Читать книгу WAS SAGEN WIR DER WITWE? - Detlef Wolff - Страница 7
Zweites Kapitel
Оглавление»Wo hast du dich denn so lange rumgetrieben?«
»Auf der Station. Wo denn sonst schon?« Schwester Brigitte schnippte eine Zigarette aus der Packung.
Elke Riegella nahm ihr das Feuerzeug aus der Hand und ließ es mit ausgestrecktem Arm aufflammen. »Komm mal ein bisschen näher. Noch näher.« Sie bewegte die Flamme auf sich zu.
Schwester Brigitte folgte ihr mit der Zigarette im Mund. »So wird das nichts«, murmelte sie.
»Soll es auch nicht. Du mit diesen albernen Damenzigaretten. Für Männerhände zu schade, oder wie die Reklame heißt.« Elke Riegella nahm der Nachtschwester die Zigarette aus dem Mund. »Küss mich, bevor du nach Rauch schmeckst.«
»Was meinst du denn, wie du nach deinem französischen Männerkraut schmeckst?« Mit gelangweilter Miene hielt Schwester Brigitte der Ärztin den Mund hin. - »Au! Du hast mich gebissen! Meine Lippe blutet. Sadistin!«
Elke Riegella reichte ihr die Zigarette. »Das ist die Strafe fürs Wartenlassen.« Sie hielt Schwester Brigittes Hand fest. »Wisch nicht mit dem Ärmel drüber, du kriegst sonst Blut an den Kittel. Der Chef sieht das nicht gern.«
»Der Chef sieht bestimmt auch nicht gern, dass die Stationsärztin was mit der Nachtschwester hat.« Schwester Brigitte lächelte kokett. »Der hätte dich gar nicht einstellen dürfen. Du bist eine sittliche Gefahr für unschuldige Mädchen«, sagte sie kichernd.
»Ich lasse wenigstens die männlichen Patienten in Ruhe. Und du? Du wimmelst ständig um diesen Lurrup von Nummer Siebzehn rum. Ich möchte nur wissen, was du an dem alten Kerl findest.«
»Eifersüchtig?« Schwester Brigitte stieß den Rauch durch die Nase.
»Habe ich etwa keinen Grund?« Elke Riegella spielte nervös an den Knöpfen ihres Kittels.
»Ich finde, dass er ein sehr interessanter Mann ist. Außerdem ist immer einer der Lieblingspatient.« Schwester Brigitte sah auf die Armbanduhr. »Bald Mitternacht. Ich muss nach ihm sehen. Außerdem kannst du dir ruhig angewöhnen, statt Nummer Siebzehn mal Intensivstation zu sagen.«
»Was bei uns so Intensivstation heißt. Die ist man ziemlich dürftig ausgestattet.«
»Wann brauchen wir sie denn auch mal? Wir haben ja keine schweren Fälle. Der Infarkt von Lurrup war nicht vorherzusehen.«
»Hoffentlich hast du den nicht verursacht«, sagte Elke Riegella. »Wenn ältere Herren sich noch mal verausgaben...«
»Du spinnst! Als ob ich mit dem was hätte. Der ist viel zu alt für mich.«
»Zum Befummeln reicht’s immer noch.«
»Wo bei dir das Fummeln anfängt.« Schwester Brigitte drückte die Zigarette aus.
»Du gibst es also zu?«
»Ich gebe gar nichts zu. Du bist ja krankhaft eifersüchtig. Man kann direkt Angst vor dir kriegen.«
Das Telefon im Schwesternzimmer läutete dreimal.
»Bestimmt wieder die Alte drüben im anderen Flügel«, sagte Schwester Brigitte. »Das höre ich förmlich am Klingeln. Die besteht nur aus Sonderwünschen. - Im Übrigen ist es reine Berechnung, dass ich mich um ihn kümmere. Vielleicht beruhigt dich das ein bisschen, du lesbische Ziege.«
»Selber lesbisch«, sagte Elke Riegella. »Tu nicht so.«
»Nicht so wie du. Für mich sind Männer noch Menschen.«
»Du wirst schon deinen Grund haben. Ich jedenfalls finde das schon widerlich, wie du dich bei dem aufführst.«
»Ich führe mich nicht auf. Ich kümmere mich ein bisschen um ihn.«
Elke Riegella hüstelte ironisch. »Das merkt man«, sagte sie. »Dabei möchte ich mal wissen, was der an dir findet. Du wirst jeden Tag dicker, und deine Frisur ist unmöglich. Setz bloß nicht mal die Haube ab, sonst kriegt der ’n Schock. Man kann sich mit dir kaum noch sehen lassen.«
»Brauchst du ja auch nicht. Du weißt doch, dass ich keinen großen Wert drauf lege. Lass mich am besten in Ruhe. Du hast dein Erfolgserlebnis gehabt.«
»Das habe ich noch. Könnte nämlich sein, dass ich dich liebe.
Aber das verstehst du nicht. Ich gebe sogar zu, dass ich eifersüchtig bin. Das bist du zum Beispiel nie.«
»Ich habe ja auch keinen Grund«, sagte Schwester Brigitte schnippisch. »Ich warte immer noch, dass du mir mal einen lieferst. Dann wirst du ja erleben, was passiert.«
Wieder läutete das Telefon.
»Ich bin schon unterwegs«, sagte Schwester Brigitte in den Hörer und legte auf. Sie wandte sich an die Ärztin. »Nun sag mal ehrlich: Meinst du wirklich, dass ich mit ihm was habe?«
»Dir traue ich alles zu. Und was nicht ist, kann ja noch werden. Patienten verlieben sich manchmal in die Schwestern. Bis dahin ist das ganz normal. Aber was dann kommt, das ist entscheidend. Und da bin ich mir bei dir nicht sicher. Er kommt ja von unserer sogenannten Intensivstation auch mal wieder runter. So schwer hat es ihn zum Glück nicht erwischt. Und ich bin gespannt, wie er sich dann anstellt. Manchmal sind die neuerwachenden Lebensgeister ganz schön gefährlich.«
»Ach, hör auf. Warum soll ich nicht ein bisschen nett zu ihm sein? Vielleicht lohnt es sich sogar. Immerhin hat er mal was von Testament gemurmelt. Ich habe nichts gegen Geld.«
Elke Riegella setzte sich auf die Schreibtischkante. Mit den flachen Absätzen ihrer weißen Schuhe stieß sie gegen die Seitenwand. Es klang unangenehm blechern. »Testament«, sagte sie höhnisch. »Das kennt man. Meist lässt die Dankbarkeit mit zunehmender Genesung rapide nach. Das wird bei deinem Lurrup nicht anders sein. Wie konkret ist er denn geworden?«
»Ziemlich.«
»Na, dann verwöhne deinen Liebling man weiter. Reich genug soll er ja sein.« Elke Riegella streckte die schlanken Beine aus. »Aber pass auf, dass dir seine Frau nicht die Augen auskratzt. Die ist bestimmt nicht begeistert, wenn er dir Geld hinterherschmeißt. Und was heißt schon Testament. Der kann noch dreißig Jahre leben. Ich frage mich, was du mit dem Geld dann noch anfangen willst. Aber vielleicht kann er das gar nicht anders machen, weil ihn seine Frau an das Geld nicht ranlässt. Sonst könnte er dir ja gleich was geben. Testament. Du bist naiv genug, auf so was reinzufallen.«
»Von welcher Frau redest du dauernd?«, fragte Schwester Brigitte verunsichert.
»Dein munterer Knabe ist relativ frisch verheiratet.«
»Du willst mich ärgern.«
»Da kenne ich bessere Möglichkeiten. - Auf seine alten Tage hat er sich was ganz Junges genommen.«
Schwester Brigitte starrte auf den grauen Linoleumfußboden. »Er spricht nie von seiner Frau. Eigenartig. Ich dachte immer...«
»Ob du denkst oder nicht. Seine Frau liegt in den Städtischen auf der Gynäkologie. Da müssen die vollenden, was dein Liebling nicht richtig angefangen hat.«
»Er wird Vater?«
Elke Riegella rutschte von der Schreibtischkante. »Jetzt fehlt nur noch, dass du Mutter wirst. Trag es mit Fassung«, sagte sie spöttisch. »Männer sind eben so. Man fällt immer rein. Du denkst noch mal an mich.«
»Ich bin nicht reingefallen. Ich... Außerdem könnte ich das noch gar nicht wissen, wenn was passiert wäre.«
Wieder läutete das Telefon.
»Nun geh' schon hin zu der Alten. Sonst beschwert sie sich beim Chef. Ich möchte mal wissen, warum der heute im Haus ist. Sonst lässt er sich um diese Zeit nie sehen.« Elke Riegella schob die Schwester zur Tür. Sie strich ihr tröstend über den Rücken.
»Lass mich in Ruhe!« Schwester Brigitte ging auf den Flur hinaus. »Du, ich glaube, der Chef geht eben weg.«
»Das ist auch besser so. Der stört hier nur. Wenn du mich suchst: Ich rauche draußen meine Zigarette. Dann kann keiner sagen, ich hätte die Luft verpestet.«
Professor Curd Kamphuut zählte zehn Chips ab und schob sie dem Tischcroupier hin. »Auf Zero«, sagte er. Betont desinteressiert sah er auf seine kantigen Hände, aber seine Augenlider flatterten unruhig, als die Roulettekugel zu rollen begann.
»Rien ne va plus. Nichts geht mehr«, sagte der Kesselcroupier mit monotoner Stimme. »Bitte nicht mehr setzen.«
Die Kugel begann über die Trennstege zu klappern.
Kamphuut griff an die Revers seiner Smokingjacke. Dann ließ er die Hände in die Taschen gleiten.
Das Klappern der Kugel verstummte.
»Sechs«, sagte der Kesselcroupier in die Stille hinein. »Sechs. Pair. Rouge.«
Der Rechen des Tischcroupiers harkte über den Tisch.
Kamphuuts linke Hand schloss sich um den Tausend-Mark-Chip.
»Bitte das Spiel zu machen.«
Kamphuut zögerte. Er lehnte sich zurück und schien zu überlegen.
»Spielen Sie nicht mehr?«, fragte hinter ihm jemand.
Kamphuut schüttelte den Kopf. Er sah über die Spieler hinweg auf die Wand, an der eine weiträumige Landschaft mit beruhigendem Grün hing.
»Bitte das Spiel zu machen.« Der Kesselcroupier hielt die Elfenbeinkugel zwischen Daumen und Zeigefinger.
Kamphuuts Hand zögerte über der Dreizehn. Dann ließ er den Tausend-Mark-Chip auf die Siebzehn fallen. »Ich spiele noch«, sagte er über die Schulter nach hinten. Auf seiner breiten Stirn hatten sich Schweißperlen gebildet.
»Verzeihung. Sie werden...«
Kamphuut fuhr zusammen. »Ja, was ist denn?«
»Ein Anruf für Sie«, flüsterte der Casinoangestellte. »Es ist dringend. »
»Gleich. Ich komme sofort. Nur dieses Spiel noch.«
»Rien ne va plus. Nichts geht mehr.«
Der Kesselcroupier hatte die Kugel geworfen. Das gleichmäßige Surren erfüllte den Raum.
Kamphuut fixierte den Tausend-Mark-Chip, während er vorsichtig den Stuhl zurückschob. Seine Lippen hatten sich geöffnet. Er atmete schnell.
»Fünfzehn. Impair. Noir«, sagte der Croupier an.
Der Casinoangestellte zog den Stuhl zur Seite. »Bitte, hier entlang. Das Telefon...«
»Danke, ich kenne den Weg.« Kamphuut ging mit schnellen Schritten über den tiefroten Teppich. Seine Arme pendelten wie die kraftlosen Glieder einer Marionette an den hängenden Schultern. Er stolperte über die Schwelle des Büros.
Der Casino-Angestellte hielt ihm den Telefonhörer hin und entfernte sich diskret.
»Ja, bitte? - Wer? Lurrup. Um Gottes willen! - Wann? - So. Unternehmen Sie, was möglich ist. - Nein, lassen Sie das. In seinem Zustand... Die können auch nicht mehr machen. - Das brauchen Sie mir nicht zu sagen. Ich will ihn unter allen Umständen bei uns behalten. - Natürlich übernehme ich die Verantwortung. Wer denn sonst? - Ist ja auch gar nicht gesagt, dass es sich um einen zweiten Infarkt handelt. Vielleicht nur eine Unregelmäßigkeit. - Dafür fehlt
Ihnen wohl die Erfahrung. Ich komme sofort.« Er hielt dem Casinoangestellten den Hörer hin. »Stehen Taxen draußen?«
»Reichlich, Herr Professor. Heute ohne eigenen Wagen?«
»Der ist in der Werkstatt.«
Kamphuut verließ das Direktionsbüro. Den dunkel gekleideten Mann, der außerhalb des Lichtkegels der Schreibtischlampe saß, hatte er nicht wahrgenommen.
»Mindestens zwanzig Mille hat er heute dagelassen«, sagte der Angestellte. »Er spielt hoch und riskant.«
»Das geht Sie gar nichts an. Diskretion bitte.«
»Selbstverständlich«, sagte der Angestellte. »Nur... Er verliert in letzter Zeit nur noch.«
»Wie die meisten, die unbedingt gewinnen wollen.«
»Ich weiß, dass wir für Infarktfälle nicht optimal ausgestattet sind«, sagte Kamphuut. Er streifte die Ärmel des Smokinghemds nach unten. Seine Hand zitterte, als er die Manschettenknöpfe durch die Löcher schob. Schweißverklebt hingen ihm graue Haarsträhnen in die Stirn. »Aber wie ich vermutet habe... Zum Glück kein zweiter Infarkt. Nur eine Komplikation. Das kann vorkommen. - Schenken Sie mal einen Cognac ein.«
Elke Riegella ging zu einem Wandschrank. Sie öffnete die Tür mit dem roten Kreuz auf weißem Grund. »Die Flasche ist leer«, stellte sie fest. »Es ist nur noch Whisky da.«
»Dann eben den. Aber pur. - War er besonders erregt, bevor das aufgetreten ist?«
»Mir ist nichts aufgefallen. Schwester Brigitte auch nicht. Jedenfalls hat sie mir nichts über irgendwelche Beobachtungen gesagt.«
»Ja, so ist das eben mit diesen superdynamischen Typen. Sobald die mal zur Ruhe kommen, erwischt es sie auch gleich richtig. Er ist eigentlich gar nicht der Infarkttyp. Da muss erst was anderes passieren, bevor die ihren Schuss vor den Bug kriegen. Die Prellungen von dem Unfall können das nicht ausgelöst haben.«
»Er hat sich von seinem Fahrer noch in der ersten Nacht Fachliteratur bringen lassen.«
»So ist er eben.« Kamphuut nahm der Ärztin das Whiskyglas aus der Hand. »Ich kenne ihn ja von frühester Jugend an. Der ewige Klassenerste und entsprechend eigenbrötlerisch. Einfach phantastisch, was er da aufgebaut hat. Aber das große Geld ist durch ein paar Patente reingekommen. Die laufen weltweit. Schon als Student hat er irgendwas rausgefummelt. In der Zeit haben andere über nutzlosen Dissertationen gesessen. Er hat sich von jeher viel zugetraut. Nun sogar noch diese junge Frau. Na, auf seine Gesundheit.«
»Sollten wir ihn nicht doch...«
»Auf gar keinen Fall.« Kamphuut stellte das dickwandige Glas hart auf die Fensterbank. »Er hat nicht das, was man als schweren Infarkt bezeichnen müsste. Der gehört mal zur Kur. Ruhe ist durch nichts zu ersetzen. In den Städtischen können sie bloß mehr apparative Medizin betreiben. Das ist alles. Die wissen mehr über ihre Patienten, weil sie sie an mehr Kontrollgeräte hängen können. Die lesen Tag und Nacht Daten ab. Den Heilungsprozess beschleunigen sie dadurch nicht im Geringsten. Der ganze Aufwand imponiert vielleicht den Angehörigen. Wie sich der Patient dabei fühlt, danach fragt keiner. Nein, der ist unter seinem Sauerstoffzelt ganz gut aufgehoben.« Kamphuut nahm einen Schluck Whisky. »Haben Sie ihn gefunden?«
»Nein, Schwester Brigitte.«
»Aha«, sagte Kamphuut. »Sie hat mir gegenüber mal Andeutungen gemacht, als ob sie kündigen wollte. Ich will nicht hoffen, dass Sie der Grund sind, Frau Kollegin.«
Elke Riegella lief rot an. »Ich bin mir...«
»Was Sie privat mit Schwester Brigitte haben, interessiert mich nicht. Wir sind ja moderne Menschen. Das kommt in jeder Klinik so oder so mal vor. Ich habe nur den Eindruck, dass sie Ihre Neigungen nicht teilt. Mein Eindruck kann täuschen. Ich möchte Sie nur bitten, Ihre Vorgesetztenstellung nicht auszunutzen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Ich glaube, wir haben uns verstanden.«
»Selbstverständlich«, flüsterte Elke Riegella.
»Na, nun mal nicht so betreten«, sagte Kamphuut in väterlichem Ton. »Ich finde sie ja auch ganz niedlich. Es muss eben nur beiden Spaß machen.«
Elke Riegella schluckte. »Ja.«
»Dann vergessen wir das also. - Ach, Sie haben nicht zufällig fünfzig Mark dabei? Ich brauche noch Geld für die Taxe und habe weiter nichts eingesteckt.«
»Ich leider auch nicht«, sagte Elke Riegella und verließ das Zimmer.
Kamphuut ging mit dem Glas zum Medikamentenschrank. Er griff nach der Flasche und hielt sie schräg gegen das Deckenlicht.
Das ist schiefgegangen. Der Winkel war zu ungünstig. Ich habe seine Geschwindigkeit unterschätzt. Aber man kann das ja vorher nicht üben. Mehr als ein paar böse Prellungen kann das nicht gebracht haben. Ich hätte mehr Gas geben müssen. Oder einfach voll von hinten draufknallen sollen. Ein Genickbruch ist immer noch die sauberste Sache. Obwohl... Die Kopfstützen halten fast alles ab. Er lebt. Ich habe das nicht einwandfrei hingekriegt. Wenn ich Glück habe, kann er sich an nichts erinnern. Das soll es geben. Manche stehen so unter Schock, dass sie einfach nichts mehr wissen. Mich kann er eigentlich nicht erkannt haben. Ich hatte mich hinter das Steuer geduckt. Die Zähne hätte ich mir dabei ausschlagen können. Zum Glück ist mir nichts passiert. Aber er lebt. Kann sogar sein, dass er den Wagen erkannt hat. Das will eben alles gelernt sein. Ich hätte irgendwo einen Wagen klauen sollen. Wenn ich nur wüsste, wie man die knackt. Und jeden Wagen kann man dafür auch nicht gebrauchen. Außerdem erhöht es das Risiko. Beim Autodiebstahl erwischt zu werden, das hätte mir in der Nacht noch gefehlt. Aber es bleibt dabei: optimal ist das nicht gelaufen. Ich habe vielleicht doch unüberlegt gehandelt. Mein Wagen sollte anschließend noch fahrbereit sein. Wenigstens das ist nicht schiefgelaufen. Kann man von dem Modell ja wohl auch verlangen. Die Stoßstange kann was ab. Die bauen die reinsten Panzer. Vorn rechts ein paar Lackschäden. Das ist alles. Und trotzdem ist es zu wenig, gemessen an dem, was ich wollte. Ich wollte es auf elegante Art erledigen. Das scheint nicht möglich zu sein. Er lebt. Und das ist gefährlich. Auch für ihn, denn er darf nicht leben. Jetzt erst recht nicht, weil ich nicht weiß, wieviel er bewusst registriert hat. Wer konnte denn auch ahnen, dass das nicht klappt. Ich hatte an alles gedacht. Bei seinen Lebensgewohnheiten war es ein Kinderspiel, den Unfall zu inszenieren. Sogar die Chance davonzukommen, ließ sich ungefähr kalkulieren. So genau, dass ich es wagen konnte. Stadtmitte und um die Zeit wie ausgestorben. Keine Fußgänger mehr unterwegs und keine Streifenwagen. Nicht so ein Viertel, in dem die Polizei ständig Streife fährt, weil sie die Besitztümer der Reichen bewachen oder die Armen unter Kontrolle halten muss. Da wohnen ein paar Hausmeister und sonst kaum jemand. Um die Zeit sitzen die Leute überhaupt vor dem Fernseher. Gerade heute lief im Spätprogramm eine Serie, in der es dauernd knallt und kracht. Gute Voraussetzungen, um einen Mord zu begehen. Gar nicht mal den perfekten Mord. Den scheint es doch nicht zu geben. Nur einen, bei dem möglichst keine Spuren Zurückbleiben. Oder jedenfalls nur solche, die auf keinen bestimmten Täter schließen lassen. Und Unfallflucht ist schließlich ein Dutzenddelikt. Keine Aufregung wert. Höchstens eine Zahl in der Statistik. Es lohnt nicht mal, nach einem beschädigten Fahrzeug zu suchen. Davon sind die Werkstätten voll. Die können sich nicht um jeden Unfallwagen kümmern oder die Garagen abklappern. Wer schlau ist, lässt seinen Wagen ein paar Tage in der Garage, bis genügend andere Unfallfahrzeuge angefallen sind. Solange kein konkreter Verdacht vorliegt, fangen die auch nicht an zu suchen. Aber jetzt könnten die einen konkreten Verdacht haben. Mich wundert, dass sie noch nicht angerückt sind. Ich habe die paar Kratzer extra nicht beseitigen lassen. Ein Wagen, der nach solchem Vorfall in der Werkstatt steht, macht die gleich neugierig. Sich untypisch verhalten, damit kann man Erfolg haben. Nun kommen sie wohl auch nicht mehr. Das heißt, dass er sie nicht auf meine Spur setzen konnte. Oder nicht wollte. Das wäre sogar schlimmer. Es würde zu ihm passen, mich in diesem Zustand der Ungewissheit zu halten. Angst verbreiten, das ist seine Art. Wozu braucht ein Mann wie er die Polizei. Er nimmt so was selbst in die Hand. Das sieht ihm ähnlich. Er, der Alleskönner, nimmt das selbst in die Hand und regelt es auf seine Weise. Oder denke ich in die falsche Richtung? Hat er wirklich keinen konkreten Verdacht? Das müsste man wissen. Obwohl es nichts an der Grundsituation ändert. Er muss weg.