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Die paulinische Perspektive

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In Römer, Kapitel 1 beginnt Paulus, den moralischen Verfall der alten Welt in sehr ähnlicher Art und Weise zu skizzieren wie die etablierten Rabbiner seiner Zeit. Da er bei dem anerkannten pharisäischen Lehrer Gamaliel studierte (siehe Apostelgeschichte 22,3), ist dieser Umstand nachvollziehbar. Genau wie diese Rabbiner hebt er Götzendienst als ersten Schritt auf der Abwärtsspirale hervor, gefolgt von Gewalt und Unmoral. Er endet mit einer langen Liste anderer widerwärtiger Verhaltensweisen. Doch Paulus betont gleichermaßen die Langmut Gottes zur Zeit Noahs. Auch später, in Kapitel 9, preist er die göttliche Geduld mit der rebellischen Menschheit: „Da Gott seinen Zorn erzeigen und seine Macht kundtun wollte, hat er mit großer Geduld ertragen die Gefäße des Zorns, die zum Verderben bestimmt waren …“(Römer 9,22 L).

Die Flutgeschichte erreicht nach Ansicht des Paulus einen entscheidenden Moment, als Gott zunächst das Gericht über die Menschheit ankündigt, dann jedoch etwas Merkwürdiges tut. Er entscheidet sich, 120 lange Jahre abzuwarten, bevor er es kommen lässt. Warum? Der gerechte Charakter Gottes verlangt es, die Menschheit auf eine bestimmte Art und Weise zu richten. Zunächst überlässt er die Menschen sich selbst, damit die Rebellion in ihren Herzen ihren Lauf nehmen kann, sodass sie quasi „gerichtsreif“ werden. Durch dieses Zurückhalten des göttlichen Gerichts, in der Hoffnung, dass einige Menschen umkehren und Buße tun, offenbart sich „Gottes Zorn vom Himmel her“ (Römer 1,18 E).

Paulus schreibt, dass die Menschen der Antike den unbestechlichen Schöpfergott „kannten, ihn aber weder als Gott verherrlichten noch ihm Dank darbrachten“ (Römer 1,21 E). Sie verloren ihre Ehrfurcht und Wertschätzung vor Gott und waren ihm nicht mehr dankbar für alles, was sie besaßen. Sie begannen, ihr Konzept des göttlichen Wesens auf ihre eigene Ebene herabzuwürdigen, und machten sich Götzenbilder in Form von „vergänglichen Menschen“ und sogar von „vierfüßigen und kriechenden Tieren“ (siehe Römer 1,22–23). Tatsächlich waren im alten Ägypten Mistkäfer als Götzen beliebt, und viele Menschen beteten phallische Symbole und andere menschliche Körperteile an. Diese Tatsache korrespondiert mit der rabbinischen Sicht, der Götzendienst sei der erste Fehltritt der vorsintflutlichen Rebellion gewesen. Angesichts dieses Glaubensabfalls beendete der Geist des Herrn sein Wirken am Gewissen der Menschen und überließ sie sich selbst. „Darum hat Gott sie in den Begierden ihrer Herzen dahingegeben in die Unreinheit, sodass sie ihre Leiber selbst entehren“ (Römer 1,24L); „Darum hat sie Gott dahingegeben in schändliche Leidenschaften“ (Vers 26L); er lieferte sie „einem verworfenen Denken aus“(Vers 28 NeÜ).

Wohin führte diese neu entdeckte Freiheit die Menschheit? Männer verließen ihre natürlichen Beziehungen zu Frauen und wandten sich der Homosexualität zu. Auch Frauen verließen die natürliche Ordnung (wir werden in Kürze untersuchen, wie). Zusätzlich erklärt Paulus, dass sie Gott vollkommen aus ihrem Bewusstsein strichen, sodass er sie ihrem degenerierten Denken überließ (siehe Verse 26–30). Dieser Gedanke ist furchterregend: Gott kann einen Punkt erreichen, an dem er tatsächlich will, dass Menschen durch ihre eigenen wirren Vorstellungen getäuscht werden. Seine Anforderungen wurden vollständig ignoriert, daher setzte er die Menschheit frei, nun selbst zu entscheiden, was richtig und was falsch war. Das Ergebnis war ein Volk, das von der Richtigkeit seines verwerflichen Tuns fest überzeugt war, was bedeutete, dass sein Glaubensabfall nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte.

Daher beschloss Gott, fast die gesamte Erdbevölkerung auszulöschen und noch einmal von vorne anzufangen. Doch zunächst wartete er 120 Jahre lang, bevor er die Flut entfesselte. Während dieser Zeit beauftragte er Noah, eine Arche zu bauen und dadurch die Welt vor dem kommenden Gericht zu warnen. Erneut können wir die Geduld Gottes und seine Gerechtigkeit erkennen, da er die Menschheit zur Zeit Noahs warnte. Als Gott schließlich als strafender Richter auftrat, hatte die Generation der Flut keine Entschuldigung vorzuweisen und verdiente ausnahmslos das, was über sie hereinbrach.

Einmal mehr können wir erkennen, dass Gottes Zorn im Kontext seiner Langmut und Geduld vom Himmel her offenbart wird. Und diese eindringliche Frage des Paulus hat heute immer noch Gültigkeit: „Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet?“(Römer 2,4 L). Das bedeutet: Überschreitet die Menschheit in ihrem moralischen Verfall Gott gegenüber eine gewisse Grenze, ohne dass sofort ein Blitzschlag aus dem Himmel erfolgt oder die Übeltäter von der Erde verschluckt werden, so sollten wir dies nicht als göttliche Billigung menschlichen Verhaltens missverstehen. Gott erlaubt uns nur, unsere eigenen Wege zu gehen, und wir vergrößern dadurch den göttlichen Zorn, der uns in Form einer gerechten Strafe treffen wird (siehe Römer 2,5).

Der Apostel Petrus stimmt Paulus zu, indem er die Geduld und Gerechtigkeit Gottes betont: „… als Gott in Geduld ausharrte zur Zeit Noahs“(1. Petrus 3,20 L). Zudem lobt er Noah für seine Rolle als „Prediger der Gerechtigkeit“, der der Verlockung des Bösen in seiner Generation widerstand und dem die besondere Ehre zuteilwurde, die Menschheit wiederherzustellen (siehe 2. Petrus 2,5).

Doch Petrus spricht, ebenso wie Judas, einen weiteren Aspekt der Flutgeschichte an, der Bibelleser seit Jahrhunderten vor ein Rätsel stellt: Wer genau sind die „Söhne Gottes“(Ben Elohim bzw. im Plural Bnei Elohim) und die Riesen (Nephilim), die in Genesis 6,2–4 erwähnt werden? Und wie haben sie zum moralischen Verfall beigetragen, der schließlich zur Sintflut führte? Dieses faszinierende Thema wird uns nun als Nächstes beschäftigen.

Noah, Darwin und KI

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