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Opa Piets Geschichte

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„Woher wollen Sie das wissen?“ will Kotte wissen.

Mein Opa schaut direkt in die Augen des Jungen. Sein Lachen verschwand, wie der Wind, kurz bevor es Sturm gibt.

„Mein Jung, einst war ich selbst einer von ihnen“, meint Opa dann.

„Ach Quatsch!“, entgegnet Kotte, „das sagen Sie doch nur, um uns etwas Angst zu machen.“

„Nein, mein Jung, das ist mein voller ernst“, verdeutlicht Opa.

„Opa, du kannst gerne einer deiner Geschichten erzählen, aber flunker‘ nicht“, meine ich.

„Meine Marie, du weißt, dass ich nie flunkere“, erwidert er.

Wir setzen uns um ihn herum, um seiner Geschichte zu lauschen. Als Abschluss dieses Tages ist es genau das Richtige, denn der Tag zeigte sich als anstrengend genug.

„Vor vielen, vielen Jahren, als ich noch um einiges jünger war als heute, betrieb ich noch Fischfang, draußen auf dem weiten Meer“, beginnt mein Opa, „die See gab mir reichlich guten Fisch, den ich für deine Mutter und deine Oma fangen konnte. Ich liebte es, wenn die Wellen mich hin und herschaukeln ließen, man von absoluter Ruhe eingeschlossen war und wenn das Wetter sich von der besten Seite zeigte.“

Ich stelle mir in dem Moment vor wie Opa auf einem kleinen Boot auf dem Meer hockt und mit einer einfachen Angel, der eigentlich einen Ast mit Schnur darstellt, Fische aus dem Meer holt. Ich versinke tief in die Geschichte meines Opas.

Eines Tages, als Opa Piet sich erneut üblicherweise mit seinem kleinen Boot auf dem Meer befand, fing er nicht einen einzigen Fisch. Es war, als läge ein Fluch über ihn. Sowas war ihm noch nicht passiert. Trotz der Flaute war er nicht trübsinnig und genoss den weiten, sich verlierenden Blick auf die wunderschöne See, als er etwas am Horizont erkannte.

„Argh, Argh“, rief ein heranfliegender Papagei und landete auf der Schulter von Piet.

„Hey, Mamagei, hast es auch gesehen?“ fragte Piet.

Die Papagei- Dame war ihm vor Jahren zugeflogen als er sich ebenfalls beim Angeln auf dem Meer befand. Seither wich sie ihm nur selten von der Seite, denn er hatte ihr damals einen Splitter aus der Kralle entfernt. Mamagei taufte er sie, da sie ihn an seine Mutter erinnerte, die auch immer meckerte, denn alles, was neu oder anders war, wurde erstmal bemeckert.

Dabei sprach sie nicht, sondern äußerte sich mit einem „Argh, Argh“. Dabei musste Piet lernen, dass der Ton die Musik machte, was soviel heißen sollte, dass es verschiedene Tonlagen gab, die ihren Gemütszustand wiederspiegelten. Wenn sie Piet erblickte, war das „Argh, Argh“ fröhlich oder auch, wenn sie nach Hause gingen beziehungsweise flogen, aber bei anderen Menschen war es ein meckerndes „Argh, Argh“, auch wenn sie sie schon länger kannte.

„Was mag das sein?“ fragte sich Piet und holte ein Fernglas aus seiner Tasche, um nachzuschauen.

Er konnte erkennen, dass es sich um ein Schiff handelte, aber für detaillierte Informationen war sein Fernglas einfach zu schwach. Was ihm aber auffiel war eine Flagge, die einen weißen Totenkopf auf schwarzem Untergrund darstellte. Dabei trug der Totenkopf eine Augenklappe.

Piet gefiel die Flagge irgendwie, immerhin fiel sie auf. Andererseits fragte er sich, weshalb jemand einen Totenkopf auf eine Flagge machte. Das würde die Laute doch verschrecken! Seine Frau würde schreiend weglaufen, denn sowas machte ihr Angst und Bange.

Vielleicht wollten die Leute auf dem Schiff genau das!? Plötzlich spürte Piet einen Schauer, der ihm den Rücken hinunterlief. Was wäre, wenn das keine guten Menschen waren, die sich da am Horizont zeigten? Er musste sofort zurück und die anderen warnen!

„Argh, Argh“, rief Mamagei und flog voraus.

„Ja, flieg mal nach Hause und warne sie“, bat er sie, während er seine Ruder sortierte, die ihm fast ins Wasser gefallen wären.

Er gab sich alle Mühe, aber wie das so ist, war er langsamer in seiner Hektik, als wenn er wie jeden Abend einfach zurückruderte an Land. Es fühlte sich an, wie eine halbe Ewigkeit, ehe er das Festland erreichen konnte. Er machte das kleine Boot fest und rannte schreiend ins kleine Dorf.

„Sie kommen!“ brüllte er lauthals.

Man musste sich einmal vorstellen, dass ein junger Mann früh am Morgen schreiend alle Menschen weckte. Daher verwunderte es auch nicht, dass die meisten sich eher gestört fühlten als gewarnt.

„Halt dein Maul“, brüllte einer zurück, „manche Leute schlafen noch.“

„Aber Herr Müller, das war nicht nett“, meinte seine Frau.

„Aber ist doch wahr“, erwiderte er, „ich habe morgen Unterricht zu gestalten.“

„Opa?“ fragt ich verunsichert dazwischen, „jetzt flunkerst du aber…?“

„Nein, er war damals schon Lehrer“, erwidert er mit einem leichten Grinsen und fährt mit seiner Geschichte fort.

Allerdings kamen einige der Helgaländer. Manche aus Neugier und andere, weil sie einen brüllenden Mann ernst nahmen, wenn dieser zu früher Stunde vor etwas warnen wollte.

„Was ist denn los?“ wollte sie wissen und Piet konnte sich vor lauter Aufregung gar nicht klar ausdrücken, „sie… am Horizont… kommen…“

„Jetzt beruhige dich doch erstmal“, sprach eine sanfte Stimme und Piet wusste, dass es sich nur um Emma handeln konnte- seine Frau!

Piet kam runter, sodass er wieder sprechen konnte: „Ich habe auf meinen morgendlichen Angeltour am Horizont ein Schiff entdeckt.“

„Und dafür weckst du alle hier?“ stänkerte Herr Müller.

„Nein, dafür würde ich niemanden aus seinem Schlaf reißen“, erwiderte Piet, „aber sie haben eine schwarze Flagge mit einem weißen Totenkopf, was eine Augenklappe trägt.“

„Und?“ fragte Herr Müller, „was soll das bedeuten? Müssen wir ihren schlechten Flaggengeschmack fürchten?“

„Nein, … doch…“, entgegnete Piet, „es ist vielmehr die Frage, was jemand mit solch einer Flagge will.“

„Möglicherweise eine neue?“ scherzte Herr Müller, „also nichts für ungut, aber ich haue mich jetzt noch mal für eine Stunde auf’s Ohr.“

Er drehte sich um und ging, während seine Frau etwas peinlich berührt dastand und nichts zu sagen wusste. Die Blicke wanderten dann wieder zu Piet.

„Auch, wenn Herr Müller sich wie ein kleines Kind aufführt, so muss ich ihm recht geben“, sprach der damalige Bürgermeister, der Vater des heutigen Bürgermeisters, „und schlage vor, dass alle wieder ins Bett verschwinden. Sicher fährt das Schiff nur vorbei, so wie es alles tun, denn wir befinden uns auf keiner Seekarte und sind somit unsichtbar für den Rest der Welt.“

„Moment, Herr Perlinski“, unterbricht Annette, „soll das mein Opa sein?“

„Ja, ganz genau“, bestätigt mein Opa Piet.

„Der hat doch nicht so geredet“, meint Annette.

„Warst du denn dabei?“ will Opa Piet von ihr wissen.

Annette schüttelte den Kopf und zeigte sich etwas eingeschnappt. Sie bleibt aber bei uns, denn sie ist neugierig, was noch geschehen würde. Mein Opa Piet erzählt unterdessen seine Geschichte weiter:

„Aber…“, konnte Piet nur entgegnen, denn mehr fiel ihm auf Anhieb nicht ein.

Die Leute stimmten ihm zu und gingen alle wieder, während Emma stehenblieb, sowie Hannes, der beste Freund von Piet, wenn man das überhaupt so bezeichnen konnte. Hannes und Piet kannten sich schon ewig und hatten ein paar Angeltouren gemeinsam unternommen. Aber mehr auch nicht.

„Ich glaube dir“, sagte Hannes.

„Ich dir auch“, machte Emma deutlich.

„Ich danke euch, aber es wird uns nicht helfen“, meinte Piet und rannte in Richtung Strand.

„Was hast du vor?“ wollte Hannes wissen und folgte ihm sogleich.

Emma lief ebenfalls hinterher. Piet antwortete nicht, sondern stellte sich hin, nahm sein Fernglas, um zu schauen, wie nah das Schiff bereits war.

„Oh backe“, rief er dann, „sie haben Kurs auf Helgaland genommen und kommen direkt zu uns!“

„Das sind keine guten Nachrichten“, äußerte sich Hannes.

„Wir müssen die anderen warnen“, meinte Emma.

„Und du glaubst allen Ernstes, dass sie uns das dieses Mal abkaufen werden?“ wollte Hannes wissen.

„Willst du sie im Stich lassen?“ entgegnete Emma.

„Guter Punkt“, musste Hannes zugeben, „daher werden wir wohl alle drei schreiend durch die Straßen ziehen müssen.“

Gesagt- getan. Piet, Emma und Hannes rannten zurück und schrien, was das Zeug hielt. Als Unterstützung flog natürlich Mamagei umher und gab ihr „Argh, Argh“ von sich. Zudem nahmen sie Metallgegenstände und hämmerten, sodass sie nach kürzester Zeit alle Helgaländer vor sich hatten. Und sie waren nicht gut gelaunt.

„Seid ihr des Wahnsinns?!“ fragte Herr Müller, der nun noch genervter wirkte als vorhin schon.

„Ihr habt ja nicht alle Tassen im Schrank, oder was?“ regte sich ein anderer auf.

„Tatsächlich habe ich einige herausgenommen“, meinte Hannes, der nicht die hellste Kerze auf der Torte wahr.

„Psst“, flüsterte Emma und stupste ihn von der Seite an, „er fragt damit, ob wir verrückt sind.“

„Achso…“, grinste Hannes verlegen, als er es kapiert hatte, „nein, natürlich nicht.“

„Und warum, zum Seeteufel, weckt ihr uns dann erneut?“ fragte Herr Müller stellvertretend für all, „und sagt nicht, es handelt sich schon wieder um diese Totenkopfflagge.“

„Aber genau das ist es“, antwortete Piet, „sie haben Kurs genommen und fahren direkt auf Helgaland zu.“

„Das kann nicht sein“, meinte der Bürgermeister, „seit Jahren, nein, seit Jahrzehnten hat sich kein einziges Schiff hier her verirrt.“

„Aber schaut doch selbst“, entgegnete Piet, „und folgt mir zum Strand, ihr werdet es sehen.“

„In Ordnung, aber wenn das auch nicht stimmt, das muss ihn jemand einsperren, damit hier endlich Ruhe ist“, äußerte Herr Müller.

„Der ist ja wie heute“, meint Kotte plötzlich.

„Ja, der hat sich kaum verändert und ist noch immer dieser alte grimmige Kauz gewesen“, stimmt Opa Piet zu und berichtet weiter von damals.

Die Helgaländer begaben sich an den Strand. Sie brauchten keine Ferngläser, denn mit bloßem Auge war zu erkennen, dass das Schiff auf die Insel zusteuerte.

„Das muss nichts Schlechtes bedeuten“, merkte der Bürgermeister an, „daher verbreiten wir keine Panik an dieser Stelle.“

Die Leute ließen sich beruhigen, denn der Bürgermeister hatte einen großen Einfluss auf sie. Er war ja nicht umsonst ihr gewählter Vertreter. Außer dem Umstand, dass es einfach kein anderer machen wollte.

Flunschlippe- Piet

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