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Kämpferinnen

Seit Jahrzehnten „schießen“ Jagdgegner gegen die Jagd. In den Medien kommen Jäger selten gut weg. Schießsport gilt bei vielen als verpönt. Waffenbesitzer werden mit Argwohn betrachtet. Ungünstige Rahmenbedingungen sind das, sollte man meinen. Allem und allen zum Trotz steigt die Zahl der Jagdscheininhaber in Deutschland, ebenfalls seit Jahrzehnten, unaufhörlich und kontinuierlich an. Die Jägerschaft war überaltert (und ist es immer noch). Deshalb sind wegen Todes oder Aufgabe der Jagd viele Jäger aus der Statistik ausgeschieden. Dadurch bekommt der Zuwachs unter dem Strich ein noch größeres Gewicht. Die Jagd liegt ohne Zweifel im Trend der Zeit. So bemerkenswert wie erfreulich ist außerdem der hohe und weiter wachsende Anteil von Damen in den Jagdkursen und auf den Schießständen.

Hürde Schießprüfung

Wer die Jägerprüfung bestehen und den begehrten Jagdschein in den Händen halten möchte, muss sich auch dem Flintenschießen stellen. Das erweist sich oft als Hürde, die nicht mit Leichtigkeit übersprungen wird. Ich beobachte seit Langem weibliche Schützen, die mit bewundernswerter Energie und Durchhaltevermögen das Thema angehen, obwohl es ihnen aufgrund jeweiliger Umstände (noch) schwerfällt oder schwergemacht wird. Frauen sind von Problemen in diesem Bereich häufiger betroffen als Männer, weil Letztere so manchen Mangel der Flinte durch ihre Kraft besser kompensieren können. Ich bewundere all die Damen, die sich von keinen Widrigkeiten und Umständen beirren lassen. Sie setzen sich durch und streben zu ihrem Ziel, indem sie mit Beharrlichkeit diejenigen Wege suchen und finden, die sie zum Erfolg führen.

Talentfrei?

Ich hörte von Susana zum ersten Mal an einem Sonntag im Mai. Sie rief mich während einer Fahrt in meinem Auto an. Wir telefonierten fast eine Stunde. Sie habe die Schießprüfung nicht bestanden, obwohl sie seit Oktober des vergangenen Jahres monatlich für etliche 100 Euro Munition verschossen habe. Sie habe sich auch eine eigene Flinte gekauft auf Vor-Eintrag in der Waffenbesitzkarte. Sie habe alles getan, was ihr möglich erschien. Da sie dennoch selten eine Wurfscheibe treffe, müsse sie völlig talentfrei sein, sagte Susana frustriert und schloss die Frage an, ob ich ihr trotzdem helfen könne.

Obwohl ich sie nicht kannte, wies ich ihre Analyse der Talentfreiheit entschieden zurück. Zu viele ähnlicher Fälle habe ich in den vergangenen Jahren erlebt. Die Gründe eines Scheiterns sind fast immer gleich gelagert und haben nichts mit fehlendem Talent zu tun, sondern mit dem Unwissen, welche Maßnahmen zu ergreifen sind.

Erste Schritte

Wir verabredeten uns zu einem meiner Grundlagenseminare Ende des Monats. Damals begann der Prozess unserer Zusammenarbeit.

Susanas Problem bestand darin, dass sie keine ausreichenden Kenntnisse darüber besaß, welche Stellschrauben zu bedienen sind und wie. Ihren ausbleibenden Erfolg interpretierte sie als ausgeprägte Untalentiertheit, und in dem Bemühen, diese zu kompensieren, hatte sie eine unglaubliche Menge an Patronen verschossen. Infolgedessen hatte sie ihre falschen Bewegungsabläufe erheblich zementiert. Dabei waren die im Prinzip gar nicht so schlecht. Aber der Erfolg blieb aus. Wie auch immer, es war für Susana schwer geworden, neue Abläufe zu erlernen und sie nachhaltig an die Stelle der bisherigen zu setzen.

Das zweite Problem bestand in ihrer Flinte. Es handelte sich um eine gerade erst gekaufte teure neue Markenflinte. Susana zu diesem Zeitpunkt zu sagen, es gehe mit dieser nicht, erschien mir als zu gewagt.

In dem Grundlagenseminar und dem abschließenden Einzeltraining vermittelte ich Susana die ihr fehlenden Grundkenntnisse über das Zeigen mit der Seelenachse.

Es blieb abzuwarten, wie sich Susana in den nächsten Wochen entwickeln würde – mit dem erworbenen Wissen aus meinen Seminaren, aber mit ihrer immerhin vertrauten Flinte.

Die nahende Nachprüfung

Susana trainierte eine längere Zeit ohne mich. Als der Termin der Nachprüfung nahte, trafen wir uns zu einem neuen Training. Susana hatte mir schon am Telefon gesagt, dass sie sehr unzufrieden und weit davon entfernt sei, die Schießprüfung bestehen zu können.

Man muss sich das vorstellen. Den schriftlichen und mündlichen Teil der Jägerprüfung bestanden, und dann hängt alles an einer Schießprüfung, deren Anforderungen „minimal“ sind. Drei von zehn „Zielen“ treffen zu wollen und die anderen „krank“ zu schießen ist nicht der Anspruch eines waidgerechten Jägers. Und doch stellt diese 30-Prozent-Quote eine Barriere dar. Sie droht damit, dass die gesamte (!) Jägerprüfung zu wiederholen ist. Nur weil man in der Nachprüfung an diesen „dusseligen“ drei Tauben gescheitert ist.

Als ich Susana wiedersah, war ich entsetzt. Sie war vollends und ausschließlich auf ihren Anschlag fokussiert. Alle ihre Bewegungen und ihre Körperhaltung passte sie an ihre nicht passende Flinte an. Sie hatte dazu das eine oder andere auf dem Schießstand aufgeschnappt, was sie vermeintlich tun sollte, und versuchte, dem gerecht zu werden. Das konnte so nicht funktionieren. Was mir in besonderer Erinnerung geblieben ist: Susana schaute beim Schießen mehr nach unten als nach vorne – um ihre Flinte zu „bedienen“.

Der Weg über das Werkzeug …

Es war jetzt an der Zeit, Susana klarzumachen, dass sie sich von ihrer Flinte trennen musste, und zwar sofort. Es waren nur noch ein paar Wochen bis zur Prüfung. Die Waffe musste aus der Waffenbesitzkarte ausgetragen und ein neuer Vor-Eintrag beantragt werden. Eine neue Flinte musste gefunden und auch noch angepasst werden. Das hörte sich sportlich an.

Wir ließen uns sehr viel Zeit, den Gesichtspunkt der „Pointability“ abzuprüfen. Viele, viele Flinten hat Susana ausprobiert, in mehreren Trainingseinheiten. Gleichzeitig arbeiteten wir an ihrer Technik.

Ich erinnere mich, wie Susana von Gesprächen mit Waffenverkäufern auf der Messe Jagd und Hund erzählte. Die hätten ihr gesagt, sie als Anfängerin könne gar nicht beurteilen, ob eine Flinte gut oder schlecht für sie sei. Weit gefehlt, meine ich. Jedes Kind merkt, ob es einen Gegenstand gut und leicht bewegen kann oder nicht. Susana hatte jedenfalls wegen dieser Aussagen eine Waffe ausgesucht anhand von Katalogen, Berichten im Internet und ähnlichen Informationen.

Ich musste Susana erst davon überzeugen: Nur sie selbst konnte beurteilen, mit welcher Flinte sie sich wohlfühlte und mit welcher nicht. Das sollte unter meiner Aufsicht und mit einer "besprechenden" Beratung stattfinden.

In unseren Tests wurde bald offenkundig, dass die meisten Flintenmodelle nicht in Betracht kamen, weil wir sie gar nicht auf die erforderlichen Maße hätten biegen können. Die meisten Frauen haben eine sehr andere Lage des Jochbeins als ein Mann. Damit sind besondere Senkungsmaße vonnöten, die zu weit weg liegen von den Maßen einer Standardflinte. Wenn man Holz biegt, so geht das nur in einem begrenzten Umfang, sonst bricht es.

Das Werkzeug ist immer, aber besonders bei einer Dame, eine Bedingung mit einer gewissen Ausschlusswirkung. Ohne das richtige Gerät geht es nicht, selbst wenn eine gute Technik vorhanden ist. Denn die richtigen Bewegungen stehen im Zusammenhang mit einer bestimmten Körperhaltung, für die ein mehrfaches an Kraft notwendig ist als für die falschen Abläufe und eine schlechte Haltung. Wenn jemand mit seinen Kräften haushalten muss, und das ist bei einer Frau fast immer der Fall, dann muss das Sportgerät diesem Zwang unterworfen werden. Die Waffe soll sich an den Schützen anpassen, und nicht umgekehrt. Nicht nur mit ihren Schaftmaßen, sondern auch an sich.

Welche die richtige Flinte ist, lässt sich nach meiner Überzeugung und Erfahrung ausschließlich durch Schießen herausfinden. Nach allem Hin und Her kamen am Ende nur wenige Flinten infrage, die von Hause aus bereits nahe an den Bedürfnissen eines weiblichen Schützen lagen. Das waren die Browning B 525 Liberty und die Beretta Vittoria wegen ihres Monte-Carlo-Schaftes und der damit verbundenen Senkung, eine Selbstladeflinte und die Benelli 828 U Black wegen ihrer Möglichkeiten der Schafteinstellung durch Distanzstücke.

Der Teufel steckte dann im Detail. Damenflinten haben einen Pistolengriff, der für kleinere Hände ausgelegt ist. Susana hat aber für eine Frau recht große, so dass diese Griffe für sie unkomfortabel waren. Manchmal stieß sie im Schuss mit den Fingern an den Abzugsbügel, mit schmerzhaften Folgeerscheinungen.

Nach vielen Versuchen und Tests waren wir sicher, mit der Benelli 828 U Black die richtige Flinte gefunden zu haben. Sie ist kein speziell für Damen entwickeltes Modell, aber sie bietet Verstellmöglichkeiten auch der Senkung, dieses in einer Bandbreite, die wir benötigten. Der Umstand, dass unser Schäfter inzwischen seinen Urlaub angetreten hatte, konnte uns nicht mehr aus der Bahn werfen. Die Benelli kann in verschiedenen Schaftlängen bestellt werden.

Die Senkung konnte ich selbst mit wenigen Handgriffen genau einstellen. Die Schränkung brachte ich auf das mögliche Maximum von 6 mm, was nicht genug, aber von den Sollmaßen der Schützin auch nicht zu weit entfernt war.

Das alles ist individuell zu betrachten. Es bedeutet nicht, dass die Flinte, die für Susana ideal ist, für andere ebenfalls gut sein muss. Ich kenne Damen, aber auch Herren, die mit dieser Flinte nicht zurechtkamen. Die Geschichte von der „Pointability“ ist kein „Joke“ oder eine schräge Marketingidee, sondern eine belastbare Tatsache.

… und das Trainieren der Schießtechnik

Nun erst konnten wir mit dem eigentlichen Training anfangen. Denn in dem sollte es darum gehen, dass Susana ihre Aufmerksamkeit der Wurfscheibe schenken sollte, und dem Zeigen mit der Seelenachse. Das war erst möglich, nachdem Susana sich während des „Bearbeitens der Wurfscheibe“ nicht mehr mit ihrem Anschlag beschäftigen musste, wegen ihres optimierten Werkzeuges. „Vorne ist wichtiger als hinten.“ Das Maß aller Dinge ist die Seelenachse und wo deren Verlängerung hinzeigt. Der Anschlag sollte im Hintergrund ablaufen und unterstützen, aber nicht die Hauptsache sein.

Mit der neuen Flinte brachten wir Susanas Fertigkeit in kurzer Zeit so weit voran, dass sie in einem letzten Probedurchgang sieben von zehn Trap-Tauben traf. Als wir das geschafft hatten, war unsere gemeinsame Parole: Bis zur Prüfung in zwei Tagen nicht mehr schießen!

Der Tag der Wahrheit

Würden unsere Mühen belohnt werden? Dass wir alles getan hatten, was in der kurzen Zeit möglich war, davon waren wir überzeugt. Würden uns die Nerven in letzter Minute einen Strich durch die Rechnung machen? Susana müsste die gesamte Jägerprüfung wiederholen, die schriftliche und mündliche Prüfung, falls …

Am Tag der Wahrheit konnte ich Susana nicht mehr helfen. Sie war vorbereitet, aber vollbringen musste sie es allein. Der Vormittag des Prüfungstages war noch jung, als die erlösende WhatsApp-Nachricht kam: „Mit vier Patronen bestanden.“ Das war eine Ansage. Gerade noch geglaubt, ein hoffnungsloser Fall zu sein, und nun kurzen Prozess gemacht.

Es gibt keinen schöneren Lohn dafür, einer Kämpferin den Weg aus dem Frust gezeigt zu haben.

Geschichten wie die von Susana häufen sich mit der steigenden Zahl von Damen in den Jagdkursen. Susanas Erlebnisse mögen andere inspirieren. Jeder Mensch, den wir nicht verlieren, sondern beim Flintenschießen und der Jagd halten, ist für uns alle ein Gewinn.

Es gibt noch mehr Kämpferinnen, deren Geschichten sich lohnen, bekannt gemacht zu werden.

Treffen mit Leichtigkeit

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