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Kapitel 1: Coregroth

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Coregroth war eine kleine Stadt im Süden Englands. Sie umfasste zwölftausend Einwohner und passte aufgrund ihrer Größe in Londons Manteltasche. In der Stadt fanden sich zahlreiche Geschäfte, welche sich nach dem zweiten Weltkrieg dort angesiedelt hatten.

Coregroth existierte seit 1738. Dies belegte eine auf dieses Datum ausgezeichnete Urkunde, über die der Ort verfügte. Trotz ihrer fast dreihundertjährigen Geschichte war die Stadt im Vergleich zu ihren schottischen Nachbarinseln sehr modern und auch bei Touristen als Ausflugsziel beliebt. Kino´s, Fitnesscenter, Supermärkte und Kaufhallen tummelten sich darin, manche Dinge sogar doppelt. Doch da wo der Umsatz boomte, gaben sich auch Räuber und Verbrecher die Klinke in die Hand.

Ich war sechsundzwanzig Jahre alt und arbeitete seit fünf Jahren als Detective. Ich hatte schon einiges in meiner kurzen Laufbahn bei Scotland Yard erlebt. Diebstähle und Drogendelikte waren der angenehme Teil meiner Arbeit. Mord und Totschlag gehörten aber ebenfalls zum Berufsalltag eines Detectives und waren der andere, dunkle Teil meines Berufes. Natürlich hatte ich nicht jeden Tag mit Mördern und deren Opfer zu tun – dafür war Coregroth dann doch zu klein – doch der Anblick einer Leiche schockierte mich jedes Mal auf´s Neue. Das war für mich zwar schrecklich, doch es bewahrte mich auch davor, wie manche andere Kollegen betriebsblind zu werden.

Mein Vorgesetzter, Inspector Bale, war da von einem ganz anderen Kaliber. Er war seit einigen Jahrzehnten im Dienst, daher schienen ihm Leichen nichts mehr auszumachen. Nicht im geringsten. Er konnte sogar seine Zigarre rauchen, während er sich einen ermordeten Menschen ansah, egal ob es sich dabei um einen alten Mann oder ein kleines Baby handelte.

Hin und wieder spielten sich entsetzliche Dinge in meiner Umgebung ab, doch den Inspector konnte nichts mehr davon schockieren. Jedes Mal, wenn ich in seine müden, braunen Augen blickte, dachte ich, dass dieser Mann in seinem Leben bereits viel Schreckliches gesehen und erlebt haben musste. Anders war seine unglaubliche Coolness nicht zu erklären.

Aber mir ging es nicht alleine so; zum Glück gab es da auch noch meinen Kollegen: Detective Morkride. Cole war zwei Jahre jünger als ich und zugegebenermaßen hegte ich mehr als nur kollegiale und freundschaftliche Gefühle für ihn: ja, ich war in ihn verliebt!

Doch als Detective konnte man sich am Arbeitsplatz keine tiefer gehenden Gefühle füreinander erlauben, weshalb ich sie gut unter Kontrolle halten musste. Das gelang mir aber nur einigermaßen, denn seine Anwesenheit machte mich jedes Mal nervös und wenn er mir zu nahe kam, raubte mir sein Duft nach Zedernholz jeden klaren Gedanken. Ich wusste nicht, ob Cole Morkride etwas von meinen Gefühlen für ihn ahnte. Wir sprachen zwar über viele Dinge im privaten Bereich, aber das Thema Beziehung schienen wir bei all unseren Gesprächen während der Dienstzeit und darüber hinaus geschickt auszuklammern. Wir waren zu etwas wie guten Freunden geworden und das wollte ich für nichts auf der Welt auf´s Spiel setzen. Zudem waren Cole und ich gute Detectives. Bale hatte ihn gleich in meine Obhut gegeben, nachdem er von der Polizeischule gekommen und vor drei Jahren Detective bei Scotland Yard geworden war. Wir waren ein eingespieltes Team – das war das einzige, was zählen durfte.

Wir überführten nicht nur Erpresser und Vergewaltiger, sondern auch hin und wieder einen Mörder. Meine Aufgabe war es logisch zu denken und Cole unterstützte mich dabei. Nicht selten hatte er den entscheidenden Hinweis, welcher zur Aufklärung der Tat beitrug. Mir fiel eine längst geschehene Situation wieder ein.

Vor acht Jahren befand ich mich auf einer Jobbörse, da ich damals noch nicht genau wusste, welcher Beruf zu mir passte. Ich wollte weder Verkäufer noch Bäcker werden, doch diese üblichen Stände nahmen den meisten Platz auf dem Börsengelände ein. Kurz bevor ich die Hoffnung aufgegeben hatte, entdeckte ich einen Stand der örtlichen Polizei. Ich ging dorthin und informierte mich über das in meinen Augen interessante Berufsbild.

Durch Zufall erfuhr ich Jahre danach von Cole, dass er ebenfalls auf eben jener Jobbörse gewesen war. Vermutlich waren wir uns dort sogar einmal über den Weg gelaufen. Er erklärte mir, dass auch er zum Polizeistand gegangen war, weil er Interesse an der Aufklärung von Straftaten hatte.

*

Es war ein trüber Tag – so wie es in England nun einmal üblich war. Cole und ich saßen in unserem Streifenwagen und beobachteten ein braunes Haus, in welchem eine Bank ihren Sitz hatte.

Die Tür öffnete sich und Cole sprang aus dem Wagen. Ich folgte ihm. Wir zogen gleichzeitig unsere Dienstwaffen aus der Hose und schrien, dass die Person, die gerade aus dem Gebäude lief, stehenbleiben solle. Sie reagierte auf unsere mehrmaligen Rufe und den gesetzlich vorgeschriebenen Warnschuss nicht, sodass wir auf die Beine der davonlaufenden Gestalt schossen. Das war nicht verboten, solange man sie nicht lebensgefährlich verletzte. Uns war der richtige Umgang mit der Waffe in etlichen Seminaren und praktischen Übungen bei Scotland Yard beigebracht worden. Neben dem richtigen Gebrauch war es von höchster Wichtigkeit zu wissen, wann die Situation eingetreten war, in der nur noch eine Waffe half.

Die Person fiel schreiend zu Boden, ihre Papiertüte ebenfalls. Einige tausend Pfund küssten den Boden. Cole war als erster bei dem Täter, welcher sich nach Abziehen der Maskierung als Mann herausstellte. Morkride kniete inzwischen neben ihm und blickte lächelnd zu mir auf. Ich war etwas außer Puste, sah mir den Mann jedoch genauer an.

„Jenkins, Sie alter Ganove. Jetzt werden Sie für den Rest Ihres Lebens in den Knast kommen“ sagte ich betont rau.

Meine Stimme musste im Dienst unbarmherzig klingen, sonst hatte niemand vor mir Respekt.

„Sie wissen doch, meine Rente.... Ich habe den Bankangestellten nichts getan und auch nur etwas Geld an mich genommen.“

Der ältere Mann sah uns entschuldigend an und fasste sich an sein rechtes Bein. Er machte ein schmerzverzerrtes Gesicht.

„Warum sind Sie nicht einfach stehengeblieben? Nun können Sie Coregroth zu Schadensersatz verklagen“ bemerkte Cole Morkride sarkastisch.

Einige Polizisten, die gerade auf Streife waren, eilten herbei, weshalb der Detective und ich den Ort verließen. Unsere Arbeit war getan, wir hatten einen Bankraub mit geringer Summe vereitelt. Zurück im Wagen atmete ich lange aus.

„Das war wohl zu anstrengend für dich“ lachte mein Kollege.

„Was?“

„Der Sprint zum alten Jenkins. Du bist außer Atem!“

„Cole, wir werden alle nicht jünger, das wirst auch du irgendwann begreifen.“

Morkride sah mir in die Augen. Seinem verschmitzten Lächeln konnte ich nicht lange böse sein. Ab und an erlaubte sich der Junge einen Scherz, was mir nur recht war. Solange er mich so nett ansah, konnte er diesen ruhig auf meinem Rücken austragen. Wären wir allerdings nicht so gut befreundet gewesen, hätte ich ihm die Späße übel genommen.

„Du weißt, dass ich das nicht so gemeint habe. Immerhin kannst du mit deiner tollen Figur angeben und mit jedem Polizei – Azubi mithalten“ entschuldigte sich Cole kleinlaut.

„Ich tue es aber nicht“ erwiderte ich selbstdiszipliniert und blickte in den Rückspiegel.

Er spielte damit auf mein sportliches Aussehen an, welches ich mir sowohl durch den Dienst, als auch zuhause mit einigen Sportgeräten hart erarbeitet hatte. Dass ich einige Wochen mein Training sausen gelassen hatte, rächte sich nun, denn meine Kondition war wirklich nicht die allerbeste. Wären wir nicht auf den alten Jenkins gestoßen, sondern auf einen jüngeren und kräftigeren Räuber, hätten mein Kollege und ich leicht den Kürzeren ziehen können. Deshalb plante ich für den Abend eine neuerliche Sportstunde ein.

Zurück im Police Office füllten Cole und ich einige Unterlagen zu dem Bankraub aus. Der Räuber war im hohen Rentenalter und beschwerte sich immer wieder über die zu geringe Unterstützung des Landes. Doch meine Kollegen und ich konnten an der offensichtlichen Ungerechtigkeit nichts ändern, weshalb wir einfach unseren Job erledigten. Jenkins hatte bereits häufiger Diebstähle begangen, wobei es sich meistens um Bagatelldelikte wie der Diebstahl eines Parfums in einer Drogerie gehandelt hatte. Doch mit dem Bankraub war er nun eindeutig zu weit gegangen. Meiner Erfahrung nach, würde ihn das für einige Zeit hinter Gitter bringen.

Jenkins war kein wirklich gefährlicher Mann, aber ein notorischer Dieb, welchem Einhalt geboten werden musste. Zwar hatte ich kurze Zeit Mitleid mit ihm, doch als ich die Zeugenaussagen der Bankangestellten überflog und las, dass Jenkins diese mit einem Messer bedroht hatte, wusste ich, dass ihn die ganze Härte unseres Gesetzes treffen würde. Die Tatwaffe, welche er vor seiner Flucht in der Bank weggeworfen hatte, hatten die Polizisten am Tatort sichergestellt. Dadurch würde er zumindest einen fairen Prozess bekommen.

Somit war für Scotland Yard und mich ein weiterer Fall abgeschlossen.

Mord an Halloween

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