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Ich habe durch meinen schweren Unfall im Dezember 2010 bei „Wetten, dass …?!“ an „Ansehen“ verloren. Zumindest sehe ich mich selbst nicht mehr gern an.

Aber im Ernst: Die Art von Aufmerksamkeit, die ich durch meinen öffentlichen Unfall und durch den Rollstuhl auf mich ziehe, ist nicht die, die ich anstrebe. In dieser Hinsicht wäre ich froh, weniger Aufsehen zu erregen. Wenn ich irgendwo im Ausland durch eine Fußgängerzone fahre und niemand mich erkennt oder anspricht, genieße ich das sehr.

Trotzdem will ich natürlich wahrgenommen werden. Aber eben nicht um jeden Preis, sondern im besten Fall durch gute Leistungen – das ist ein Grund, warum ich mich sozusagen aktiv auf der Theater-Bühne „zur Schau stelle“.

All das bildet allerdings nicht die Basis meiner Persönlichkeit. Wenn ich morgen meinen Beruf des Schauspielers – aus welchen Gründen auch immer – nicht mehr ausüben könnte, wäre das zwar schade, ich würde aber nicht daran verzweifeln oder mich wertlos fühlen. Weil ich zum Glück schon in meiner Kindheit vermittelt bekam, dass mein Wert nicht von meiner Nützlichkeit, meiner „VerWERTbarkeit“ oder Leistung abhängt.

Dafür sorgte vor allem mein Vater, dem es sehr wichtig war, dass meine Geschwister und ich ein gesundes, gutes Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein entwickeln. Immer wieder sagte er uns, auch einfach so aus dem Nichts heraus: „Eins plus!“ Selbst mitten in Streitgesprächen. Als ich einmal vollkommen geschockt, da nur Einsen und Zweien gewohnt, mit meiner ersten schlechten Note nach Hause kam – ich glaube, einer Fünf in Englisch –, schenkte er mir eins der teuersten und modernsten Jo-Jos, die gerade auf dem Markt waren. Damit unterstrich er wieder mal, dass ich für ihn „Eins plus“ bin, und zwar als sein Sohn Samuel. Unabhängig von meinen Leistungen in der Englischarbeit.

Mein Vater ist natürlich trotzdem menschlich und hat auch irgendwo Fehler. Aber dieser Zug an ihm, dass er immer bemüht war, mich als sein Kind wirklich bedingungslos zu lieben, der ist im Grunde „übermenschlich“, also göttlich. Und so stelle ich mir auch Gott vor: Er liebt mich, weil ich bin – mehr muss ich dazu nicht leisten oder tun.

Die allermeisten Leute scheinen nach dem Prinzip zu leben:

Tun – Haben – Sein.

Das heißt, sie tun etwas: Zur Schule gehen, studieren, arbeiten, aufräumen, posten.

Daraufhin haben sie etwas: Geld, einen Abschluss, Freunde, Follower, teure Klamotten, Style und so weiter.

Dann erst sind sie etwas: Sie sind wer, weil sie etwas getan und erreicht haben. An ihren Errungenschaften messen sie ihren Wert. Ein Prinzip, mit dem man gut und gerne 102 Jahre lang leben und auch glücklich werden kann.

Was aber, wenn die Freundschaft zerbricht, ein anderer den Job bekommt oder die Pubertät ihr Unwesen im Gesicht treibt?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich glücklicher bin, wenn ich die gängige Reihenfolge umdrehe:

Sein – Haben – Tun.

Wir sind schon wertvoll, einfach weil es uns gibt. Weil wir von Gott geliebt sind. Dadurch haben wir etwas (einen herausragenden Wert) und aus dem heraus können wir etwas Wundervolles tun. Wenn das Tun aber wegfällt, sind wir am Schluss immer noch jemand Wertvolles. Wir „sind“ einfach. Das reicht, um liebenswert zu sein. Vielleicht heißt es deshalb im Englischen auch „human being“ und nicht „human doing“?!

Dein Samuel Koch


Samuel Koch,

750 Jahre jünger als Berlin, Schauspieler, STEHAUFMENSCH! und Autor unter anderem des gleichnamigen Buches unterstützt mit seinem Verein Samuel Koch und Freunde e.V. seit 2019. Menschen, die andere Menschen in Notlagen zur Seite stehen und wünscht, dass diese Menschen wieder neuen Mut, Kraft und Hoffnung schöpfen können.

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