Читать книгу Tote und andere Entdeckungen - Daniel Juhr - Страница 6
ОглавлениеEinführung
Paula … und wie sie die Welt sieht
Ich sehne mich nach deiner Nähe
Verzehre mich nach deiner Liebe
Ach, wenn ich dich doch wiedersähe
Ach, wenn ich doch nicht einsam bliebe
Mein Herz schlägt für des Lebens Süße
Allein, was bleibt? Nur tote Füße …
Die Füße waren zu viel gewesen. Sie ragten unter dem Tisch hervor, fett, fleckig, stinkend. Drei Wochen hatten die Füße dort gelegen, wie man später herausfand. Da aber saß Paula Petrova schon in einer Nervenklinik in Marienheide.
Eigentlich hatte sie an jenem Abend im Frühjahr nur einer Bekannten unter die Arme greifen wollen, die Hilfe brauchte bei der Entrümpelung einer Messi-Wohnung. Und wenn jemand Paula um Hilfe bittet, dann ist sie zur Stelle.
Also war sie nach Feierabend im Waldhotel in Marienheide, wo sie seit Jahr und Tag und ohne einmal krank gewesen zu sein als zuverlässige Reinigungskraft arbeitete, nach Gummersbach gereist, um mit der Bekannten die Wohnung ihres Vaters leer zu räumen, der dort jahrelang gelebt hatte.
Nein, er hatte gehaust.
Paula hatte nie zuvor eine Messiwohnung betreten. Sie schwor sich danach: Sie würde das auch nie wieder tun. Schon beim Eintreten in die völlig verwahrloste Bude hatten die beiden Frauen den Atem angehalten, so widerlich hatte es darin gestunken. Aber wer hatte die toten Füße unter einem völlig vermüllten Wohnzimmertisch entdeckt? Sie natürlich. An den Füßen hing auch noch was dran, ein fetter alter Kerl im weißen Unterhemd, aber allein die Füße waren schon zu viel gewesen für sie.
Nicht, dass Paula Petrova zartbesaitet wäre. Im Waldhotel in Marienheide bekam sie so manch gruselige Gräueltat im Oberbergischen Land mit.
Sogar in dem schaurig-schönen Buch „Morde und andere Gemeinheiten“ hatte sie schon ihren Auftritt gehabt und durfte darin einige dieser Geschichten zum Besten geben.
Aber so nah wie in dieser Schmuddelbude war sie dem Tod noch nie gekommen. Sie hatte ihn ja geradezu entdeckt! Danach hatten sie fürchterliche Albträume heimgesucht. Nach zehn schlaflosen Nächten hintereinander hatte sie beschlossen: So kann es nicht weiter gehen. Sie meldete sich im Waldhotel krank und wies sich selbst ein.
Jetzt sitzt sie hier, im hübschen Garten der Klinik. Und was hat der Therapeut ihr verordnet? Schreibtherapie! Gerne in Gedichtform! Ausgerechnet.
Und wenn ihr dazu noch die ein oder andere nette Geschichte einfällt … nur raus damit!
Na super: Schreiben als Therapie.
Obwohl, warum eigentlich nicht? Machen die meisten Autoren ja auch, oder? Und mal ehrlich: Die haben doch sowieso alle einen an der Klatsche.