Читать книгу EGO-ELTERN aus Liebe ? Warum werden unsere Kinder immer tyrannischer, antriebsloser, unglücklicher? - Dantse Dantse - Страница 13
1.1 Keine ehrliche Auseinandersetzung der Eltern mit der eigenen Kindheit, keine Selbstreflektion des eigenen Lebens
ОглавлениеUnvollständige oder gar keine Auseinandersetzung mit eigener Kindheit ist ein Grund, warum wir Eltern unsere Kinder nicht gut erziehen. Wir Eltern mögen uns nicht so gerne sagen lassen, dass wir auch Fehler machen. Noch weniger, dass man glaubt, wir wären überfordert.
Eltern als Kinder und Erwachsen, Analyse der eigenen Kindheit
Was wir Eltern in unserer eigenen Kindheit erfahren haben, beeinflusst die Erziehung unserer Kinder, da wir dazu tendieren, weiterzugeben, was wir selbst erfahren haben, ob gut oder schlecht.
Eltern, die Gewalt erfahren haben, neigen dazu, ihre Kinder auch mit Gewalt zu erziehen. Zum Beispiel zeigen Studien, dass viele Menschen, die als Kind missbraucht wurde, später ihre eigenen Kinder missbrauchen. Umgekehrt trifft das auch zu: Eltern, die als Kind liebe- und respektvoll erzogen wurden tendieren dazu, ihre Kinder mit Liebe und Respekt zu erziehen.
Wir glauben, dass wir uns, weil wir erwachsen sind und über uns selbstbestimmen können, automatisch von unserer Kindheit und von unseren Eltern abgenabelt haben. Bewusst mag das zutreffen bzw. fühlt es sich für uns so an, aber unbewusst sind wir doch sehr mit den Erlebnissen und Erfahrungen unserer Kindheit und der Zeit des Heranwachsens verbunden und an sie gebunden.
Unsere Kindheit spielt eine große Rolle bei der Art, wie wir selbst unsere Kinder erziehen. Deswegen ist es sehr wichtig zu filtern, was wir weitergeben wollen und was nicht. Das geht nur, wenn wir es ohne Wenn und Aber schaffen, uns mit unserer Kindheit auseinanderzusetzen. Wir tun es leider aus verschiedenen Gründen nicht.
Es gibt überall Tipps und Tricks, es wird von Geheimnissen von glücklichen Kindern erzählt, aber man vergisst dabei, dass alles bei den Eltern selbst anfängt. Es wird so getan, als ob die Kinder eine spontane Generation sind, ohne Vorgeschichte.
Nein, ob Kinder glücklich werden bzw. glücklich erzogen werden hängt auch stark von der Kindheit der Eltern, ihren Erlebnissen und ihrer momentanen seelischen und körperlichen Verfassung ab.
Nur wer sich selbst liebt, glücklich ist und das auch auslebt, kann seine Kinder glücklich erziehen und Liebe geben, indem er Glücklichsein vorlebt und nicht nur darüber spricht.
Die Eltern müssen knallhart ihre Kindheit unter die Lupe nehmen und den Mut haben, einiges in Frage zu stellen
Aber viele Eltern stellen sich sehr selten in Frage. Sie stellen ihre Erziehungsmodelle selten in Frage und schaffen es nicht oder trauen sich nicht, sich mit ihrer eigenen Kindheit, das heißt es mit ihrer Vergangenheit, auseinanderzusetzen.
Es ist sehr wichtig, sich mit seiner eigenen Kindheit auseinanderzusetzen ohne den Eltern Vorwürfe zu machen. Aber manche Dinge müssen raus und aufgeräumt werden, bevor es weitergehen kann. Nur so können wir uns entwickeln und uns entfalten.
Was war schön, worüber habe ich mich gefreut und was war nicht schön? Was will ich meinen Kindern nicht weitergeben? Das sind einige der Fragen, die wir uns als Eltern stellen sollten, bevor wir unsere Kinder erziehen.
Ich habe vier Typen von Eltern ermitteln. Ja, nur vier Typen, um die Sache zu vereinfachen. Es könnten noch mehr sein, aber die relevanten Aspekte, die uns helfen, Dinge zu verstehen, kann man meiner Meinung nach in vier Kategorien aufteilen:
Typ 1: Eltern, die undistanziert und unreflektiert ihren Kindern weitergeben, was sie in ihrer Kindheit mitbekommen und gelernt haben. Sie waren nicht ganz zufrieden mit ihrer Kindheit oder gar nicht zufrieden, aber sie setzen sich aus verschiedenen Gründen nicht mit ihrer Kindheit auseinander. Sie haben Angst, ihre Eltern zu verletzen. Sie denken, dass sich auseinandersetzen und die Kindheit sortieren eine Ablehnung der Eltern ist, dass es die Eltern in Fragen stellt. Sie geben ihren Kindern unreflektiert fast 100% das weiter, was sie als Kind erlebt und erfahren haben.
War zum Beispiel der Vater dominant, wird der Sohn auch sehr dominant sein. War die Mutter die dominante, wird die Frau in ihrer Beziehung auch das tun, was ihre Mama getan hat.
Typ 2: Eltern, denen schon bewusst ist, dass sie keine schöne Kindheit hatten, die sie auch bewusst ablehnen. Sie distanzieren sich scharf von ihrer eigenen Erziehung als Kind und sind entschieden, alles anders zu machen, ihre Kinder anders zu erziehen. Oft sind sie auch sehr unreflektiert und radikal. Sie geben dem Kind einfach das Gegenteil von dem, was sie in ihrer Kindheit erlebten. Sie werfen ihren Eltern alles Mögliche vor und sind der Meinung, ihre Kindheit war nichts wert.
Typ 3: Eltern, die abwiegen und empathisch sind. Sie haben eine schöne oder weniger schöne Kindheit gehabt, aber es gibt Punkte, die sie aus Erwachsenensicht gerne anders gehabt hätten. Sie setzen sich fair mir ihrer eigenen Kindheit auseinander und geben weiter, was sie damals gut fanden und auch heute als Erwachsene noch gut finden. Sie distanzieren sich von dem, was nicht gut war und machen niemandem Vorwürfe.
Typ 4: Eltern, die in keine Kategorie passen. Sie machen sich überhaupt gar keine Sorgen und wissen gar nicht, dass ihre eigene Kindheit einen Einfluss auf sie hat.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit hat Sinn. Das habe ich an eigenem Leib erfahren.
In meiner Erziehung in Afrika waren Schläge eine erfolgreiche Erziehungsmethode. Es ging darum, die Kinder dazu zu bringen respektvoll zu sein, sich an Regeln zu halten, das zu tun, was von ihnen erwartet wurde usw. Ja, am Ende haben wir alles das tatsächlich getan, aber die Schläge taten sehr weh und waren nicht gut für mich, auch wenn die Eltern dadurch bekamen, was sie wollten.
Als ich selbst Vater wurde, habe ich nachgedacht, wie ich als Vater meinen Sohn erziehen möchte. Ich schrieb alles auf, was mir in meiner Kindheit gefallen hatte und was nicht.
Beim Thema Schlagen musste ich wirklich sehr hart mit mir hin und her kämpfen. So hartnäckig war die Programmierung in meinem Kopf, dass Schläge dazu da sind, das Kind gut zu erziehen. Warum sollte ich auf dieses nützliche Mittel verzichten? Als ich bei anderen Paaren sah, wie frech, respektlos, egoistisch ihre Kinder waren, als ich sah, wie manche ihre Eltern beschimpften oder sogar schlugen und die Macht über ihre Eltern hatten, gewann die Erziehungsart meiner Eltern nochmal an Gewicht.
„Seht ihr, wenn ihr die Kinder so erzieht, ohne ihnen an den Ohren zu ziehen, werden sie immer ungezogen bleiben“, warf ich einem deutschen Paar vor.
„Wir stehen nicht auf Schläge als Erziehungsmethode, das wäre Gewalt und außerdem ist es gesetzlich verboten“, sagte das Paar.
„Und ihr glaubt, dass das, was ihr mit euren Kindern tut keine Gewalt ist? Für mich ist es schlimmer als körperliche Gewalt. Ihr bestraft eure Kinder mit Worten und übt psychischen Druck auf sie aus, mit Liebesentzug, Hausverbot, Fernsehverbot, Redeverbot, oder noch schlimmer: mit diesen langen Gesprächen mit den Kindern, damit sie ihre Fehler und ihre Schuld einsehen. Ihr redet mit Kindern über Dinge, die sie, wegen ihres Alters noch gar nicht verstehen können. Ihr bittet kleine Kinder darum, Versprechen abzugeben, wenn man doch weiß, dass sie es Morgen wieder tun werden. Ihr werdet dann wieder kommen und reden und den Kindern erzählen, dass sie das Versprechen gebrochen haben. Das finde ich schlimm, schon so früh Kindern Schuldgefühle zu geben (ich bin schlecht, ich habe mein Versprechen nicht angehalten). Ich glaube, dass diese Methode den Kindern später seelisch mehr schadet, als meine Schläge“, so ungefähr argumentierte ich.
Ich war entschieden, die Erziehungsmethoden meiner Eltern fortzuführen und das tat ich auch einmal. Ich gab meinem Sohn einen kleinen Klaps. Es war wirklich eher so ein festes Drücken auf den Po, als ein Klaps. Ich glaube mein Sohn war erschrocken und weinte. In diesem Moment erinnerte ich mich an meine eigenen Schmerzen als Kind, und auf der Stelle entschied ich mich, so etwas nie wieder zu tun. Ich würde weder die lasche, europäische Methode benutzen, noch diese harte, afrikanische, aber ich würde auf meinen guten Werten bestehen, die ich meinem Sohn vermitteln möchte.
Ich musste deswegen eine andere Methode suchen, die Gewalt jeglicher Art ausschloss, einen Weg ohne Gewalt, mit dem ich am Ende das gleiche Ziel erreichte.
Ich entschied mich einfach, das Schlechte an den Erziehungsmethoden meiner Eltern meinen Kindern nicht weiterzugeben.
Hätte ich mich nicht mit meiner Kindheit auseinandergesetzt, hätte ich das nicht gesehen, weil meine Kindheit eigentlich super war, aber wie man weiß, der Teufel liegt in den Details. Ich tat dies auch ohne meine Eltern in Frage zu stellen.
Ein anderes Bespiel ist die Strenge. Unsere Mütter waren sehr streng, unser Vater weniger. Meine Mütter waren verbal sehr aktiv und auch mal hart, aber mein Vater war verbal sehr sanft, dennoch hatten wir mehr Respekt vor ihm, als vor den Personen von denen mehr Drohungen kamen. Das war der Beweis dafür, dass vieles Schimpfen mit den Kindern und ständiges auf sie Einhämmern nicht unbedingt das ergibt, was man erwartet.
Diese Kindheitsanalyse brachte mich dazu, zu beschließen niemals ein falsches Wort, ein Schimpfwort, ein Fluchwort an meine Kinder zu richten und diese auch in ihrer Anwesenheit nie zu benutzen. Wie wir wissen, Worte können schlimmer sein als Schläge, weil sie sich in unserem Unterbewusstsein festkleben und unsere Handlung tiefer unbewusst prägen.
Das Schlimme kommt nicht erst wenn man es sieht. Es fängt schon im Fundament an. Aber leider versuchen wir Menschen oft, nur das, was wir sehen wegzuwischen, anstatt ans Fundament zu gehen.
„Burn-in“ ist der gesäte Schimmel im Fundament und „Burn-out“ ist nur das was herauskommt.
Ein Auszug aus meinem Roman „Blackout“ verdeutlicht noch besser, was ich beschreiben möchte. Es ist ein Gespräch zwischen einem Mann, der Probleme hat und seinem Therapeuten.
Coach Camara: Herr Walker, wissen Sie, unser Leben ist doch sehr geprägt von unseren Erlebnissen in der Kindheit. Ich weiß, dass wir durch neue Theorien versuchen, die Rolle der Kindheit zu minimieren. Wir tun das, weil wir keine Verantwortung für das Scheitern übernehmen wollen. Das Scheitern, sei es als Eltern oder als Kind. Wir schämen uns, als Eltern zu sehen, dass unsere Erziehungsmethode nicht die richtige war, und dass wir es vermasselt haben, dass wir versagt haben und es anders hätten machen müssen und wir schämen uns als Kind, dass nun erwachsen geworden ist, dass unser Leben doch von unserer Kindheit, einer fremden Macht, beeinflusst wird. Es steht doch in allen Büchern, dass jeder sein Schicksal in seinen eigenen Händen hält und jeder sein eigener Meister und der Schmied seines eigenen Glückes ist. Alle, die das anders sehen und anderes behaupten, werden Versager genannt. Sie würden ihre Kindheit nur als Entschuldigung nutzen, um ihre Unfähigkeit zu erklären. Somit schneiden wir uns als erwachsenes Kind von unserer Kindheit ab, anstatt uns auf natürliche und gesunde Weise abzunabeln. Aber wir vergessen, dass die Trennung nur auf der rationalen Ebene stattfindet, dass alles was uns regiert, in der irrationalen und unbewussten Ebene stattfindet und dort steht unsere Kindheit ganz brav bereit. Wir schneiden uns von unserer Kindheit ab und sind dennoch nicht abgenabelt. Diese Art unsere Kindheit zu betrachten, entlastet die Eltern. Wir versuchen die Trennung unserer Handlung und unseres Verhaltens von unserer Kindheit im Erwachsenenalter zu verteidigen, und deswegen geben wir unsere Erfahrungen an unsere Kinder weiter und so vererbt sich die Sünde von Generation zu Generation und wird fast genetisch. Das ist ein Fehler, sowohl für die Kinder, als auch für die Eltern. Wir als Eltern können so unser Gewissen einigermaßen beruhigen. Wir schieben die Verantwortung auf andere: Lehrer, Schule, Erzieherin, Kita, Sport, den Partner, die Gesellschaft, den unfähigen Psychologe, usw. Wir selbst wollen uns nicht in Frage stellen und wenn es wirklich nicht mehr geht, schicken wir das Kind zur Therapie und nun sind wir die Sache endgültig los. Nun ist es der Therapeut, der seine Arbeit nicht richtig macht, falls dem Kind nicht geholfen wird. Wir als Eltern denken nicht daran, uns an diese Therapie anzuschließen. Wir sehen uns nicht mehr als Teil des Problems. Aber das ist leider der Grund, warum vielen Menschen nicht langfristig geholfen werden kann, weil ein Puzzleteil fehlt in der ganzen Therapie: die Eltern. Es reicht nicht, die Kindheit zu durchforschen und die Eltern zu schönen. Wir als Eltern schieben gern Verantwortungen ab. Wenn das Kind in der Schule schlecht ist, dann ist der Lehrer schuld. Wenn es an Gewicht zunimmt, dann ist das Essen in der Schule oder gar die ganze Lebensmittelindustrie, die Limonade, Cola, zuckerreiches Fertigessen schuld. Wenn es in der Kita durch sein Verhalten ständig negativ auffällt, dann sind die Erzieherinnen schuld, wenn es beim Sport nicht durchhält, dann ist der Trainer schuld, wenn es Schwierigkeiten mit anderen Kindern hat oder kaum Freunde, dann sind die anderen Kinder schuld, sie sind neidisch. Dabei fragen wir uns nicht, ob wir uns Zeit nehmen, um die Hausaufgaben des Kindes zu kontrollieren, uns mit dem Kind zu bewegen, selbst und frisch zu kochen, mit den Kindern zu spielen, anstatt nur Spiele zu kaufen usw.
Johnny : Warum tun Eltern das denn? Warum können sie nicht einsichtig sein und ihre Fehler sehen?
Coach Camara: Ich habe es doch gerade erklärt, Herr Walker. Sie tun es unbewusst, weil sie alle immer denken, sie lieben ihre Kinder und würden ihnen niemals etwas Unschönes antun. Sie sind der festen Überzeugung, dass sie dem Kind nur Gutes wollen und nur Gutes tun. Wenn etwas Ungutes auftaucht, dann kann es nicht von ihnen kommen. Sie schieben es gern am Ende auf die Kinder, damit sie sich selbst nicht in Frage stellen müssen.
Johnny: Und wir Kinder, warum erkennen wir das nicht, um den Eltern unsere Forderungen zu stellen?
Coach Camara: Nicht alles was wir als Erwachsene tun und sind ist unserer Kindheit zu verdanken oder zu verschulden. Sie müssen mich nicht falsch verstehen. Ich sage auch nicht, dass unsere Kindheit uns voll und 100% steuert, sondern dass sie uns beeinflusst. Und man kann jeden Einfluss auch beenden. Ich glaube, die Kinder tendieren dazu, die Eltern zu verteidigen und zu rechtfertigen. Dieses Verhalten ist intensiver je mehr das Kind von den Eltern abhängig ist, besonders finanziell. Die Eltern sagen uns doch die ganze Zeit, dass sie uns liebhaben, sie nennen uns Schatz, Liebling und schenken uns so viel, usw. Sie werden von vielen Kindern, von vielen Menschen folgende Sätze über ihre Eltern hören „sie meinen doch nur gut. Sie wollen mir nur helfen“. Darum geht es gar nicht. Aber die Kinder tun alles, um die Eltern nicht zu belasten. Sie belasten lieber sich selbst. Vor den Eltern schauspielern sie. Vor den Eltern verhalten sie sich so, als ob die Welt golden wäre. Sie kaschieren ihr Leiden. Es ist eine subtile, unbewusste Manipulation der Eltern, die die Kinder dazu bringt sich so zu verhalten. Viele Eltern lassen die Kinder nicht los und irgendwann lassen die Kinder die Eltern nicht mehr los. Es ist nicht gut und befreit das Kind nicht, wenn die Eltern diese emotionale Kind-Elternabhängigkeit nicht irgendwann abbrechen. Die Kinder müssen ihre eigenen Erfahrungen machen. Sie müssen lernen zu leiden. Sie müssen versuchen, den Berg allein zu erklimmen. Die meisten Eltern intervenieren zu viel und zu früh und zu falscher Zeit. Dadurch machen sie sich unersetzbar und binden so das Kind. Das Kind entfaltet sich nicht und glaubt am Ende, dass es ohne die Eltern nichts schaffen kann. Egal, ob es gut gemeint ist oder nicht, finde ich diese Art egoistisch und machtgesteuert. Die Eltern versuchen, auch von weitem die Zügel in der Hand zu halten und so mischen sie sich ins Leben ihres Kindes ein. Wenn das Kind sich dann querstellt, kommen die Vorwürfe, das Kind wäre nicht dankbar. Die Eltern müssen einfach diese afrikanische Weisheit akzeptieren: „Du gebärst ein Kind, aber du gebärst sein Herz nicht. Lass das Kind ziehen. Mach das Kind nicht von dir abhängig. Löse nicht dein Problem, indem du das Kind schwach machst und schwach hälst. Das Kind gehört dir nicht. Du bist nicht sein Leben und es ist nicht dein Leben und auch nicht dein Lebensinhalt.“
Er machte eine Pause und fuhr fort:
Coach Camara : Haben Sie sich gefragt, warum die meisten Kinder nicht mehr haben und oder mehr schaffen als ihre Eltern? Warum sind die Eltern erfolgreicher als die Kinder? Es sollte normalerweise anders sein. Überlegen Sie ein bisschen. Haben die Kinder der Gründer von Mercedes, BMW, Grundig, Ford, Porsche, die Kinder großer Menschen, wie Helmut Kohl, Thatcher, Francois Mitterrand, Michael Jackson, Elvis Presley, usw. etwas Großes auf die Beine gestellt? Ein Produkt mit einem Namen, der bleiben wird, wie ihre Väter es taten? Ich habe diese großen Namen absichtlich gewählt, damit Sie schnell und besser verstehen können was ich meine. Nun übertragen Sie diese Beispiele auf andere, nicht so große Menschen. Sie werden sehen, dass es fast überall so ist.
Johnny: Lassen Sie mich überlegen. Ja, das stimmt eigentlich. Ich bin doch das beste Beispiel. Ich und mein Vater. Warum ist es so und warum war mein Vater erfolgreicher als Opa?
Coach Camara : Es ist so, weil die Eltern über ihre Kinder Macht behalten wollen. Es passiert unbewusst. Kinder, die erfolgreicher sind als ihre Eltern, wie dein Papa und Opa, sind Kinder, die bestimmte gesellschaftliche und familiäre Strukturen abgelehnt und damit gebrochen haben. Sie haben damit Schluss gemacht und eigene Regeln aufgestellt. Es sind Kinder, die rebelliert haben oder Kinder, die aus Familien stammen, in denen man bewusst die Kinder so erzieht, dass sie wie Vögel frei fliegen und ihre eigenes Ding machen und nicht dableiben, um auf das Erbe der Eltern zu warten und später dieses zu verwalten. Das ist manchmal eine sehr subtile Sache. Sie werden Eltern sehen, die vor den Kindern stehen und über ihr Vermögen reden, und sie lassen das Kind schon früh wissen, dass sie so hart im Leben kämpfen damit das Kind es später einfacher hat, und wenn es nett ist, wird es diese materiellen Sachen später bekommen. Sie hypnotisieren das Kind, dass nun schon weiß, wenn die Eltern nicht mehr da sind, gehören mir das Haus, das Geld usw. Unbewusst sieht dieses Kind nicht mehr die Notwendigkeit, mehr zu tun als das Nötigste. Somit unterstellt es sich den Eltern, die automatisch Macht über es haben. In Afrika musstest du früher als Mann spätestens mit 17 das Haus der Eltern verlassen und wegziehen. Manche sahen ihre Eltern und Kinder nie mehr, aber sie waren trotzdem durch diese magische Liebe liiert. Die Eltern waren zufrieden und stolz darauf, dass sie dem Kind alles das gegeben hatten, womit es alleine erfolgreich sein Leben meistern kann.
Johnny : Aber es ist nicht bei allen Familien so, oder?
Coach Camara: Oh nein! Das wäre schlimm! Nein, es ist ganz klar nicht bei allen Familien so. Sie werden sehen, dass Menschen, die gesunde Erfolge haben, denen es ganz gut geht und die glücklich sind, die mehr geschafft haben als die Eltern, ein ganz klares Verhältnis und eine klare Grenze zu ihren Eltern haben und auch umgekehrt. Das sind Familien, in denen Probleme nicht unter den Tisch gekehrt werden, damit Frieden mit allen Mittel herrscht, sondern Familien, die Auseinandersetzungen nicht scheuen. Sie habe sich nichts vorzuwerfen und gehen offen mit Differenzen und Auseinandersetzungen um. Deswegen können sie auch harte Meinungsverschiedenheiten durchdiskutieren und zur Not auch, falls keine befriedigende Lösung für alle gefunden wird, eine Zeitlang Abstand voneinander nehmen, ohne Angst zu haben, dass die Familie zerstört wird. Das ist sehr gesund und sehr wichtig für die Entfaltung jedes einzelnen Mitglieds der Gruppe. Das sind Familien, in denen die Eltern die Kinder losgelassen haben. Wenn solche Eltern das Ergebnis ihrer Arbeit sehen, sind sie zufrieden. Sie wissen, dass sie keine Leichen im Keller haben und haben eine entspannte Beziehung zu ihren Kindern. Liebe allein reicht nicht, um ein Kind von psychischen Beschwerden fernzuhalten. Man muss miteinander ehrlich sein.
Johnny : Wie sieht dieses Ergebnis aus?
Coach Camara: Man erkennt einen guten und gesunden Baum an seinen Früchten und umgekehrt. Das heißt, diese Eltern sehen stolz, wie sich ihre Kinder ohne ihr Zutun, bzw. nur mit marginaler Hilfe, durch das Leben schlagen. Die Kinder sind selbstständig und eigenständig. Sie sind sich der Liebe der Eltern sicher und deswegen brauchen sie sie (Eltern) gar nicht so unbedingt in der Nähe. Sie sind einfach glücklich und seelisch gesund. Das allein ist der Maßstab, ob die Arbeit als Eltern erfolgreich war oder nicht. Ob sie wirklich den Kindern das mitgegeben haben, was sie brauchen, um sich nun allein, mit ihren eigenen Mitteln, in diesem harten Leben durchzusetzen und glücklich zu sein. Ja, glücklich zu sein. Das ist alles, was zählt. Ein glückliches Kind ist sich der Liebe seiner Eltern sicher und braucht deswegen als Erwachsener die Eltern als Versorger kaum noch.
Johnny : Ich habe den Eindruck, Herr Camara, dass Sie von mir reden.
Coach Camara: Hören Sie auf mich ständig zu unterbrechen. Ich war noch nicht fertig mit den glücklichen Kindern. Ja, glückliche Kinder sind frei von der anhänglichen, kindischen Eltern-Kind-Beziehung und sind stark in der neuen Form der Beziehung Eltern-Erwachsener. Aus dem Kind wird nun Sohn oder Tochter, aus den Eltern werden Vater und Mutter und nicht mehr Papa und Mama. Die Eltern müssen dafür sorgen, dass dieser Beziehungswechsel von der alten Form zur neuen Form reibungslos vorgeht. Die Eltern sollten die Kinder sehr sorgfältig loslassen, nicht zu früh und nicht zu spät, und am Ende sollte man das Kind freigeben, wie unsere Mitlebewesen, die anderen Tiere, es tun. Das Kind gehört den Eltern nicht, auch wenn sie es geboren haben. Wie ich schon oben erwähnt habe, du gebärst das Kind aber du gebärst sein Herz nicht. Deswegen ist es sehr wichtig, sein Herz nicht zu beherrschen oder zu versuchen, es zu beherrschen. Man sollte die Kinder als Eltern nicht zu früh oder zu spät allein der Verlassenheit der Welt und der Natur ausliefern und hoffen, dass irgendwie alles gut sein wird. Was einen Mensch stark macht ist nicht nur, was er bekommt, sondern auch was er gibt. Einem Kind muss beigebracht werden, auch zu geben. Kinder, die immer nur bekommen und nicht geben, werden abhängig und unglücklich. Die Eltern sollten mit Geben sehr vorsichtig sein. Materielle Geschenke und besonders Geld machen abhängig, wenn es zu viele sind. Wärme, Liebe, Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Zuneigung hingegen machen frei.
Johnny: Es kling logisch. Bei uns lief es andersherum. Ich glaube, meine Eltern haben unbewusst eine Erziehungsart gewählt, die dazu geführt hat, dass sie mein Herz beherrschten.
Coach Camara: Nämlich? Ich meine welche Art von Erziehung haben Ihre Eltern gewählt?
Johnny: Wenn ich heute nachdenke, sage ich mir, dass wir gar nicht richtig losgelassen wurden. Sehen Sie, wie ich in meinem Alter noch sauer auf meinen Vater war, weil er mir kein Haus kaufen wollte? Ich ein Rechtsanwalt. Wir mussten schon sehr früh entscheiden, was wir tun wollen und was nicht. Aber ich frage mich heute, wie kann ein Kind denn schon wissen, was es will und was nicht? Und ist, was es will, auch das, was gut für es ist? Ich gebe Ihnen ein Beispiel: ich will immer Cola trinken und Gummibärchen und Fastfood essen; und, weil ich selbst bestimmen darf, was ich will oder was ich nicht will, und weil sie mir schmecken, kaufe ich mir die auch in Mengen. Wird die Sache dadurch gesünder, weil ich selbst entschieden habe? Wird es mir dadurch gut gehen, weil ich alleine entscheiden konnte? Werde ich, ich weiß nicht von wem, dafür mit schönen Zähnen und toller Figur belohnt? Ich verstehe sehr gut, was Sie meinen, Herr Camara. Ich verstehe es sehr gut. In diesem Beispiel wäre es doch lebenswichtig und besser gewesen, dass die Eltern ihre Autorität benutzten, um mir beizubringen und notfalls zu verbieten diese Sache unvorsichtig zu essen, weil sie ungesund sind. Nun da ich erwachsen bin und Probleme habe, springen sie ein, um mich mit Geld zu unterstützen, damit ich meine kaputten Zähne reparieren und Diätprodukte kaufen kann, damit ich wieder die Figur bekomme, die ich gehabt hätte, wenn sie mir nicht so früh die Macht übergeben. Das ist echt absurd.
Coach Camara: Ihr Beispiel verdeutlicht ganz gut was ich meine.
Johnny: Sie stellten uns zu früh auf uns selbst und hofften, dass wir diese Früchte aus diesem gesunden Baume werden. Leider kam alles anders. Je älter wir wurden desto abhängiger waren wir von unseren Eltern. Wir wurden abhängig und immer abhängiger und am Ende blieben wir für unsere Eltern doch nur ihre Kinder. Sie machten unabsichtlich, ich glaube sogar aus Liebe, viele Fehler. Sie ließen uns kaum eine Chance, richtig erwachsen zu sein. Sie wollten uns nur beschützen, aber in einem Alter, in dem wir uns selbst schützen sollten. Als sie uns hätten schützen sollen – mit neun, zehn oder elf, mit 14 oder 15 – ließen sie uns aber frei. Eine verrückte Welt. Es war ein Fehler 21, 25 oder 30 so viel und immer weiter zu unterstützen.
Coach Camara: Ich glaube nicht, dass das, was Sie Fehler nennen, nur aus reiner Liebe begangen wurde. Da ist auch ein schlechtes Gewissen oder ein Schuldgefühl, das Eltern aber nicht zugeben möchten oder zugeben können und deswegen machen sie alles nur noch schlimmer. Sie bevorzugen es, dieses seelisches Betäubungsmittel anzuwenden: zu viel Fürsorge, zu viel Schutz, zu viel Geborgenheit, zu viel materielle Hilfe, zu viel Beistand. Das ist eine Art Wiedergutmachung. Manche tun das bewusst, aber die Mehrheit tut es unbewusst. Es geschieht einfach. Aber diese Art Wiedergutmachung generiert noch viel schlimmeren Schaden in den Kindern. Es entsteht auf jeden Fall ein Teufelskreis zwischen den Kindern, den Hilfsempfängern oder Bedürftigen und den Eltern, den Helfern. Das wiederum stärkt die Position und Kompetenz der Eltern, die für die Kinder nun unersetzlich sind.
Johnny: Genau, Herr Camara. Genau das taten sie mit uns. Ich und meine Schwester waren schon so alt, lebten aber immer noch zu Hause, obwohl alle unsere Freunde schon alleine in WGs und Studentenwohnheimen wohnten. Wir hingen immer noch an Papa und Mama. Herr Camara, nun sehe ich alles: lassen Sie mich Ihnen die Situation erklären, wie sie war. Ich kann die Situation ganz gut beschreiben. Ich sehe alles vor meinen Augen: Wir volljährigen Kinder waren die Hilfsbedürftigen und zogen alle Register, um die fehlende Aufmerksamkeit der Kindheit nun doch noch zu erhalten. Wir wurden wieder Kinder. Wir wollten das haben, was wir als Kind hätten haben müssen: Zeit, Aufmerksamkeit, Schutz. In unserem Blick und in unseren Handlung stand: „wir sind so hilflos, wir brauchen Hilfe. Wir schaffen es nicht allein. Bitte helft uns, ohne euch sind wir verloren.“ Die Eltern kamen dann sofort als Helfer und ihre Handlung verstand unser Unbewusstsein so „ja, Kinder lasst uns nur machen, ihr armen Kinder, es geht euch so schlecht nicht wahr? Ihr schafft das nicht, gell? Es ist zu viel für euch, wir helfen euch doch. Wir sind doch da für euch. Wir haben euch lieb, ihr habt liebe Eltern, die euch nicht allein im Tisch lassen.“ Sie packten zu und halfen und erwarteten nichts von uns. Wir wiederum fühlten uns in unserer Haltung bestätigt und zogen noch mehr Register, um noch mehr Hilfe zu bekommen. So blieben wir Kinder in erwachsenem Körper. Jetzt verstehe ich die Zusammenhänge.
Coach Camara: So bestätigten Ihre Eltern Ihre Schwächen und fühlten sich dadurch wiederum gleichzeitig kompetent und stark, erteilten noch mehr Ratschläge, waren noch präsenter. Sie als Kind ließen sie es zu, weil Sie sich sagten, die Eltern sind lieb und wollen doch nur helfen. Aber so vertuschten Ihre Eltern auch ihre eigene Fehler und Schwächen. Den Eltern und Kindern ist es nicht bewusst, was schief läuft. Sie werden sogar irritiert, gar wütend, wenn man eine Bemerkung in diese Richtung macht.
Johnny: Wir bekamen wirklich alles, was wir wollten. Aber das machte uns immer unselbständiger und uneigenständiger. Wir wurden immer leerer und meine Schwester suchte schon sehr früh esoterische und psychologische Hilfe. Ich glaube mit ein bisschen Selbstkritik hätten die Eltern uns helfen können. Jetzt sah es mein Vater ein und wollte mir helfen. Das tat er neulich, als er es ablehnte, mir das blöde Haus zu kaufen. Dieses Haus hätte mich wieder gefangen gehalten. Wegen des Hauses wäre ich sicher diese verdammte Ehe nicht losgeworden. Das ist die einzige gute große Tat, die mein Vater, meine Familie für mich getan hat, die nicht mit Geld zu tun hatte. Die strikte Ablehnung mir zu helfen, hat auf einmal alles in Bewegung gesetzt und ich möchte nun erwachsen sein. Ich will die Hilfe meines Vaters nicht mehr. Ich habe alles, was ich brauche, um allein im Leben durchzukommen
Coach Camara: Sehen Sie, was ich gemeint habe? Allein hätten Sie diesen Sprung nicht geschafft. Ihr Vater, der eine große Rolle in Ihrer Kindheit gespielt hatte, noch lebt und der Ihre Familie repräsentierte, war das fehlende Puzzleteil. Er hat Sie befreit. Er hat Ihnen die Freiheit gegeben und Sie in die Freiheit geschickt. Er hat Sie losgelassen, jetzt werden Sie erwachsen. Viele glauben vielleicht, dass es einen Vorwurf bedeutet, die Eltern in die Verantwortung zu ziehen. Nein! Schauen Sie bei Ihnen. Haben Sie Ihrem Vater Vorwürfe gemacht? Nein. Es gab keine Vorwürfe. Es gab nur Einsichtigkeit und den Willen, dass es jedem gut geht. Ihr Vater liebt Sie jetzt. Ich meine die Art von Liebe, die befreit und stark macht. Vorher hat er Sie auch geliebt. Es war aber keine Liebe in diesem Sinn. Geld zahlen, Geschenke geben, usw. ist eine Liebe für sich selbst, für denjenigen der gibt. Das ist eine reine auf sich bezogene Liebe. In diesem Moment, wo er gibt fühlt er sich wohl. Er sieht sich als Wohltäter und genießt es, dass das Kind ihn auch so sieht. Das ist eine narzisstische Liebe. Er fragt nicht, ob das, was er tut, dem Kind tiefgreifend hilft und es nach vorne bringt. Er stellt sich diese Frage nicht. Er sieht nur, dass das Kind in diesem Moment glücklich ist und er wieder der gute Mensch ist, der das Kind gerettet hat und ihm Freude gemacht hat. Das nenne ich nicht Liebe. Liebe nenne ich (das klingt vielleicht sehr afrikanisch) Liebe ist, wenn man mir durch Liebe zeigt, wie ich alleine das bekommen kann, was mir gut tut. Liebe ist für mich, wenn ich die Person, die mich liebt, nicht mehr brauche, um zu leben . Ich freue mich, dass es sie gibt. Liebe macht glücklich, gibt Energie, eröffnet und erweitert den Horizont und die Möglichkeiten. Liebe lässt mich wachsen und gibt mir ein Gefühl von Sicherheit. Liebe macht nicht abhängig. Liebe verkettet nicht, sie ketten nicht an. Sie löst Ketten. Liebe macht frei und gibt Freiheit. Es gibt keine Liebe da wo Menschen unglücklich sind, wo Menschen zweifeln, wo Menschen nicht an sich selbst glauben. Wahre und echte Liebe gibt Zuversicht, Glück, Freude, ein Gefühl der Sicherheit, Vertrauen. Wenn alles das in einem Kind fehlt, sollten sich die Eltern intensiv mit sich selbst auseinandersetzen.
Johnny: Leider tun das viele Eltern nicht. Ich frage mich, warum. Meinen Sie, dass Geschenke und Geben im Allgemeinen schädlich sind?
Coach Camara: Geschenke und Geben sind im Allgemeinen gut. Das ist auch eine Art, Zuneigung zu zeigen. Man will dem anderen zeigen, wie wichtig er ist. Das ist doch toll und niemand kann dagegen sein. Aber alles muss im Rahmen bleiben. Ja, viele Eltern übertreiben und sie lösen alles nur noch mit Geschenken und Geld. Beim kleinsten Husten des Kindes ist schon der Sirup da. Je weniger das Kind psychisch stabil ist, desto mehr geben sie. Sie wollen sich nicht mit der Kindheit ihrer Kinder auseinandersetzen, weil es eine Auseinandersetzung mit sich selbst und ihrer eigenen Kindheit und ihren Eltern bedeuten würde. Manche tun es aus reiner Bequemlichkeit und Faulheit nicht.
Wir reden hier von Liebe und von der Beziehung zwischen Eltern und Kindern, ich spreche hier nicht von Geschenken und Geben in einem normalen Rahmen. Das schadet nicht. Freude haben ist gesund. Ich spreche von Geschenken und dem Geben in überproportionalem Rahmen. Auf jeden Fall müssen Eltern sehr vorsichtig damit umgehen. Sie müssen ihren Kindern in schwierigen seelischen Krisen nicht nur materiell helfen. Sie müssen sich zur Verfügung stellen, um den Kindern zu helfen. Eine gemeinsame Therapie ist in vielen Fällen ein Muss, wenn man dem Kind helfen will. Leider, leider….
Johnny: Das heißt viele Eltern sind Versager. Sie haben versagt, ich habe versagt als Vater? Wir haben versagt?
Coach Camara: Die Eltern miteinzubeziehen beim Lösen bestimmter psychischer Probleme ist enorm wichtig für Kinder und Eltern. Erst wenn wir uns stur dagegen stellen, oder es nicht sehen wollen, obwohl wir jeden Tag sehen, wie es unseren Kindern geht, ja, erst dann sind wir meiner Meinung nach Versager. Wir sind es nicht von vorneherein. Wir hatten nur das Gute tun wollen, das trifft zumindest auf die Mehrheit zu. Es gibt allerdings auch Eltern, die nur aus reiner Bequemlichkeit sich ihrer Verantwortung entziehen, indem sie die Kinder sehr schnell sich allein überlassen. Um dem dann einen Sinn zu geben, meinen Sie, dass sie den Kindern früh Verantwortung und Selbständigkeit beibringen möchten. Ja, aber BEIBRINGEN bedeutet nicht Interessenlosigkeit. Sie ziehen es vor, auf der Couch zu liegen, Fernseher zu schauen, auszugehen, mit dem neuen Freund zusammen zu sein, anstatt auf die Kinder aufzupassen. Und nennen das dann Verantwortung beibringen....
Ja, für die Mehrheit der Eltern, ist es keine bewusste Entscheidung. Sie wollen wirklich etwas Gutes tun, nur das Beste für die Kinder. Sie wissen nicht, dass es so kommen wird. Dass unsere Kinder durch unsere Erziehungsart schwach, labil, innerlich instabil, ängstlich (beste Weg zum Burnout) usw. werden. Wir wollen ganz bestimmt das Gegenteil erreichen. Nun da wir sehen, dass es leider anders angeschlagen hat, jetzt können wir nicht mehr sagen wir wussten es nicht.
Die Behauptung, dass die Kindheit egal sei, hat eine große Wirkung auf uns, aber, und das ist erfreulich, wir können, wenn uns die Falschheit dieser Aussage bewusst wird, diesen Einfluss zum Guten beeinflussen und alles ändern.
Johnny: Das ist wohl wahr. Leider erst wenn man so gelitten hat und Mist gebaut hat, wie ich. Ich hoffe, mein Vater verzeiht mir.
Coach Camara: Er hat Ihnen schon verziehen. Sie sehen bzw. Sie spüren es noch nicht, weil Sie ihm und vor allem sich selbst noch nicht verziehen haben.
Nur wer von seinem eigenen Elternhaus gelernt hat glücklich zu sein, kann dies erfolgreich seinen Kindern beibringen und seine eigenen Kinder glücklich erziehen. Wer das nicht hatte oder immer noch nicht hat, muss sich umerziehen und lernen, sich von seiner unglücklichen Kindheit zu distanzieren.
Meine eigene Erfahrung ist ein Beispiel dafür, wie alte Kindheitsgewohnheiten weitergegeben werden.
Ich erinnere mich immer noch daran, wie mein Vater – obwohl er als Politiker in der Aufbauphase Kameruns nach der Befreiung und dem Sieg über Frankreich mehr als 16 Stunden am Tag arbeitete – doch immer Zeit fand, uns mehr als 20 Kindern wertevolle Geschichten zu erzählen, Lieder zu singen, mit uns zu spielen, usw. Ja, das hat meine Kindheit geprägt.
Als ich dann selber Vater war, habe ich das gleiche mit meinen Kindern gemacht, weil es mir gut getan hatte.
Obwohl ich sehr beschäftigt bin, tue ich alles, um bei meinen Kinder präsent zu sein, ihnen Geschichte zu erzählen, zu spielen, usw. genauso, wie mein Vater es damals mit mir gemacht hat. Wir geben weiter, was wir in unserer Kindheit mitbekommen haben. Deswegen müssen wir sehr selektiv sein, das bedeutet, wir müssen unsere Kindheit unter die Lupe nehmen ohne die Eltern zu verdammen, wenn wir paar Fehler darin finden.