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Vier Wochen später

Meine Kollegen schärften mir jeden Tag ein, mehr zu essen. Zu Mittag brachten sie mir immer etwas vom Bäcker oder vom nahegelegenen Imbissladen mit.

Doch ich verweigerte das Essen. Hin und wieder aß ich eine Brezel. Oder ein unbelegtes Brötchen.

Sogar mein Chef rief mich des Öfteren zu sich ins Büro und hielt mir minutenlange Vorträge, dass Ernährung und zwischenmenschliche Beziehungen die besten Voraussetzungen für ein glückliches Leben nach einem Todesfall waren.

Ich hörte nie zu. Innerlich weinte ich, und ich versuchte, so gut es mir nur möglich war, meine Gefühle zu verbergen. Na und, dann redete ich eben mit niemandem, das konnte doch ihm egal sein? Jeder ging mit der Trauer und mit dem Verkraften eines Todesfalls so um, wie er es für richtig hielt. Ich hatte eben keinen Hunger und verspürte auch nicht das Bedürfnis, mich mit jemanden zu unterhalten. Und das Streben nach einem glücklichen Leben war für mich Geschichte. Ich konnte nicht mehr glücklich sein, konnte nicht mehr lachen, abends nicht mehr weggehen oder mich freuen, wenn etwas Schönes passierte, denn das Schönste, was mir in meinem Leben blieb, war mein Bruder, und dieser verstarb vor vier Wochen und hinterließ seine Schwester, die nun erfolglos versuchte, weiterzuleben.

Innerlich war ich einfach zerrissen, völlig kaputt. Mein Herz verlor an Energie, und mein Wille, noch irgendetwas zu machen, verschwand von der Bildfläche. Ich schlief nur noch, ging zur Arbeit – und das im täglichen Rhythmus. Am Wochenende stand ich sehr spät auf, aß einen Joghurt, dann sah ich mir Fotoalben an, heulte, bis es Abend wurde und ging wieder ins Bett.

Das war mein Leben. Seit Kurzem. Und anders konnte ich nicht. Ich hatte nicht den Wunsch, auszugehen, ins Kino oder zum Frühstücken, ich wollte nur noch warten, bis es mich selbst traf, denn ich hatte die Hoffnung, im Jenseits wieder auf meinen Bruder zu stoßen.

»Und wenn Sie nicht wieder die ursprüngliche Person in Sich finden, dann kann ich Sie leider nicht länger beschäftigen!«, sagte er in einem ruhigen und sachlichen Ton zu mir.

Ich nickte nur. Es war mir scheißegal.

Mein Chef deutete mir, das Büro zu verlassen, und ich tat es. Vorne im Verkaufsraum beäugten mich meine Kollegen. Ich ignorierte es und ging zurück zu meinem Regal, das ich vor der täglichen Predigt meines Chefs versucht hatte, neu einzuordnen.

Und das mit einer ungeheuren Faulheit.

»Was hat er gesagt?«, flüsterte Karen mir zu.

Sie war schon immer komisch, ein wenig zickig, aber sehr gut in ihrem Beruf. Mit ihren haselnussbraunen Augen starrte sie mich an, ihr obligatorisches Nasenspray in der Hand, denn sie war immer krank. Montags bis freitags, von acht bis einschließlich neunzehn Uhr schniefte sie im Weltrekordmodus und verabreichte sich stündlich dieses Zeug in ihrer Hand. Sie war nicht krank, doch so konnte sie früher Schluss machen und auch mehrere Tage am Stück zuhause bleiben. Ich vermutete schon des Öfteren, sie habe etwas mit dem Chef, denn wie sonst konnte sie die Beste von uns sein, wenn sie nie da war.

»Nichts«, sagte ich gefühllos und wandte mich wieder meiner aktuellen Beschäftigung zu.

Ich hörte, wie sie schnellen Schrittes von dannen zog und sich nun bestimmt beim Chef über meine rüpelhafte Art beschwerte.

Es war mir – bei aller Liebe – sowas von egal.

Das Herz in der Hand

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