Читать книгу Geheimnisse - Dana Lyons - Страница 10
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ОглавлениеMartin stieg seine Kellertreppe hinab und ging geradewegs zu einem massiven, versenkten Bücherregal. Das große Holzregal war ein Projekt, an dem er drei Monate lang gearbeitet, das Stück an der südlichen Wand angebracht hatte. Er zog an einem Hebel, der das Bücherregal auf Z- Scharniere hob, und, mit einem sanften Drücken, öffnete es sich zu dem Freiraum dahinter.
Dieser versteckte Raum machte sein Haus einzigartig wertvoll, gab ihm einen geheimen Zugang zu einem Gewirr alter unterirdischer Tunnel, welche die Hauptversorgungskorridore der Stadt verbanden. Von der Privatsphäre seines eigenen Zuhauses konnte er ungesehen und unbemerkt durch große Bereiche der Stadt reisen. Er eilte durch die Tunnel dahin, brauchte keine Karte, um sein Ziel zu erreichen.
Er erreichte den Kanalschacht in einer Gasse hinter Haleys Lieblingscafé, schob die Abdeckung beiseite und sprang hinaus. Innerhalb von Sekunden legte er die Abdeckung zurück, glättete seine Jacke und ging um die Ecke.
Haley saß neben dem Fenster, wo das Sonnenlicht des frühen Morgens ihren blonden Kopf erhellte. Als sie ihr Haar über ihre Schulter warf, musste er sich abwenden. Sein Magen flatterte vor Aufregung.
Ein Platz, Rücken an Rücken mit ihr, wurde frei und er schob sich mit seinem schaumigen Latte durch die Menge. Er zog den Stuhl heraus, stieß ihren dabei an. Sie drehte sich um und gab ihm die Ehre eines Lächelns. »Oh, bitte entschuldigen Sie«, sagte sie und rückte nach vorn, um ihm mehr Platz zu machen.
Der Latte war köstlich, so wie der vorzügliche Duft ihres Haars, der über seine Schulter waberte. Nicht blumig, wie seine Mutter es benutzt hatte, sondern ein frischer und würziger Geruch. Er inhalierte ihn tief, sog ihn ein. Er befand ihn für gut.
Ihre Stimme war nett, während sie mit ihrer Freundin plauderte, einer jungen Frau, die brünett war, und deshalb keine Kandidatin, um die Worte zu sagen. Die spezielle Frau, die er auswählte, musste blond und schön sein, wie seine Mutter.
»Irgendwelche guten Aussichten auf AlleyOop?«, fragte Haleys Freundin.
»Was für ein Online-Dating-Witz«, lamentierte Haley. »Wenn AlleyOop repräsentiert, was da draußen verfügbar ist, bin ich in Schwierigkeiten. Nur deren Fotos anzuschauen ist mir nicht geheuer. Wer weiß, was diese Männer zum Online-Dating brachte?«
Martin spürte, wie seine Brust vor Freude anschwoll.
Sie versteht es!
Er drückte sich in seinem Stuhl zurück, um besser hören zu können.
»Vielleicht sagen sie dasselbe, wenn sie dich anschauen«, sagte die Freundin lachend.
»Ha!« Haley fiel in das Kichern ein. »Ich habe nie daran gedacht.« Sie seufzte vor Sehnsucht. »Ich würde nur einfach gerne einen netten Kerl treffen, der nach Liebe sucht.«
Ihre Worte ließen seine Augen feucht werden. Er unterdrückte den Drang aufzuspringen und zu brüllen: »Ich bin hier. Ich bin der Eine. Ich suche nach Liebe.« Da er wusste, dass dies nicht die Zeit und der Ort war, tupfte er seine Augen mit einer Serviette trocken und zog seinen Kopf an, um sein Gesicht zu verstecken, das Gesicht, das niemand sah.
Unsichtbar, sogar für meine eigene Mutter.
Er war sieben Jahre alt, als er wusste, dass seine Mutter ihn nicht liebte. Nachdem er von dem Baum gefallen war, sprach er wochenlang nicht mit ihr – das schien ihnen beiden zu passen. Er vergaß nie ihren hohlen Blick, wie sie sein Schmerz nicht kümmerte. Haley wäre nicht so. Wie er, suchte sie nach Liebe.
Haley, ich bin genau hier und ich bin genau, was du willst.
Die zwei Mädchen plauderten und Haleys Stimme beruhigte ihn in einen Zustand der Zufriedenheit, denn er wusste, dass sie beide bald ein Date hätten.
Sein Verstand trieb zu einer Nacht im Februar, als er zwölf war, eine bittere Nacht, die sein Leben auf einigen Ebenen veränderte. Es war beinahe neun Uhr, als ein Klopfen an ihrer Tür erklang. Er sprang auf, begierig auf jedwede Ablenkung, um den trostlosen Abend allein mit seiner Mutter zu unterbrechen.
»Öffne nicht die Tür, Martin«, sagte sie. »Sieh zuerst nach. Wer ist es?«
Tief in dem Moment konnte er klar ihre Stimme hören, konnte in seinem Geist sehen, wie seine Hand langsam den Türgriff berührte. Er drückte sein Auge auf das Guckloch der Tür. Draußen und beinahe außer Sicht waren zwei dunkle Gestalten, ganz eingemummelt.
Ihre Gesichter waren versteckt. Ein instinktiver Teil von ihm wusste sofort, dass diese beiden nichts Gutes im Sinn hatten. Seine Hand zog sich vom Türgriff zurück.
Hinter ihm saugte seine Mutter an ihren Zähnen. »Also?«, fragte sie, ihre ständige Verachtung eine vernichtende Zurückweisung seiner bloßen Existenz. Er atmete aus und legte seine Stirn vorsichtig auf die Tür, während er darum kämpfte seinen Zorn zu kontrollieren.
Mein ganzes Leben und du konntest dich nicht dazu bewegen mich zu lieben.
Er verlor den Kampf, sein Zorn übernahm. Er drehte den Griff und öffnete die Tür, ließ sie hinein. Was er in dieser Nacht gelernt hatte, verließ ihn nie. Er lernte den Wert der Furcht und des Verlangens und er entdeckte, dass alle Barrieren durchdrungen werden konnten, auf die eine oder andere Weise.
Im Café stand Haley auf und ihr Stuhl knallte in seinen, rüttelte ihn aus seinen Erinnerungen. »’Tschuldigung«, sagte sie lächelnd. In seinem Geist blieb sie und sprach mit ihm. Während einem weiteren Latte wurden sie schnell zu Freunden und gingen Hand in Hand.
»Oh, kein Problem«, stieß er hervor, aber sie hatte sich bereits umgedreht, um hinauszugehen. Seine Worte verklangen zu einem Murmeln und er schaute nach unten, die Augen gegen den Schmerz der Zurückweisung fest zusammengedrückt.
Haley, bist du die Eine?
Am nächsten Morgen starrte Dreya auf die Mordtafel in ihrem Büro, suchte nach diesem einen Stück, das zu einem Hinweis werden würde. »Ich habe nichts.«
Simon stand neben ihr. »Abgesehen von den körperlichen Ähnlichkeiten waren diese Frauen Fremde. Eine Kellnerin, eine Verkäuferin, eine Sekretärin, eine Hochzeitsplanerin und eine Veterinärtechnikerin. Keine hatte ein Haustier, keine hat im Geschäft der Verkäuferin eingekauft, keine aß bei der Arbeit der Kellnerin, keine war mit irgendeiner der anderen befreundet, auch nicht auf irgendeine Weise verwandt, keine von der Planerin verheiratet.«
»Haben die irgendetwas auf den Computern oder Handys gefunden?«, fragte sie.
»Ich habe bei der Asservatenkammer angefordert, dass deren Handys geliefert werden. Die einzige Anmerkung ist –«
»Feste Freunde«, platzte Dreya heraus. »Keine dieser Frauen hatte einen festen Freund. Sind wir sicher, dass sie nicht nebenbei einem Geschäft nachgingen?«
»Genau«, erwiderte er. »Keine Freunde, aber nicht im Geschäft. Die letzten drei hatten Profile auf einer Online-Dating-Seite.«
»Welcher?«
»AlleyOop.«
Sie kniff sich in den Nasenrücken und schüttelte ihren Kopf. »Du machst Scherze, oder?«
»Ich scherze niemals über die Liebe, Prinzessin«, sagte er.
»Na ja, jetzt haben wir zumindest eine Verbindung zwischen den Opfern. Haben wir irgendwelche Interessenten, irgendwelche, wie nennen sie das, Verbindungen?«
Andy, ein Techniker der IT, klopfte an ihre offene Tür. Bald wurden sie von einer Anordnung von Tablets, Laptops und Handys umgeben.
»Okay, Andy, was können Sie uns zeigen?«, fragte sie.
»Die letzten drei, Madison, Jenny und Tanya, hatten alle Profile auf AlleyOop, aber keiner ihrer Kontakte ging über Nachrichten hinaus.« Er ging zu jedem Gerät und tippte. Bald reihte sich eine Auslage an Gesichtern und Nachrichten auf.
»Die Profile unserer Opfer sind noch oben. Wie Sie sehen können, gibt es nur das zwanglose Hallo und Lass uns treffen, aber nichts zu Ende geführt.«
»Irgendwelche gemeinsamen Namen zwischen den Opfern?«, fragte sie halbherzig. Sie hatte noch ein bisschen Hoffnung, denn dieser Killer war zu organisiert, um einen solch offensichtlichen Fehler zu erlauben.
»Nein. Entschuldigung. Wollen Sie eine Liste?«
»Müssen irgendwo anfangen«, sagte sie. »Schicken Sie mir alles über sie alle von Alley Oop.«
»Wir sind darin begrenzt, wie tief wir gehen können, aber wir haben Zugriff auf die Online-Interaktionen unserer Opfer. Ich kann Ihnen deren Benutzernamen, oder Alias, und deren echte Namen und Adresse geben.«
Der Drucker begann die Seiten auszuspucken, aber es war eine kurze Liste. Sie gab zwei Seiten an Simon und Quinn. »Geht und erschüttert deren Welt. Rhys und ich werden mit denen sprechen.«
Es war 17.30 Uhr, als sie und Rhys zu ihrem letzten Namen kamen. »Robert Harrison«, sagte Dreya.
Sie schaute auf den schlichten Wohnkomplex; kein innerer Alarm ging los. »Na ja, es ist ein Zahlenspiel. Früher oder später stoßen wir auf unseren Killer. Vielleicht ist er hier und wird diese Tür öffnen.« Rhys stand an ihrem Rücken; ihre Worte brachten eine Spitze der Anspannung von ihm. Sie klopfte. Die Tür öffnete sich. »Mr. Harrison?«
»Ja?«
Ein Blick auf ihn und ihre Hoffnungen fielen unverzüglich in sich zusammen, aber sie zeigte ihm ihre Gürtelmarke. »Mr. Harrison, ich bin FBI Special Agent Dreya Love, das ist Detective Morgan. Wir möchten gerne mit Ihnen sprechen.«
Er spähte genau auf ihre Marke und Morgans Ausweis, bevor er sie kurz musterte. »In Ordnung, kommen Sie herein. Wie kann ich Ihnen helfen?«
Rhys seilte sich ab und durchkreuzte das Zimmer, überließ es ihr Mr. Harrison zu befragen. »Sir, Sie haben einen Online-Dating-Account auf AlleyOop?« Sie legte ein Foto auf den Tisch, welches sie von AlleyOop erhalten haben; ein junger, athletischer junger Mann lächelte. »Sind Sie das?«
»Natürlich bin ich das nicht«, entgegnete Harrison. »Können Sie das nicht sehen? Sind Sie blind? Aber hübsches Foto, oder? Ich habe nie so gut ausgesehen, auch nicht in dem Alter.« Er spähte sie über eine dicke Zweistärkenbrille an, wobei ein Grinsen sein Gesicht erleuchtete.
Rhys prustete von der Ecke aus, aber sie behielt ihren Fokus auf Mr. Harrison, kämpfte damit ihr eigenes Gelächter einzudämmen. »Sind Sie sich bewusst, dass es gegen das Gesetz ist online eine falsche Identität zu posten?«
Seine Stirn runzelte sich und sein Grinsen fiel in ein übertriebenes »O«. »Das FBI kommt, um ich zu befragen, weil ich ein falsches Foto gepostet habe?«
Ein weiteres Rumpeln kam von Rhys.
»Seit wann sind Sie im Rollstuhl, Mr. Harrison?«, fragte sie.
»Seit ’09, junge Dame. Hat Ihnen das FBI das nicht gesagt, bevor Sie hier rübergekommen sind?« Er rollte zurück, um sie wieder zu mustern. »Sie sind wegen etwas hier. Werden Sie mir erzählen, um was es geht?«
Dreya reichte ihm ein Foto von Tanya Stapleton. »Sie haben dieser Frau auf AlleyOop geschrieben.«
»Oh, Tanya, das ist also ihr Name; Sie ist diese Hübsche, alles klar. Ja, wir haben ein paar Mal geschrieben. Ist das gegen das Gesetz?«
Dreya atmete schwer aus, aber sie musste fragen. »Wo waren Sie am Freitag, den 27. April, zwischen den Stunden von Mitternacht bis Mittag?«
»Nun ja, der April war ein geschäftiger Monat.« Er rief Rhys zu, welcher in der kleinen Kochnische umherging. »Junger Mann, schauen Sie auf den Kalender an der Wand und sagen Ihrer Partnerin, was ich an diesem Tag getan habe.«
Rhys lehnte sich über einen kleinen Tisch und hob die Kalenderseite, um wieder auf den April zu schauen. »Darmspiegelung, Veteranen-Krankenhaus, 6.00 Uhr.«
Dreya nickte, brauchte Harrisons Alibi nicht, um ihr zu sagen, dass er nicht ihr Killer war. »Haben Sie einen schönen Tag, Mr. Harrison; Entschuldigung für die Störung. Und ich danke Ihnen für Ihren Dienst, Sir.« Sie kehrte wieder zur Tür zurück und wartete auf Rhys.
Mr. Harrison rollte zu ihr hinüber. »Wissen Sie, in meinem Alter wird es einsam. Ich flirte mit den Mädchen online. Nun, ich weiß, dass Sie nicht hier sind, weil ich ein falsches Foto hochgeladen habe. War dieses Mädchen eine Verwandte von Ihnen? Sie sehen sehr wie sie aus, wissen Sie.«
»Nein, wir sind nicht verwandt.«
»Aber Sie sind hier, weil ihr etwas zugestoßen ist«, beharrte er. »Was ist ihr zugestoßen?«
Dreya hielt inne. Die Frage kam immer und die Antwort machte sie traurig. »Sie wird Ihnen keine weiteren Nachrichten mehr schicken, Mr. Harrison.«
Sie traten in den Flur. Harrison rollte hinter ihnen heraus. »Passen Sie auf, Agent. Was auch immer mit dem Mädchen geschehen ist, es könnte auch Ihnen passieren. Wir alle sind Opfer in diesem Leben. Denken Sie an meine Worte.«
Sie stiegen ins Auto und Rhys fuhr in Richtung ihres Apartments in Arlington. »Das war bedrückend«, sagte sie.
»Welcher Teil?«
»Ich sehe die Menschen durch die Linse des Verbrechens und ich orientiere mich daran nicht wie sie zu sein. Sie sind Opfer von Verbrechen und ich nicht.« Sie rutschte auf ihrem Sitz herum, fühlte sich unwohl bei ihrer Reaktion auf Mr. Harrison. Aus irgendeinem Grund war Rhys immer in der Lage ein Geständnis aus ihr zu bekommen.
»Du und ich und Quinn waren Opfer von Gideon Smith, Simon ein Opfer von Lazar. Ich mag es nicht in der Opfer-Kategorie zu sein und ich habe es satt, dass Leute sagen, dass es auch mir passieren könnte, was mit diesen Mädchen passiert ist. Aber wenn ich die Wahrheit zugebe, bin ich bereits eine dieser Frauen.
»Mr. Harrison ist allein, beinahe am Ende seines Lebens. Ich weiß nicht, welche Freuden oder Sorgen er in seinen Tagen erfahren hat, aber seine momentane Existenz erschien mir sehr traurig. Mit seinen Worten, er wird einsam.«
Rhys schoss ihr einen überraschten Blick zu. »Du siehst seine Einsamkeit als traurig an? Er schien mir zufrieden genug. Ausgenommen von der Darmspiegelung vielleicht.«
Er grinste mit neckenden Augen und sie unterdrückte ein Kichern; er tat das immer für sie, half ihr zu bemerken, dass es okay war über das Leben zu lächeln. »Ich sage traurig, weil er ganz allein ist und mich diese Umstände traurig machen würden.«
»Allein zu sein ist traurig für dich?«
»Ja, sehr traurig.« Sie starrte aus dem Fenster, ihr Magen wand sich vor Elend. Sie hatte einst ihr Leben darum aufgebaut allein zu sein, aber Nobility hatte sie mehr verändert als sie zugeben wollte. »Ich würde nur nicht wie er ganz allein sein wollen.«
»Ich würde denken, dass du ein wenig Freiraum brauchst, da wir drei dir immer im Weg sind«, scherzte er.
»Verwechsel Freiraum nicht mit Abstand.« Ihre drei Männer nicht in ihrem Leben zu haben war undenkbar. Sie erschauderte. Das Gespenst jämmerlicher Einsamkeit ließ einen kalten Stein ihre Wirbelsäule hinab purzeln.
Er ergriff ihre Hand und drückte zu. »Ich bin ziemlich sicher, dass du niemals wieder allein sein wirst, Dreya.«
Seine Stimme war tief und ernst, so wie in der »für-immer«-Art von ernst. Seine Hand war warm und tröstlich, seine Stimme voller Hingabe, und seine Worte lösten ihr Frösteln auf. Sie lachte, räumte ein: »Es wäre nett ein wenig Privatsphäre im Badezimmer zu haben. Ich sage, wir teilen das Wochenende dazwischen auf nach einem Haus zu jagen und einen Killer zu jagen.«
Martin sammelte von seinem Keller ein, was er brauchte. Haley würde ihre Mutter besuchen und wäre den ganzen Tag lang weg, eine perfekte Gelegenheit für ihn ihr Apartment unter die Lupe zu nehmen.
Er hatte seine Uniform und Ausweis eines Elektrikers, einen kleinen Koffer mit Werkzeug und ein neues Paar Schuhe. All dies ging in den Prius für eine kurze Fahrt hinüber zur Garage, die er drei Blocks entfernt gemietet hatte. Dort wechselte er in die Uniform und neue Schuhe, darauf bedacht die Schachtel zu behalten, um später die Schuhe darin zu verstauen.
In der Garage war ein kleiner weißer Van wie derjenige, den er auf der Arbeit fuhr, mit einem ablösbaren Aufkleber, der kundtat, dass er ein offizielles Stadtfahrzeug war, so wie auch das Kennzeichen.
Er fuhr vorsichtig zu Haley, parkte einen halben Block entfernt und ging geradewegs zu ihrer Tür, trat um die schlichte Trennwand, welche die Tür von dem Blick zur Straße schützte. Entlang des Wegs beäugte er das Gebüsch zwischen der Gasse und ihrer Tür.
Als er hinter der Trennwand außer Sicht war, setzte er eine spezielle, digitale Picking-Pistole in das Schloss, ließ ihre Tür aufklicken und betrat ihr Apartment.
Sobald er im Inneren war, ruhte er mit seinem Rücken an der Vordertür. Das kleine Apartment war mit ihrem einzigartigen Duft durchdrungen. Er schloss seine Augen und atmete ein, erkannte die Gerüche nach Kaffee, Obst und verbranntem Toast von ihrem Frühstück, der saure Abfall noch immer im Eimer, den sie hinauszubringen vergessen hatte, der Motor des Kühlschranks summte, während Eis in den Behälter fiel.
Obwohl er wusste, dass sie über den Tag weg war, ging er auf Zehenspitzen. Dieser Moment des Eindringens war so belebend, so befähigend, so befreiend, er bekam beinahe, was er brauchte, nur indem er hier war. Aber es musste mehr geben; er brauchte die Worte. Nur dann würde er haben, was er so innig ersehnte. Bald würde er entdecken, ob Haley diejenige war ihn zu lieben.
Im Schlafzimmer legte er sich vorsichtig auf ihr Bett, wobei sein Kopf das Kissen berührte, wo ihre Träume bei Nacht wirbelten. Er würde sie in der Nacht besuchen und zusammen würden sie sehen, ob sie für ihn einen Platz in ihren Träumen hielt.
Er ging in ihr Badezimmer und nahm sich einen Moment, um auf ihre Toilette zu sitzen. Ein Gesundheits- und Sportmagazin ruhte in einem nahen Korb mit einigen Rollen Papier. Er stand dann in ihre Dusche und nahm jeden ihrer Badeartikel, schnüffelte individuell an ihnen. Sie roch besser als es seine Mutter tat.
Während er herumging, nahm er Notiz von dem, was er benutzen konnte – einen Stuhl von ihrem kleinen Frisiertisch, auf dem sie sitzen konnte. Er fand keinerlei Klebeband, also würde er sein eigenes mitbringen.
In der Stille stellte er seine Frage: »Was siehst du?« Seine Worte, leise geäußert, verklangen in dem leeren Zimmer. Keine Antwort kam als Erwiderung. »Ich werde zurückkommen müssen, wenn sie hier ist.«
Dreya saß im Büro der Immobilienmaklerin, wobei Rhys, Quinn und Simon in der Nähe standen. Die Maklerin, eine Melissa Thompson, schien bereit auf Dreyas Mietantrag zu sabbern, als sie über Rhys, Quinn und Simon gaffte.
Dreya lächelte, verstand Melissas Unbehagen. Für diesen Wochenendausflug waren ihre Männer gekleidet, um Eindruck zu machen, ein Maß dafür, wie sehr sie aus ihrem kleinen Apartment und in etwas mit mehr Platz wollten.
Weil ihre Wohnung nicht genug Platz für all ihre Kleidung hatte, und um für sie nachsichtiger mit dem Andrang im Badezimmer umzugehen, hatten sie Rhys’ Apartment als eine Alternative zum Baden und Kleidung Verstauen genutzt. An diesem Morgen kamen die drei super riechend und so flott gekleidet zurück, dass sogar ihr vor Anerkennung das Wasser im Mund zusammenlief.
Rhys war ein ländlicher Gentleman in einem hellen Strickpullover, Kordjacke, Slippern und einer Hose, die eine Bügelfalte trug, die Brot schneiden konnte.
Mit seiner großen Gestalt sah er wie ein Model aus. Sein schwarzes Haar schimmerte im frühen Morgenlicht und brauchte, wie bei ihnen allen, einen Schnitt. Ein Bereich beharrte darauf in seine Augen zu fallen. Als er mit seiner Hand durch sein Haar fuhr, um es zurückzuziehen, bemerkte Dreya, dass Miss Thompsons Augen sich auf seinen Bewegungen verschränkten.
Quinn war der Bad Boy, trug eine schwarze Jeans und ein schwarzes Shirt mit einer Klubjacke aus schwarzem Leder. Seine hübschen Augen schwelten durch sein inneres Verlangen zu rennen, was eine unwiderstehliche Anziehungskraft erschuf. Melissa schien jedes Mal, wenn ihr Blick über Quinn ging, kurz davor ihren Faden zu verlieren
Simon war der Geheimnishüter, seine haselnussbraunen Augen umwölkt mit Mysterium, der kantige Kiefer unerbittlich. Im Kontrast dazu musste er ständig sein langes Surfer-Boy-Haar aus seinen Augen wischen. Er beanspruchte den Titel des Muskelmanns des Tages, indem er ein Mikrofasershirt trug, das sich an seine wohlgeformte Brust schmiegte. Miss Thompson leckte sich häufig über ihre Lippen. Dreya hielt ein Grinsen zurück und brachte eine Prise Mitleid für die Immobilienmaklerin auf.
»Und was sagen Sie, tun Sie?«, fragte Melissa.
»Ich bin ein Special Agent beim FBI«, sagte Dreya.
Melissas Augen schweiften zu Rhys. »Ich bin Detective Morgan beim Metro PD.«
»Ich verstehe«, sagte sie leise. »Und?« Sie wandte sich an Quinn.
»Interpol Agent ausgeliehen an das FBI.«
»Oohh. Und Sie?«, fragte sie Simon. Sie hob eine Augenbraue und lehnte sich vor.
»Medizinischer Berater beim FBI.«
Während dieses kurzen Austauschs schien Melissa auf heißen Kohlen zu sitzen, denn sie überkreuzte ihre Beine einige Male. Aufgrund der Mikro-Deutungen, die Dreya vom Gesicht der Frau aufnahm, musste sie von Hitzewallung zu kaltem Schweiß und wieder zurück gehen. »Wird es ein Problem sein in der Gesetzesvollstreckung zu sein?«, fragte sie. »Wir haben alle eine hohe Sicherheitsfreigabe.«
Melissa brachte ihren Fokus zurück auf Dreya, als ob sie diese gerade erst im Zimmer bemerkt hatte. »Ein Problem? Was wäre ein Problem? Oh, die Gesetzesvollstreckung. Nein, nicht solange Sie keine gesetzlichen Dinge tun.«
»Bedeutet?«
»Wie soll ich es ausdrücken – Sie würden in dem Wohnhaus nur leben, richtig? Nicht irgendwelche Befragungen von Verdächtigen durchführen, Waffen lagern, verdeckte Ermittlungen oder, Sie wissen schon, gesetzliche Dinge, die in Schaden am Grundstück resultieren könnten.«
»Nein, keine gesetzlichen Dinge, kein Schaden am Grundstück. Wir sind verantwortungsvolle Erwachsene.«
Melissa ging zurück zum Antrag. »Nun, wenn Sie nach Fläche suchen, werden Sie ein paar hochbezahlte Jobs und einen Helikopter brauchen, der Sie zurück nach DC bringt.« Sie blickte auf durch ihre Brille und lächelte.
Rhys fragte: »Wie hochbezahlt?«
Bei seiner Stimme und Nachfrage erhellte sich ihr Gesicht. »Na ja, wonach Sie suchen, wird selten gemietet, also sprechen wir von einem Kaufpreis von ungefähr 1,2 und höher.«
»Million?, entgegnete er.
»Wie weit draußen?«, fragte Quinn. Dreya schoss ihm einen schnellen Blick zu, fragte sich, ob er die 1,2 irgendwo versteckt hatte. Wenn er 1,2 Million $ hatte, dann war ein Helikopter wahrscheinlich kein Problem.
»Zu weit zum Fahren«, schnurrte Melissa. »Sie würden Stunden benötigen, um in die Stadt zu kommen.«
Dreya hatte diese Sackgasse gefürchtet, als sie den Vorgang eingeleitet hatten, aber sie musste für die Jungs eine Bemühung zeigen. Die Wahrheit war, dass es innerhalb vom Arbeitsabstand zu DC kein offenes Land gab. »Ich danke Ihnen, Melissa«, sagte sie, während sie sich erhob. »Wenn Sie den Antrag aufbewahren würden, und möglicherweise an uns denken, sollte das richtige Grundstück über ihren Schreibtisch kommen.«
Melissa schüttelte kurz Dreyas Hand, bevor sie sich mit den Jungs Zeit ließ. »Ein Vergnügen«, murmelte sie, während sie die Reihe entlang ging.
»Sie werden an uns denken?«, fragte Rhys.
»Oh, ich werde definitiv an Sie denken«, sagte sie, lächelte mit einer Zurschaustellung guter Zähne.
Die Fahrt zurück nach Arlington war ruhig. Trotz all des Parfums und den schicken Klamotten blieben ihre Möglichkeiten schmal. »Macht euch keine Sorgen«, sagte sie. »Etwas wird aufkommen. In der Zwischenzeit lasst uns einen Killer finden.«
Zuhause an diesem Abend öffnete sie ihren Laptop. Sie hatte selten Zeit im Internet zu sein, außer es beinhaltete einen Fall. Sie ging auf die Dating-Seite Alley Oop.
Nachdem sie nur ihr Geschlecht eingegeben hatte, erschien ein Durcheinander an Gesichtern in einer horizontalen Darstellung. Gesicht nach Gesicht, Männer allen Alters, die, der Alley Oop-Beschreibung zufolge, »nach Liebe suchen«. Sie kniff die Augen zusammen und legte bei der langen Parade ihren Kopf schief.
Nach einigen Minuten und dutzenden Fotos begann sie zu glucksen. Ein Foto entlockte ihr ein »Ha!«, bevor sich mehr rumpelndes Gelächter erhob. Gesicht nach Gesicht war das Foto mit Kopfstücken und Federn und Hörnern von Gegenständen an der Wand hinter dem Motiv gesprengt.
Dann kam ein Festzug von Männern, die tote Fische zur Schau stellten. »Oh, gütiger Himmel«, quietschte sie und bedeckte ihren Mund mit ihrer Hand. »Was denken sich denn diese Typen?« Sie lachte dröhnend, erkannte, wie fremd ihr die Dating-Szene war.
»Ich habe nie gewusst, ich meine, welche Frau könnte einen Mann mit einem toten Fisch abweisen?« Sie kicherte, kämpfte damit ihr Gelächter einzudämmen, aber gab nach und schrie bei den Fotos, wo kein Gesicht erschien, laut auf. »Ha! Ein Date mit dem bekommen? Oh mein Gott, schauen sich diese Typen ihre Fotos an, bevor sie die hochladen?«
Andere Männer besetzten stolz ihren liebsten Polstersessel mit einer Zigarette und einer Bierdose. »Richtig, alle Frauen wollen einen von denen«, sagte sie lachend. Bald lachte sie schallend wie ein Brüllaffe. Tränen strömten aus ihren Augen und sie wischte ihr Gesicht mit dem Ärmel ihres Pullovers ab. »Meine Güte, das war mal etwas anderes.«
Rhys hatte sich zusammen mit Simon und Quinn hinter ihr gesammelt. Sie grinsten, waren von ihren Ausbrüchen angezogen.
»Was hat dich so aufgeheitert, Prinzessin?«, fragte Simon.
Rhys begann zu lachen. Auf den Bildschirm zeigend sagte er: »Gibt’s das wirklich?«
»Was?«, murmelte Simon, während er sich für einen genaueren Blick hinlehnte.
Sie bewegte den Schieber, um die Fotos weiterzuschalten.
Mehr Hörner erschienen, zusammen mit teuflisch roten Augen, toten Fischen, Hautausschlägen, haarigen Rücken und schlaffen Bäuchen. Bald begann sogar Quinn zu lachen, und während die Parade länger und schlimmer wurde, erschallte ihr humorvolles Geheule durch das Apartment.
Rhys ergriff seine Brust und fiel gegen die Wand, lachte mit Tränen in seinen Augen. Simon klatschte auf sein Bein und wich haspelnd in den Flur zurück. Quinn brachte eine Schachtel Taschentücher, so dass alle ihre Gesichter trocknen konnte.
Dreya schloss den Laptop. Der kurze Moment des Humors war gut, denn die Gelegenheiten für solch ungehemmtes Gelächter waren bei ihrer Arbeit schmal bis nicht vorhanden. Aber die ernüchternde Tatsache verblieb.
»Also, Jungs, das ist unser Verdächtigenkreis.«