Читать книгу Love@work - Der Assistent - Dani Merati - Страница 3
1. Kapitel
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„Hat dir dieser Scheißkerl, der sich dein Chef nennt, eigentlich jemals gesagt, dass er deine Arbeit zu schätzen weiß?“ Markus‘ Stimme summte wie eine irritierende Fliege in Marcels Kopf herum, als er stirnrunzelnd den Terminplan in seinem Laptop anpasste.
„Nein und er bezahlt mir genug, damit ich es nicht hören muss.“ Er ignorierte seinen eigenen Sarkasmus und trug den Winzertermin für den 19. ein. Dann speicherte er und schloss das Notebook.
„Das ist Schwachsinn, Brüderchen. Jeder Mensch hat ein Anrecht darauf, dass man seine Leistung zu schätzen weiß. Warum zum Teufel malochst du dich für dieses undankbare Arschloch kaputt? Ich kapier’s einfach nicht!“
Sein Bruder fuhr sich genervt mit allen zehn Fingern durch die eh verwuschelten blonden Haare und starrte ihn grimmig an.
„Du hattest in den drei Jahren, in denen du für ihn arbeitest, keinen Tag Urlaub und das erste Mal, wo du ein freies Wochenende freikämpfen konntest, um deinen Geburtstag zu feiern, hat er einen Notfall?“
Marcel seufzte und sah in die wütend funkelnden Augen seines Bruders. „Ich bin rechtzeitig für die Party zurück. Versprochen. Es sollte nicht länger als einen Tag dauern. Die Feier ist sowieso erst für Sonntagabend geplant, oder? Dann hab‘ ich eben nicht das ganze Wochenende frei, das ist alles. Ist doch keine große Sache.“
Aber das war es und sie beide wussten es. Markus betrachtete sein blasses Gesicht. „Wann hast du eigentlich das letzte Mal eine Nacht durchgeschlafen? Du siehst wie ausgekotzt aus. Du hast ja nicht einmal geregelte Arbeitszeiten - der Bastard schnippt mit den Fingern und erwartet, dass du alles Stehen und Liegen lässt und losrennst, sobald er dich braucht!“
Sein Bruder funkelte dabei den geschlossenen Laptop an, als hätte er die Pest. „Du isst nicht richtig. Lena ist der Meinung, dass du schon wieder einige Pfund abgenommen hast. Jetzt mal ehrlich, wo sind die Vorteile dieses Jobs - außer dem dicken Scheck?“
Marcel hatte nicht die Absicht Markus oder dem Rest seiner Familie die Wahrheit zu sagen und ihm zuzustimmen - unmöglich. Auch wenn sie alle Recht hatten. Aber die Demütigung wollte er sich nicht antun.
Stattdessen lächelte er seinen Bruder an und griff nach dessen Hand. „Danke, dass du dir Sorgen um mich machst. Und Lena übertreibt wie immer maßlos. Du weißt doch, was für eine Glucke sie ist.“
Marcel sah sein Gegenüber verschwörerisch an. „Ich liebe diesen Job. Du kennst mich, den ganzen Tag an einem Schreibtisch in einem kleinen stickigen Büro und du könntest mich nach einer Woche einsargen lassen. Ich steh‘ auf die Abwechslung, liebe die Aufregung. Es ist nie langweilig.“
Was nicht bedeutete, dass er nicht kündigen würde, wenn er seinen Big Boss heute Abend sah.
Markus‘ Augen bohrten sich in seine.
„Dein Chef behandelt dich wie ein Stück Scheiße. Dieses Arschloch trampelt auf dir herum, als ob du überhaupt nicht existierst, als wärst du nur ein Fußabtreter und du läufst ihm wie ein Hund hinterher und machst Männchen. Verdammt noch mal! Kündige und hol‘ dir dein Leben zurück. Das verfluchte Geld kann es doch nicht wert sein.“
Volltreffer! Markus‘ Worte trafen ihn wie ein Pfeil ins Herz. Ihm stockte der Atem. Marcel wusste, dass sein Bruder es nur gut meinte. Er wollte ihm nicht wehtun. Es war einfach dessen Art auf die Familie aufzupassen und zu helfen, wenn einer von ihnen in Schwierigkeiten war. Das Schlimme war - er verstand ihn, aber das hieß nicht, dass er das Mitleid ertrug, das er ihm entgegenbrachte.
Mitleid! Genau das, was er für seinen 30. Geburtstag brauchte. Er schluckte schwer und zwang sich die Klappe zu halten. Er würde Markus auf keinen Fall erzählen, dass er vorhatte, sich sein Leben zurückzuholen, bevor die Sache in trockenen Tüchern war.
„Wie schon gesagt, ich mag meinen Job. Ich hab‘ vielleicht nicht den nettesten oder rücksichtsvollsten Chef der Welt, aber er bezahlt mich außerordentlich gut. Außerdem hab‘ ich geile Sondervergünstigungen und es gibt kaum einen Ort in Europa, den ich bisher nicht kenne. Ich reise 1. Klasse in einem Privatflugzeug. Ich verfüge über ein äußerst großzügiges Spesenkonto. Gut, dann hab‘ ich eben nicht jedes Wochenende frei, doch das ist ein kleiner Preis, um unersetzlich zu sein.“
Zumindest noch für einen weiteren Tag!
Markus schüttelte den Kopf, verabschiedete sich und murmelte auf dem Weg nach draußen, was er mit diesem egoistischen Arschloch gerne alles anstellen würde. Gegen seinen Willen musste Marcel grinsen. Dann ertönte der Alarm seines Smartphones und erinnerte ihn an den Flug. Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht.
Sein älterer Bruder und der Rest seiner Familie hatten natürlich recht. Er war bemitleidenswert, absolut erbärmlich. Er seufzte. Es machte ihm nichts aus, für einen Mann wie Christopher Thalberg zu arbeiten, solange dieser seinen Einsatz zu schätzen wusste und ihn wirklich brauchte.
Marcel lachte bitter. Keine Chance in der Hinsicht. Christopher Thalberg brauchte niemanden - und er schätzte niemanden. Er war ein knallharter Selfmade-Millionär, abgebrüht, berechnend und ein chauvinistischer Ladykiller.
Er streckte sich, stand dann auf und schob seinen Laptop in die Tasche. Manchmal fragte er sich, ob sein Chef überhaupt von seiner Existenz wusste, oder ob er nur die Ergebnisse sah, die er als Feuerlöscher, Babysitter oder Fußmatte produzierte. Ach ja, und den wichtigsten Aspekt seines Jobs durfte er nicht vergessen: professioneller Katastrophenbeseitiger.
Es war glasklar, warum Christopher ihn urplötzlich in Nizza brauchte. Nicht genug, dass sein Boss ihn nicht als Mensch wahrnahm. Jetzt musste er wieder einmal für ihn die Bresche springen. Sah er wie ein verfluchter Verteidiger aus?
Marcel grollte, schlüpfte in sein Jackett, schob genervt eine Locke seines blonden Haars aus der Stirn und marschierte zum Ausgang. Dabei funkelte er wütend sein Spiegelbild in der schimmernden, metallischen Wand an.
Er sah scheiße aus, genau wie Markus gesagt hatte. Ja, er wurde nicht jünger. Ja, er bekam keine Chance einen tollen Kerl kennenzulernen, der in ihm mehr sah, als das Schoßhündchen von Christopher Thalberg. Ja, der einzige Grund, warum er diesen Scheißkerl tolerierte, war, dass er dämlich genug gewesen war, sich total und unwiderruflich in seinen Chef zu verlieben. Seinen Chef, der jedes weibliche Wesen bereits mit den Augen flachlegte. Den Macho, der sich für Gottes Geschenk an die Frauen hielt.
Ja, das war eine echte Glanzleistung von ihm. Er starrte in sein gerötetes Gesicht. War das eine Falte? Und was war das an seiner Schläfe? Etwa ein graues Haar?
Marcel schloss seine Lider und zählte langsam bis hundert. Zehn hatte schon an seinem ersten Arbeitstag nicht mehr ausgereicht. Es war an der Zeit, sich endlich zusammenzureißen. Rückgrat zu beweisen. Sich sein Leben zurückholen.
Er holte tief Luft und starrte seine Reflexion nieder. Dies war das letzte Mal, wo er Christopher Thalberg aus der Klemme half. Danach musste er einen neuen Babysitter finden. Sein Leben flog auf der Überholspur an ihm vorbei und er wäre wirklich nur noch dämlich, wenn er seinem Chef weiterhin wie ein sabbernder Idiot hinterherhechelte.
Er würde alle Verbindungen zu seinem aufregenden, berauschenden Job abbrechen und sich einen eintönigen Bürojob suchen. Sesshaft werden. Beziehungen pflegen. Langweilige Gespräche führen. Mit anderen Worten: Ein Spießer sein!
‚Ach verdammt, Marcel, du bist so dämlich! Das wird ein Traum, du wirst sehen. Du holst dir damit deinen Stolz zurück.‘
Stolz? Was war das noch gleich? Oh ja, er erinnerte sich jetzt. Er war einmal stolz auf sein Organisationstalent gewesen, sein PR-Geschick, seine Kompetenz in allen Bereichen der Wirtschaft. Das hatte ihm den Job verschafft und diese Fähigkeiten würden auch dafür sorgen, dass ein Neuanfang ein Leichtes war. Ihm stand mit seinen Qualifikationen die gesamte Welt offen.
Den ganzen Weg zum Parkplatz, wo die Limousine auf ihn wartete, wiederholte er das wie ein Mantra. Sich sein Leben zurückholen. Sich endlich wieder wie ein richtiger Mann fühlen.
‚Ja Marcel, weiter so. Du darfst nicht vergessen, dass es das letzte, das wirklich allerletzte Mal ist, dass du Christopher Thalberg hinterherrennst.‘
Im Wagen warf er seine Laptoptasche neben sich auf den Sitz. Unbewusst strich er mit den Fingern liebevoll über das luxuriöse Teil, ein Geschenk von seinem Chef vor zwei Jahren, da sein Gepäck irgendwo zwischen einem Shoppingtrip in London und einem Kasinobesuch in Monte Carlo verloren gegangen war.
Ein Seufzer entschlüpfte ihm und ein trauriges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Manchmal - nur manchmal - konnte sein Arbeitgeber Mitgefühl und Rücksicht zeigen.
Der Verlust des Gepäckstücks und seines Inhalts hatte ihm eigentlich nicht wehgetan, doch Christopher Thalberg hatte das offenbar anders gesehen. Nachdem er von dem Schaden erfahren hatte, war Marcel von der Reise nach Hause gekommen und hatte das teuerste, exklusivste Koffer-Set vorgefunden, welches es wohl für Geld zu kaufen gab. Zusätzlich komplett gefüllt mit der elegantesten, edelsten Kleidung, die man käuflich erwerben konnte. Alles in den richtigen Größen!
Er war geschockt gewesen - und hingerissen. Aber als er versucht hatte, seinem Chef dafür zu danken, wurde seine Anerkennung wie ein lästiges Insekt beiseite gewischt. Christopher hatte ihm kühl mitgeteilt, dass er nur jemanden beauftragt hätte, den Verlust zu ersetzen. Völlig bedeutungslos.
Anders für Marcel. Es war ein weiterer saftiger Knochen, der dem braven Hündchen vor die Füße geworfen worden war. Dieses Geschenk hatte dazu geführt, dass er Christopher Thalberg vielleicht doch nicht die Haut von seinem atemberaubenden, muskulösen Körper schneiden müsste.
Er lehnte sich in den Sitz zurück. Und so lief es immer. Jedes Mal, wenn er sich vornahm, seinem Chef zu sagen, wohin er sich seinen hoch bezahlten Job stecken könne, tat der etwas, was ihn beinahe menschlich erscheinen ließ.
Wie zum Beispiel, als Marcel für ihn bei einem Treffen in St. Moritz einspringen musste und sich beim Skifahren den Knöchel gebrochen hatte, weil er noch nie auf Skiern gestanden hatte. Christopher war in London auf einer Charity-Gala gewesen, in den nächsten Flieger gesprungen und in seinem Smoking in die Notaufnahme gerauscht. Und nachdem man ihn eingegipst hatte und im Rollstuhl raus bringen wollte, hatte sein Chef ihn einfach hochgehoben und selbst hinausgetragen.
Zuhause hatte er dann eine Krankenschwester und eine Haushälterin für ihn eingestellt, bis Marcel wieder auf den Beinen war. Verflucht sollte er sein! Und das genau zu einem dieser Zeitpunkte, als er ihm eigentlich hatte sagen wollen, dass er sich einen anderen Idioten für den Job suchen musste. Er hielt in seinen wandernden Gedanken inne, um zu überlegen, wann das gewesen war. Ach ja, der fehlgeschlagene Kündigungsversuch im letzten Jahr!
Er runzelte die Stirn, als er auf seine Armbanduhr sah. Der Flug ging in zwei Stunden, dann war er wieder einmal auf dem Weg zu seinem Arbeitgeber, um ihm den vermaledeiten Traumjob vor die Füße zu werfen. Und diesmal konnte ihn nichts davon abhalten. Gebrochene Knochen, verlorenes Gepäck und was sonst noch, sollten ihm bloß gestohlen bleiben.
Und er würde eine immense Befriedigung empfinden, wenn er seinem Chef das Satellitentelefon zurückgab, dass er nur bekommen hatte, damit er Tag und Nacht und egal wo er sich aufhielt, für diesen Idioten erreichbar war.
Marcel grinste hämisch. Sollte der große Boss doch mal sehen, ob er je wieder so einen Assistenten wie ihn an Land zu ziehen vermochte. Denn den Nächsten müsste er wie einen Menschen behandeln.
Oh ja. Er holte sich sein eigenes Leben zurück. Der Gedanke beflügelte ihn und übertönte die leichte Wehmut, die sich bei der Vorstellung einschlich, demnächst nicht mehr für Christopher Thalbergs Wohl zuständig zu sein.