Читать книгу Seewölfe - Piraten der Weltmeere 343 - Davis J. Harbord, Fred McMason - Страница 6

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„Was der wieder mal hat“, brummelte Edwin Carberry und schob sich auf die Kombüse zu. „Brüllt schon am frühen Morgen, dieser spillerige Windmacher, und versaut einem den ganzen Tag …“

Er brach sein Selbstgespräch ab, weil Mac Pellew aus der Kombüse tänzelte. Mac balancierte auf der rechten Hand einen Holzteller, auf dem sich schöne runde, knusprig braune Omeletten stapelten. Der Duft von gebratenem Speck wehte den Profos an.

„Hallo!“ rief Mac, wedelte dem Profos jovial mit der linken Hand zu, wandte sich nach links und tänzelte den Steuerbordniedergang von der Kuhl zur Back hoch.

Oben auf der Back kicherten die Ladys – die „Flitzer“, wie Jung-Hasard und Jung-Philip gemeint hatten.

Edwin Carberry war am Stieren – zu dem hochtänzelnden Mac und zu den kichernden Ladys.

Die Zwillinge tänzelten nicht. Sie latschten mit mürrischen Gesichtern aus der Kombüse, hielten allerdings ihre Holzteller mit den gestapelten Omeletten in beiden Händen, so daß sie nicht dem Profos zuwinken konnten. „Hallo!“ riefen sie schon gar nicht.

Der Profos löste den Blick von der Back, wo er Rundungen betrachtet hatte – bei den Ladys natürlich, obwohl auch die Back Rundungen vorzuweisen hatte, den runden Fockmast, das runde Spill, den runden Rauchabzug der Kombüse. Aber solche Rundungen sah man täglich, und sie waren ja auch von materieller Substanz. An solche Rundungen verschwendete man keinen Blick, es sei denn, da wäre etwas zu Bruch gegangen.

Der Profos starrte Hasard junior an, und der starrte aus seinen eisblauen Augen zurück, in denen etwas funkelte, was nicht so leicht zu erklären war. Aber er schien wütend zu sein.

„Hier!“ sagte das Bürschchen ruppig. „Eierkuchen mit Speck, bitte sehr!“ Und er hielt dem Profos den Stapel unter die Nase, was als Aufforderung zu deuten war, zuzulangen. Sonst war Hasard junior höflicher, wenn er als Backschafter etwas anbot. Philip junior genauso. Aus den Augenwinkeln sah der Profos, wie dieses Bürschchen, ähnlich ruppig, Smoky die Omeletten unter die Nase stieß.

Oben auf der Back girrten die Ladys. Da war außer Mac auch Blacky. Wer noch? Ha! Jack Finnegan, Sam Roskill, Luke Morgan und Jan Ranse. Die putzten wie die Irren an den beiden Drehbassen herum – nur immer an derselben Stelle. Aber auf diese Stelle schauten sie nicht, nein, sie schauten ganz woandershin. Das war auch kein Schauen, das war Glotzen, jawohl. Die glotzten wie Mondkälber. Sie glotzten genau auf das, was der Profos ebenfalls besichtigt hatte.

Nun waren es diese Ladys von ihrem Dasein auf der Pirateninsel her gewohnt, von ihren Taillen aufwärts mehr zu zeigen, als schicklich war – schicklich, wenn man den Maßstab sittsamer Bürgersfrauen anlegte. Gewiß war es im alten England nicht so warm wie hier. Aber die Blusen der Ladys waren nun doch zu offenherzig – im wahrsten Sinne des Wortes. Man konnte ihnen bis aufs Herz schauen, jedenfalls dorthin, wo es unter der Haut pochte.

Dorthin und nach nebenan peilten die Mannen.

Carberry stieß ein tiefes Knurren aus. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde ihm einiges bewußt. Zumindest wurde ihm bewußt, daß die „Schmalzsegelei“ hier ein Ende zu haben hatte. So ging das nicht weiter!

Und er pumpte Luft in seinen mächtigen Brustkasten.

Da sagte Hasard junior, der Lümmel unter ihm: „Mister Carberry, Sir! Was ist ein Etablissement, bitte sehr?“

Die Luft entwich pfeifend aus Carberrys Brustkasten, und er sackte wieder zusammen, während er auf Jung-Hasard hinunterschaute.

„Wie bitte?“ fragte er entgeistert.

„Ein Etablissement, Sir“, wiederholte das Bürschchen und schielte zum Achterdeck hoch, ob man dort eventuell mithörte. Aber Vater Hasard, Mister Brighton und der Großvater waren am Debattieren. Vater Hasard marschierte sogar, die Hände auf dem Rücken, vor der Querbalustrade hin und her und sagte mal dies, mal das, wenn er auf etwas antwortete, was einer der beiden anderen geäußert hatte. Sicher hing das mit der „Oberaufsicht“ zusammen, für die der Großvater Opfer zu bringen bereit war. Was das bloß für Opfer sein mochten? Erwartungsvoll blickte Hasard junior wieder zu dem klotzigen Profos hoch.

Aber der hatte sich schnell ein Omelette gegriffen und bereits in den Mund gestopft. Und jetzt mampfte er mit vollen Backen und sagte undeutlich: „Gut, diese Dinger, sehr gut, wirklich ausgezeichnet. Wie viele kriegt denn jeder, Söhnchen?“

„Weiß nicht“, erwiderte Hasard junior mürrisch, „hab sie nicht gezählt.“ Und im stillen dachte er: wenn man hier mal was fragt, kann man drei Tage auf eine Antwort warten, oder die reden gleich von was anderem.

„Hat der Kutscher noch welche in der Pfanne?“ fragte Carberry.

„Ja.“

Carberry wischte sich über den Mund und langte ein zweites Mal zu. Als er das Stück verspeisen wollte, fragte Hasard junior: „Was ist ein Etablissement, Sir?“

Carberry zuckte zusammen. Da hatte er gedacht, dieses kleine Rübenschwein abgelenkt zu haben, aber dem war nicht so. Um den Quälgeist abzuwimmeln, erwiderte er: „Das ist – äh – ’n Haus.“ Und er verzehrte das zweite Omelette.

Hasard junior kniff die Augen zusammen und verhehlte nicht, daß er mißtrauisch und mit der Antwort keineswegs zufrieden war.

„Wer wohnt denn alles in so einem Haus?“ fragte er.

„Mann, du stellst aber auch Fragen“, sagte Carberry ungehalten. „In dem Haus wohnen Leute drin, ist doch klar, was, wie?“

„Und warum nennt man’s dann Etablissement? Da kann man doch gleich Haus sagen!“

„Man kann sich auch ’n Loch in die Kniescheibe bohren“, knurrte Carberry. „Und jetzt zisch ab, Freundchen! Hier gibt’s noch mehr Kerle an Bord, die ihren Magen auffüllen wollen.“ Und er röhrte zur Back hoch: „He, Mister Blacky, Mister Finnegan, Mister Roskill, Mister Morgan, Mister Ranse! Essensempfang ist nicht auf der Back, sondern hier auf der Kuhl! Bewegt euch, Leute! Hopphopp! Hurtig-hurtig! Oder soll ich euch das Fliegen beibringen, was, wie?“

„Wär mal was anderes“, brummelte Luke Morgan.

„Ich möchte heute morgen nichts essen!“ rief Blacky zur Kuhl hinunter. „Speckeierkuchen mag ich sowieso nicht!“

Carberry stemmte die Pranken in die Hüften, wuchs um ein paar Zoll und brüllte: „Was du möchtest, interessiert mich einen Affendreck, Mister! Roll an, aber ein bißchen hurtig!“ Der Profos hatte plötzlich einen Tampen in der rechten Faust und ließ ihn durch die Luft pfeifen. An seinem Gesichtsausdruck war auch abzulesen, daß er an diesem Morgen keine leeren Sprüche klopfte. Der war über irgend etwas gereizt, und da konnte es durchaus passieren, daß er rabiat wurde.

Die fünf Männer verzogen sich von der Back und enterten auf die Kuhl hinunter.

Jetzt war Mac Pellew Hahn im Korb und fühlte sich dementsprechend. Aber wenn er gedacht hatte, Carberrys spähenden Blicken entgangen zu sein, oder daß der ihn vielleicht vergessen hätte, dann war das ein Trugschluß.

„Mister Pellew!“ donnerte der Profos. „Das Austeilen der Speckeierkuchen habe ich schon mal fixer gesehen! Oder soll das bis nächste Woche dauern?“

Mac Pellew zuckte zusammen. Er hatte gerade mit einer Lady namens Juanita herumscharwenzelt und ihr erklärt, in der Piek sei ein schönes Plätzchen, wo man sich ungestört unterhalten könne. Und die Schöne hatte kichernd erklärt, daß sie gegen ein schönes Plätzchen nichts einzuwenden habe, richtig entzückend fände sie ein solches Plätzchen. Und sie hatte dem dürren Mac verheißungsvoll zugelächelt.

Mac fluchte. Ausgerechnet in diesem Moment des traulichen Gesprächs mußte dieses Monster von Profos dazwischenbrüllen und ihn stören.

„Den erwürg ich eines Tages!“ lautete sein gezischter Kommentar, den Carberry allerdings nicht hörte.

Juanita war ein bißchen entsetzt, weil sie auch zu dem Narbenmann Zuneigung verspürte. Der hatte so etwas Uriges. Schon in seiner Stimme war das drin. Da konnten einem wohlige Schauer über den Rücken rinnen.

Und schon toste diese Stimme wieder über die Back: „Mi-ster Pel-lew! Wird’s bald? Ich hol nur noch einmal Luft, aber danach bist du am Tanzen! Und den Takt zum Tänzchen wirst du auf deinem Affenarsch spüren – hiermit!“ Und Carberry ließ wieder den Tampen durch die Luft pfeifen.

„Ich hab noch nicht alle Ladys bedient!“ schrie Mac Pellew wutentbrannt zurück. „Wird hier schon die Sanduhr danach gestellt, wie lange man Omeletten verteilen darf?“

„Du verteilst seit mindestens einer Viertelstunde!“ brüllte der Profos mit Berserkerstimme; so daß Sir John von der Vormarsrah abhob und kreischend zum Besantopp hinüberflüchtete. Selbst ihm, dem Bordpapagei, dem Lauscher und begeistertem Nachplapperer der Carberry-Flüche, schien die Stimmlage des Profos nicht mehr geheuer zu sein. Da war Gefahr im Verzuge.

Edwin Carberry schaffte es mal wieder, die ganze „Isabella“ zum Zittern zu bringen.

Hasard enterte zur Kuhl ab, überquerte sie, klopfte im Vorbeigehen Carberry beruhigend auf die Schulter und stieg zur Back hoch.

„Schon gut, Mac, ich übernehm das“, sagte er ruhig und streckte die rechte Hand aus.

„Aye, Sir“, sagte Mac verdattert und übergab seinem Kapitän den Holzteller mit den Omeletten.

Hasard nahm ihn entgegen und winkte mit den Augen. Mac verschwand von der Back und flüchtete in die Kombüse. Nun ja, der verdammte Profos mochte zwar mit einem Tampen drohen, aber in den eisblauen Augen des Kapitäns war klar zu lesen gewesen, daß so etwas wie ein Weltuntergang bevorstand. Da war es klüger, sich zu verholen und die Piek als Liebeslaube schnell zu vergessen. Gegen Carberry konnte man noch anstinken, wenn’s sein mußte. Aber vor Philip Hasard Killigrew hatte Mac Pellew einen unheimlichen Respekt – seit jener Zeit auf der alten „Marygold“ Kapitän Drakes.

In der Kombüse kriegte Mac auch gleich Zunder.

„Du Blödmann!“ sagte der Kutscher mit Inbrunst. „Du dämlicher Blödmann …“

„Wieso?“ Mac brauste auf. „Was willst du denn jetzt noch? Ich hab die Schnauze voll, verstehst du? Ich will mal einen Tag vergessen, daß ich zur See fahre und dabei nichts anderes sehe als eure blöden Visagen! Einmal nur will ich das vergessen! Ich muß verrückt gewesen sein, bei euch anzuheuern, total verrückt Ihr karrt mit diesem verdammten Schiff nach Osten, nach Norden, nach Süden, nach Westen, prügelt euch mit anderen Idioten, die ihr trefft, schlagt euch die Köpfe ein – ach, Scheiß!“ Und Mac Pellew kriegte das heulende Elend. Dabei hatte er doch so gern in der Piek ein Schäferstündchen abhalten wollen.

„Mac!“ sagte der Kutscher bedächtig. „Ich möchte das alles nicht gehört haben. Du hast einen Hau! Und vergiß nicht, daß du jetzt noch im Schuldturm von Plymouth vor dich hinsterben würdest, wenn dich unser Kapitän nicht ausgelöst hätte. Vergiß das bitte nicht! Du hast bei uns nicht angeheuert, sondern warst froh, in diese Crew aufgenommen zu werden. Auch das solltest du nicht vergessen. In dem verdammten Schuldturm hätten sie dich verfaulen lassen. Statt dessen bist du zu einem freien Mann geworden. Wenn du willst, kannst du abmustern. Sag’s dem Kapitän, daß du keine Lust mehr hättest und aussteigen wolltest. Sag’s ihm! Der reißt dir nicht den Kopf ab. Der sagt: Gut, Mac, wenn du das möchtest, dann tu’s, ich zwinge keinen, bei mir an Bord zu fahren. Genau das wird er sagen. Gut, wenn das so sein soll, dann pull ich dich vielleicht sogar an Land. Und wenn wir uns verabschieden, werde ich sagen: Hau ab, du Blödmann! Schieß in den Wind! Sieh zu, wie du jetzt klarkommst! Natürlich wird dir unser Kapitän deinen Anteil an der bisherigen Beute auszahlen. Die kannst du dann auf den Kopf hauen und mit verluderten Weibern verprassen. Bitte sehr! Aber aus dem nächsten Schuldturm holt dich keiner raus, du Blödmann!“

Mac Pellew holte einen sauberen Holzteller aus dem Geschirrschapp, packte die nächsten Omeletten drauf und verließ die Kombüse. Im Schott drehte er sich aber noch einmal um und sagte: „Hab’s kapiert, Mister! Aber mit den Weibern würde ich doch ganz gern …“

„Verzieh dich“, sagte der Kutscher sanft. „Bei den Weibern deiner Sorte wirst du nie die richtige Frau finden.“

Mac Pellew stand schon mit einem Bein auf der Kuhl, drehte sich aber noch einmal um. „Wie meinst du das?“

Der Kutscher deutete mit dem Daumen nach oben.

„Die da auf der Back sind nichts für dich, Junge“, sagte er. „Jedenfalls nichts auf Dauer. Da hatte Hasard junior ganz recht, obwohl er nicht wußte, von was er sprach. Das sind Flitzer. Du kannst sie auch, gewählt ausgedrückt, Schmetterlinge nennen. Die sind hübsch anzusehen, aber eben flatterhaft – mal dies, mal das. Na, du weißt schon. So was ist nichts für unsereinen, wenn er beschließt, für immer an Land zu bleiben und Rüben anzubauen oder den eigenen Herd anzuheizen.“

Mac Pellew zog das andere Bein nach, schloß das Schott und starrte auf die Omeletten.

Da ist was dran, was der Kutscher sagt, dachte er tiefsinnig. Und er blieb auch in sich gekehrt, als er die Omeletten verteilte. Irgendwo sah er den anderen Mac Pellew, der Holzscheite in die Glut schob – in den eigenen Herd der eigenen Hütte, wo auch eine Frau sein würde. Und Kinder …

Hasard reichte indessen den Holzteller mit den Omeletten herum und schaute lächelnd zu, wie die Ladys, etwas verlegen, wie ihm schien, sich bedienten. Ein bißchen rot waren sie alle, und sie knicksten, wenn sie sich ein Omelette vom Holzteller nahmen. Und sehr manierlich hielten sie gleich eine Hand unter die andere, damit kein Fett auf die Planken tropfte.

Daß sie ihn anhimmelten, übersah er keineswegs, auch wenn ihm das nicht so ganz geheuer war. Einen Kapitän, dachte er, himmeln die immer an, das ist nun mal so. Er wußte zu wenig von sich selbst, um zu erkennen, daß die sechs Ladys in diesem Fall bei ihm auf etwas ganz anderes reagierten. Er hätte auch ein Bettler sein können, kein Kapitän oder Admiral oder gar König. Nein, es waren schlicht sein Charme, die Anmut seiner Ungezwungenheit, die Geradheit seiner Haltung, die so stark auf die Ladys wirkten.

Das ist ein Mann! dachten sie alle. Ein Mann ohne Fehl und Tadel – ein Herr. Daß er dabei auch noch gut aussah mit seinem verwegenem, scharfgeschnittenem Gesicht und den Augen von diesem intensiven Blau, das durch das Tiefbraun der Haut noch gesteigert wurde, das verwirrte die Ladys noch mehr, zumal ihnen Männer dieser Art auf der Pirateninsel oder früher im heimatlichen Spanien noch nicht begegnet waren.

„Ich wünsche allerseits guten Appetit“, sagte Hasard lächelnd und verneigte sich leicht.

Die Ladys verneigten sich ebenfalls und knicksten wieder. Das bißchen Rot auf ihren Gesichtern vertiefte sich. Auch der Glanz in ihren Augen wurde stärker.

Auf dem Achterdeck murmelte Ben Brighton, der das alles beobachtete: „Sie schmelzen dahin wie Schnee in der Sonne.“

„Du sagst es“, bestätigte Old O’Flynn und grinste vor sich hin. Das war schon ein Kerl, sein Schwiegersohn. Aber er würde sich eher die Zunge abbeißen, als das laut zu verkünden.

Vorn auf der Back sagte indessen Hasard: „Nun eßt schon, Kinder, und laßt die Dinger nicht kalt werden.“ Er nahm sich selbst ein Omelette und biß hinein, weil er gemerkt hatte, daß sich die Ladys zierten, in seiner Gegenwart zu futtern.

So wurde denn geschmaust, und das Eis war gebrochen. Jetzt auch konnte er das Problem ansprechen, das durch die Anwesenheit der Ladys an Bord entstanden war und irgendwie gelöst werden mußte.

Er blieb bei der Anrede „Kinder“, die nicht so förmlich klang und auch mit Kichern quittiert worden war. Im übrigen unterstrich das seinen Status als „Vater“, um nicht von vornherein als Liebhaber betrachtet zu werden. Das war Diplomatie.

„Sagt mal, Kinder“, eröffnete er das Gespräch, „habt ihr schon über eure Zukunft nachgedacht? Ich meine, ihr seid ja keine Seeleute, sonst könnten wir euch in die Crew übernehmen, nicht wahr?“

Erneutes Kichern bei den Ladys. Die Vorstellung, künftig als Seemann an Bord zu fahren, erregte Heiterkeit.

Juanita rief begeistert: „Oh, ich bleibe gern an Bord!“ Und Kapitän Killigrew wurde mit Glutblicken von ihr bedacht.

Ilaria, der das nicht entging, fuhr sie an: „Dumme Gans! Wie stellst du dir das vor, he? Willst du da oben in den Masten herumturnen oder hier unten die schweren Kanonen bedienen?“

„Sehr richtig“, sagte Hasard bedächtig. „So sehe ich das auch. Kommt hinzu, daß eure spanischen Landsleute nicht gut auf uns zu sprechen sind. Um ehrlich zu sein: sie sind hinter uns her wie der Hund hinter der Wurst. Warum das so ist, mag ich jetzt nicht näher erläutern. Nun gut, die ‚Isabella‘ ist ein schnelles und wendiges Schiff, so daß wir meistens ausreißen können. Aber wenn sie uns mal erwischen – damit müssen wir rechnen –, dann hauen sie drauf und werden keine Rücksicht darauf nehmen, daß ihr hier an Bord seid. Ich kann ihnen ja leider auch nicht sagen, sie sollten darauf verzichten, auf uns zu schießen, weil sie euch treffen könnten. Gleiches gilt für den Fall, wenn wir wieder Schnapphähnen wie Mardengo begegnen sollten. Da würdet ihr vom Regen in die Traufe geraten. Und ich schätze, ihr habt von solchen Kerlen die Nase voll.“

Sie nickten, und Ilaria sagte seufzend: „So wohl wir uns bei euch fühlen – ich glaube, es ist besser, wenn ihr uns an Land setzt.“

Hasard atmete im stillen auf. Genau das war seine Absicht gewesen, nur hatte er nicht mit der Tür ins Haus fallen wollen. Die elegantere Lösung war, die Ladys dahin zu bringen, daß sie das selbst vorschlugen – und das hatte er geschafft.

Jetzt konnte er so tun, als erwäge er den Vorschlag Ilarias.

„Hm-hm“, sagte er und mimte vollendet den Nachdenklichen, „wenn ich mir das so überlege, wäre das wirklich besser, bevor was Unvorhergesehenes passiert und wir in ein Gefecht schlittern, daß uns aufgezwungen wird. An und für sich sind wir nämlich friedliche Pilger …“ Hasard verstummte, weil er sich dabei erwischte, die berühmte Redewendung Ed Carberrys zu benutzen, die er stets anzuwenden pflegte, wenn er einen Landgang in irgendeinem Hafen anpeilte. Da redete der gute Ed auch immer von „friedlichen“ oder „frommen Pilgern“, die kein Wässerchen trüben könnten und jedem Streit aus dem Wege gingen, obwohl dann stets das genaue Gegenteil eintrat.

Hasard seufzte, und die Ladys seufzten mit, weil sie dachten, der Kapitän werde bereits von Abschiedsschmerz geplagt. Sie selbst trennten sich ja auch höchst ungern von ihm und seinen so vortrefflichen Mannen, die alle so höflich und zuvorkommend waren, ganz anders als diese rüden und versoffenen Rabauken Mardengos. Aber eine Trennung mußte wohl sein, wahrhaftig, denn das Seemannshandwerk war nicht ihr Metier, beileibe nicht, obwohl sie ja viel mit den Männern vom Meer zu tun hatten, nicht wahr? Aber das war eine andere Art von Tätigkeit.

„An und für sich“, sagte Hasard mit einem Ton in der Stimme, der sein tiefstes Bedauern ausdrückte, „wäre es meine Pflicht, euch wohlbehalten nach Spanien zurückzubringen, aber eine solche Reise hatten wir nicht geplant, zumal wir hier in der Neuen Welt Handelsbeziehungen anknüpfen wollen. Da erhebt sich nun die Frage, wo wir euch an Land, setzen sollen.“ Er rieb sich die Nase. „Wüßtet ihr einen Platz? Eine Hafenstadt oder so etwas? In dieser Ecke der Welt sind wir nämlich noch nie gewesen.“

Die Ladys sahen sich ratlos an. Da waren sie ebenfalls überfragt. Im Grunde genommen hatten sie keinen blassen Schimmer, wo sie sich befanden. Mardengos Piraten hatten sich wohlweislich gehütet, ihnen die genaue Lage der Pirateninsel zu erklären, von der aus sie relativ leicht auf das Festland von Florida hätten fliehen können – oder südwärts nach Habana auf Kuba, was tatsächlich ursprünglich ihr eigentliches Ziel gewesen war, als sie in die Neue Welt aufgebrochen waren.

Hinzu kam außerdem, daß sie insgesamt nur sehr verschwommene Vorstellungen von diesem Teil der Erde hatten. Wer hätte ihnen das – schon in Spanien – auch erklären können! Und, wie gesagt, sie waren ja keine Seefahrer, die sich von Berufs wegen mit den fremden Ländern beschäftigen mußten. Und wenn sie ehrlich waren, mußten sie bekennen, daß ihnen die Lehre über die Gestalt der Erde und ihrer Länder herzlich gleichgültig war – Hauptsache, daß dort, wo sie tätig wurden, die Kasse stimmte. Das in der Neuen Welt schnell zu verdienende Geld hatte sie gelockt, sonst gar nichts.

Ja, da war guter Rat teuer.

Hasard schnippte mit den Fingern, weil er eine Idee hatte.

Little Ross mußte her! Der hatte ja ständig, seit er an Bord war, herumgetönt, wie gut er sich dank seines früheren Kapitäns Wilbur Fogg in dieser Ecke auskenne.

„Little Ross zu mir!“ befahl Hasard zur Kuhl hinunter.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 343

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