach A-, B- und C-Aufgaben zu clustern. Mit dem Ergebnis, dass sie eine Menge Zeit damit verschwendeten, alle ihre Aufgaben minutiös zu verzeichnen, um dann ausgiebig über die korrekte Kategorie nachzudenken. Mal abgesehen davon, dass es per se schon völlig sinnlos ist, C-Aufgaben (unwichtig) überhaupt in einer To-do-Liste zu notieren – ein solches Vorgehen zeigt uns ständig nur, was wir heute mal wieder alles nicht geschafft haben, weil die Listen in der Regel schneller wachsen, als wir sie abarbeiten können. Und das bedeutet neben einem immensen Zeitaufwand für die Verwaltung unserer Aufgaben, dass unser Frust beim Blick auf das Unerledigte stetig steigt.

Bitte versuch jetzt also nicht, jede Deiner Aufgaben und Verpflichtungen nach der ABC-Analyse in eine Kategorie zu stecken. Das würde Dich deutlich mehr Zeit kosten, als es Dir Entlastung bringt. Noch dazu, wenn Du in einem dynamischen Alltag unterwegs bist, in dem sich Prioritäten ständig ändern. Oder wenn Du von Deinen Präferenzen her eher ein Kreativer Chaot bist, bei dem in der Regel all das Priorität hat, was neu ist, was Abwechslung verspricht (vgl. Kapitel »Innere Haltung«).

Bewerte nicht jede aufpoppende Aufgabe nach A (wichtig), B (weniger wichtig) oder C (unwichtig), aber verschaff Dir immer mal wieder einen Gesamtüberblick über Dein derzeitiges Pensum. Beispielsweise mit einem »Adlerflug«, bei dem Du Dich aus dem Alltag ausklinkst und mal sämtliche Aktivitäten zusammenträgst, die Du derzeit in all Deinen Lebensbereichen ausübst. Eine Vorlage und eine genaue Anleitung dafür findest Du in Deinem Workbook im Downloadbereich zum Buch.

Erkennen und Abwägen kommt vor dem Abgeben

Warum erzähle ich Dir von Steinen, Kieseln, Sand, A-, B- und C-Aufgaben in einem Buch, in dem es darum geht, dass wir mal andere Menschen für uns arbeiten lassen?

Wenn Du ab sofort Aufgaben erfolgreich(er) abgeben willst, dann ist es absolut notwendig, dass Du die richtigen Aufgaben abgibst. Und zwar die Aufgaben, die zwar gemacht werden müssen – aber nicht notwendigerweise von Dir in persona. Und das bedeutet, dass wir idealerweise diejenigen Aufgaben abgeben, die für uns Kieselsteine sind, oder Sand.

Die wertvollen Steine hingegen, das sind die Aufgaben, Tätigkeiten und Aktivitäten, bei denen es unbestritten wichtig ist, dass Du sie erledigst. Es wäre unsinnig, ja manchmal sogar fatal, wenn wir wertvolle Steine zur Erledigung an andere Menschen abgeben würden. Bei manchen wertvollen Steinen ist das ganz offensichtlich, wie beispielsweise Atmen, Essen, Trinken, Verdauen oder Schlafen. Die Befriedigung unserer körperlichen Bedürfnisse können wir nicht durch andere Menschen ausführen lassen. Auch wenn einige Berufstätige Essen und Trinken quasi als leidiges Übel nebenher schnell abfeiern wollen (»Ein schnelles Mittagssandwich, am Schreibtisch verdrückt, muss reichen!«) und Ernährung bei ihnen eher den Rang von »Kiesel« hat, für unseren Körper und unsere Gesundheit sind es wertvolle Steine.

Und genau aus dieser Überlegung habe ich auch wieder das vorliegende Buch höchstpersönlich in wochenlanger Arbeit geschrieben. Schreiben ist meine Leidenschaft, und ich liebe es, Impulse und konkrete Strategien nicht nur in Vorträgen, Seminaren und im Coaching zu teilen, sondern auch schriftlich für jeden zugänglich zu machen. Zudem habe ich Schreiben als Wirtschaftsjournalistin von der Pike auf gelernt – da wäre es völlig unsinnig, diese Tätigkeit mal andere machen zu lassen. Selbst wenn es natürlich Ghostwriter gibt, die das gut für mich hätten übernehmen können, ich möchte diesen kreativen Akt nicht aus der Hand geben.

Du siehst, die Unterscheidung zwischen »wertvoller Stein«, »Kiesel« und »Sand« ist absolut subjektiv und kann sich auch im Laufe der Zeit ändern. Was einem jungen Menschen vielleicht völlig egal ist, wird ihm mitten im Leben stehend total wichtig. Unsere wertvollen Steine verändern sich mit uns, unseren Lebensumständen, unseren Erfahrungen und natürlich mit unseren Wünschen und Träumen. Sie sind abhängig von unserer Tätigkeit, unserem Verantwortungsbereich und anderen Rahmenbedingungen, die wir uns in Kapitel »Klare Prioritäten« genauer anschauen.

FAZIT


Ob es bei einer Aufgabe wichtig ist, dass Du Dich höchstpersönlich darum kümmerst, hängt von den Rahmenbedingungen und von Deiner persönlichen Sichtweise ab. Damit Du stressfrei und glücklich leben kannst, solltest Du so gut wie möglich wertvolle Steine in Deine Krüge – also wichtige Aktivitäten in Deine Tage – legen. Lass nicht zu, dass Deine Krüge mit Sand-Aufgaben voll werden – sonst ist kein Raum mehr für das, was Dir am Herzen liegt. Find heraus, womit sich Deine Krüge derzeit füllen – und fang dann an, Kieselstein- und Sand-Aufgaben abzugeben. Sag zu ihnen »LMAA – Lass Mal Andere Arbeiten« und schaff so Platz für weitere wertvolle Steine.

Lass mal andere arbeiten!

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