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Einführung
ОглавлениеIm Spannungsfeld von Ökonomie und Ethik
Orientierungen für eine gelingende Personalführung und eine grundsätzliche Anfrage
Cornelius Keppeler
Dem modernen westlichen Paradigma der Wirtschaft, wie es durch Adam Smith begründet wurde, liegt unter anderem das Prinzip der Aufwand/Nutzen-Relation zugrunde. Dieses führt dazu, dass für Entscheidungen ausschließlich erhebbare Kennzahlen die Grundlage sind und als Ziel des Handelns eine höhere Wirtschaftlichkeit erreicht werden soll. Unter »Wirtschaftlichkeit« werden dabei eine hohe Produktivität, eine hohe Effizienz, eine hohe Rendite und eine hohe Innovationskraft verstanden. Der Mensch scheint dabei gar nicht mehr vorzukommen – jedenfalls nicht in prominenter Rolle. Je mehr die Ökonomie den Menschen als ihren eigentlichen Bezugspunkt aus den Augen verliert, desto mehr rutscht sie in eine Selbstbezüglichkeit ab. Der Prozess dieser Ökonomisierung führt sogar so weit, dass sich dieses Denken auf andere Gesellschaftsbereiche überträgt.1
Dass der Mensch, der als Person über eine „unantastbare Würde“2 verfügt, nicht auf einen Faktor unter anderen reduziert werden darf, ruft die katholische Kirche in Erinnerung, wenn sie auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil den Menschen als „Träger und Ziel aller gesellschaftlichen Institutionen“3 qualifiziert. Daraus ergeben sich zwei grundlegende Konsequenzen. Zum einen wird dadurch allen gesellschaftlichen Institutionen, wozu auch die Wirtschaft gehört, ein Dienstcharakter zugewiesen. Zum anderen erhält der Mensch in seinen unterschiedlichen Rollen innerhalb der verschiedenen politischen, gesellschaftlichen und ökonomischen Prozesse einen spezifischen Charakter. Da der Mensch als Person in diesen Prozessen beteiligt ist, erhalten sie eine ethische Dimension. Rekurrierend auf Immanuel Kant und seinen kategorischen Imperativ ist nur der Mensch Selbstzweck.4 Wirtschaftliche Aktivität sollte demzufolge nur Mittel dafür sein, dass die daran beteiligten Menschen „mehr Mensch“5 werden; sie darf niemals Selbstzweck werden.
Innerhalb des ökonomischen Horizonts sind personale Würde und die damit verbundenen Kategorien wie Freiheit, Solidarität oder Liebe unverständlich, weil sie anhand von Kennzahlen nicht gemessen werden können. Da der ökonomische Blick dafür blind ist, bleiben sie in einer Wirtschaft, die nicht mehr am Menschen ausgerichtet ist, sondern zum Selbstzweck mutierte, ausgeblendet. Dadurch würde das Wirtschaftsgeschehen insgesamt inhuman, weil das spezifisch Menschliche übersehen wird.
Damit die Ökonomie jedoch menschlich bleibt, sind ihr durch die Ethik Grenzen zu setzen. Dort, wo der Mensch nicht nur als Ressource oder Funktionsträger, sondern als Person betrachtet und behandelt wird, hat dies unmittelbare Auswirkungen auf die Art und Weise der Personalführung. Wie solch eine Führung, die sich an den Prinzipien der katholischen Soziallehre orientiert, aussieht und wie sie sich auch in herausfordernden Führungskontexten bewähren kann, zeigt der erste Beitrag dieses Buches.
Dass eine gute Personalführung keine abstrakte Gedankenspielerei sein muss, sondern sich zu ihren Erfolgsfaktoren überraschende Parallelen in anderen Zusammenhängen finden lassen, demonstriert der zweite Artikel.
Der dritte Text wechselt die Perspektive und nimmt den Geführten in den Blick. Er führt vor Augen, dass dieser nicht nur das Objekt von Personalführung ist, sondern dass er ein autonomes Subjekt innerhalb einer intersubjektiven Führungsbeziehung darstellt. In dieser Sichtweise ist er dem Vorgesetzten nicht ohnmächtig ausgeliefert. Vielmehr ist er in der Lage, durch eigene »Führungsinterventionen« sich und seinen Chef zu steuern. Zuletzt wird eine prinzipielle Anfrage an das Selbstverständnis der Ökonomie gestellt. Anhand verschiedener Interpretationsmöglichkeiten des biblischen Zinsverbots wird das Spannungsverhältnis zwischen Ökonomie und Ethik verdeutlicht. Dabei zeigt sich, dass »Wirtschaftsethik« im wortwörtlichen Sinn ein hölzernes Eisen ist, weil Ökonomie und Ethik unterschiedlichen Kategorien angehören. Da sich Ethik nicht ökonomisch verrechnen lässt, bleibt das Verhältnis zwischen beiden spannend.
1 Vgl. Rosa, Hartmut, Unverfügbar, Berlin 2020, 14f.
2 Art. 1 GG.
3 Gaudium et spes, Nr. 25.
4 „Handle so, dass Du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel gebrauchst“, Kant, Immanuel, Grundlegung zur Metaphysik der Sitten, Riga 1785, 429.
5 Laborem exercens, Nr. 9 (3).