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Nachhaltigkeit – die Anfänge

Wie Schweinchen Babe mich zur Vegetarierin machte

Weihnachten 1995 – damals war ich acht Jahre alt – wurde im Fernsehen zum ersten Mal der entzückende Film Ein Schweinchen namens Babe ausgestrahlt. Darin begleitet man das Schweinchen Babe, das dem Maskottchen einer bekannten österreichischen Biomarke ähnelt, durch ein ungewöhnliches Leben auf seinem Weg zum Hirtenschwein. Das einsame kleine Ferkel wird am Hof des Schafzüchters Hoggett von einer Border-Collie-Hündin aufgenommen. Schnell merkt das Ferkel, dass alle Tiere am Hof einen Zweck erfüllen. Der Gockelhahn weckt frühmorgens den Hof, die Kuh gibt Milch, die Hühner legen Eier, die Schafe geben Wolle und die Hunde hüten die Schafe. Da muss Babe realisieren, dass der einzige Zweck eines Schweins darin besteht, möglichst schnell groß und fett zu werden, um irgendwann als köstlicher Sonntagsbraten auf den Tellern der Menschen zu enden. Um dieses Schicksal nun abzuwenden, versucht sich Babe mit Hingabe und herzzerreißenden emotionalen Momenten erfolgreich als Hirtenschwein. So schafft es Babe, sich in der Nahrungskette nach oben, in die Position der Hunde, vorzuarbeiten, also jener Tiere, die am Hof nicht gegessen werden.

Durch diesen Film wurde mir zum ersten Mal so richtig bewusst, dass mein Schnitzel und mein Schinken den Tod eines fühlenden Lebewesens bedeuten. Dass wir Menschen Tiere als Nutz- oder Haustiere kategorisieren. Dass wir die einen schlachten und die anderen bei uns im Bett schlafen dürfen. Die Geschichte vom Schweinchen Babe berührte mich im Innersten und ich beschloss noch während des Filmabspanns, Vegetarierin zu werden. Aber ich war umgeben von begnadeten Köchinnen traditioneller Hausmannskost – die gefüllte Kalbsbrust meiner Großmutter zu Weihnachten war das kulinarische Highlight des Jahres. Mein achtjähriges Ich konnte dieser Versuchung nicht widerstehen und so hielt mein neuer Vorsatz genau zwei Tage lang. Trotzdem war ab diesem Moment ein Zwiespalt in mir geboren. Fleisch zu essen gehörte zum selbstverständlichen Alltag in meiner Familie und war mit vielen positiven Gefühlen und Genüssen besetzt, zugleich begriff ich, was es bedeutet, Fleisch zu essen. Es folgten unzählige gescheiterte Versuche, darauf zu verzichten. Und es sollte noch ganze sieben Jahre dauern, bis ich tatsächlich Vegetarierin wurde.


Ich erinnere mich an einen Kirtag mit meinem Bruder Andreas. Ein heißer Sommertag. Wir wollten uns ein Grillhuhn teilen. Grillhuhn war für uns etwas ganz Besonders. Unsere Großmutter hat es immer zu speziellen Anlässen für uns zubereitet. Schon immer zuckte ich innerlich zusammen, wenn die Geflügelschere durch die Knochen brach – ein fürchterliches Geräusch. Auch aß ich immer nur das schön abgetrennte Brustfleisch und wollte nie, wie alle anderen in meiner Familie, die Flügel abnagen. Bloß nicht zu nahe am Tier dran sein! Auf diesem Kirtag war unglaublich viel Trubel. Der Verkäufer zog das Grillhuhn vom Spieß und setzte die Geflügelschere an, doch es war anscheinend noch nicht lange genug am Grill. Als er es aufschnitt, war das Innere noch voll Blut. Mein Grillhuhn war noch deutlich erkennbar ein totes Tier und noch kein schmackhaftes Stück Fleisch. In diesem Moment fiel in meinem Kopf endgültig ein Schalter und plötzlich war ich Vegetarierin. Bis heute weiß ich, dass tote Tiere köstlich schmecken – vor allem, wenn ich gebratenen Speck rieche –, aber meine klare Entscheidung fühlte sich trotzdem nie wieder nach Verzicht an. Nicht einmal die legendäre gefüllte Kalbsbrust meiner Großmutter konnte mich jemals wieder in Versuchung führen.

Wenn das fair ist, was ist dann mit all den anderen?

Ungefähr zu der Zeit von Babe begann meine Mutter, die ersten Bio- und Fairtrade-Produkte zu kaufen. Sie meint, dass dies damals möglich wurde, weil es zum ersten Mal Bioprodukte von einer Handelskette im normalen Supermarktsortiment gab. Ich erinnere mich, dass es zu Beginn vor allem Milchprodukte und Kaffee waren. Meine Mutter erklärte mir voll Freude, dass dieser Kaffee fair gehandelt werde und die Bauern und Bäuerinnen einen guten Preis für die Bohnen erhielten. Und die Kühe der Bio-Milchprodukte wären glückliche Kühe. In mir löste die Existenz dieser Produkte aber vor allem eine Frage aus: Wenn dieser Kaffee fair ist, was ist dann mit all dem anderen Kaffee? Wenn die Kuh dieser Milch glücklich ist, was ist dann mit all den anderen Kühen? Erst durch das Entstehen biologischer und fair gehandelter Produkte entwickelte sich in mir der Gedanke, dass es anscheinend Kühe gibt, die nicht glücklich sind, und Kaffee, der nicht fair ist.


Die Gartenrebellin und das Waldsterben

Aufwachsen durfte ich in einem Haus mit einem wunderschönen großen Garten. Als ich noch klein war, war der Garten bis ins letzte Eck sauber und penibel gepflegt, so „wie es sich halt gehört“ am Land. Löwenzahn, der es wagte, zwischen den Terrassenfliesen hervorzuschauen, wurde als Unkraut sofort ausgerissen. Der Rasen war immer ordentlich und stets frisch gemäht. Pflanzen wurden danach ausgesucht, ob sie schön aussehen und lange blühen. Mit ihrem ordentlichen Garten und den hübschen Blumenkisterln hat meine Mutter sogar Preise für den schönsten Balkon gewonnen.

Doch irgendwann hat sie dann im Fernsehen eine Dokumentation über Werner Lampert gesehen – ein Bio-Pionier Österreichs und Mitbegründer mehrere Bioproduktlinien. Sie war begeistert und bewegt von seiner Ansicht, die Umwelt als ein schützenswertes Gut, als Heimat abertausender Lebewesen zu betrachten. Meine Mutter hat sehr früh damit begonnen, sich im Internet über alternative Ansätze der Gartenpflege einzulesen. Mühsam suchte sie nach Artikeln und Videos mit Informationen, wie sie dazu beitragen könnte, dass es der Umwelt gut geht, und beschäftige sich eingehend mit naturnahen Gärten. So blieb dann allmählich kein Stein auf dem anderen: Schnell wurde aus dem ordentlichen, sauberen Garten wilde Natur. Der ehemals sorgfältige Rasen wurde zur wilden Wiese. Jeglicher chemische Dünger und Pestizide wurden aus dem Garten verbannt. Pflanzen, die nur schön waren, aber Bienen und Schmetterlingen keinen Nutzen brachten, wurden durch Bienenweiden ersetzt. Sogar der Löwenzahn durfte nun zwischen den Fliesen durchdrängeln und sich zu Hause fühlen.

Es dauerte nicht lange und auf unserer Wiese wuchsen seltene Blumen. Meine Mutter kaufte eine Sense, mit der mein Vater als Kind am Bauernhof meiner Großmutter umzugehen gelernt hatte. Damit mähte er im Hochsommer die wunderschön blühende Wiese im Garten und ließ sie zu Heu trocknen. Der Duft des frischen Heus in den Sommernächten war unbeschreiblich schön. Rundherum in den Sträuchern und Bäumen summte es von den vielen Bienen und Schmetterlingen. Seltene Vögel begannen Nester zu bauen. In der Nacht tummelten sich Igel und viele andere Tiere im Gestrüpp. Bis heute berührt mich die unfassbare Liebe meiner Mutter zu ihrem Garten zutiefst, wenn sie mir bei jedem Besuch zu Hause mit unbändiger Freude und leuchtenden Augen eine Führung durch ihren Garten gibt.

Ich nahm als Kind deutlich den einen oder anderen irritierten oder sogar verurteilenden Blick und manchen spitzfindigen Kommentar von Gästen wahr, wenn meine Mutter sie durch ihren Garten führte. Überall wucherte das Unkraut, die Wiese war kniehoch, Teile der Wiese durfte man nicht betreten, weil dort ganz besondere Blumen heranwuchsen. Nicht einmal mein Vater konnte mit dem Einwand, wo er denn jetzt bitte seinen Liegestuhl hinstellen solle, etwas daran ändern. Für viele war der Garten verwahrlost und unordentlich. Sicherlich kein Schönheitsbalkonpreisträger im herkömmlichen Sinn. Für mich gab es keinen schöneren Garten als den meiner Mama. Ich bewundere noch heute, dass sie trotz der Blicke und Kommentare immer mehr zur Gartenrebellin wurde. Vor allem musste ich schmunzeln, wenn andere sich bei ihr über die Nacktschneckenplage in ihren ordentlichen Gärten beschwerten, das gab es bei ihr nicht. In einem naturnahen Garten mit vielen natürlichen Fressfeinden haben Schnecken keine Chance.


Als Kind konnte ich die Tragweite dessen, was meine Mutter schon so früh begonnen hat, noch nicht fassen. Erst viele Jahre später, an der Universität für Bodenkultur, erkannte ich, was für eine Pionierin sie war. Medial wird das große Bienen- und Insektensterben erst seit wenigen Jahren thematisiert, lange nachdem sie bereits ihr eigenes kleines Naturschutzgebiet errichtet hatte. Damals wurde in den Medien immer wieder von „saurem Regen“ berichtet, der dazu führen werde, dass unsere Wälder sterben. Ich erinnere mich an die Angst vor Ozonlöchern und dass man keine Spraydosen mehr verwenden sollte. Die Gründe, Auswirkungen und Tragweite dieser Probleme waren für mich damals noch absolut nicht greifbar.

Der Samen der Nachhaltigkeit

Inspiriert von der unermesslichen Freude meiner Mutter, habe ich sehr früh entschieden, alles für die Umwelt und ihre Lebewesen tun zu wollen und niemandem zu schaden. Sie pflanzte mit ihrer Liebe zur Natur den Samen der Nachhaltigkeit in mir, wenngleich mir der Begriff „nachhaltig“ damals noch vollkommen unbekannt war. Als Kind hatte ich das Gefühl, nur einige wenige Dinge in meinem Leben bedenken zu müssen, um der Umwelt und den Tieren kein Leid zuzufügen: kein Fleisch essen, Biomilch und Fairtrade-Kaffee kaufen, im Garten das Unkraut wachsen lassen, keine Spraydosen verwenden, die das Ozonloch noch größer machen, und Recyclingpapier kaufen. Ich war felsenfest davon überzeugt, diese überschaubare Liste an Verhaltensweisen erfüllen zu können. Erst viel später stellte sich heraus, wie sehr ich mich damals getäuscht habe.


Nachhaltig gibt's nicht!

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