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Unfall
ОглавлениеGideon Voss war so ein Schaumschläger. Nicht weil er übermäßig klug und dadurch prädestiniert für den Kriminalkommissar war oder weil er eine ausgezeichnete Vorgeschichte in seiner Vita stehen hatte, die seine steile Karriere begünstigte, sondern weil das Neunte Polizeirevier im öden Randgebiet der Stadt einen Kommissar brauchte, der die Nachtschicht übernahm, sprich am Telefon auf einen Anruf wartete. Da chronischer Personalmangel herrschte, vor allem im verpönten Beruf des Polizisten und in den Nachtstunden, hatte er sich gemeldet. Als versehrter Schutzpolizist, der der Stadt auf der Tasche lag, weil er nur noch für den Innendienst geeignet war, hatte man ihn sehr geschwind nach oben befördert. Nach oben, weil es einen Aufstieg im Dienstgrad bedeutete, aber auch nach oben, weil er in seinem Revier vom Erdgeschoss in den ersten Stock ziehen durfte, wo die Kriminalpolizei mit ihren Büros über den Mannschaftsräumen der Streife laufenden Schutzpolizei thronte.
Ein Vorfall hatte seine Laufbahn bei den Uniformierten rasch beendet und ihn ins Revier gesperrt: Pflege der Ausrüstung, Empfangsdame, Essensversorgung der Mannschaft. Seine unterdurchschnittlichen Leistungen hatten ihn schnell unbeliebt gemacht, denn beim persönlichen Wohlfühlbereich endete die Kollegialität. Er hatte einfach keine Lust gehabt, seinen Kameraden den Mund abzuwischen. Den Dienst nach Vorschrift, sofern es für das Geschirrspülen eine Vorschrift gab, erledigte er an der Grenze zur Arbeitsverweigerung. Dafür hatte er sich im städtischen Dienste nicht über den Haufen schießen lassen.
Voss mochte die Nachtschicht. Die Schutzpolizei reduzierte auf die Hälfte, was den Geräuschpegel erheblich verminderte, und im ersten Stock des Gebäudes verrichtete er allein seinen Dienst, denn die Kriminalpolizei hielt nachts nur einen Beamten in Bereitschaft, zumindest im Neunten Bezirk, im Randgebiet der Stadt. Durch den Zwiespalt zwischen Ordnungshütern der einen Seite, unter ihm, und Ordnungshütern der anderen Seite, seine Seite, musste er auch nicht befürchten, dass ihn jemand störte. Es sei denn, seine Befugnisse waren von Nöten, was äußerst selten vorkam. Verbrechen, die seiner bedurften, wurden zumeist erst am nächsten Morgen gemeldet, was dann der Tagdienst übernahm. Er vertrieb sich die Zeit mit zwei Dingen: Schuhe und Schokolade.
Voss trug seine pechschwarzen Haare glatt nach hinten gestrichen, gehalten von einer dicken Schicht Pomade. Sein Gesicht war glattrasiert, wie das der modische Herr von damals bevorzugte. Ein schlichter Anzug machte ihn auf der Straße unsichtbar, wenn er nicht sein Beinholster mit der Pistole umgeschnallt hatte. Das übliche Schulterholster, das in zivil verdeckt unter der Jacke getragen wurde, engte ihn ein und schabte über die Wunden auf seinem Rücken, die ihn seit dem Vorfall stigmatisierten.
In seinem Büro – ein kleiner Raum mit zugemülltem Schreibtisch, den er sich mit den Tagschichtlern teilte – schlüpfte er aus seinen Schuhen und genoss die Freiheit, lediglich das Gewebe der Socken zwischen Fußsohle und Teppichboden zu haben. Viel wichtiger war jedoch sein routinemäßiger Usus seine Schuhe akribisch zu putzen. Jede Nacht.
Immer wenn er seine einsamen Stunden absaß, wichste er, bis der Arm krampfte und seine schwarzen Schuhe glänzten. Dabei beeilte er sich keineswegs. Er hatte genügend Zeit. Wenn er mit einem Schuh fertig war, gönnte er sich eine Pause, wo er seinem anderen Laster nachging. In der Schublade lagerten golden eingewickelte Schokoladentaler. Jeden einzelnen entpackte er voller Vorfreude. Genüsslich schob er sich die Taler in den Mund, ließ sie für eine Weile auf der Zunge zergehen und zerkaute anschließend den Rest. Wäre er nicht allein gewesen, hätte man ihn gebeten, nicht bei jedem Kiefermalmen lustvoll zu stöhnen. Aber so konnte er sich dem Spektakel ohne Bedenken hingeben.
Die Nacht war sein Freund. Er hasste den Trubel des Tages, hasste die Helligkeit und die Wärme der Sonne, hasste die Offenheit, die jeden Makel offenbarte. Nachts ist der Mensch ein schwaches, verletzliches Tier; braucht künstliches Licht, um zu sehen; fürchtet sich vor allem und jedem. Voss konnte sich in der Finsternis frei bewegen. Er bestimmte, wer ihn sehen und hören durfte, was er preisgab und was nicht. Aber er musste diese dunkle Tageszeit erst schätzen lernen. Dafür hatte er diesen Vorfall benötigt, der ihn aus seinem bisherigen Leben herausgeschleudert hatte.
Nicht nur seine Patrouillentauglichkeit verlor er durch die Kugeln eines hinterhältigen Bankräubers, die ihn rücklings durchsiebten. Auch seine Frau entschied sich für den einfachen Weg und war verschwunden, als er eines Tages noch auf Krücken nach Hause kam. Einzig der Kater war ihm geblieben. Eine Erinnerung an sie, denn es war ihre Katze gewesen. Anubis hieß der kleine Racker.
Seitdem seine Frau Hals über Kopf das Weite gesucht hatte, schlief Voss nicht mehr richtig. Der Mond zog ihn an, trat an ihre Stelle. Voss war süchtig nach ihm. Das nächtliche Umherwandeln hatte seinen Schlafrhythmus zerstört, wie auch einige Tassen, die er im Delirium auf einen imaginären Tisch stellen wollte. Also hatte er beschlossen die Nacht zu seinem Tage zu machen. Die vakante Stelle des Nachtkommissars kam ihm da gelegen entgegen. Er hatte keine Sekunde gezögert.
In aller Seelenruhe widmete er sich dem zweiten Schuh. Er rubbelte daran, bis die trübe Wichse Glanz aus dem Leder herauskitzelte. Zufrieden stellte er die Treter neben den Schreibtisch. Sein Blick glitt zu den großen Zeigern der Wanduhr – die Geisterstunde war vorüber. Wie sonst auch, griff er blindlings in die Schublade, um sich weitere Schokoladentaler zu gönnen. Er tastete den Hohlraum ab, als er merkte, dass keine mehr da waren. Erschrocken schaute er hinein. Seine nervlich angeschlagene Hand hatte Recht. Selbst die eiserne Reserve im hintersten Eck der Schublade war aufgebraucht. Anscheinend hatte er nach dem ersten Schuh ordentlich zugeschlagen. Die Gedanken an den Vorfall und seine Frau trieben ihn zum Exzess.
Voss überlegte kurz. Robert Schumann hatte Innendienst im Erdgeschoss. Einer der Kollegen, die die Mauer zwischen Schupo und Kripo ignorierten. Und das Beste an Schumann: er mochte die Goldtaler genauso gern. Sicherlich hatte der sich einen kleinen Vorrat für die Nacht mitgebracht. Voss schlüpfte in die frisch gewienerten Schuhe. Auf die Jacke oder das Pistolenholster verzichtete er. Schließlich musste er lediglich ein paar Treppen hinunter, betteln und die Treppen mit vollen Händen wieder hinauf. Ein letzter Blick auf den Telefonapparat. Das schrille Klingeln riss ihn immer aus seinem Dämmerzustand, auch wenn dies sehr selten vorkam.
Im Erdgeschoss suchte Voss nach Schumann, dem bulligen Bullen. Der Empfangstresen war unbesetzt und im Aufenthaltsraum döste auch keiner. Die Streifentrupps mussten allesamt auf der Straße sein. Und Schumann? Voss krallte sich eine Taschenlampe vom Tresen. Nachts wurde die Gebäudebeleuchtung heruntergefahren. Zu dunkel fürs Berichtetippen, zu hell fürs Schlafen. Geradeso ausreichend, um zu überleben.
»Schubi!« Voss hielt die als Patsche geformte Hand vertikal an den Mund, um den Ruf zu verstärken. »Schubi!«
Schumann war der einzige Schutzpolizist, mit dem er zurechtkam. Möglicherweise lag das am geteilten Bedürfnis für Schokolade. Oder es lag an der gemeinsamen Vorliebe für die Nachtschicht. Oder am Händchen für einseitige, volatile Frauengeschichten.
»Ja?«, schallte es aus dem Nebengang, der zu den Toiletten führte.
Voss lachte. Schumann schien eine große Notdurft zu verrichten, so gepresst wie das Lebenszeichen durch den Flur drückte. »Hast du Taler dabei?«
Die nächste Antwort ließ auf sich warten. Voss wusste, dass Schumann abwog, ob er das Geheimversteck verraten sollte oder nicht.
»Aber lass mir was übrig!«, kam aus der hinteren Ecke des Ganges.
»Ja-ha«, erwiderte Voss. »Wo hast du sie?« Er erforschte bereits den Eingangstresen und dessen Schubladen. Dafür eignete sich die Taschenlampe hervorragend.
»Unter meinem Helm.« Die Anstrengung der Ausscheidung schwang mit. Geräusche echoten. Offenbar rächte sich der hohe Zuckerkonsum.
Voss hob die Pickelhaube am Augenschirm hoch. Der Polizeistern vorn reflektierte das ausgesendete Licht der Taschenlampe. Darunter eröffnete sich ein wahrer Goldschatz.
»Die Hälfte?«, brüllte Voss nach hinten. Er teilte den Berg an Schokoladentaler gleichmäßig in zwei Hügel.
»Meinetwegen«, meckerte Schumann genervt, wegen der Kombination aus eigener Darmtätigkeit und fremder Schnorrerei.
Als Voss mit seiner Beute wieder nach oben schlendern wollte, stürmte ein Junge von vielleicht zehn Lenze herein. Er schnaufte erschöpft. Seine Augen huschten wild umher.
»Sie müssen helfen!«, rief der Junge und zeigte nach draußen. »Da brennt jemand!«
Perplex schüttelte Voss den Kopf. Er dachte gehört zu haben, dass da jemand brannte. »Wie bitte?«
Das Straßenkind trug alte, zerrissene Klamotten über dem ungewaschenen Leib. Eingefallene Wangen und ausgehöhlte Augen zeugten von Mangelernährung.
»Schnell!« Der Junge schnappte des Kommissars Hand und zog ihn zur Tür.
Die Taler prasselten zu Boden. Im Gehen stibitzte Voss sich mit der Taschenlampenhand Schumanns Dienstjacke vom Haken, denn draußen war es kalt.
Der Junge rannte voraus. Die Laternen beleuchteten alle paar Meter Asphaltdecke und Gehweg. Fahrzeuge parkten am Bordstein. Feste Bedachung löste allmählich das Stoffverdeck der Karossen ab. In fast allen Häusern dominierte Dunkelheit – Schlafenszeit. Einige wenige Mietshäuser ragten mehrstöckig zum Himmel. Die in diesem marginalen Stadtteil überwiegenden Gewerbe- und Industriegebäude bevorzugten eher breitgefächerte Bodennähe statt die Nähe zu Gott. Der Himmel war klar. Man konnte die Sterne sehen, weil die Betriebe und deren Schlote stillstanden und innehielten.
Voss’ Atem formte Wölkchen, durch die er hindurchrannte. Trotz der vielen Schokolade war er gut in Form, weil er manchmal wie ein Fanatiker dem Bewegungsdrang frönte – am Boxsack im Keller des Reviers. Nach ein paar Biegungen dachte er an seine Pistole, die im Holster auf dem Schreibtisch lag. Der Junge könnte ihn direkt in einen Hinterhalt locken – Erinnerungen an den Bankraub, den er nicht vereiteln konnte, wurden wach. Mehr als eine schlagbereite Taschenlampe hatte er nicht dabei. Als der Feuerschein an der nächsten Ecke die Nacht erhellte, verwarf er alle Flucht- und Selbstverteidigungsgedanken.
Vor ihm lag eine Frau mitten auf der Straße und fackelte vom Oberkörper aufwärts. Geistesgegenwärtig entledigte er sich Schumanns Polizeijacke, warf diese auf die Frau und klopfte mit den Händen das Feuer aus. Flammen attackierten ihn, versuchten durch die Baumwollschicht der Jacke zu schlagen. Er wollte die Frau ungern treten, weshalb er die Hände benutzte, um den Brand auszuklopfen. Nach schier unendlichen Sekunden dampften Frau und Jacke nur noch. Voss bezeichnete sich zwar nicht als Doktor, aber den Tod der erstarrten Frau konnte er zweifelsohne feststellen. Ihr Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Jäckchen und obere Hälfte des Kleides waren mit ihrer Brust verschmolzen. Ihre Arme hatten sich unnatürlich gekrümmt. Die Finger hatten sich zusammengezogen und maßen nur noch ein Drittel ihrer ursprünglichen Größe. Es stank nach verbranntem Fleisch. Und Benzin.
Voss erhob sich. Der Junge war weg. Erst jetzt spürte er den Schmerz, der von seinen Handinnenflächen ausging. Er drehte die Hände, um den Grund zu erfahren – Brandblasen. Kalte Blitze bohrten sich unablässig in seine Haut. Sie wechselten sich ab mit stechenden Wellen, die ihm bis in den Schädel zogen. Die niedrige Außentemperatur gab ihm den Rest. Er begann zu zittern.
Der Knabe hatte ihn in eine ruhige Seitenstraße geführt, die von den hohen Mauern zweier Betriebsgelände eingepfercht wurde. Leuchtende Laternen gab es lediglich zu Beginn und am Ende der Straße. Mittendrin labte sich die Dunkelheit am Sparzwang der Stadt. Ein idealer Tatort.
Seine Augen mussten sich erst noch an die Lichtarmut gewöhnen. Das helle Feuer hatte ihn vorübergehend geblendet. Mit der Zeit erkannte er genauere Strukturen. Ein Fahrzeug war gegen eine Litfaßsäule gekracht. Frontal. Der Motorraum glich einem zusammengedrückten Akkordeon. Die Fahrertür stand offen, genau in der Flucht der Toten. Er suchte die Taschenlampe, die irgendwo auf der Straße liegen musste. Nach ein paar unbeholfenen Tastversuchen fand er sie und nutzte den mobilen Scheinwerfer für eine genauere Erkundung. Das Gestell in seiner Hand drückte zwar auf die Brandblasen, aber er biss die Zähne zusammen.
Die Frau war verbrannt. Neben ihr entdeckte er eine halbgerauchte Zigarette. Wenn er die Taschenlampe abwendete, konnte er ein leichtes Tabakglimmen in der Papierrolle sehen, das sich noch gegen die Dunkelheit behaupten konnte. Das Auto war Schrott. Sie schien zu Beginn Glück gehabt zu haben, dass sie der Aufprall nicht umbrachte. Der Fahrerraum war noch gut intakt. Er prüfte die Sitzflächen. Einzig auf dem Fahrersitz konnte er einen langsam zurückweichenden Abdruck sichten. Die Frau musste allein unterwegs gewesen sein. Als er tiefer in das Fahrzeug hineinschaute, bohrte sich Benzingeruch in seine Nase. Er nickte sich zu, als ob er eine Liste abarbeitete. Der Kofferraum war leer. Wie erwartet. Zwischen Fahrzeug und Frau erspähte er kleinere Flecken. Wahrscheinlich Benzin. Von der Straße zur Litfaßsäule konnte er Bremsspuren ausmachen.
Der Kriminalkommissar verknüpfte das Gesehene und stellte das Geschehene nach: die Frau verliert die Kontrolle, prallt gegen den Werbepfeiler, schleppt sich aus dem Wrack, zündet auf den Schreck eine Zigarette an, obwohl sie mit Benzin besprenkelt ist, und verbrennt.
Um sicher zu gehen, leuchtete er das Umfeld noch einmal ab. In Wurfweite zur Zigarette fand er ein benutztes Streichholz. Woran hat sie es entzündet? Er suchte weiter, bis er auch die dazugehörige Schachtel entdeckte. Zu leicht. Er klopfte sich gedanklich auf die Schulter.
Danach machte er sich daran, die Frau in der Hocke zu inspizieren. Vorsichtig entfernte er Schumanns verkohlte Jacke von ihr. Mit der Taschenlampe stocherte er in den ausdampfenden Überresten ihres Jäckchens herum. Die Innentaschen, soweit noch funktionstüchtig, beherbergten keinerlei Ausweisdokumente, auch nicht versengt. Unter dem halbverschmorten Kleid wollte er nicht stöbern. Das überließ er dem Arzt.
Voss erhob sich. Mit der Taschenlampe leuchtete er die Straße auf und ab. Absolut niemand verlor sich um diese Uhrzeit in diese Straße, die tagsüber hauptsächlich dem Lieferverkehr diente. Bis auf den Jungen gab es keine Zeugen. Der Junge! Er schnalzte mit der Zunge. Selbst bei einer Gegenüberstellung würde er den Knaben nicht eindeutig identifizieren können.
Eine vierköpfige Fußpatrouille der Schupo kam auf ihn zu. Deren Taschenlampen versperrten ihm zwar die Sicht, aber das Ausbleiben der Trillerpfeifentöne und das Kichern der Kollegen sagten ihm, dass sie ihn erkannt hatten.
»Voss, du Sesselfurzer, was hast du angestellt?«, fragte einer amüsiert. Als er das Opfer sah, blieb ihm das Lachen im Halse stecken. Ein Kanon aus Raunen folgte. Wurden zuvor noch die Schlagstöcke heiter geschwungen, packten die Kameraden den Meinungsverstärker aus Pietätsgründen weg.
»Sichern Sie die Unfallstelle«, sagte Voss sachlich. »Ich laufe zum Revier und schicke ihnen Unterstützung. Die Frau ist tot.«
Mit dem Versuch das Nummernschild des Fahrzeuges im Kopf zu behalten, trat er den Rückweg zum Revier an. Die Unfallaufnahme und die Beseitigung der Trümmer waren Aufgaben der Schupo. Kälte, Brandblasen und der Gestank von verbranntem Mensch machten ihm zu schaffen. Außerdem musste er Schumann erklären, warum dessen Jacke nicht mehr am Haken hing.
Zurück auf dem Revier erwartete Voss der bullige Bulle. Die Goldtaler auf dem Boden waren eingesammelt und wahrscheinlich wieder unter der Pickelhaube versteckt. Ehe Schumann zu einem Satz ansetzen konnte, hob Voss die Hand.
»Warte! Bevor du etwas sagst, gib mir Zettel und Stift!« Er schloss die Augen, damit er die Blechplatte vor Augen sehen konnte, nahm die geforderten Utensilien mit zugekniffenen Lidern und schrieb auf den Tresen gestützt nieder, was er dachte, gesehen zu haben. Oben zwei Buchstaben, darunter eine Reihe Ziffern.
»So, jetzt«, gab er anschließend Schumann Gelegenheit für eine Tirade.
»Voss, wo ist meine Jacke?«
Das war ihm sofort aufgefallen, schmollte Voss, während seine Hände schmerzten und er nach Ruß und Benzin stank.
Schumanns Hosenträger spannten um den Bauch. Jeden Moment konnten sie reißen und jemanden verletzen. Ohne die Jacke mit der vertikalen, silbernen Knopfreihe und den silbernen Schulterabzeichen, ähnelte er einem Fabrikarbeiter, mit dem Unterschied, dass Schumanns Hemd noch sauber war.
Voss schob den Zettel zu ihm. »Kannst du in der Kartei nachschauen?«
Der korpulente Kerl schüttelte den Kopf. Nicht weil er die Bitte ausschlug, sondern weil er wissen wollte, was Voss wieder angestellt hatte. »Was ist passiert?«
»Ein Unfall«, nickte er zur Tür hinaus. »Eine Frau ist gegen einen Werbepfosten geknallt und verbrannt.«
Schumann machte große Augen. »In ihrem Auto verbrannt?«
»Auf der Straße. Das Auto ist nur zusammengestaucht. Deine Kollegen sichern schon die Unfallstelle.« Voss schaute sich im Revier um. »Sind die anderen Trupps schon wieder zurück?«
Schumann verneinte.
»Dann ist es deine Aufgabe, alles in die Wege zu leiten«, er gestikulierte zum Telefon, »Du weißt schon, die ganze Benachrichtigungskette.« Dann zeigte er nach draußen. »Und das Absperrmaterial hinschaffen.«
Voss sah sich einem mürrischen Gesicht gegenüber.
»Vergiss das Nummernschild nicht«, tippte er auf den Zettel, der noch auf dem Tresen lag.
Schumann deutete mit dem Daumen der Faust in das hinter dem Tresen befindliche Karteiarchiv. »Das kannst du machen, wenn du schon hier bist.« Er nahm den Hörer von der Gabel und ließ die Ziffernwahlscheibe rotieren. »Ich habe zu tun!«
Nachdem Voss den letztgenannten Halter des Fahrzeuges ermittelt, Jacke und Filzhut von oben geholt und sich den gefüllten Pistolengurt um den Oberschenkel geschnallt hatte, fuhr er in die Innenstadt – raus aus seinem Zuständigkeitsbereich. Die Fahrzeuge der Kripo waren ausgemusterte Streifenwagen der Schupo, entsprechend abgegriffen präsentierten sich die Teile, die durch viele Hände gegangen waren: Lenkrad, Schaltknauf, Türgriff. Die verkalkte Scheibe erschwerte ihm die Sicht. Zum Glück regnete es nicht, sonst hätten ihm Straßenlaternen und der wenige Gegenverkehr die Sicht geraubt. Die spröden Dichtungen der Karosserie baten die kühle Außenluft herein, weshalb er mit den Zähnen klapperte.
Er behielt es für sich, weil er kein Fass aufreißen wollte, aber einen Mord konnte er nicht ausschließen. Hätte er aus dem Unfallort einen Tatort gemacht, hätte er einige Leute aus dem Bett schmeißen müssen, wäre stundenlang vor Ort geblieben und am nächsten Morgen nur kurz heimgefahren, um Anubis zu füttern. Mit dem Tagschichtler hätte er dann zusammenarbeiten müssen. Nur dass dieser ausgeruht gewesen wäre, während Voss die Nacht, Kälte und Verbrennungen hinter sich gehabt hätte. Zudem hätte er einen ellenlangen Bericht schreiben müssen, der durch unzählige Instanzen gewandert wäre, die alle Revisionen verlangt hätten. Schon der Gedanke an den Haufen Arbeit fröstelte ihn. Zusätzlich zur einstelligen Grad-Celsius-Zahl und den pulsierend pochenden Brandblasen an seinen Händen, die Lenkrad und Schaltknauf bedienen mussten.
Vorm Nachtklub Zum Mond stellte er den Wagen halb auf dem Bordstein ab. Trotz der Uhrzeit torkelte die umfangreiche Laufkundschaft fröhlich umher und störte sich nicht an der Einengung des Gehweges. Ein paar besonders lockere, frohlockende Gesellen klopften im Vorbeigehen auf die Motorhaube und grüßten den Zivilpolizisten. Als Voss ausstieg wollte der Nachtklubportier mit Frack und Zylinder schon die Stimme erheben, doch Voss zeigte auf die sieben weißen Letter an der Seitentür des Wagens: POLIZEI. Ohne weitere Worte betrat Voss den Klub. Er musste nicht einmal seinen Dienstausweis vorzeigen, so eingeschüchtert ließ der Portier ihn gewähren. Möglicherweise trug die Waffe am Bein ihren Teil dazu bei.
Das Etablissement wartete mit sanfter Musik, weiblicher Bedienung und viel Zigarettenqualm auf. Das zart gespielte Saxophon wurde von einer rhythmischen Trommel begleitet, deren Stöcke gefühlvoll über das Fell gezogen wurden. Ein Kontrabass lieferte die tiefen Frequenzen, die das Publikum in einen entspannten Modus versetzten. An den dutzenden, runden Tischen saßen Herren von der gehobenen Mittelschicht aufwärts. Von Schweiß und Erregung glänzende Glatzen versuchten sich zu übertrumpfen. Es wurde sich in Rage geschwatzt, ergänzt durch dröhnendes Gelächter. Aufreizende Damen mit federbesetzten Kleidchen drapierten sich an den generösen Gentlemen.
Voss betrachtete die gelassene Stimmung. Rauchschwaden hüllten die Gäste ein und sammelten sich unter der Decke. Er nahm den grauen Filzhut ab. Dann suchte er sich einen freien Tisch am äußersten Rand. Da er keinen fand, holte er seinen Dienstausweis hervor und vertrieb ein ausgelassen herumknutschendes Pärchen mit enormem Altersunterschied in einer düsteren Nische von den Stühlen. Mehr Angst hatte das Pärchen vor der offengetragenen Pistole.
Einen Augenblick nachdem sich Voss hingesetzt hatte, trat eine Bedienung an ihn heran, die ihn stark an seine geflohene Frau erinnerte. Sie hatte helle, lockige Haare, X-Beine und eine allgemein instabile Haltung, als würde sie jeden Moment zusammenklappen – wie eine Marionette, deren Puppenspieler die Zügel lockerte. Sie starrte ihn fragend an.
»Limonade und den Chef, bitte«, bestellte Voss. Auch ihr hielt er seinen Dienstausweis vor die Nase.
Ungerührt von der Autorität legte sie den Kopf schief und zog die eine Hälfte der Oberlippe nach oben, um zu signalisieren, dass sie nur eine Bestellung aufnehmen und nicht in eine polizeiliche Ermittlung geraten wollte. Etwas passte ihr nicht. Dieselbe Mimik wie bei seiner Frau, wenn sie genervt war. Die, zugegeben, hübsche Kellnerin konnte nichts dafür, aber Voss mochte sie jetzt schon nicht.
»Kirsch oder Apfel?«, hakte sie lustlos nach.
Ihre piepsende Stimme sägte in Voss’ Ohren. »Habt ihr keine Zitrone?«
»Kirsch oder Apfel?«, wiederholte die junge Frau.
»Schon gut«, bedeutete er ihr, Hauptsache sie hörte auf zu sprechen. »Kirsche. Und den Chef!«
»Was wollen Sie von ihm?«
Wieder sägten die Silben an seinem Trommelfell. Er hatte Mühe, zu verbergen, dass sich alles in ihm kräuselte, sobald sie den Mund aufmachte. Er holte seinen Dienstausweis erneut aus der Jackentasche. »Mich beschweren, dass es keine Zitronenlimonade gibt. Das Selbstverständlichste überhaupt!«, murmelte er angefressen.
»Wie bitte?« Die Kellnerin beugte sich etwas vor. Ihr Dekolletee lachte Voss an. Das hatte er nicht beabsichtigt, musste aber dennoch einen Blick riskieren.
»Ich will ihm nur eine Frage stellen. Er muss sich keine Sorgen machen.« Mit einer Handbewegung schickte er sie weg. Auch ihr Hintern sah in dem Kleid ansprechend aus. Trotzdem war sie nicht sein Fall, aufgrund diverser Vorkommnisse.
Nach einer gefühlten Ewigkeit setzte sich Peter Plogojowitz mit einer Flasche Kirschlimonade an Voss’ Tisch. Der Inhaber des Nachtklubs Zum Mond war schmächtig und hochgewachsen. Seine schlaksigen Gliedmaßen machten bisweilen den Eindruck, sie gehorchten ihm nicht. Er hatte keine Haare auf dem Kopf. Sein Gesicht wirkte eingefallen.
»Mir wurde zugetragen, dass ein Polizist nach mir schickt.« Er reichte die offene Flasche. Dabei musterte er den Beamten, für einen Moment an der Pistole verharrend. »Sind Sie neu auf dem Revier? Ich kenne Sie nicht.«
Zuerst musste Voss einen Schluck trinken. Seine Kehle war ausgetrocknet, unter anderem vom beißenden Nikotinnebel. Die gekühlte Flasche tat gut auf der blasenüberzogenen Haut der Handinnenfläche. »Kriminalkommissar Gideon Voss vom Neunten.«
Die steife Haltung von Plogojowitz löste sich. »Dann sind Sie gar nicht zuständig für diesen Stadtteil«, kombinierte er lächelnd.
»Ich habe nur eine Frage an Sie.«
»Muss ich diese Frage beantworten?«, grätschte der schmächtige Mann dazwischen. Er schaute sich um. »Sind Sie allein hier? Ist das ein offizieller Besuch?«
Voss hatte keine Lust auf Spielchen. »Es gab einen Unfall mit Ihrem Fahrzeug«, beendete er das Scharmützel.
Plogojowitz ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Er breitete seine Hände aus. »Ich habe viele Fahrzeuge. Ich bin ein umtriebiger Geschäftsmann.« Sein Lächeln wirkte niederträchtig.
Voss schob ihm das Papier hinüber, auf dem das Kennzeichen notiert war. Nebenbei schlürfte er die dunkelrote Limonade. Plogojowitz beäugte die krakelige Handschrift einen ausgedehnten Moment lang.
»Was ist geschehen?«, erkundigte er sich beiläufig.
»Ich hatte gehofft, das von Ihnen zu erfahren.« Voss musste von der Kohlensäure aufstoßen, was seine Autorität untergrub.
»Sie müssen mir verzeihen, Herr Kommissar, aber ich habe nicht alle Fahrzeuge aus meinem Fuhrpark im Kopf. Können Sie mir das Fahrzeug beschreiben?«
»Wollen Sie mich hinhalten?«, erhob Voss die Stimme.
Plogojowitz straffte seine Körperhaltung. Er zeigte zur Bar. »Ich glaube, wir sollten beim zuständigen Revier anrufen. Ich fühle mich nicht wohl, wenn Sie«, er fixierte die Pistole am Oberschenkel, »mit einer Pistole in meinen Klub kommen und mich haltlos verdächtigen.« Er stemmte die Arme auf den Tisch und drückte sich nach oben.
Voss stand ebenfalls auf. Sein Gegenüber überragte ihn um zwei Köpfe. »Warten Sie!« Die Sache durfte nicht hochkochen. Sein nicht angemeldetes Wildern im fremden Revier hätte Konsequenzen. Genaugenommen durfte er nicht herumschnüffeln, weil es keinen Fall gab. Den vermeintlichen Fall hatte er als Unfall an die Schutzpolizei abgeschoben. Somit wühlte er in zweifacher Ausführung im fremden Revier. Er war weder örtlich noch fachlich zuständig.
»Vermissen Sie eine Mitarbeiterin?«, versuchte Voss zu besänftigen, indem er einen anderen Weg einschlug.
Plogojowitz hob eine Augenbraue. Er identifizierte den Geruch des Kommissars, der beim Aufstehen zu ihm herüber geweht worden war. »Gab es ein Feuer?«
Voss wich baff zurück. Sein hinterfragender Blick gewann an Eindringlichkeit.
»Sie riechen nach Ruß und Kraftstoff und Ihre Hände sind verbrannt«, nickte Plogojowitz zum Polizisten.
Voss bestätigte nonverbal. Langsam setzte er sich wieder. Ohne den Blickkontakt abzubrechen, trank er einen weiteren Schluck.
»Es wäre möglich, dass ich ein Fahrzeug vermisse«, druckste Plogojowitz herum, auf den Zettel mit dem Nummernschild blinzelnd. Auch er hatte kein Interesse an einer umfangreichen Ermittlung in seinem Königreich. Abgesehen davon, blieb er stehen. Der Beamte sollte nicht noch mehr kostbare Zeit erhalten. Der Größenunterschied im Stehen wirkte wie ein Kräftemessen zwischen David und Goliath.
»Gestohlen?«, warf Voss einen Krümel.
»Ja, gestohlen«, nahm Plogojowitz die Vorlage dankbar auf.
»Haben Sie das schon gemeldet?«, forschte Voss nach, immer mit Feingefühl.
Die schlaksigen Arme winkten ab. »Die Polizei wird im selben Atemzug informiert wie die Versicherung. Und das geschieht erst, wenn die tägliche Bürozeit anbricht.« Er lächelte übertrieben freundlich. »Adelheid wird Ihnen mehr darüber berichten können. Sie ist für Personal und Technik verantwortlich. Glück für uns beide.« Sein dürrer, langer Zeigefinger streckte sich aus der Faust heraus, um eine im Schatten stehende Person anzuvisieren. Dann drehte er den Handrücken nach unten und knickte beide Fingerknöchel mehrfach zur Hand ein, um die Person herbeizuholen. »Entschuldigen Sie mich, Herr Kommissar.«
Voss sah dem Inhaber hinterher. Auf halber Strecke traf dieser sich mit einer Frau. Sofort beschleunigte sich Gideons Puls, als er das paillettenbesetzte Kleid an einem schönen Körper entdeckte. Schwarze Perlen an Hals, Ohren und Handgelenken zierten zarte, blasse Haut. Der schwarze Bubikopf schimmerte im seichten Licht der Deckenscheinwerfer. Die dunklen Augen schauten zu ihm, schienen ihn festzunageln, wie sie den Lippenbewegungen ihres Chefs lauschte. Gideon konnte seinen Blick nicht abwenden, der den Hüftschwung der Frau verfolgte. Ihr Duft paralysierte ihn, als sie sich zu ihm setzte. Nicht wie Plogojowitz gegenüber, sondern direkt neben ihn. Dafür zog sie sogar den benachbarten Stuhl heran. Sie reichte ihm die Hand zum Kuss. Gideon gehorchte bereitwillig. Sie schmeckte nach Seife, blumig und betörend. Ihre schwarz lackierten Fingernägel waren spitz gefeilt, was Gideon als vorübergehende Modeerscheinung abtat.
»Adelheid«, stellte sie sich vor. Ihr Lächeln offenbarte in der oberen Zahnreihe zwei angespitzte Schneidezähne, die knapp über die Beißkante der übrigen Zähne herausragten. Auch das schreckte Gideon nicht ab. Die mediale Welt der Metropole veränderte das Frauenbild, das sich bisher auf Kinder, Küche und Kirche beschränkte, auf eine konfrontative, rebellische Weise. »Und Sie sind Gideon Voss, der Kriminalkommissar, der hier nichts zu suchen hat. Dienstlich zumindest«, zwinkerte sie.
Gideon nickte wie ein unbeholfener Junge, der seinem ersten Schwarm gegenübersteht und vergisst, wie man mit Luft, Kehlkopf, Kiefer und Zunge ein Wort formt.
Sie lugte zum Zettel. »Der wurde uns gestohlen, aber das hat Ihnen Peter schon gesagt.« Ihre Hand ruhte noch immer in Gideons steifen Fingern. Sie fühlte etwas und inspizierte seine Hand. »Potzblitz! Sie haben sich verbrannt!«
Gideon machte eine Geste, um die Relevanz für nichtig zu erklären.
»Ich habe da etwas für Sie.« Sie sprang auf und eilte fort. Im Rücken von Gideon nickte sie Plogojowitz zu, der daraufhin einen zufriedenen Ausdruck aufsetzte.
Kaum fähig sich zu bewegen, verging die Zeit für Gideon wie im Fluge, bis sich Adelheid wieder zu ihm gesellte.
»Geben Sie mal her!«, forderte sie seine Hände. Sie hatte eine handliche Dose dabei. Gewissenhaft schmierte sie die halbe Salbe auf die Brandblasen und tupfte mit dem Finger die Haufen vorsichtig platt. Gideon stierte sie an. Ihre Augen waren ungewöhnlich – tiefschwarz wie die Nacht, dazu noch dunkel geschminkt, was sie noch größer machte.
»Das zieht schnell ein und hilft bei der Wundheilung«, versprach sie, die eingeschmierten Hände beobachtend.
Gideons Pupillen huschten zur halbvollen Kirschlimonade, was Adelheid registrierte. Sie hob den Finger.
»Bin gleich wieder da.«
Die Salbe war noch nicht eingezogen, da setzte sich Adelheid schon wieder neben den Kommissar. Ein Strohhalm landete in der Flasche und sie stellte ein großes Glas mit einer bräunlichen, durchsichtigen Flüssigkeit auf den Tisch. Mit der Limonade samt Strohhalm fütterte sie ihn, damit er mit den eingeriebenen Handflächen keine Mühe hatte, sich zu verpflegen.
»Wenn Sie mit dem Kindergetränk fertig sind, habe ich Ihnen einen Trink für Männer auf Kosten des Hauses mitgebracht.«
Gideon genoss ihre Fürsorge. Die Wärme ihrer Hand, mit der sie die Flasche hielt, während er trank, strahlte bis zu seinen Wangen. Ergeben nuckelte er das Fläschchen leer.
»Rauchen Sie?«
Gideon schüttelte den Kopf.
»Sehr gut!« Sie neigte sich zu ihm. »Ich mag diesen Zigarettendunst nicht. Er haftet überall und mein Rachen tut ständig weh.«
Gideon nickte, um dem zuzustimmen. Die Nähe schenkte ihm eine gehörige Portion ihres unwiderstehlichen Kirschblütenduftes.
Der Strohhalm wanderte von der Limonadenflasche in das harte Glas. Adelheid hielt ihm den Trink vors Gesicht.
»Weiter?«
Wollte sie ihn abfüllen? Er kostete und setzte ab. Das Zeug brannte in seiner Kehle, zog über die Nase ins Hirn und rieb an seinen viszeralen Innenwänden, als er es hinunterschluckte.
Sie stellte das Glas ab, weil Gideon das Gesicht verzog.
»Doch kein Mann, mh?«
Ihr Lachen hörte sich für ihn wie der liebliche Gesang eines Engels an. Dieses prickelnde Gefühl, wenn er sie ansah oder roch oder hörte, hatte er noch nie zuvor erlebt. Selbst bei seiner verschwunden Frau fehlte diese Emotion seinerseits.
Erwartungsvoll schaute sie ihm in die Augen. Er musste kurz wegschauen, um sich zu besinnen.
»Danke«, brachte er heraus. Immerhin.
Adelheid wehrte ab. »Ach, wofür denn?« Wieder dieses einnehmende Lächeln. »Erzählen Sie mir, was passiert ist?«
Um die Bitte, oder Aufforderung, zu verstärken, legte sie eine Hand auf sein Bein. Stromschläge durchzuckten ihn. Ihre spitzen Nägel bohrten sich ganz leicht durch die Hose in seine Haut. Er musste aufpassen, dass sich seine Männlichkeit nicht meldete, um »Hallo« zu sagen. Die Frau hatte ihn in der Hand.
»Ein Unfall«, begann Gideon zaghaft. »Das vermutlich gestohlene Fahrzeug Ihres Chefs ist gegen einen Werbepfosten gekracht.«
Adelheid äußerte sich mitfühlend mit einem Seufzer. »Ist dem Dieb etwas zugestoßen?«
»Dem Dieb?«
Sie bejahte. »Der, der das Auto geklaut hat.«
»Ah!« Die Finger der Frau strichen kaum merklich über Gideons Bein. Jeder Kontakt fühlte sich an wie eine Drahtbürste, die über die Wirbelsäule vom Steiß zum Nacken jagt. »Eine Diebin«, verbesserte er redselig. Immer wieder erhielt er flüssigen Nachschub durch den Strohhalm.
»Ist sie tot?«
»Ja«, antwortete er, wonach Adelheid ihm den Strohhalm wieder in den Mund schob. Bestimmt, aber gefühlvoll. Er merkte wie der Alkohol sein Bewusstsein veränderte. Der Schmerz in den Handinnenflächen ließ nach. Die Zunge lockerte sich. War er zuvor noch stramm, torkelte sein Oberkörper nun hin und her. Ab und an stieß er an ihre Schulter oder ihr Knie. Jedes Mal sprang der Funke über.
»Konnten Sie mit ihr sprechen?«
»Nein.«
»Und Sie ermitteln jetzt? Also war es Mord?« Sie klang begeistert ob der abenteuerlichen Enthüllungen.
Das große Glas, das vermutlich die fünffache Menge des üblich ausgeschenkten Inhaltes aufwies, war fast ausgetrunken. Da Gideon sonst keinen Alkohol konsumierte, schlug die Zufuhr nahezu ungebremst durch seine Blut-Hirn-Schranke. Die rasche, mehr oder weniger erzwungene, Gabe beschleunigte seinen Verfall. Die letzte Mahlzeit, abgesehen von den Schokotalern, war auch schon eine Weile her. Wie ein Wasserfall ratterte er seine Theorie des Unfallhergangs lallend herunter. Um es sich von der Seele zu reden. Um der Frau zu imponieren. Um die Übergabe an die Schupo zu rechtfertigen.
Adelheid schien enttäuscht zu sein. »Doch kein Mord, mh?«
»Wird jemand vermisst?«, nuschelte Gideon. Seine Artikulation wurde zusehends undeutlicher. Mit dem letzten Zug leerte er das Getränk. Zufrieden stellte Adelheid das Glas ab.
»Dafür müsste ich die Stechblätter des Personals durchforsten. Meines Wissens gibt es keine Vermissten.«
Gideon schleuderte den Arm von oben nach unten. Seine Hand wippte nach. »Vergessen Sie es, schöne Adelheid. Vermisst gilt man erst ab drei Tagen.« Er kicherte. »Wie ich schon festgestellt habe: ein Unfall. Fertig!«
»Ein Unfall«, bestätigte Adelheid. Sie lehnte sich dicht an sein Ohr. »Grausam«, säuselte sie, »aber nur ein unglücklicher Zufall.« Die geheimnisvolle Frau begutachtete seine Hände. Die Salbe war eingezogen.
»Es hat geholfen. Die Schmerzen sind weg«, kommentierte Gideon mit stolpernder Sprache. Die Betäubung könnte aber auch vom Destillat kommen – oder von den Hormonen, die wegen der Dame ausgeschüttet wurden. Er studierte ihr Antlitz, wobei er seine Sinne nutzte, wenn auch eingeschränkt.
Ihr schwarzer Bubikopf duftete nach frischem Olivenöl. Ihre Haut war weich wie Samt und Seide. Ihre tiefschwarzen, geweiteten Pupillen ließen nicht erkennen, welche natürliche Farbe ihre Augen hatten. Um den Hals trug sie eine schwarze Perlenkette, dazu die passenden Perlenohrringe – in schwarz. Und um das Handgelenk lag ein Armreif, besetzt mit Perlen – schwarz. Er wollte damit spielen, wollte die Perlen drehen, gegeneinander klicken lassen. Doch er bremste sich. Eine falsche Berührung könnte ihm teuer zu stehen kommen.
»Sie vertragen nicht viel, Herr Kommissar, oder?«, suchte Adelheid den Blickkontakt.
»Gideon, bitte«, bat er charmant, wie er fand.
»Gi-de-on«, repetierte sie, jede Silbe lasziv betonend.
Gideon reagierte auf jeden einzelnen Hauch mit einem Beben. Trotz der fesselnden Darbietung überkam ihn Müdigkeit. Er hielt die Hand vor den Mund, um ein Gähnen zu kaschieren, was sie natürlich aufschnappte.
»Ich wünsche Ihnen noch eine angenehme Nacht, Gideon.«
Gideon blinzelte mit glasigen Pupillen und konnte keinen Punkt fixieren. Sein Kopf wackelte hin und her. Debil klappte sein Unterkiefer nach unten.
»Sie brauchen etwas frische Luft, würde ich sagen.« Sie erhob sich wie Phoenix aus der Asche. Ihre ausgestreckte Hand lud Gideon zu einem kleinen Nachtspaziergang ein.
Schwerfällig nahm er die Einladung an, auch wenn er ihre Hand erst beim dritten Versuch ergreifen konnte.
Vor der Tür musste er sich gegen die Hauswand stützen. Alles kreiste, kreischte und drehte sich. Wenigstens war ihm nicht schlecht. Noch nicht.
»Kommen Sie gut nach Hause.« Adelheid gab ihm einen ausgiebigen, feuchten Kuss auf die Wange, die nicht nur wegen der niedrigen Außentemperatur errötete. Dann verschwand sie im Nachtklub Zum Mond.
Von seinem Wanken belustigt, passierten Gideon Nachtschwärmer auf der Suche nach der nächsten Vergnügungsdestination. Er rutschte an der Hauswand hinab und setzte sich auf seinen Hintern. Neben ihm stand der Portier. Gideon hörte, wie dieser etwas sagte, konnte es allerdings nicht verstehen. Der Kopfkreisel nahm an Geschwindigkeit auf. Kurzerhand steckte er sich den Finger in den Mund. Wenn er nicht so betrunken gewesen wäre, hätte ihn der Schuhputzfimmel gepackt. Aber unter diesen Umständen stieg er über Umwege ins Polizeifahrzeug und verließ den Nachtklub samt Portier, der mit besudelten Schuhen fluchend zurückgelassen wurde.
Im Schleichtempo und mit Schlängellinien erreichte er sein Revier am Stadtrand. Er verzichtete auf die markierten Parkbuchten und stellte das Fahrzeug genau vor der Eingangstür ab. Den Schlüssel warf er auf den Tresen. Schumann schaute auf.
»Voss, du meine Güte! Bist du besoffen?«
Voss hielt sich am Tresen fest. »Kannst du einparken?«, lallte er, nach draußen nickend.
Schnell nahm Schumann den Autoschlüssel entgegen. »Ist was kaputt?«
»Nein!«, echauffierte sich Voss grinsend. »Unfall!«
»Was?«, schimpfte der Schutzpolizist mit den Hosenträgern.
»Unfall! Es war ein Unfall!«, rief Voss, mit seiner Konstitution ringend.
Schumann hüpfte vom Stuhl und trabte zur Tür, wo er zum zwischengeparkten Dienstfahrzeug schaute, was offensichtlich nicht beschädigt war. Erleichtert packte er Voss am Arm und schleifte ihn die Treppe hinunter in den Keller.
»Du bist im Dienst, Voss!« Immer wieder drehte sich Schumann nach hinten, um andere Kollegen frühzeitig zu bemerken. Erst im Keller lockerte er den Griff. »Was du brauchst, ist eine kalte Dusche.«
Voss schüttelte sich. »Spinnst du?« Kaum noch Herr seiner Muskeln versuchte er sich zu wehren, doch der grobschlächtige Schumann, der mindestens drei Konfektionsgrößen mehr benötigte, zerrte ihn in den Gemeinschaftswaschraum, riss Jacke und Holster vom Kommissar, drehte den Hahn auf und stellte Voss in Klamotten unter den eisigen Wasserstrahl.
»Für meine Uniformjacke«, rächte sich Schumann. Die behäbigen Fluchtversuche vereitelte er mit körperlicher Präsenz. Irgendwann ergab sich Voss und plumpste zu Boden. Das neuerlich Erbrochene wurde weggespült. Erst als er jämmerlich zitterte und das Echo seiner aufeinander klappernden Zahnreihen durch den gefliesten Waschraum klackerte, drehte Schumann den Hahn wieder zu.
»Wie geht es dir?«
Voss knurrte halblaut. Sein böser Blick durchbohrte den Kollegen der Schupo. Die Pomade war ausgewaschen. Seine Haare hingen tropfend nach unten, zu allen Seiten.
»Hast du trockene Wechselkleidung?«
Voss zeigte auf seinen durchweichten Anzug. »Ich habe davon keine zweite Garnitur hier.«
»Dann solltest du dir eine zulegen«, feixte Schumann. Er deutete auf das Kleiderlager neben den angrenzenden Spindreihen. »Wenn es dich nicht stört, kannst du eine Uniform anziehen.«
Voss schlurfte mit Schaftstiefeln, Schutzpolizeihose und seiner geretteten Jacke erschöpft die Treppe vom Keller zum Erdgeschoss hoch, wo ihn Schumann hinter dem Tresen bereits erwartete.
»Hab den Wagen weggefahren«, schmatzte dieser, mit einem Schokoladentaler im Mund. Er salutierte spaßeshalber im Sitzen, als Voss vorm Tresen ankam. »Wachtmeister!«
»Danke, Schubi!« Er meinte es ernst.
»Wenn ich in der Klemme stecke, erwarte ich dasselbe von dir«, schärfte er ihm ein.
Voss nickte. »Was ist mit der verbrannten Frau?«
Schumann warf ihm die Akte vor den Latz. »Das Wrack ist beseitigt. Die Tote ist weggeschafft. Die Fotos sind noch in der Entwicklung. Der Rest steht da drin.«
Der Kommissar blätterte die Akte durch. »Das ging aber schnell.«
Schumann zeigte ihm seine zehn Finger und bewegte sie wie die Beine einer flüchtenden Spinne. »Ich kann nicht schießen, aber die Schreibmaschine liegt mir zu Füßen.«
Wieder eine Gemeinsamkeit der beiden Nachtmenschen, die die Ordonnanzwaffe lediglich zur Schau trugen. Und ein möglicher Grund, warum der bullige Bulle den Nachtconcierge mimen durfte.
In dem Bericht stand, dass der herbeigeholte Bereitschaftsarzt den Tod festgestellt habe. Einen genaueren Befund erwarte man in den nächsten Tagen, wenn die Leiche obduziert wurde.
»Du hast eine Obduktion angeordnet?« Voss spitzte die Ohren, denn das bedeutete, dass man den Verdacht einer Fremdeinwirkung hegte. Mord.
Schumann schüttelte den Kopf. »Nicht ich, sondern Friedrich. Am Telefon bestand er darauf.« Er zuckte mit den Schultern. »Er wolle die Todesursache wissen, akademisch und nicht spekulativ.«
Kriminaloberrat Nikolaus Friedrich. Der Leiter des Reviers spielte sich mitunter auf, als wäre er Gott und das Revier am Stadtrand der Nabel der Welt. Voss hatte gottlob kaum Kontakt zu seinem Vorgesetzten. Kommuniziert wurde über schriftliche Nachrichten, die man sich gegenseitig auf den Tisch legte. Darin ging es meistens um die Vorkommnisse der Nachtschicht oder um Friedrichs Meinung zur Vorgehensweise seiner Mitarbeiter.
Voss überkam schon wieder Übelkeit. Diesmal allerdings im Zusammenhang mit der Obduktion. Sollte die Fremdeinwirkung nachgewiesen werden, müsste er den Tatort in seinem Gedächtnis rekonstruieren und die Ermittlungen auf die stümperhafte Beweissicherung der Schupo stützen. Selbst mit den Fotos würden ihm viele wichtige Details entgehen, weil die Streifenpolizisten wenig Ahnung von Ausleuchtung, Bildschärfe, Kontrast oder Bildbeleuchtung hatten.
Er schaute zu Schumann und legte die Akte auf den Stapel mit den offenen Bearbeitungen. Schumann konnte nichts dafür. Er war nur Laufbursche und Tippse.
»Was hat sich mit dem Nummernschild ergeben?«, fragte Schumann nach. Ein weiterer Taler verschwand im Mund. Aus Mitleid schnippte er Voss einen hin.
Voss steckte den Taler mit einem dankbaren Nicken ein. Sein Magen lehnte aber ab. »Der Wagen war gestohlen.«
Schumann fiel noch etwas dazu ein. »Wir haben den Wagen auf den Kopf gestellt und nichts gefunden. Absolut nichts. Als hätte ihn jemand präpariert.«
»Schubi«, erwiderte Voss, »du traust den Leuten zu viel zu. Wieso sollte sich jemand diese Mühe machen?«
»Die Frau hatte ja auch keine Dokumente dabei. Wir wissen nicht, wer sie war. Vielleicht eine Prominente oder die Gespielin eines Politikers?«
»Hast du ihr Kleid gesehen?«, warf Voss ein. »Eine Frau aus elitären Kreisen würde nie so einen Fummel tragen.«
Schumann legte sein Doppelkinn auf die aufgestellten Arme. »Du denkst, sie hat den Wagen gestohlen und dann einen Unfall gebaut? Für eine Diebin war sie merkwürdig gekleidet. Sah mir eher nach einer Dienstmagd aus.«
Die Nachwirkungen der Intoxikation zwangen Voss auf einen Stuhl. »Manchen Menschen sieht man die kriminellen Neigungen nicht an«, stellte er fest. »Plötzlich entpuppt sich der sittsamste Bürger als raubeiniger Verbrecher. Warten wir das Ergebnis der Obduktion ab.« Er verweigerte den nächsten Auswurf seines Mageninhaltes.
»Geh nach Hause, Voss«, schlug Schumann vor. »Mit dir kann man ohnehin nichts mehr anfangen. Wenn mich jemand fragt, bist du auf Patrouille, um Gefahrenschwerpunkte abzuklappern.«
Nachdem Gideon die Treppenstufen im Mietshaus überwunden hatte, enterte er endlich seine Dienstwohnung im dritten Stock. Kater Anubis begrüßte ihn mit schmalen Augen, denn Gideon betätigte den Lichtschalter. Er war früher als sonst von der Arbeit gekommen. Der Sonnenaufgang ließ auf sich warten. Der schwarze Kater mit den weißen Flecken an Brust, Bauch und im Gesicht humpelte durch die überschaubare Wohnung. Gideons getürmte Frau hatte diesen Streuner einst verwahrlost aufgelesen und aufgepäppelt. Das eine deformierte Vorderbein konnte sie aber nicht kurieren.
Gideons Hände begannen wieder zu brennen, da die Betäubung durch den Alkohol abebbte. Trotz der kalten Dusche im Revier überkamen ihn Erschöpfung und Müdigkeit. Die Konzentration, die nötig gewesen war, um das Fahrzeug einigermaßen sicher vom Nachtklub zum Polizeirevier zu manövrieren, hatte ihm viel abverlangt. Die nassen Sachen hing er im Badezimmer zur Trocknung auf. Seine schwarzen Anzugschuhe stopfte er mit altem Zeitungspapier aus. Etwas Milch füllte er in den Katzennapf. Dann legte er sich ins Bett.
Pünktlich um fünf Uhr abends ertönte ein einzelner Gong der Standuhr im Wohnzimmer. Da die Zimmertüren offenstanden, drang der Klang bis zu Gideon durch. Er öffnete die Augen. Durch die zugezogenen Fenster konnte man den Straßenlärm hören. Ratternde Automobile. Quietschende Schienenfahrzeuge. Menschen, die ausgelassen Konversation betrieben, weil sich der Arbeitstag dem Ende entgegen neigte und Einkäufe getätigt werden mussten. Irgendwo aus der Umgebung der Krach einer Baustelle, wo die letzten Handgriffe des Tages gemacht wurden, indem das Material für den nächsten Tag bereitgestellt wurde. Stahlträger platschten aufeinander. Steine wurden geschüttet. Wichtige Personen brüllten Anweisungen. Laute Motoren trieben Maschinen und Generatoren an, bis diese nacheinander abgestellt wurden und den Straßenzug für die anstehende Nacht vor weiteren Bodenvibrationen verschonten.
Anubis erhob sich gähnend von der Decke. Die Katze hatte sich einen kleinen, weichen Liegeplatz neben Gideon geschaffen. Ein paar Haare vom kurzen, schwarzen Fell blieben zurück auf dem Textil. Die Textur des Tieres hinterließ einen Abdruck. Er miaute einmal, als wollte er Gideon zum Aufstehen bewegen. Dieser gehorchte.
Im kompakten Badezimmer spulte Gideon die allabendliche Routine ab: Toilette, Körperwäsche, Rasur, Haarpomade. Durch die beengten Platzverhältnisse konnte er sich kaum um die eigene Achse drehen, ohne sich zu stoßen.
Frisch frisiert saß Gideon am Küchentisch und frühstückte, während andere zu Abend aßen. Ein paar Scheiben Wurst, die er sich mit Anubis teilte, der brav auf dem zweiten Stuhl hockte und sich immer aufrichtete, wenn Gideon ein Stückchen Fleisch reichte. Ein paar aufgeschlagene Eier, dazu Brot vom Vortag mit etwas Butter. Als sein Körper zu Kräften kam, spürte er das Pochen in seinen Handflächen. Einige Brandblasen waren abgeflacht und hatten sich auf gerötete Haut reduziert; andere füllten sich mit Flüssigkeit.
Mit dem Wissen, dass Anubis seinen Durst am tropfenden Wasserhahn im Badezimmer löschen und die lockere Pflanzenerde des großen, unbepflanzten Blumentopfes im Wohnzimmer für seine Geschäfte gebrauchen würde, machte sich Gideon auf den Weg zur nächsten Nachtschicht.