Читать книгу Love@work - Der Rivale - Dani Merati - Страница 3
1. Kapitel
ОглавлениеSo fühlte sich also spionieren an.
Es war nicht vollkommen unangenehm. Ehrlich gesagt war es sogar irgendwie spannend. Markus Bender war natürlich kein professioneller Privatdetektiv. Auch kein Kriminalbeamter, arbeitete NICHT heimlich für den BND und ganz bestimmt war er NICHT Sherlock Holmes. Aber jetzt grade - in diesem Moment - blieb ihm nichts anderes übrig, den Part zu übernehmen.
Spionieren hatte definitiv nicht im Terminkalender gestanden.
Es sah eher nach einem Unfall des Schicksals aus oder einem wirklich dummen Zufall. Egal wie, er hatte keine Möglichkeit gehabt, es zu verhindern.
Bevor er unabsichtlich in die Rolle des Spions geschlüpft war, hatte er wie alle Mitarbeiter des grünen Elefanten hinterm Schreibtisch gesessen und an kreativen Ideen für eine neue PR-Kampagne gearbeitet. Na ja, besser gesagt hatte er seine immer weiter anwachsende Blockade gefüttert. Für jeden Kollegen, der heute an seinem Arbeitsplatz vorbeigekommen war, musste er einen unterhaltsamen Anblick geboten haben.
Seinen Computer mit Blicken erdolchend hatte er an dem Radiergummi eines Bleistifts herumgekaut. Danach hatte er die Umdrehungen gezählt, die sein Bürostuhl mit einem einzigen Schubs erreichen konnte, während er draufsaß. Nach schwindeligen fünfzehn Minuten und einem persönlichen Rekord von sechs Runden war ihm auch daran die Lust vergangen.
So hatte er sich der Inventur seiner Schubladen zugewandt - wobei sich der Verlust seines Lieblingskugelschreibers als trauriges Highlight des Vormittags entpuppte. Natürlich hatte das alles stattgefunden, bevor Markus zum Brüten übergegangen war.
Gegen Mittag hatte er dann beschlossen, dass die gesamte Situation deprimierend war und er einen Ortswechsel brauchte. In einer hippen Werbeagentur nach amerikanischem Vorbild zu arbeiten - was logisch war, der Inhaber hatte seine Wurzeln in den USA - brachte gewisse Vorzüge mit sich.
Man war sich durchaus bewusst, dass man die kreativen Gehirne seiner Mitarbeiter hätscheln und pflegen sollte und deshalb bot man ihnen allerlei Unterhaltungsmöglichkeiten, um ihre Produktivität anzukurbeln.
Neben Räumen, wo man Videospielen frönen konnte, komplizierte Puzzles legen, einer Bar mit Weinverkostungen und einem eleganten Bistro, gab es im Kellergeschoss sogar ein komplett ausgestattetes Spa inklusive Schwimmbad, Sauna und Massagesalon. Die letzte Errungenschaft war ein Friseursalon, da einige Denker glaubten, ein neuer Haarschnitt beeinflusse sofort die Gehirnzellen.
Markus zuckte mit den Schultern. Wer’s brauchte. Ihm war heute allerdings nicht nach sinnlosem Rumgeballer - das würde seine Zellen eher absterben lassen - und puzzeln hatte er schon als Junge als langweilig empfunden. Das Spa schied ebenfalls aus, in den sechs Jahren in denen er jetzt für ‚Green Elephant‘ arbeitete, war er bisher erst einmal dort unten gewesen - zur Eröffnung. Nicht, dass ein Saunabesuch oder eine Tiefenmassage etwas Schlechtes war ... Er hatte nur keine Lust auf die Begleiterscheinungen - respektive Klatsch und Tratsch.
Also war Markus in eine der ‚Denkerlounges‘ verschwunden, die auf jeder Etage einen Ort der Ruhe bildeten. Der großzügige, ominös stille Raum war nach dem Geschnatter im Großraumbüro beinahe unheimlich. Die Tatsache, dass er hier allein gewesen war, hatte seine ohnehin im Keller befindliche Laune allerdings auf ein rekordverdächtiges Niveau gesenkt. Es bedeutete schließlich, dass er der einzige Mitarbeiter zu sein schien, dem die Kreativität fehlte.
So hatte er sich tiefer in den bequemen, runden Ledersessel gefläzt, dankbar, dass der hinter einem Wandschirm verborgen stand und man ihn nicht auf Anhieb erkennen konnte. Nur für den unwahrscheinlichen Fall, dass sich doch mal jemand hierher verirrte.
Markus bevorzugte dieses versteckte Plätzchen in der letzten Zeit, damit seine Nemesis niemals herausfand, dass er keine Ideen produzierte. Er würde eher ganz in Pink herumlaufen, als IHM solch eine Genugtuung zu gönnen.
Also hatte er seine trägen Gehirnzellen angestrengt und auf den schwarz-weißen Schachbrettboden gestarrt, während er alleine mit schierem Willen versucht hatte, einen vernünftigen Werbespruch, für die neue Kampagne zu erfinden. Dass das nicht funktionierte, war klar und so war er wieder in den Sessel zurückgesunken und hatte seine Augen geschlossen.
Jede Idee wäre zu diesem Zeitpunkt willkommen gewesen, selbst eine miese. Irgendeinen blödsinnigen Slogan, der seinen Chef beeindruckte, die Kunden überzeugte, lukrative Aufträge nach sich zog und noch wichtiger - seine Position in der Agentur festigte. Und natürlich etwas, das die übersprudelnde Kreativität seiner Nemesis in den Schatten stellte.
Markus war so vertieft in sein Gehirnjogging, dass er völlig verpasste, dass sich einige Kollegen in einer Klatschblase am anderen Ende des Raumes zusammengefunden hatten.
Wenn man dem dröhnenden Gelächter und Schenkelklopfen so lauschte, wäre man nie auf den Gedanken gekommen, dass das hier eine Oase der Ruhe sein sollte. Ihm kam es eher so vor, als hielten sie sich für betrunken und hingen in einer zweitklassigen Kneipe ab, denn genauso billig klangen ihre Gesprächsinhalte. Fetzen, wie „Hast du schon ihren Arsch abgecheckt?“, flatterten zu ihm herüber.
Das Konzept des Denkerraums war an den Herren wohl komplett vorbeigerauscht. Der hohe, leicht durchscheinende Wandschirm nahm nun die Wichtigkeit einer undurchdringlichen Mauer ein, versteckte seine Anwesenheit. Markus war geradezu lächerlich dankbar für diesen Umstand. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war, dass einer der Tölpel auf der anderen Seite in die obere Etage lief und seiner Nemesis steckte, dass er hier gesichtet worden war.
Nicht, wenn ER keine Probleme solcher Art zu kennen schien.
Nun, er hatte jedenfalls schon beschlossen, die Eindringlinge zu ignorieren, als sein Name plötzlich gefallen war. Und das war dann auch der einzige Grund für seine momentane Tätigkeit als Spion. Ehrlich.
„Ich denke, ich frage Markus Bender, ob er mich zu der diesjährigen Preisverleihung begleitet.“
Der eine Satz hatte seine Neugier geschürt. Jene ungewollte ... Einladung. Heinrich Merker, ein Mittfünfziger aus der Zahlenabteilung der Agentur, mit dem Markus in seinen sechs Jahren bei der Firma vielleicht genau diese sechs Mal gesprochen hatte. Wie der Mann deshalb auf eine solche Schnapsidee gekommen war, erschloss sich ihm nicht.
Hoffentlich fragte der ihn nicht wirklich, denn laut Firmenpolitik sollten alle ungebundenen Mitarbeiter mit einem Kollegen zu der Feier erscheinen - förderte angeblich das Zusammengehörigkeitsgefühl. Wer mit wem erschien, spielte dabei keine Rolle, die Kombination Mann-Mann, wie auch Frau-Frau erregte in ihrer Agentur überhaupt kein Aufsehen. Im Gegenteil, sie gehörte eher zum Standard.
Bisher war er diesem Gebot immer entkommen, indem er eine Begleitung von außerhalb mitgebracht hatte. Doch seine Schwägerin war diesmal bedauerlicherweise unabkömmlich, sein Bruder Marcel kam erstmals mit seinem Ehemann und tja - er suchte noch.
Dankbar vernahm er deshalb eine tiefe, heisere Stimme, die sagte: „Sorry, guys, aber er ist schon vergeben.“
„An wen?“, fragte eine dritte Person, die er nicht einordnen konnte.
„An mich natürlich“, antwortete die Sexstimme.
Markus‘ Herz setzte einen Schlag aus, als er realisierte, dass diese sonore Reibeisenstimme nur zu einem Mann auf dem gesamten Planeten passte. Seiner Nemesis. Grayson Donahue, jüngerer Bruder des Eigentümers und einer der kreativsten Denker hier im grünen Elefanten - und der stolze Träger des größten Egos in der Geschichte der Menschheit.
Er galt beinahe als Gott in der Agentur, was nur zeigte, dass der derzeitige Level nicht weiter sinken konnte. Der Kerl war ein echter Bastard, ein Teufel in Menschengestalt, aber ganz bestimmt kein Gott - selbst wenn er erscheinungsmäßig durchaus den Eindruck erweckte.
„Du gehst mit Bender?“ Heinrich klang - zurecht, wie Markus fand - absolut ungläubig.
„Yeah!“
Wow, das war auch für ihn eine interessante Neuigkeit. Er vermochte sich nicht zu erinnern, wann er in letzter Zeit mit Grayson gesprochen hätte, denn das wäre etwas gewesen, was unvergesslich war. Zumindest für ihn. Normalerweise wiederholten sich ihre Konversationen nämlich in Endlosschleifen in seinem Schädel. Dafür hatte er bisher leider noch keinen Ausknopf gefunden.
Deshalb und weil Donahue ihn allein mit seiner Präsenz davon abhielt, seinem Job nachzukommen, beschränkte er Unterhaltungen mit dem Mann auf ein Minimum. Einzig die Floskeln „Guten Morgen“ oder „Auf Wiedersehen“ erfreuten sich einer gewissen Regelmäßigkeit.
„Das ist totaler Schwachsinn, Gray“, meinte jetzt die dritte Stimme wieder - offenbar ein Genie. Er hätte am liebsten Beifall geklatscht, aber das wäre seiner Geheimagentenrolle kaum zuträglich gewesen.
„Er kann dich nicht ausstehen.“
Richtig so. Der Sprecher verdiente eine Medaille.
„Ich muss dich enttäuschen, Tobias, der Typ betet mich an.“
Markus war überzeugt, dass mit seinen Ohren etwas nicht stimmte. Das musste er gerade missverstanden haben. Er fühlte eine Menge Dinge für Grayson Donahue, doch Anbetung gehörte zu Hundertprozent nicht darunter. So sollte es auch in Zukunft bleiben.
„Ach ja? Vögelst du mit ihm herum?“
Das kam von Heinrich und zusammen mit der Herrentruppe um seine Nemesis hielt er in seinem Versteck den Atem an. Es juckte ihm in den Fingern, aufzuspringen und dem Schauspiel ein Ende zu bereiten, unbändige Neugier ließ ihn jedoch weiterlauschen. Obwohl es eigentlich unnötig war, die Antwort lautete ja eindeutig nein!
„Ich hab ihn erst gerade eben in den Toiletten flachgelegt.“
Markus‘ Kinnlade klappte herunter. Die Worte brannten sich tief in ihn - genau zwischen seine Beine, wo sein Schwanz interessiert zuckte bei dem Gedanken, es mit Grayson Donahue zu treiben.
‚So ein Verräter.‘
Für einen winzigen Augenblick fragte er sich, ob ihm etwas Wichtiges entgangen war - wie die durchaus erinnerungswürdige Erfahrung, eben durchgenommen worden zu sein, vielleicht?
Ja, klar! Nie im Leben!
Jetzt war definitiv der Zeitpunkt gekommen, aufzuspringen und dem Kerl das dreckige Grinsen aus dem Gesicht zu wischen, doch er saß wie angewurzelt auf seinem Platz. So ein mieser Lügner!
Niemals würde Markus so etwas tun. Genagelt werden in den Toiletten der Firma - also bitte. Wenn, dann übernahm er das Vögeln. Und solch ein denkwürdiges Ereignis vergessen? Ging ja wohl gar nicht!
Der Typ, den er nicht einordnen konnte, fand das Ganze anscheinend zum Brüllen komisch, denn er kriegte sich gar nicht mehr ein. Hoffentlich klappte der jetzt hier nicht zusammen, sonst war er die längste Zeit Spion gewesen.
„In den Toiletten!“, schnaubte der Kerl. „Das ist so cool!“
Was daran cool war, blieb zum Glück ein Geheimnis. Sexstimme meldete sich wieder zu Wort.
„Ich sagte euch doch, er betet mich an. Ich schwöre, der spritzt schon ab, wenn er mich nur ansieht.“
Aber klar und Schweine konnten fliegen! Seine Standfestigkeit in der Szene war legendär und dieser dahergelaufene ... Markus knirschte mit den Zähnen.
‚Beruhige dich, er ist es nicht wert.‘
Die Aufschneiderei bewies im Grunde nur eins: Die Maschinerie, die sich Graysons Gehirn schimpfte, war einfach zu kreativ! Wahrscheinlich waren schon alle Synapsen durchgeschmort! Totale Verblödung. Und das kam in der Branche offenbar an.
Was zur Hölle sollte er jetzt machen? Aus seinem Versteck stürmen und Donahue zu einem blutigen Klumpen schlagen, klang verlockend, war aber einfallslos. Also ...
„Zum Teufel, ich würde den Eisprinzen gerne mal ficken!“, kam es von Heinrich. „Den starken Kerl auftauen. Am besten auf allen vieren, eine Hand fest in diesen Locken und dann ...“
„Klappe Mann, die Vorstellung macht mich krank“, fuhr Grayson den anderen an. Er hörte sich irgendwie ... angewidert an.
Markus war mehr als angewidert, er stand kurz vor der Einweisung in die Notaufnahme. Schockbehandlung!
„Entschuldige, aber ich kriege jedes Mal einen Steifen, sobald ich ihn nur von Weitem sehe.“
Markus realisierte, dass er nie wieder einen normalen Blick auf Heinrich Merker werfen könnte. Besser noch, den Mann überhaupt nie wieder ansehen. Punkt! Verdammt, wenn er geahnt hätte, welche Abgründe sich bei seinen Spionagetätigkeiten ergaben, wäre er lieber geflüchtet - selbst auf die Gefahr hin, seiner Nemesis in die Arme zu laufen.
„So. Ihr macht also ständig miteinander rum?“, fragte der Unbekannte, der offensichtlich scharf auf die Details zu sein schien.
„Oh ja!“
Hoffentlich erstickte dieser Bastard an seinen dreisten Lügen!
„Wo denn überall?“
Markus vergrub seinen Kopf in den Händen. Wie es aussah, würde er hier nicht vor Feierabend wegkommen. Die Klatschrunde neben ihm brauchte wohl noch eine Weile.
‚Kein Wunder, dass die Frauen dabei sind, die Weltherrschaft zu übernehmen‘, dachte er spöttisch.
Während die Neandertaler seiner Gattung hier Pornos diskutierten, arbeitete die weibliche Belegschaft in der oberen Etage nämlich fleißig.
„Nun, was soll ich sagen, Bernd. Wir treiben es überall und so oft es geht - und es geht sehr oft. Schon mal vom Gay-Kamasutra gehört? Well, Markus könnte das gesamte Buch neu schreiben.“
„Kumpel, das ist der Hammer!“
Bernd stand anscheinend kurz vorm Herzinfarkt, wenn Markus das hohe Pfeifen, welches seine Worte begleitete, als Indikator nahm. Von den anderen beiden kam nur noch unverständliches Grunzen. Unglaublich!
„Wie steht es mit blasen? Da ist er doch bestimmt besser als die Weiber oder?“ „Nun ja, ich kann bei den Ladys ja nicht aus Erfahrung sprechen, aber so ein geiler Kerl und mein Schwanz zwischen diesen perfekten Lippen - das ist ein wirklich göttliches Ereignis!“
„Und habt ihr zwei so eine Regel, dass ihr Privates nicht mit dem Job vermischt?“, mischte sich Heinrich wieder ein.
Markus hielt die Luft an, als er auf Donahues Erwiderung wartete. Der zögerte keinen Herzschlag mit der Antwort, als ob er tatsächlich sein Lügenmärchen für bare Münze nahm. Verdammt, mit solch einer Oscar reifen Leistung engagierte man ihn in Hollywood bestimmt vom Fleck weg. Mann, er würde ihn sogar eigenhändig zum Flughafen bringen und ihm zum Abschied zuwinken. Goodbye, Nemesis!
„Yeah. Markus hält das für besser.“ „Dachte ich mir. Bender erscheint mir ja immer ein bisschen zugeknöpft. Aber stille Wasser sind tief, was Kumpel?“
Und dass ausgerechnet von Heinrich Merker, der das Wort ‚bieder‘, erfunden zu haben schien, wenn man ihn in seinen altmodischen Klamotten herumlaufen sah.
„Nun, ihr kennt doch diese Sorte“, kam die Aussage seiner Nemesis, als ob dass alles erklären würde.
Sorte? Was für eine verdammte Sorte? Markus war in seiner Familie berüchtigt für seinen Hitzkopf, aber die heiße Welle, die ihn jetzt überrollte und allerlei gewalttätige Visionen mit sich brachte, überraschte ihn selbst. Das Bedürfnis aufzuspringen, den Herren hinter dem Wandschirm einen gewissen Körperteil abzuschneiden und in den Rachen zu stopfen, hielt ihn einen Moment gefangen. Doch auch die Vorstellung solch einer extremen Gewaltorgie beruhigte sein kochendes Blut.
Überschäumendes Gelächter drang zu ihm. Markus knirschte mit den Zähnen. Seine Nemesis und dessen Anhänger amüsierten sich ja königlich und er musste wirklich an sich halten, nicht den Schirm aufzuschlitzen und dann dasselbe mit diesen Idioten anzustellen. Die Anstrengung, es nicht zu tun, schüttelte ihn regelrecht. Weißglühende Flammen versengten seine Eingeweide, erhitzten seine Haut, die sich gerade bis zur Unkenntlichkeit rot färbte.
Er war selber kein Kind von Traurigkeit, aber bei seinen Eroberungen hielt er es nach dem Motto: ‚Ein Gentleman genießt und schweigt‘.
Die Unverfrorenheit von Donahue jedoch schlug jedem Fass den Boden aus. Markus hatte ihn ja schon immer für einen aufgeblasenen Wichtigtuer gehalten, doch solch eine Perfidität hätte er ihm nicht zugetraut.
Vielleicht war es, besser die ganze Sache zu vergessen, einfach zu verschwinden und so zu tun, als hätte er es nie gehört. Seine Kollegen waren sogar bestimmt der Ansicht, dass er sich geschmeichelt fühlen sollte, vom großen Meister persönlich wahrgenommen zu werden. Aber zum Teufel noch mal, er wollte sich nicht beruhigen. Er fühlte sich irgendwie in seiner Würde verletzt, besonders da er wusste, dass Donahue ihn für einen Loser hielt.
„Hey Leute, wie wäre es mit einem Smoothie unten im Spa, ehe wir wieder in der Denkfabrik unsere Gehirnzellen strapazieren?“
Das kam von seiner Nemesis, und obwohl keine offizielle Antwort zu vernehmen war - seine werten Kollegen schafften offenbar den Sprung vom Neandertalerstatus in den Normalmodus nicht, wenn man von den Grunzlauten ausging -, hörte er erleichtert sich entfernende Schritte.
Erst nachdem absolute Stille in der Denkerlounge eingekehrt war, erhob Markus sich aus dem Sessel und umrundete den Wandschirm. Wie von einem Laser ferngesteuert näherte er sich der Sitzgruppe, in der gerade sein Ruf in der Luft zerrissen worden war.
Er musste etwas unternehmen!
Es ging ja gar nicht, dass er dieses Verhalten seines Rivalen tolerierte. Bisher hatten sie ihr Sparring immer auf beruflicher Ebene ausgetragen, aber nun hatte Grayson Donahue die goldene Regel verletzt. Zeit, die Samthandschuhe auszuziehen und die harten Bandagen hervorzuholen!
Was Markus am meisten wurmte, war die Tatsache, dass seine Nemesis - obwohl überhaupt nicht sein Typ - leider öfters in gewissen Fantasien eine durchaus entscheidende Rolle spielte. Und zwar die Aktive, die er eigentlich selbst bevorzugte! Verdammt!
War der Kerl jetzt auch noch ein Medium? Konnte er Gedanken lesen? Hatte er irgendwie Zugang zu seinen geheimsten Wünschen, die er in den Untiefen seines Gehirns vergraben hatte? Oder klebte an seiner Stirn für alle sichtbar ein Schild, mit dem er der Welt schamlos verkündete, wie gerne er sich mal von seinem Rivalen ficken lassen würde - obwohl der das arroganteste Arschloch der Nation war, ach was, des ganzen Erdballs!
Aber damit war jetzt Schluss! Diese Fantasien gingen nun in die Sendepause - und wenn er sie mit einem Skalpell aus seinen Gehirnwindungen kratzen musste! Was nun das Gerücht anging ...
Markus wollte nichts lieber, als dem Kerl die Fresse zu polieren. Ihn zur Rede stellen, ein für alle Mal zu klären, wie die Dinge standen - doch er vermutete, dass er so nur das genaue Gegenteil erreichte. Gesetzt den Fall, er forderte Donahue heraus, würde er nur verzweifelt herüberkommen - und kindisch.
Zum anderen kam dabei noch die Gefahr hinzu, dass seine Nemesis checkte, wie geil er tatsächlich auf ihn war. Gott bewahre!
Außerdem sähe er sich dann genötigt, zuzugeben, dass er gelauscht hatte. Das bedeutete im Umkehrschluss auch, dass Grayson unweigerlich herausfand, dass seine Kreativität gerade erhebliche Mangelerscheinungen aufwies. Nein! Es musste einen cleveren Weg geben. Und wie durch ein Wunder kam ein Vögelchen angeflogen und zwitscherte ihm eine Idee ins Ohr ...
Ein Zitat, welches er mal vor langer Zeit in einem Promimagazin gelesen hatte, kam ihm in den Sinn.
‚Werde nicht wütend. Ziehe gleich.‘
Das war die Lösung. Genau das sollte er tun. Verschiedene Optionen stolperten jetzt in seinem Verstand umher und im Augenblick war er noch zornig genug, jede auszuführen. So gemein und rachsüchtig wie möglich. Alles zu tun, um Donahue klarzumachen, dass er so nicht mit anderen umspringen konnte - mit ihm nicht so umspringen konnte.
Oh ja, Markus würde es ihm zeigen. Er würde seinen Stolz in den Staub treten, sein aufgeblasenes Ego zerplatzen lassen, ihn kastrieren - natürlich nur sinnbildlich gesprochen.
Ein hässliches Gerücht, geschickt gestreut, um dem Großkotz vor Augen zu führen, wie weit er tatsächlich davon entfernt war, jemals mit seinem Schwanz auch nur in die Nähe seines Arsches zu kommen. So unmöglich wie eine Reise zum Mittelpunkt der Erde.
Und Markus selbst? Seine lächerliche Vernarrtheit in den Bastard war bereits Geschichte. Ewig her. Na ja, vielleicht eine Viertelstunde, aber wer zählte schon die Sekunden? Egal. Es war an der Zeit, dass er seinen brillanten Verstand wieder mal für was Vernünftiges einsetzte. Mit etwas Glück aktivierte diese kleine Racheaktion auch seine Gehirnzellen für die aktuelle Kampagne.
Schmunzelnd ließ er die Ideen in seinem Kopf heranreifen und stieg siegessicher in den Fahrstuhl, um in den dritten Stock zu gelangen. Als die Stahltüren aufglitten, schritt er geradewegs zu Donahues Schreibtisch, der - dem Himmel sei Dank! - am weitesten von seinem eigenen entfernt, wie irgend möglich, stand.
Markus beugte sich über den PC des Rivalen, dankbar für die relative Leere des Großraumbüros und bewegte die Maus. Enttäuscht musste er feststellen, dass seine Nemesis den Computer heruntergefahren hatte. Irritiert starrte er auf den blinkenden Cursor, als ein Passwort verlangt wurde. Seine Finger flogen über die Tastatur, probierten verschiedene Optionen aus. Es fiel ihm nicht schwer zu raten, welcher Art das Kennwort wäre, das ein Mann wie Donahue benutzte. Ihm klappte dennoch beinahe die Kinnlade herunter, als er S-c-h-w-a-n-z eintippte und das Programm wie ‚Sesam öffne dich‘ gleich ansprang.
‚So ein Idiot!‘
Mit einem Doppelklick aktivierte er die Suchmaschine, tippte einige Schlüsselwörter, klickte auf ‚Bestätigen‘, als er gefragt wurde, ob er volljährig sei, und fand rasch, was er suchte - oder besser, was Grayson Donahue unbedingt brauchte.
Einen Penisvergrößerer.
Ein absoluter Volltreffer in das aufgeblasene Ego eines Mannes, wenn man die Größe seines Schwanzes einer Messung unterzog. Und die Site bot sogar zwei zum Preis von einem an! Das war doch perfekt. Dann konnte sich der Mistkerl den Zweiten an seine Nase binden und endlich wie der lügende Pinocchio aussehen, der er war.
In seinem Kopf Samba tanzend öffnete er ein weiteres Fenster und betrachtete eine Weile die Vorher-Nachher Bilder. Hilfe, da waren einige wirklich Eklige drunter. Was für arme Würstchen!
Markus speicherte die Seite als Favorit ab, gab rasch eine interne Rundmail auf, der er die Screenshots anhängte, und richtete sich vorsichtig auf. Niemand zu sehen. Er drückte ‚Senden‘ und schlenderte gut gelaunt zurück zu seinem Schreibtisch.
Gerne würde er Mäuschen spielen, wenn Adam Donahue die E-Mail öffnete. Hoffentlich bekam der arme Mann keinen Herzinfarkt! Einen Moment befiel ihn ein schlechtes Gewissen. Der Boss war ein netter Kerl, sogar so was wie ein Freund. Man konnte sich ja seine Verwandtschaft nicht aussuchen.
Rasch schob er die Skrupel jedoch beiseite. Adam kannte seinen Bruder gut genug und würde ihn natürlich auch nicht feuern - egal welchen Perversionen er nachging. Das Donnerwetter, das auf Grayson niedergehen würde, sollte den Flurfunk allerdings über Jahre mit Material versorgen. Und seine Nemesis wäre zur Abwechslung mal mit etwas anderem beschäftigt, als miese Lügen über ihn - Markus - zu verbreiten!
Der hätte nie gedacht, dass Rache so süß schmecken könnte, als er sich gut gelaunt in seinen Stuhl fallen ließ. Lange musste er nicht auf die erste Explosion warten. Aus dem Eckbüro klang ein wütendes Schnauben, als würde ein Rhinozeros zum Kampf blasen. Im nächsten Moment stürmte Adam aus der Tür, marschierte schnurstracks auf Graysons Arbeitsbereich zu und beugte sich mit einer Grimasse zum Bildschirm herunter. Sein Bruder war immer noch nirgendwo zu entdecken.
‚Genieß deinen Smoothie, du arroganter Mistkerl. Es wird bestimmt für lange Zeit der Letzte sein‘, dachte er voller Genugtuung.
Denn auch wenn ihr Geschäftsführer seine Milchkuh garantiert niemals schlachtete - Adam Donahue war bekannt für seine rigorosen Strafmaßnahmen, sobald jemand Mist baute. Und Markus würde es sich auf der Tribüne bequem machen und mit Vergnügen den Verlauf der Tragödie genießen. Vielleicht sollte er Eintrittskarten dafür verkaufen?