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Vierter Gesang

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Es brach den tiefen Schlaf in meinem Haupte

Ein Donnerschlag, von dem ich jäh emporfuhr,

Gleich einem, den gewaltsam man erwecket.

Das ausgeruhte Auge ließ ich schweifen!

Grad' aufgerichtet schaut' ich in die Runde,

Den Ort, wo ich verweilte, zu erforschen.

In Wahrheit fand ich mich am jähen Absturz

Des tränenreichen Tal's der Unterwelt,

Aus dem unnennbar'n Schmerzes Wehruf aufstieg.

So qualmerfüllt, so dunkel und so tief war's,

Daß ich, wie sehr ich auch das Auge schärfte,

In seinem Grunde nichts erkennen konnte.

Laß denn zur blinden Welt uns niedersteigen!

Begann der Meister mit verstörtem Antlitz,

Voraufgehn will ich, und sei du der zweite

Und weil ich seine Blässe wahrgenommen,

Sagt' ich: Wie soll ich folgen, wenn Du zagest,

Der meinem Zweifel sonst Beruh'gung bringt?

Er aber sprach: Die Seelenpein der Geister

In diesem Kerker malt auf meine Wangen

Des Mitleid's Farbe, welche du für Furcht hältst.

Auf denn! Zur Eile treibt des Weges Länge

So schritt er vor, so ließ er mich betreten

Der Kreise ersten, die du Abgrund gürten.

Hier war, so viel als meinem Ohr vernehmlich,

Kein Weheklagen, sondern nur ein Seufzen,

Das jene ew'ge Luft erbeben machte:

Gram ohne Qualen war des Seufzens Ursach,

Der auf den Scharen all, die viel und zahlreich,

Von Kindern, Frau'n und Männern, ewig lastet.

Mein Meister sprach: Du unterläßt zu fragen,

Was es für Geister sind, die du hier siehest;

Doch sollst Du, eh wir weiter gehn, vernehmen,

Daß sie nicht sündigten. Und wenn Verdienste

Sie hatten, g'nügt es nicht, weil ohne Taufe

Sie starben, welche deines Glaubens Teil ist.

Und lebten sie noch vor dem Christentume,

So beteten zu Gott sie falscher Weise;

Und diesen bin ich selber beizuzählen.

Ob solchen Mangels, nicht ob andren Fehles,

Sind wir verloren, und nur dadurch leidend,

Daß, ohne Hoffnung, wir in Sehnsucht leben.

Als ich's vernommen, faßte tiefer Schmerz mich

Denn ich begriff, wie Seelen höchsten Wertes

In dieses Vorhofs Mittelzustand schwebten.

Sag' an, mein Meister, sage mein Gebieter,

Begann ich, um Bestätigung zu finden

Des Glaubens, welcher jeden Wahn vernichtet:

Ward einer je von hier befreit und selig

Durch fremdes, oder eigenes Verdienst?

Und er, verstehend die verhüllte Rede,

Entgegnete: Noch neu in diesem Zustand

War ich, als ein Gewaltiger daher kam,

Um dessen Haupt sich Siegeszeichen wanden.

Er raubte uns des ersten Vaters Schatten

Und Abel seinen Sohn, Noah und Moses,

Der die Gesetze schrieb, und doch gehorchte,

Abra'm den Patriarchen, König David,

Israel mit dem Vater und den Kindern

Und Rahel auch, um die er lang geworben,

Viel andre noch, und alle macht' er selig.

Doch wissen sollst du, daß niemals vor ihnen

Die Seele eines Menschen ward errettet.

Nicht hemmten, weil er sprach, wir uns're Schritte

Rastlos durchschritten wir vielmehr den Wald;

Ich sage, Wald, von ungezählten Schatten.

Und als wir lange Zeit noch nicht gegangen

Seit mich der Schlaf befiel, sah ich ein Feuer,

Das eine Finsternishalbkugel hellte.

Obwohl noch mäß'ge Fern' uns von ihm trennte,

So glaubt' ich dennoch sicher zu erkennen,

Daß auserles'ne Seelen dort verweilten.

O Meister, der du Wissenschaft und Kunst ehrst

Warum genießen diese solches Vorrecht,

Das von dem Los der übrigen sie sondert?

Drauf er zu mir: Der ehrenvolle Namen,

Der ihnen nachklingt dort im Erdenleben,

Gewinnet solche Gunst im Himmel ihnen.

Da hört' ich einer Stimme Ruf erschallen:

Erweiset dem erhabnen Dichter Ehre!

Sein Schatten kehrt zurück, der uns verlassen.

Als nun die Stimme schwieg und nicht mehr tönte,

Sah ich vier hohe Schatten sich uns nahn;

Ihr Antlitz zeigte Trauer nicht, noch Freude.

Mein Meister aber sagte rasch zu mir:

Sieh jenen mit dem Schwert in seiner Hand,

Der vor den andren hergeht als ihr Meister!

Das ist Homer, der königliche Dichter

Der zweit' ist der Satiriker Horaz,

Als dritter folgt Ovid, Lucan als letzter.

Weil jeder nun mit mir den Namen teilt,

Den du die Einzelstimme nennen hörtest,

Tun sie mir Ehr' an, und so ist's geziemend.

So sah versammelt ich die schöne Schule

Der Meister des erhabensten Gesanges,

Der ob den andren, gleich dem Adler, fliegt.

Als miteinander etwas sie gesprochen,

Da wandten sie zu mir sich, freundlich grüßend;

Mein Meister aber lächelte darob.

Und mehr der Ehr' erzeigten sie mir noch;

Denn ihrer Schar gesellten sie mich zu,

So daß ich Sechster ward im Kreis der Weisen.

Inzwischen näherten wir uns der Flamme,

Und sprachen, was sich zu verschweigen ziemet,

So wie sich's ziemte, dort es zu besprechen.

Zum Fuße einer stolzen Burg gedieh'n wir,

Die siebenfache Mauern rings beschließen

Und die zur Wehr ein schöner Bach umgibt.

Den überschritten wir gleich festem Boden;

Durch sieben Tore traten dann wir ein

Und fanden uns auf frisch begrünter Matte.

Die Geister dort, sie blickten ernst und ruhig,

Es lag in ihrem Ausdruck hohe Würde,

Sie sprachen selten und mit sanfter Stimme.

Wir wählten einen Platz, der licht und offen

Zur Seite sich erhob, so daß von dort aus

Wir all die Scharen deutlich überschauten.

Uns gegenüber auf dem grünen Teppich

Wies mir mein Führer dann die großen Geister;

Weshalb ich noch mich rühm, und glücklich preise.

Elektra sah ich unter viel Gefährten,

Wovon Aeneas ich erkannt' und Hektor,

Cäsar im Waffenschmuck mit Falkenaugen.

Ich sah Cammilla und Penthesilea,

Latinus auch den König, und die Tochter

Lavinia, welche fern den andren saßen.

Den Brutus sah ich, der Tarquin vertrieben,

Lucretia, Julia, Martia und Cornelia,

Und einsam und abseits den Saladin.

Als etwas höher ich die Wimper hob,

Sah ich den Meister aller die da wissen,

Umgeben rings von Philosophen-Schülern;

Auf ihn nur schauen ehrerbietig alle.

Hier sah ich Sokrates sowohl als Plato,

Die vor den andren ihm am nächsten stehn.

Auch Demokrit, dem alles gilt für Zufall,

Und Thales, Anaxagoras, wie Zeno,

Empedokles und Heraklit, den dunklen,

Diogenes und Dioskorides,

Heilsamer Pflanzen Sammler, Orpheus, Linus,

Cicero, Seneca, den Sittenlehrer,

Euklid, den Geometer, Ptolemäus,

Hippokrates, Galen und Avicenna,

Averroës, den großen Kommentator.

Unmöglich kann ich einzeln alle nennen.

Zur Kürze treibt so sehr des Stoffes Länge,

Daß dem Geseh'nen oft mein Wort nicht nachkommt.

Die Sechsgesellschaft mindert sich auf Zweie,

Und andre Pfade wählt der weise Führer.

Aus ruh'ger Luft komm' ich in die bewegte,

In ein Gebiet, wo nichts mehr ist, das leuchtet.

Die göttliche Komödie

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