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Prolog
Оглавление22. Juli 2012
17:45 Uhr
Die Sonne war gerade im Begriff unterzugehen und tauchte den gesamten Himmel über der Stadt gelbrot. Die dunkelroten Pylone der Ponte 25 de Abril, welche auch um diese Uhrzeit unerlässlich Autos und Zügen den Weg über den an dieser Stelle zwei Kilometer breiten Tejo ebnete, bildeten einen dunklen Kontrast zum Abendhimmel. Der Tejo war ruhig, wurde allerdings durch einen leichten Wind aus Richtung Atlantik aufgewirbelt, der Wind liess auch die Temperaturen in Lissabon leicht kühler wirken, als das Thermometer beispielsweise im Alentejo jeweils anzeigte. Einige Wolken zogen am Himmel auf, was dem Schauspiel einen weiteren atemberaubenden Aspekt hinzufügte, doch die Gefahr auf Regen in der Nacht würde wie in den Tagen und Nächten zuvor verschwindend gering bleiben.
Lúcia Soares schloss ihre Bäckerei in der Alfama, nur unweit des Castelo São Jorge gelegen. Ihre Haupteinnahmequellen waren Touristen, für die das Schloss mit dem Ausblick auf die gesamte Stadt ein Höhepunkt ihres Lissabon-Aufenthalts darstellt. Heute hatten sie und ihre zwei Angestellten alle Hände voll zu tun, bei Sonnenschein und dank dem kühlen Atlantikwind recht angenehmen 24 Grad Celsius auf dem Thermometer hatten sich zahlreiche Besucher entschieden, diesen Mittwoch auf dem Castelo zu verbringen, so dass Lúcias Bäckerei vor allem zur Mittagszeit die Tür eingerannt wurde.
Der Lichtschalter klackte und sofort wurde die Bäckerei in Dunkelheit gehüllt, die Tür fiel ins Schloss und die Schlüssel klapperten. Lúcia atmete durch. Endlich Feierabend.
Sie trat auf die Rua do São Tome, welche ein wenig die Hauptstrasse des eng verschachtelten Stadtviertels darstellte und auch von Strassenbahngleisen durchzogen ist. Just zu dieser Zeit klapperte und quietschte einer der nostalgischen, in gelber Farbe gehaltenen Triebwagen der Linie 28E durch die Strasse und quälte sich den Hügel hinauf.
Ein Blick auf die Aushänge am Kiosk auf der linken Strassenseite liessen Lúcia wissen, dass die Schlagzeilen der grossen portugiesischen Sportzeitungen immer noch von der bereits über drei Wochen zurückliegenden Fussballeuropameisterschaft handelten, mit der Feststellung, dass die Portugiesen der Sehnsucht und den Erwartungen der Landsleute mal wieder nicht gerecht wurden, und sich das ganze Land wieder mit Tränen füllte, wie 2004, als man als Gastgeber den sicher geglaubten Titel im Finale im Estádio da Luz noch an Griechenland verlor. Obwohl sich Lúcia die Spiele der Nationalmannschaft am diesjährigen Turnier angesehen hatte, war ihr Interesse am runden Leder nach dem Ausscheiden im Halbfinal ausgerechnet gegen den iberischen Rivalen Spanien wieder verblasst, wo sie vor allem bei ihrem Mann und ihren beiden Söhnen auf massives Unverständnis stiess. Für sie waren diese Herren keine Männer, sondern überbezahlte Weicheier.
Als die Bäckerin am Miradouro de Santa Luzia vorbeischlenderte, bemerkte sie, dass der ansonsten lebendige Platz mit der bepflanzten Pergola trotz des warmen Sommerabends wie ausgestorben wirkte. Neugierig wie sie war, überquerte Lúcia die Strasse und ging auf den Aussichtspunkt zu. Unten am Tejo versuchte ein grosser Frachter an den Docks an der Avenida Infante Dom Henrique anzulegen. Die unentwegt aus Mittelspanien Richtung Atlantik fliessenden Wassermassen des Tejo erschwerten aber seinen Plan, denn die Wellen wurden durch den aufwehenden Ostwind aufgewirbelt.
Als Lucía auf die Schnelle einen Blick durch ihre Augenwinkel auf die nächstgelegene Sitzbank wagte, stockte ihr der Atem.
Sie musste zweimal schauen, um sich zu vergewissern.