Читать книгу Schatten über Adlig-Linkunen - Dieter Janz - Страница 6

Oktober 1887

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Anna und Maria genossen den herbstlichen Waldspaziergang. Es war ein sonniger Tag, die Blätter der Bäume waren in die herrlichsten Farben getaucht und für Oktober war es noch außergewöhnlich warm. Der Tag neigte sich dem Ende zu, und, wie in den ostpreußischen Masuren üblich, würde es bald deutlich kühler werden. Also sahen die beiden jungen Damen zu, jetzt so bald wie möglich nach Hause zu kommen. Zuhause war das Gut Adlig-Linkunen in Ostpreußen der Familie Kokies, Wilhelm-Antonius und Friederike. Maria war deren Tochter, das jüngere Kind, sie hatte einen noch vier Jahre älteren Bruder, Johannes, von allen meistens Hannes genannt. Dieser hielt sich jedoch, zum Leidwesen seines Vaters, selten in Linkunen auf. Er hatte sich der Juristerei verschrieben und daher ein Jura-Studium in Berlin begonnen. Sein Vater sah in diesem Vorhaben allerdings keinen Sinn; als künftiger Gutsherr brauchte man seiner Ansicht nach keine Kenntnisse im deutschen Reichsrecht. Zumal im Ostpreußen des angehenden 19. Jahrhunderts die Uhren bezüglich der Rechtssprechung und des Rechtsverständnisses etwas anders gingen als im übrigen Preußen. Die Gutsherren und der wohlhabende preußische Landadel waren weitgehend autonom. Auf den großen Gütern walteten und schalteten die Besitzer nach eigenem Gutdünken, teilweise betrachteten sie ihre Untertanen fast als Leibeigene. Andererseits übernahmen sie auch die Verantwortung für sie in jeder Hinsicht: Arbeit, Krankheit, Tod und Versorgung der Hinterbliebenen. Dies funktionierte manchmal mehr recht, manchmal mehr schlecht. Als einzige Autorität akzeptierten die Gutsherren mehr oder weniger den preußischen König und das preußische Militär. Das neuerdings vorhandene deutsche Reich war von geringem Interesse, der deutsche Reichstag ebenso. Dass es einen Deutschen Kaiser gab, nahm man als gegeben hin. Man hätte fast den Eindruck bekommen können, und böse Zungen behaupteten dies sogar, beim ostpreußischen Landadel war die Tatsache, dass der Deutsche Kaiser und der preußische König ein und dieselbe Person waren, nicht bekannt. Im Gegenzug versorgte Ostpreußen das Militär mit Soldaten und Offizieren; als fast ausschließliches Agrarland war es von enormer Bedeutung für das restliche Reich. Die zweit- und drittgeborenen Söhne des Gutsherrn hatten keinen Anspruch auf das Erbe des Gutes, also bot sich für sie eine militärische Karriere als Offizier an. Einer aus ihren eigenen Reihen hatte eine politische Laufbahn eingeschlagen und es immerhin zum Reichskanzler des neumodischen Deutschen Reiches gebracht, ein gewisser Otto von Bismarck.

Im Großen und Ganzen hielt man in Ostpreußen an den alten hierarchischen Strukturen fest. Umso außergewöhnlicher war das Verhältnis zwischen Anna und Maria. Die beiden waren wie Schwestern, etwa gleichaltrig und fast unzertrennlich. Sie waren gemeinsam auf dem Gut Adlig Linkunen aufgewachsen. Solche Freundschaften stellen nicht unbedingt etwas Besonderes dar; nur, Maria war die Tochter der Herrschaften, Anna die von Friedrich und Berta Doepius. Friedrich hatte die Stellung des Butlers im Herrenhaus Kokies, Berta war die Zofe von Friederike Kokies. Es war zwar nicht die Regel, aber hin und wieder kam es schon vor, dass die Kinder von Angestellten und die der Herrschaften gemeinsam aufwuchsen, miteinander spielten und später einen Teil ihrer Freizeit miteinander verbrachten. Aber ein so enges Verhältnis wie zwischen Anna und Maria war etwas ganz Außergewöhnliches, zumal, was die soziale Stellung ihrer Eltern anbelangte, Welten zwischen ihnen lagen. Innerhalb der Dienerschaft hielten Butler und Zofe eine relativ hohe Rangordnung ein, aber dass sich ihre Tochter auf derselben gesellschaftlichen Ebene bewegte wie die ihrer Dienstherren war schon etwas ganz Besonderes. Herr und Frau Kokies behandelten Anna fast wie eine eigene Tochter. Sie durfte am Unterricht durch die Hauslehrer von Maria und Hannes teilnehmen, wodurch sie zu höheren Bildungsweihen gelangte. Auch Hannes sah in Maria fast seine zweite Schwester; der Kontakt zu ihm war in der letzten Zeit etwas spärlich, da er sich die meiste Zeit zwecks Studiums in Berlin aufhielt.

Anna und Maria waren also auf dem Weg nach Hause, als Maria seitlich unter ein paar Büschen im Wald eine Gruppe Steinpilze stehen sah.

„Anna, die können wir uns nicht entgehen lassen!“, rief sie laut aus.

„Was können wir uns nicht entgehen lassen?“, fragte Anna nach.

„Da, sieh doch, die Steinpilze! Die holen wir uns noch!“ Kaum hatte sie es ausgesprochen, als sie auch schon im Wald verschwand.

„Maria, lass das, es ist schon recht spät! Die Pilze stehen auch morgen noch da; lass uns nach Hause gehen, bevor es dunkel wird. Wir müssen mindestens noch eine Viertelstunde laufen!“ Doch Maria hörte nicht auf Annas Einwände. Anna blieb auf dem Weg stehen, sie verspürte keine Lust, Pilze zu sammeln und wartete ungeduldig auf Marias Rückkehr. Von ganz fern konnte man ein leises Hufeklappern hören, das langsam näher kam. Der oder die Reiter schienen auf demselben Weg zu sein wie die beiden Mädchen, das heißt nur Anna, denn Maria war ja im Wald verschwunden.

Der Weg war ziemlich gerade, so dass man die Pferde bald sehen würde. Und plötzlich tauchten in der Ferne drei Reiter auf, die sich im schnellen Galopp auf sie zu bewegten, offensichtlich, um zum Gut Linkunen zu gelangen. Anna konnte nicht erkennen, um wen es sich handelte. Sie kamen in rasantem Tempo näher und kurz bevor sie Anna erreicht hatten, bemerkte diese, dass die drei Gestalten vermummt waren. Plötzlich bekam sie es mit der Angst zu tun und verspürte den Drang, in den Wald zu Maria zu flüchten, blieb jedoch wie gelähmt auf der Stelle stehen. Die Gruppe erreichte sie. Anna öffnete den Mund und wollte schreien, brachte aber keinen Ton hervor. Zwei der Reiter drängten sie in ihre Mitte und einer von den beiden schnappte sie an den Armen und zog sie auf sein Pferd, als sei sie nur eine Feder. Dann machten sie auf der Stelle kehrt und galoppierten in die Richtung davon, aus der sie gekommen waren. Jetzt erst gelang es Anna zu schreien, keine Worte, kein „Hilfe“, sondern nur einen langen, schrillen, Schrei.

Inzwischen war Maria aus dem Wald gerannt gekommen. Sie hatte sämtliche Pilze fallen gelassen, ihre Röcke gerafft und lief, sinnloserweise, den davoneilenden Reitern nach, ständig „Anna! Anna!“ rufend. Diese bemerkten Maria überhaupt nicht und waren schnell verschwunden. Maria blieb stehen, blickte nur fassungslos in die Richtung, in der die drei Gestalten mit Anna von dannen geritten waren. Als sie begriff was passiert war, nahm sie ihre Beine in die Hand und rannte so schnell wie es ging nach Linkunen.

Die drei Gestalten waren etwa zehn Minuten ununterbrochen mit Anna im vollen Galopp geritten, als sie plötzlich anhielten. Anna versuchte sich verzweifelt zu wehren, zu treten, wild um sich zu schlagen, doch die drei Männer hatten sie schnell fest im Griff. Sie fesselten sie an Armen und Beinen und verbanden ihr Augen und Mund. Dann saßen sie wieder auf. Anna wurde wie ein Sack Mehl von einem der Reiter über den Rücken des Pferdes gelegt. Der Ritt ging nun in demselben Tempo weiter wie zuvor. Wie lange sie unterwegs waren, konnte Anna nicht beurteilen; ihr war, als ob sie zwischendurch bewusstlos wurde. Schließlich stoppte die Gruppe. Anna wurde vom Pferd gehoben, sie war inzwischen völlig widerstandslos. Da sie an den Füßen gefesselt war, musste sie getragen werden. Nach ein paar Metern hörte sie, wie eine knarrende Tür geöffnet wurde und sie vermutete, dass sie einen Raum betraten. Jetzt wurde Anna auf einen Sessel gesetzt. Seltsamerweise geschah dies alles recht behutsam. Nach dem abenteuerlichen und alles andere als sanften Ritt, hatte sie eine solche Behandlung nicht erwartet. Ihre Entführer sprachen kein einziges Wort. Man nahm ihr zunächst die Augenbinde ab und Anna fand sich in einem Raum wieder, der sich offenbar in einem Holzhaus oder einer großen Holzhütte befand. Er war spärlich, aber nicht unbedingt ungemütlich eingerichtet. Sie saß auf einem abgeschabten, grauen Ohrensessel, der aber recht bequem war. Dieser befand sich ziemlich in der Mitte des Raumes, mit dem Rücken zu der Tür, durch die sie hereingekommen waren. An der Wand gegenüber stand ein Herd, der allerdings nicht befeuert wurde; etwas seitlich davon befand sich eine weitere verschlossene Tür. Die beiden anderen Wände waren mit jeweils zwei kleinen Fenstern versehen, die nicht mit Gardinen behangen oder Läden verschlossen waren, so dass Anna erkennen konnte, dass draußen inzwischen tiefe Dunkelheit herrschte. Ansonsten befanden sich noch ein robuster Holztisch mit vier Stühlen und eine Chaiselongue, mit einer Wolldecke darauf, im Raum.

Über dem Herd hing ein Regal mit diversem metallenen Koch- und Essgeschirr, Löffeln aus Holz und Messern. Ihre drei Entführer waren noch immer vermummt und stumm. Anna bemerkte, dass sie mit Pistolen und Messern bewaffnet waren, von oben bis unten schwarz gekleidet, ihre Kapuzen enthielten nur an den Augen, Nasen und Mündern kleine Schlitze. Einer von ihnen machte sich jetzt am Herd zu schaffen und entfachte ein Feuer, das laut zu knistern anfing. Ein anderer bereitete einen Wasserkessel vor, den er auf den Herd stellte. Der Dritte stand ihr schweigend gegenüber, etwas breitbeinig, so dass ihr sofort klar wurde: jeglicher Versuch, etwas ihrerseits zu unternehmen, wäre zwecklos. Anna litt furchtbare Angst. Selbst wenn sie hätte schreien können, es hätte nichts genutzt. Wahrscheinlich hielten sie sich hier an einem völlig einsamen Ort auf, mitten in den masurischen Wäldern, fern ab von jeglicher menschlichen Besiedlung. Plötzlich fing sie an zu zittern, was ihr anfangs zu unterdrücken gelang, brach jetzt völlig aus ihr heraus. Ihr Bewacher trat auf sie zu; sie geriet in Panik, hatte keine Möglichkeit, ihr Gesicht mit den gefesselten Händen vor möglichen Schlägen zu schützen. Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Die vermummte Gestalt legte sanft die rechte Hand auf ihren Kopf und flüsterte: „Sei ruhig, sei ruhig! Dir wird nichts geschehen.“ Anna starrte ihn an, direkt in die von den Schlitzen freigegebenen Augen. Und dieser Blick war keineswegs feindselig, man hätte fast meinen können, diese Augen lächelten sie an! So grotesk es in dieser Situation auch war, Anna beruhigte sich, das Zittern ließ nach. Noch einen Augenblick lang sahen sie sich an, dann zückte die Gestalt ein Messer, aber eher langsam und bedächtig, als um zu demonstrieren, dass keine Gefahr bestand, und zerschnitt Annas Hand- und Fußfesseln. Unwillkürlich rieb sie sich ihre Handgelenke, obwohl diese nicht schmerzten. Die anderen beiden Männer waren damit beschäftigt, irgendetwas Essbares zuzubereiten. Der eine unterbrach seine Tätigkeit und kam zu Anna, die nun ohne Fesseln zusammengesunken in dem Sessel saß. Er sprach sehr leise und mit einem russischen Akzent: „Hör zu Maria, dir wird nichts angetan, aber du musst tun, was wir verlangen. Das ist nicht viel. Du musst einfach nur eine Weile hier bleiben, bis wir dich wieder fortbringen; keine Fragen stellen, keinen Aufstand machen. Du wirst eine Zeit lang hier leben, schlafen und essen. Dann wirst du wieder frei sein. Nicht schreien, nicht rufen, nur das Nötigste reden. Ist das klar?“ Anna wollte gerade sagen „Aber ich bin nicht Maria, ich bin Anna!“, als sie erkannte, dass das die Situation nur komplizierter machen konnte. Eine Verwechslung! Man hatte Maria entführen wollen und sie erwischt. Die drei Gestalten glaubten, sie hätten die Tochter der Herrschaften Kokies in ihrer Gewalt! Wenn sie sich jetzt als Anna Doepius zu erkennen gegeben hätte, blieb die Möglichkeit, dass sie ihr nicht glaubten, oder dass sie diese als völlig nutzlos betrachteten. Nicht auszudenken, was im zweiten Fall geschehen würde! Nutzlos in den Augen von skrupellosen Entführern zu sein, bedeutete zweifellos den sicheren Tod. Also widersprach Anna nicht. Sie nickte nur. Sie hatte Tränen in den Augen und einen Kloß im Hals. Das alles war zu viel für sie. Ihr bisheriges Leben war recht sorglos verlaufen; sie liebte ihre Eltern und fühlte sich von ihren Eltern geliebt. Sie hatte sich immer geborgen und beschützt gefühlt. Sie hatte Maria und Hannes als Freunde, ja, die Herrschaften Kokies erkannte sie jetzt als liebevolle Angehörige. All das war jetzt weit, sehr weit weg. Anna brach in Tränen aus. Nun hielt auch die dritte Gestalt inne in ihren Tätigkeiten am Herd. Außer dem Schluchzen und dem Knistern des Feuers im Herd war nichts in dem Raum zu hören. Da kam wieder die erste vermummte Gestalt, legte die Hand auf ihren Kopf und sagte: „Frau, beruhige dich, wir werden dir nichts tun, lass gut sein!“ Anna wurde etwas ruhiger. Plötzlich drehte sich der Geselle, der bisher am Herd zugange war, um, schmiss das in seiner Hand befindliche metallene Geschirr zu Boden und schrie: „Ich halte das nicht mehr aus!“, öffnete die Tür neben dem Herd und verschwand dahinter.

So schnell war Maria noch nie in ihrem Leben gerannt. Weder ihre Reifröcke noch die fürs Rennen völlig ungeeigneten Schuhe hinderten sie daran. Endlich erreichte sie das Haus des Gutsverwalters.

Otto Goldfeld war schon Gutsverwalter zu Zeiten der Eltern von Wilhelm-Antonius Kokies. Er war das, was man am besten mit einer „treuen Seele“ beschreibt, dazu ein freundlicher liebenswürdiger Herr. Er bewohnte das Verwalterhaus mit einer Magd, die ihm und einem gutmütigen Jagdhund, einem ebenfalls betagten Zeitgenossen, der längst nicht mehr zur Jagd taugte, den Haushalt bestellte. Goldfeld war schon seit Jahren Witwer. Trotz seines hohen Alters konnten Kokies sich auf ihn als perfekten und zuverlässigen Gutsverwalter hundertprozentig verlassen. Seine altersbedingten körperlichen Gebrechen kompensierte er völlig durch seinen hellwachen Verstand. Auf den ersten Blick wirkte er durchaus jünger, als er tatsächlich war; er war immer noch eine stattliche Erscheinung, relativ groß, mit schon grauem, aber dennoch vollem, Haar, einem gepflegten Kaiser-Wilhelm Bart und stets einem gutmütigen Lächeln auf den Lippen. Letzteres verging ihm aber, als er Maria auf das Haus zurennen sah. Ihre Frisur war völlig aufgelöst, ihre Kleidung unordentlich. Er stand in der Haustür und Maria fiel wie ein Kind in seine Arme. Für sie war Goldfeld weniger ein Angestellter ihres Vaters; sie sah in ihm eher einen Ersatz-Großvater, weshalb sie ihn auch Opa Otto nannte. Ihre eigenen Großeltern, sowohl väterlicher- als auch mütterlicherseits, hatte sie kaum gekannt, sie waren verstorben, als sie noch ein kleines Kind war.

Außer Atem brachte Maria in den Armen von Goldfeld kaum ein Wort heraus, sie stammelte nur: „Anna, Anna…“ Er glaubte Anna sei ein Unfall zugestoßen, vielleicht sei sie gestürzt, über eine Wurzel gestolpert, hatte sich den Fuß gebrochen und lag nun hilflos im Wald bei der zunehmenden Dunkelheit.

„Was ist mit Anna geschehen, Maria? Nun beruhige dich erst einmal, komm ins Haus!“ Vorsichtig führte er Maria in seine Wohnstube, wo in einem Kachelofen ein Feuer knisterte. Inzwischen war Erna, die Magd, aus der Küche gekommen und verfolgte das Geschehen mit sichtlichem Erstaunen, immer wieder „Oh Gottje, oh Gottje, das gnädige Fräuleinje!“ rufend, ohne überhaupt zu wissen, worum es ging.

Nachdem Goldfeld Maria vorsichtig auf einem bequemen Sessel platziert hatte, fand sie langsam wieder ihre Fassung.

„Maria, was ist geschehen, hatte Anna einen Unfall?“, fragte er erneut.

„Nein, sie ist entführt worden“, antwortete sie, wobei ihr bei ihren eigenen Worten ein Schauer über den Rücken lief. Otto Goldfeld verstand zunächst nicht, was sie meinte.

Wenn eine junge Frau zur damaligen Zeit entführt wurde, war das meistens eine vornehme Umschreibung dafür, dass sie durchgebrannt war, meist mit einem Liebhaber, den die Eltern missbilligten. Er konnte aber diesbezüglich keinen Zusammenhang mit Anna herstellen, vor allem nicht im Rahmen eines Waldspazierganges mit ihrer Freundin. Und die Tatsache, dass Maria völlig aufgelöst bei ihm angekommen war, ließ auf ein schlimmes Ereignis schließen.

Er wiederholte sich: „Maria, was um Himmels Willen ist geschehen?“. Endlich war Maria so weit beruhigt, dass sie einigermaßen zusammenhängend erzählen konnte, was sich ereignet hatte. Jetzt erkannte er sofort den Ernst der Lage. Er sagte zu Erna, die in der Zimmertür stand und mit weit geöffnetem Mund und aufgerissenen Augen zugehört hatte: „Lauf so schnell du kannst zu Peer und richte ihm aus, er soll mit allen Wildhütern, derer er so schnell wie möglich habhaft werden kann, sofort zum Herrenhaus kommen. Ich werde auch dort sein. Verlier keine Zeit, lauf los!“ Erna drehte sich auf dem Absatz um und eilte davon.

Bei Peer handelte es sich um den Wildhüter Nummer Eins des Gutes Linkunen, gewissermaßen den Chef-Wildhüter.

Goldfeld wandte sich Maria zu: „Wir beide gehen jetzt zu deinen Eltern, sie machen sich bestimmt schon Sorgen. Wir müssen auch Friedrich und Berta unterrichten, das wird nicht leicht sein. Fühlst du dich in der Lage, die paar Meter zu laufen oder soll ich eine Kutsche anspannen?“

„Natürlich schaffe ich das!“, antwortete Maria und wollte noch hinzufügen: „Die lächerlichen zwei- bis dreihundert Meter bis zum Herrenhaus! Ich bin die ganze Strecke durch den Wald gerannt!“ Aber sie unterließ es; Opa Otto hatte es gut gemeint und war besorgt um sie, die Worte hätten ihn vielleicht gekränkt. Sie sagte auch nicht, dass sie ja gleich aus dem Wald nach Hause hätte rennen können, sein Haus aber das Nächstliegende war und sie deshalb sofort zu ihm gekommen war. Also machten sie sich auf den Weg. Schweigend gingen sie nebeneinander her. Nach ein paar Metern ergriff Maria Ottos Arm und lehnte sich an ihn. Jetzt merkte sie, dass seine Frage, ob sie es schaffen würde, gar nicht so unberechtigt war. Die letzten Meter kamen ihr schwerer vor als die ganze Strecke durch den Wald.

Das Herrenhaus war hell erleuchtet, das Hauptportal war nicht verschlossen, so dass sie, ohne die Glocke betätigen zu müssen, eintreten konnten. Im Vestibül hielt sich niemand auf, so dass ihre Ankunft auch von niemandem bemerkt wurde. Maria schlug sofort den Weg zum Arbeitszimmer ihres Vaters ein, in der Hoffnung, ihn dort anzutreffen. Goldfeld folgte ihr. Dort angekommen öffnete sie die Tür ohne anzuklopfen. Dies hätte sich Goldfeld nie gewagt, obwohl die Regeln auf Gut Adlig-Linkunen bei weitem nicht so streng waren wie auf anderen Gütern. Unter anderen Umständen hätte Maria auch angeklopft, aber jetzt verschwendete sie keinen Gedanken daran. Tatsächlich hielt sich Wilhelm-Antonius in seinem Zimmer auf und, was relativ selten geschah, auch Friederike, ihre Mutter. Als Maria eintrat, riefen ihre Eltern fast wie aus einem Munde: „Gott sei Dank!“ Und ihre Mutter fügte hinzu: „Warum kommt ihr so spät nach Hause, das Personal hat sich sogar schon gesorgt, insbesondere natürlich Friedrich und Berta!“

Erst jetzt bemerkten sie Otto Goldfeld, der nun auch das Zimmer betrat und die Tür hinter sich schloss. Aus der Situation heraus war deutlich zu erkennen, dass etwas passiert war. Und nun hörte man von draußen das Klappern vieler Pferdehufe und Hundegebell.

„N’Abend“, sagte Goldfeld etwas verlegen, während Herr und Frau Kokies ihn anstarrten. „Maria wird Ihnen erzählen, was passiert ist. Wenn die Herrschaften mich bitte entschuldigen wollen. Draußen haben sich die Wildhüter versammelt und ich muss Anweisungen geben. Es wäre auch ratsam, wenn sie nach dem Butler und Berta schicken würden. Es geht um Anna.“

Friederike spürte, wie ihr die Knie weich wurden. Sie suchte sich einen Stuhl, Wilhelm-Antonius schaute aus dem Fenster und erblickte etwa ein halbes dutzend Wildhüter zu Pferde mit Fackeln in den Händen, die Gewehre geschultert, mit ihren Jagdhunden. Maria sah aus, als ob sie den Teufel gesehen hätte. Ihre Aufmachung entsprach ganz und gar nicht mehr dem Zustand, als sie mit Anna von zuhause aufgebrochen waren. Ihr Vater ging zu ihr und führte sie zu seinem Ohrensessel, einem mächtigen Möbelstück im Arbeitszimmer, damit auch sie sich setzen konnte. Er war auch derjenige, der zuerst die Sprache wieder fand.

„Was ist euch zugestoßen, Maria, seid ihr überfallen worden?“ Maria nickte mit dem Kopf und fing an, die gesamte Geschichte zu erzählen. Als er hörte, dass Anna die Hauptbetroffene war, sagte er: „Warte einen Moment, wir wollen Friedrich holen.“ Er läutete nach dem Butler und ein paar Minuten später erschien er im Arbeitszimmer.

Wohlahnend, dass Anna etwas zugestoßen sein könnte, kam Berta gleich mit. Als alle im Zimmer versammelt waren, sprach Wilhelm-Antonius zum Butler und dessen Frau Berta gewandt: „Friedrich, Berta, wie wir so eben erfahren haben, sind Anna und Maria von drei unbekannten Reitern überfallen worden. Unglücklicherweise haben sie dabei Anna entführt. Maria wird uns jetzt die Einzelheiten berichten.“ Mit den letzten Worten drehte er sich zu seiner Tochter um, damit sie dies unglückselige Erlebnis erzählen konnte. Maria hatte sich inzwischen wieder soweit im Griff, dass sie ohne hysterische Elemente und relativ langsam sprechen konnte. Während ihrer Rede fing Berta leise an zu schluchzen und auch Friedrich musste mit den Tränen kämpfen. Friederike stand auf und ging zu ihrer Zofe, die auf einem Stuhl nahe ihrem saß und legte vorsichtig einen Arm auf Bertas Schulter. Alle gesellschaftlichen Regeln in den Wind schießend, schmiegte diese sich an Friederike und aus dem leisen Schluchzen wurde ein lautes Weinen. Als Maria ihre Ausführungen beendet hatte, herrschte ein paar Minuten betretenes Schweigen. Nur Bertas Weinen erfüllte den Raum. Gutsherr Kokies sagte schließlich: „Wir werden alles Erdenkliche tun, um Anna zu finden und zu befreien. Ich denke, sie ist wohlauf.“ Woher er die letzte Vermutung nahm, erklärte er nicht. Es war wohl mehr der Versuch eines Trostes denn eine ehrliche Überzeugung. Dann fuhr er fort: „Goldfeld, zuverlässig wie immer, hat offenbar einige Wildhüter mobilisiert und sie durchkämmen den Wald mit Hunden. Des Weiteren überlege ich mir, ob wir nicht morgen die Kriminalpolizei hinzuziehen. Es handelt sich immerhin um ein schwerwiegendes Verbrechen und wenn die Täter gefasst sind, müssen sie zweifellos einem Gericht zugeführt und verurteilt werden!“

In der Tat gab es in der nächstgelegenen Kleinstadt Hirschburg eine kriminalpolizeiliche Abteilung. Sie wurde durch einen Polizeileutnant namens Peter Bouffier und dessen Assistenten Gustav Hinrich vertreten. Bouffier war Hugenotten-Nachkomme und wurde deshalb hin und wieder als „der Franzmann“ in der Bevölkerung bezeichnet. Er hatte in der preußischen Armee gedient, aber das Militärische entsprach nicht seinem Wesen und eine glänzende Offizierskarriere war für ihn kaum zu erwarten. Auch die Tatsache, dass er keinen Adelstitel führte, wirkte sich eher hinderlich aus. Die entscheidende Rolle spielte aber die Tatsache, dass er sich in eine junge Frau aus einfachen Verhältnissen verliebt hatte. Als preußischer Offizier der unteren Dienstgrade bedürfte es für eine Heirat der Genehmigung der Heeresleitung, dies wiederum war von der finanziellen Situation abhängig. Ein preußischer Leutnant genoss durchaus ein hohes gesellschaftliches Ansehen, seine Einkünfte standen aber keinesfalls im Verhältnis zu dieser sozialen Achtung. Mit seinem Gehalt war er kaum in der Lage, einen angemessenen Haushalt mit Dienstboten zu unterhalten. Wenn also weder er noch seine zukünftige Frau über private Mittel verfügten, hatte er kaum eine Chance, dass eine Eheschließung genehmigt wurde. Andererseits konnte er ehrenhaft aus der Armee entlassen werden und hatte dann Anspruch auf eine Stellung als preußischer Beamter und diese Möglichkeit nahm er in Anspruch. So kam er auf den Posten des Polizeileutnants im ostpreußischen Hirschburg, heiratete seine Elisabeth und führte ein beschauliches Leben. Mord und Totschlag oder auch Entführungen gehörten absolut nicht zum Alltag in seinem Wirkungsbereich. Der ihm unterstellte Hauptwachtmeister Gustav Hinrich war von Beginn seiner beruflichen Laufbahn an Polizist. Ein korrekter, etwas steif wirkender Beamter Mitte 50, gut 20 Jahre älter als sein Chef. Auch wenn er versuchte, so viel Autorität wie möglich auszustrahlen, konnte man ihn dennoch als gutmütig bezeichnen.

Wilhelm-Antonius Kokies würde also am nächsten Tag die beiden Polizeibeamten bitten lassen, nach Adlig-Linkunen zu kommen. Die Krisensitzung in Kokies Arbeitszimmer wurde aufgelöst, Friederike rief nach der Haushälterin und bat sie, sich um Berta zu kümmern, während sie sich selbst ihrer Tochter zuwandte; auch der Butler schickte sich an, das Arbeitszimmer zu verlassen.

„Ach, Friedrich bleiben Sie doch noch einen Moment hier, ich möchte noch unter vier Augen mit Ihnen reden“, sagte jedoch Kokies und bat ihn, Platz zu nehmen.

Der Butler war eine stattliche Erscheinung, recht groß, breitschultrig und mit vornehmem, fast edel wirkendem Gesicht. Sein Haar war dunkel und noch voll. Er hatte stets eine gerade Haltung, nicht steif, sondern eher würdevoll. Aber jetzt bot sein Erscheinungsbild einen völlig anderen Anblick. Er wirkte eingesunken, sein Gesicht grau, von Gram gezeichnet. In dem Sessel, in dem er jetzt saß, wirkte er fast wie ein Häufchen Elend.

„Friedrich, Sie und Berta sind schon sehr lange bei uns und haben uns immer treu gedient“, sprach Kokies. „Im Laufe der Jahre ist mehr als nur ein Angestelltenverhältnis entstanden, ich möchte es fast als eine Art Freundschaft bezeichnen. Anna bedeutet meiner Frau und mir sehr viel, sie ist für uns wie eine zweite Tochter. Unser ganzes Mitgefühl gilt Ihrer Familie.“

Wilhelm-Antonius legte einen Arm auf Friedrichs Schulter. Dieser brachte nur ein tränenersticktes „Danke, danke“ hervor.

„So, und jetzt entlasse ich Sie zu Ihrer Frau, die braucht Sie jetzt dringend.“

An ein ordentliches Abendessen war an diesem Tag nicht mehr zu denken. Friederike, Wilhelm-Antonius und ihre Tochter nahmen im Kaminzimmer einen kleinen Imbiss ein.

„Ich kann immer noch nicht glauben, was passiert ist, alles kommt mir vor wie ein Albtraum, ich hoffe ständig aufzuwachen und der Spuk ist vorbei“, sagte Maria in leisem Ton.

„Geh auf dein Zimmer und leg dich hin, versuche, ein wenig zu schlafen.“ antwortete ihre Mutter.

Aber an Schlaf war diese Nacht bei keinem im Hause zu denken. Auch Friederike und Wilhelm-Antonius hatten sich in ihr Schlafzimmer zurückgezogen, das Licht gelöscht und versuchte ein wenig Ruhe zu finden; aber sie machten dennoch kein Auge zu. Immer wieder sprachen sie miteinander. Friedrich und Berta hatten sich gar nicht erst hingelegt, zu groß waren die Aufregung und die Sorge um ihre Tochter.

In den frühen Morgenstunden des nächsten Tages, es war noch dunkel draußen, kehrten Peer und seine Wildhüter aus den Wäldern zurück. Peer ließ sich sofort bei Herrn Kokies melden und dieser empfing ihn, nachdem er sich so schnell wie möglich angekleidet hatte. Entsprechend war sein äußeres Erscheinungsbild. Wilhelm-Antonius legte noch nie großen Wert auf besonders elegante Kleidung und seine Frau musste noch oft Hand an ihn legen, um seine Kleidung und Frisur zu korrigieren. Dies glich zuweilen einem kleinen Kampf, wenn er sich sträubte und Friederike darauf bestand, dass er dieses oder jenes Kleidungsstück wechselte oder noch einmal von einem Kamm Gebrauch machen sollte.

„Wundere dich nicht, wenn eines Tages ein Fremder hier erscheint und dich bittet, ihn deinem Herrn zu melden“, war einer ihrer häufigsten Sätze in diesem Zusammenhang. Aber an diesem Morgen achtete nicht einmal sie auf seine Aufmachung. Kokies, ein großer, schlanker, dunkelhaariger Mann, wirkte heute fast wie eine Vogelscheuche. Er empfing Peer in seinem Arbeitszimmer und bemerkte sofort dessen niedergeschlagene Haltung.

„Wir haben die ganze Nacht über gesucht, jede uns bekannte Höhle und Hütte durchsucht. Nichts. Keine Spur von Anna und den Entführern. Es hat nicht geregnet, der Boden ist trocken, so dass keine nennenswerten Hufspuren zu erkennen sind“, sprach Peer und fuhr fort:

„Die Männer brauchen jetzt eine Pause, aber wir wollen bei Tageslicht die Suche fortsetzen. In der Dunkelheit kann man leicht etwas übersehen.“

„Ich weiß, dass Sie alles in Ihrer Macht stehende tun“, antwortete Wilhelm-Antonius.

„Und bin Ihnen auch sehr dankbar dafür. In der Tat müssen Sie Ihr Äußerstes geben. Ich bitte Sie, bei Tagesanbruch jemanden nach Hirschburg zu schicken und Bouffier zu beauftragen, nach Adlig-Linkunen zu kommen.“

Kaum hatten sie ihr Gespräch beendet, als Otto Goldfeld an der Tür des Arbeitszimmers klopfte.

„Herein“, rief Kokies und der Verwalter betrat außer Atem den Raum, in der Hand einen mittelgroßen Zettel haltend. Peer hatte sich schon verabschiedet und war gegangen.

„Herr Kokies…“, begann Otto zu sprechen und musste sofort wieder eine Pause machen, um Luft zu holen. Er litt schon seit Jahren an Asthma, was sich in Alltagssituationen kaum bemerkbar machte, großen Anstrengungen war er jedoch nicht mehr gewachsen. Es war offensichtlich, dass er im Laufschritt zum Herrenhaus geeilt war. Nun hielt er Kokies den Zettel hin und fuhr fort: „Das da lag bei mir… bei mir vor der Tür. Irgendjemand muss diesen Zettel dort deponiert haben, ohne dass ich oder Erna es bemerkt haben.“

Kokies nahm das Schriftstück entgegen. Darauf war in Druckbuchstaben und in verstellter Schrift erkennbar eine Lösegeldforderung für „Maria“ geschrieben. Der Verfasser machte genaue Angaben wo, wann und wieviele Goldmark zu deponieren sei. Das Schreiben war an die Herrschaften Kokies gerichtet.

„Hier liegt eindeutig eine Verwechslung vor“, sagte Wilhelm-Antonius.„Die glauben, sie haben Maria entführt. Mein Gott, nicht auszudenken, was passiert, wenn sie das bemerken. Friedrich und Berta können das Lösegeld unmöglich aufbringen und wenn den Halunken diese Tatsache bewusst wird, bedeutet das den sicheren Tod für Anna. Sie ist dann von keinem Nutzen mehr für sie, nur eine lästige Zeugin.“

Es klopfte an der Tür und nach Kokies‘ „Herein“ betrat Friedrich das Zimmer und sagte: „Entschuldigung, Herr Polizeileutnant Bouffier und Herr Hauptwachtmeister Hinrich haben sich angemeldet. Ich habe sie in die Bibliothek gebeten.“

„Sehr gut, Friedrich. Ich werde gleich zu ihnen gehen.“

Kokies erwähnte den Zettel mit keinem Wort und fuhr fort: „Bitten Sie meine Frau Berta und Maria ebenfalls in die Bibliothek, ich wünsche auch Ihre Anwesenheit.“

Der Butler nickte kurz und verschwand wieder. Goldfeld verabschiedete sich mit den Worten: „Ich werde im Verwalterhaus sein und stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung.“

„Danke, Goldfeld, danke. Ich nehme an, die Polizei wird auch Sie als Zeugen vernehmen wollen.“

Als Wilhelm-Antonius die Bibliothek betrat, waren alle anderen schon anwesend. Maria hatte inzwischen Bouffier die ganze Geschichte erzählt, der ihr aufmerksam zugehört hatte, ohne sie zu unterbrechen. Kokies begrüßte die Anwesenden und bat sie, Platz zu nehmen. Er blieb als Einziger stehen und hielt mit einer Hand den Entführer-Zettel wortlos in die Höhe. Dann sagte er: „Dies hier hat Goldfeld vor kurzem vor seiner Tür gefunden. Es ist ein Schreiben der Entführer, sofern es überhaupt das Prädikat ‚Schreiben‘ erhalten darf. Hierin stellen sie ihre Forderungen bezüglich Annas Freilassung. Natürlich geht es um Lösegeld.“

Peter Bouffier stand sofort auf, ging auf Kokies zu und sagte: „Entschuldigen Sie bitte, aber das ist ein wichtiges Beweismittel, das ich unverzüglich beschlagnahmen muss!“, und griff nach dem Zettel, um ihn an sich zu nehmen. Kokies war ob soviel Selbstbewusstsein und Resolutheit derart verdattert, dass er sich den Schrieb ohne weiteres aus der Hand nehmen ließ.

„Bitte lassen Sie sich in Ihren Ausführungen nicht weiter stören, ich bin für jede Information dankbar.“ Mit diesen Worten setzte sich Bouffier wieder hin und schaute sich den Zettel genau an.

Jeder im Raum erwartete nun den Protest des Herrn Kokies über ein derartig respektloses Verhalten des Polizisten, aber Wilhelm-Antonius lächelte, offenbar positiv von dem Verhalten Bouffiers beeindruckt.

„Junger Mann“, sprach er zu ihm, „ich hoffe, Ihre Ermittlungen in diesem für uns alle so persönlichen und, ja so muss man es sagen, zutiefst belastenden Fall werden so…“, Kokies musste überlegen, wie er es formulieren sollte, „werden so bestimmt erfolgreich geführt, wie Sie es uns hier zu demonstrieren bereit waren!“

Bouffier las den Entführerbrief zu Ende, schaute dann zu Herrn Kokies auf und sagte: „Ja, natürlich, der Herr! Wie viele Menschen hatten den Zettel in der Hand, nachdem er gefunden wurde?“

„Soweit ich weiß, nur Goldfeld und ich, sonst niemand. Warum fragen Sie das?“

„Ein gewisser Herr Welker hat 1851 ein Verfahren namens Daktyloskopie erfunden. Danach hat jeder Mensch ein ganz eigenes Muster seiner Ringe in der Haut an den Fingerkuppen; in der Anthropologie wird dieses Verfahren eingesetzt.“

Jetzt war Kokies‘ Gesichtsausdruck eher verärgert. Was schwadronierte dieser Mann über irgendwelche anthropologischen Methoden angesichts der dramatischen Situation, in der sie sich befanden. Bouffier schien die Skepsis in Kokies‘ Gesicht zu bemerken und fuhr fort: „Es gibt Wissenschaftler, die behaupten, diese Fingerkuppenringe hinterlassen auf allem, was man anfasst, also auch einem Stück Papier, einen unsichtbaren Abdruck, sozusagen einen Fingerfleck, den man durch Staub oder Asche sichtbar machen kann. Ich habe mich damit beschäftigt und Versuche gemacht. Vielleicht gelingt es mir, einen solchen Abdruck auf diesem Papier sichtbar zu machen. Sofern sich Flecken finden, die weder Ihren oder des Verwalters Fingern zuzuordnen sind, könnte es sich um die Abdrücke eines der Entführer handeln…“

„Mein Gott Bouffier“, unterbrach ihn Kokies, „darüber können Sie sich meinetwegen später Gedanken machen, jetzt haben wir zweifellos Wichtigeres zu besprechen!“

„Entschuldigen Sie bitte, Sie haben sicher Recht. Wann wurde das Papier gefunden?“

„Vor ca. einer Viertel Stunde hat Goldfeld es mir gebracht, er war sofort gekommen, nachdem er es gefunden hat.“

„Hat er jemanden in der Nähe des Hauses herumschleichen oder wegrennen gesehen?“

„Soweit ich weiß nicht, aber Sie können ihn gerne selbst befragen, er hält sich im Verwalterhaus auf.“

„Was beabsichtigen Sie zu tun, wollen Sie das Lösegeld zahlen?“

Jetzt meldete sich Friedrich zu Wort: „Das können wir nicht, soviel Geld haben Berta und ich nicht!“

Kokies nannte die Summe und der Butler sah sich in seiner Annahme bestätigt. Aber Wilhelm-Antonius wandte ein: „Natürlich habe ich nicht angenommen, dass Sie über die notwendigen Mittel verfügen. Daher habe ich mich entschlossen, Dein Einverständnis voraussetzend, liebe Friederike, für das Lösegeld aufzukommen. Ich glaube, es gibt keine andere Möglichkeit, Anna freizubekommen, oder, Herr Bouffier?“

„Das sehe ich im Moment genauso“, antwortete dieser. „Da wir keinerlei Anhaltspunkte haben, wo und in wessen Gewalt sich Anna befindet, müssen wir auf die Forderungen der Halunken eingehen. Wir müssen das Lösegeld, wie angeordnet, im Wald deponieren. Es ist unmöglich, jemanden dort zu verstecken, um den Abholer unbemerkt zu verfolgen. Wenn die merken, dass sie entdeckt werden könnten, ist Anna in höchster Gefahr. Erst wenn sie wieder frei ist, können wir mit den Ermittlungen beginnen, um die Verbrecher zu fassen. Hinrich“, Bouffier wandte sich an seinen Assistenten, „gehen Sie bitte zum Verwaltungsgebäude und fragen Sie sämtliches Personal, das sich dort in der Nähe aufgehalten hat, ob sie jemanden Fremden gesehen haben. Versuchen Sie, so viel wie möglich rauszubekommen!“

„Jawohl Chef!“ Mit dieser knappen Antwort verabschiedete sich Hauptwachtmeister Hinrich und verließ die Bibliothek. Nun ergriff Kokies wieder das Wort: „Ich stimme Ihnen im Großen und Ganzen zu, Bouffier; morgen früh soll jemand eine Tasche mit dem Geld an der genannten Stelle deponieren. Sollte nicht aber jemand in einem Versteck die Stelle beobachten?“

„Ich schlage vor“, antwortete Bouffier, „dass Hinrich die Tasche mit dem Geld deponiert, während ich mich zuvor in der Nähe auf die Lauer lege. Vielleicht gibt es ja tatsächlich etwas zu beobachten, was mir für die weiteren Ermittlungen von Nutzen ist. Aber ich werde nicht die Verfolgung des Abholers aufnehmen, um Anna nicht in Gefahr zu bringen. Nach ihrer Freilassung werde ich, wie gesagt, die weiteren Nachforschungen beginnen und dazu muss ich natürlich„ , er wandte sich bei diesen Worten Friedrich und Berta zu, „auch Ihre Tochter befragen müssen.“

Nach dem nun das Wichtigste gesagt worden war, löste Kokies die Versammlung in der Bibliothek auf und zog sich mit Bouffier in sein Arbeitszimmer zurück, um die Einzelheiten der Lösegeldübergabe zu besprechen. Zum Abschluss ließ er sich eine kleine Reisetasche auf das Zimmer bringen. Dann schob er eine Bücherwand zur Seite und dahinter kam ein Tresor zum Vorschein, aus dem er die nötige Menge Goldmark entnahm und sie in die Tasche steckte, die er dann Bouffier übergab. Dieser fühlte sich ein wenig geschmeichelt ob des Vertrauens, das Kokies ihm entgegenbrachte, indem er das perfekte Versteck seines Tresors preisgab. Immerhin mussten dort beträchtliche Geldmengen, vielleicht auch Schmuck und andere Wertsachen gelagert sein. Auf der anderen Seite war ihm klar, dass man sich auf ihn als Polizeibeamten hundertprozentig verlassen können musste und völlige Diskretion erwarteten konnte.

Anna war zuweilen ganz alleine in dem Raum, der nachts spärlich von einer Kerze beleuchtet wurde. An Flucht war dennoch nicht zu denken, die Außentür war verschlossen, und selbst wenn sie sich durch eines der kleinen Fenster gezwängt hätte, wohin hätte sie fliehen sollen? Sie hätte sich in den endlosen Wäldern verirrt, völlig die Orientierung verloren und wäre damit verloren gewesen. Jetzt lag sie auf der Chaiselongue, mit einer Wolldecke zugedeckt. Das Feuer im Ofen brannte noch, so dass es im Raum leidlich warm war. Im Haus oder der Hütte war es ansonsten still, von draußen drang das Rauschen des Waldes hinein und von Ferne konnte man hin und wieder Wolfsgeheul vernehmen. Anna hatte am Abend eine undefinierbare Suppe, etwas Brot, Speck und Wasser bekommen und konnte tatsächlich etwas essen. Danach durfte sie sich hinlegen. Ihre Entführer taten ihr nichts an, sie behandelten sie korrekt, wenn man das in diesem Zusammenhang überhaupt so nennen kann. Anna waren die schlimmsten Befürchtungen durch den Kopf geschossen, vor allem hatte sie panische Angst vor sexuellen Gewalttaten, aber, Gott sei Dank, erwiesen sich ihre Befürchtungen als grundlos. Diese Männer hier waren nicht die typischen Peiniger, wie man sie aus Gruselgeschichten langer Winterabende kannte. Nachdem sie sich auf die Chaiselongue gelegt hatte, versuchte sie, an etwas Schönes, Beruhigendes zu denken, um nicht erneut in Panik zu geraten. Sie konnte sich nicht vorstellen, einschlafen zu können, aber irgendwann übermannte sie doch die Müdigkeit und sie sank in einen unruhigen, von wirren Träumen begleiteten Schlaf. Zwischendurch wachte sie immer wieder auf und vernahm die Geräusche, die von draußen aus dem Wald in den Raum drangen. Hin und wieder meinte sie, ein leises, flüsterndes Gespräch vom Nebenraum zu hören; dann aber schlief sie wieder ein.

Sie wurde aus ihren Albträumen geweckt, als es draußen schon dämmerte und der Tag anbrach. Die drei Gestalten, immer noch vermummt und bewaffnet, waren im Raum und machten sich am Herd zu schaffen, offensichtlich um so etwas wie ein Frühstück zuzubereiten. In der Tat stellten sie etwas Brot, Speck und einen Becher mit bräunlicher Flüssigkeit auf den Tisch, die in ihrer Farbe Kaffee ähnelte, aber mehr oder weniger nur nach heißem Wasser schmeckte. Anna rieb sich die Augen, erstaunt über sich selbst, dass sie in ihrer Situation fast die ganze Nacht geschlafen hatte. Sie stand langsam auf, die Wolldecke beiseite schiebend und ging zum Tisch, um sich dort auf einen Stuhl zu setzen. Die drei Männer schauten hin und wieder zu ihr, schienen sie aber sonst nicht weiter zu beachten. Insgesamt war die Stimmung an diesem Morgen etwas entspannter als am Abend zuvor, aber Anna wagte es dennoch nicht, Fragen zu stellen, etwa danach, wo sie sich befand oder ob sie wieder freigelassen würde. Wortlos nahm sie einen Schluck aus dem Becher und die heiße Flüssigkeit tat gut. Von dem Brot und Speck bekam sie aber keinen Bissen hinunter. In ihrem Gefängnis befand sich kein Spiegel, aber Anna konnte sich auch so vorstellen, wie ihr Erscheinungsbild war. Die Haare zerzaust, das Kleid völlig zerknittert, das Gesicht ungewaschen, musste sie ein erbarmungswürdiges Bild abgeben. Anna war ein schönes Mädchen, nicht allzu groß, schlank mit vollen blonden Haaren, einem zierlichen Gesicht und leuchtenden Augen. Um ihren Mund lag stets ein leichtes Lächeln. Doch dieses Lächeln war ihr jetzt vergangen, ihre Gesichtszüge waren von Angst, zwischendurch von Panik und Trauer geprägt. Dennoch hatte sie nichts von ihrer Schönheit eingebüßt, ihr Anblick konnte jetzt aber eher Mitleid als Bewunderung auslösen. Der Tag verging trostlos, die Entführer sprachen so gut wie gar nichts mit ihr. Zwischendurch bekam sie immer wieder das Gleiche zum Essen angeboten: Speck und Brot und etwas zu Trinken. In dem Raum durfte sie sich frei bewegen; sie stellte sich oft an eines der kleinen Fenster und schaute hinaus, sehr abwechslungsreich war der Blick nicht: Bäume, Bäume, Bäume…. Endlich dämmerte es wieder und die Dunkelheit kam wieder, eine Dunkelheit, die auch die Seele zu erfassen schien. Anna legte sich wieder auf die Chaiselongue, doch diese Nacht konnte sie lange nicht einschlafen, ihr Heimweh wurde immer stärker. War sie jemals überhaupt schon so lange von zu Hause weg gewesen? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Maria hatte einmal davon gesprochen, Hannes in Berlin zu besuchen, aber sie hatte nicht daran geglaubt. Zwei junge Frauen alleine auf einer Bahnfahrt nach Berlin: unmöglich. Schließlich war Anna doch noch eingeschlafen, wieder in diesen von Albträumen begleiteten Schlaf.

Mitten in der Nacht wurde sie geweckt. „Aufstehen!“, befahl einer der Männer und schüttelte sie leicht an der Schulter. „Kannst Du reiten?“

Bouffier hatte sich noch in der Nacht vor Morgengrauen mit Hinrich auf den Weg gemacht und sie ritten zu der im Entführerbrief angegebenen Stelle. Die letzte Meile mussten sie zu Fuß gehen, auch das war eine Bedingung der Entführer: ein einzelner Mann, zu Fuß, sollte die Tasche an einem im Wald befindlichen genau beschriebenen Höhleneingang abstellen und sich sofort wieder entfernen. Etwa 3000 Fuß vorher trennten sich die beiden und Bouffier versuchte nun, auf versteckten Pfaden und ohne entdeckt zu werden, das Ziel zu erreichen, um den Übergabeort zu beobachten. Er musste extrem vorsichtig sein, denn jeder Schritt konnte ein Knacken im Unterholz auslösen, und je näher er dem Ziel kam, desto gefährlicher wurde es, sich zu verraten. Da er sich nur langsam fortbewegen konnte, musste Hinrich ihm einen Zeitvorsprung lassen, bevor er selbst seinen Weg fortsetzte.

Ihre Pferde hatten sie im Wald hinter sich zurückgelassen, nachdem sie diese sicher festgebunden hatten. Um keinerlei Verdacht auszulösen, war einem der Pferde der Sattel abgenommen und dieser im Unterholz versteckt worden. Anschließend beluden sie dieses Pferd mit Holz. Eine gute Tarnung: hier war ein Holzsammler mit Packpferd unterwegs. Alles in allem war der nächtliche Ausflug der Polizisten eine zeitaufwendige Angelegenheit.

Endlich hatte Bouffier sein Ziel erreicht. Er konnte von einer mit dichtem Unterholz bewachsenen Stelle den Höhleneingang ungefähr 300 Fuß vor sich sehen und war damit relativ nahe dran. Hinrich war noch nicht angekommen. Es dämmerte bereits, als er endlich die Höhle erreichte, die Tasche abstellte und sogleich den Rückzug antrat. Bouffier kauerte in gebückter Stellung im Unterholz und wartete. Durch den langen Marsch war er zunächst ins Schwitzen geraten, aber jetzt spürte er die Kälte des aufkommenden Morgens. Wie lange würde er wohl so ausharren müssen, bis sich etwas tat? Er hätte sich etwas zu Trinken mitnehmen müssen, er verspürte Durst, aber daran hatte er überhaupt nicht gedacht. Bouffier überkam ein leichter Schauder; war es die Kälte oder war er etwa aufgeregt? Er wusste es nicht. Während er so dahockte, wurde er langsam müde und musste kämpfen, um seine Augen offen zu halten. Immer wieder sank ihm der Kopf auf die Brust. Aber dann war er hellwach, als er Pferdehufe hörte. Er starrte auf den Höhleneingang und auf den Weg, der zu ihm führte. Endlich konnte er etwas erkennen. Er glaubte, seinen Augen nicht zu trauen!

Bei der Frage, ob sie reiten könne, war Anna schon fast belustigt, obwohl sie aus ihren Albträumen gerissen wurde. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie den Kerl an, der sie geweckt hatte und nickte. Geritten war sie schon als Kind, mit Hannes und Maria. Sie hatte außergewöhnliche Fähigkeiten im Umgang mit Pferden entwickelt und im Laufe der Zeit das Reiten wie eine ganz natürliche Art der Fortbewegung angenommen. Am liebsten ritt sie im Herrensattel mit Reithosen, was absolut unschicklich für eine Dame war; aber auch Maria bevorzugte diese Art zu reiten und die Herrschaften Kokies duldeten es stillschweigend.

Anna nickte auf die Frage, worauf der Mann fortfuhr: „Steh auf, wir werden jetzt von hier fortreiten!“ Sie wusste nicht, ob sie dies als gutes oder schlechtes Zeichen werten sollte. Würde sie jetzt auf ihre Freilassung hoffen können oder wollten die Entführer sie nur an eine andere Stelle bringen, um die Gefahr der Entdeckung zu verringern? Als Anna aufgestanden war, verband man ihr wieder die Augen und führte sie aus dem Haus. Die Männer schienen es eilig zu haben; es blieb nicht einmal Zeit, etwas zu essen oder einen Schluck zu trinken. Draußen vernahm Anna den wohlvertrauten Geruch von Pferden und das Schnauben der Tiere. Man führte sie zu einem Pferd und einer der Männer half ihr beim Aufsitzen, was sich als schwieriges Unterfangen herausstellte, denn Anna musste sich mit ihrem langen Reifrock in einen Herrensattel zwängen, zudem noch mit verbundenen Augen. Als sie schließlich in einer einigermaßen bequemen Position war, wagte sie kaum an den Anblick zu denken, den sie jetzt abgab. Ihr stellte sich außerdem die Frage, wie sie mit verbundenen Augen reiten sollte. Nach den Geräuschen zu schließen, saßen jetzt die anderen auch auf und der Trupp setzte sich in Bewegung. Anna hielt keine Zügel in den Händen, ihr Pferd wurde von jemandem geführt, sie hielt sich am Sattelknauf fest. Die Pferde bewegten sich im Gang fort, also nur sehr langsam. Es wurde kein Wort gesprochen. Nach einer Weile, Anna schätzte sie auf etwa eine Stunde, machten sie plötzlich Halt. „Wie gut kannst du reiten?“, fragte sie einer der Burschen, worauf sie knapp antwortete: „Ziemlich gut.“ Jetzt wurde ihr die Augenbinde abgenommen und Anna sah, dass noch tiefe Nacht herrschte, der Mond aber den Weg, auf dem sie sich befanden, einigermaßen hell erleuchtete. Ringsherum war nur Wald, scheinbar endlos, aber besonders tief konnte man nicht ins dunkle Gehölz blicken. Anna erkannte, dass sie diesmal von nur zwei Reitern begleitet wurde, einer von ihnen hielt die Zügel ihres Pferdes. Ihr Rock war bis zu den Hüften hochgerutscht und ballte sich auf beiden Seiten des Reittieres wie zwei mächtige Ballons, was einen geradezu grotesken Anblick bot. Unter anderen Umständen hätte sie sich geschämt, aber jetzt stand die Angst im Vordergrund ihrer Gefühle. Der Reiter, der bis jetzt ihr Pferd geführt hatte, drückte ihr nun die Zügel in die Hand und sie setzten sich wieder in Bewegung. Ein Mann ritt vor ihr, der andere hinter ihr. Einen Moment lang schoss ihr der Gedanke an Flucht durch den Kopf, aber sie verwarf ihn sogleich wieder. Zunächst setzten sie ihre Reise im Trab fort, dann fielen sie in Galopp, erst langsamer, dann immer schneller werdend. Sie wechselten mehrmals auf andere Waldwege und Anna verlor vollends die Orientierung, aber sie konnte den schnellen Galopp gut mithalten. Es fing langsam an zu dämmern, als sie das Tempo verringerten, zunächst in Trab und dann in Gang. Jetzt merkte Anna, wie sehr sie der schnelle Ritt angestrengt hatte, sie fühlte sich erschöpft. Plötzlich hielten sie an, einer der Männer sprang vom Pferd und eilte auf einen Höhleneingang zu. Auch der andere stieg ab und forderte Anna auf, dergleichen zu tun. Er führte Anna ebenfalls in Richtung Höhle und sagte: „Setz dich auf diesen Baumstumpf und warte!“

Sie schienen es jetzt verdammt eilig zu haben. Der erste kam mit einer Tasche zurück, sie rannten zu ihren Pferden, sprangen förmlich in die Sättel und galoppierten in die Richtung, aus der sie gekommen waren davon, das dritte Pferd im Schlepptau.

Es dauerte nicht lange, bis sie aus ihrem Blick verschwunden waren und das Geräusch der Pferdehufe verstummte. Anna konnte noch gar nicht erfassen, was sich hier abspielte, sie war mutterseelenallein mitten im Wald. Gott sei Dank wurde es immer heller und ihr kam die Umgebung irgendwie bekannt vor. Als sie sich gerade entschlossen hatte, aufzustehen und einen Weg zu suchen, fuhr ihr ein gewaltiger Schreck in die Glieder: Sie vernahm ein deutliches Knacken im Unterholz, dass eindeutig von einem Menschen oder einem großen Tier herrühren musste. Anna starrte wie gebannt in die Richtung, aus der es kam. Und plötzlich trat ein Mann aus dem Gehölz. Bevor Anna schreien konnte, sprach er sie mit einem freundlichen Lächeln an: „Sie sind Anna, nicht wahr?“

Auf Adlig-Linkunen herrschte eine nervöse Atmosphäre. Die Herrschaften Kokies waren die ganze Nacht aufgeblieben, ebenso Friedrich und Berta. Noch vor Anbruch des Morgengrauens hatte sich Wilhelm-Antonius entschlossen, eine Kutsche vorbereiten zu lassen, um sie in die Richtung der angegebenen Geldübergabestelle zu schicken. Als er Friedrich damit beauftragte, fragte dieser: „Kann ich mitfahren? Ich halte das untätige Sein nicht mehr aus. Ständig hat man das Gefühl, etwas unternehmen zu müssen, ohne zu wissen, was.“ „Selbstverständlich, Friedrich. Nehmen Sie einen bewaffneten Wildhüter mit!“ Und so machten sich der Kutscher, ein Wildhüter und Friedrich im Morgengrauen auf, in der Hoffnung, dass Anna nach der Übergabe des Geldes freigelassen würde und in der Nähe auftauchte. Friedericke, Maria und Berta zogen sich in den Salon zurück. An ein vernünftiges Gespräch war nicht zu denken. Dennoch bemühten sie sich, sich gegenseitig ein wenig aufzumuntern und vor allem Berta Halt zu geben, die vor Angst und Kummer keinen vernünftigen Gedanken zustande bekam. Maria erzählte von einigen lustigen Streichen, die Hannes, Anna und sie als Kinder gemacht hatten; es waren einige dabei, von denen ihre Eltern noch gar nichts gewusst hatten.

Während des Gesprächs teilte Maria mit: „Übrigens habe ich ein Telegramm nach Berlin an Hannes schicken lassen und ihn gebeten, nach Linkunen zu kommen. Er müsste also in den nächsten Tagen hier ankommen. Wenn er das Telegramm gestern noch erhalten hat, könnte er heute schon gegen Abend hier sein.“

„Das war sehr gut, Maria“, antwortete ihre Mutter. „Daran habe ich in all der Aufregung überhaupt nicht gedacht!“

„Aber ich …“

Plötzlich stand Wilhelm-Antonius in der Tür des Salons und musste trotz ihrer Situation amüsiert lächeln. „Da weiß die eine Hand nicht, was die andere tut. Jetzt hat Hannes zwei Telegramme von uns bekommen. Aber wir wissen jetzt auch, von wem unserer Tochter Vernunft und Weitblick geerbt hat!“

Jetzt musste sogar Berta lächeln und die Atmosphäre entspannte sich ein wenig. Wilhelm-Antonius ging zu Maria, nahm sie in den Arm und platzierte einen dicken Kuss auf ihre Wange. „Ich bin der festen Überzeugung“, fuhr er fort, „dass Sie, liebe Berta, Ihre Tochter auch bald wieder in die Arme schließen können.“

„Ich auch!“, bestätigte Friederike.

Man konnte Berta deutlich ansehen, wie gut ihr die Anteilnahme ihrer Dienstherren tat. Bei allem Unglück, das über ihre Familie gekommen war, hatten sie und Friedrich aber das große Glück, dass sie die Unterstützung der Familie Kokies genießen konnten. Das war alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Auch hochrangige Dienstboten wie Zofen oder Butler waren in der Regel bei der Bewältigung ihrer Probleme auf sich allein gestellt. Schlimmer noch, sie mussten eventuell sogar damit rechnen, entlassen zu werden, wenn sie aufgrund ihres Kummers ihrer Tätigkeit nicht mehr ordnungsgemäß nachgehen konnten und ihre Pflichten vernachlässigten.

Als Bouffier die Reiter kommen sah, bemerkte er, dass eine Frau dabei war. Er beobachte, wie sie anhielten, abstiegen, zielbewusst die deponierte Tasche holten und in aller Hektik wieder davonritten. Die junge Frau hatten sie zurückgelassen. Das konnte nur Anna sein.

Einerseits spürte Bouffier eine gewisse Erleichterung, andererseits ärgerte er sich über seine stümperhafte Vorgehensweise. Die Entführer konnten ungehindert entkommen; hätte er dafür gesorgt, dass er nicht alleine, sondern in Begleitung einer versteckten, berittenen und bewaffneten Eskorte in Lauer gelegen hätte, könnte man jetzt sofort die Verfolgung der Verbrecher aufnehmen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass die Geisel direkt bei der Geldübergabe freigelassen würde, aber er hätte es in Erwägung ziehen müssen. Nichtsdestotrotz musste er sich jetzt um Anna kümmern. Er beeilte sich, aus seinem Versteck zu kommen, um sich ihr zu erkennen zu geben. Als er aus dem Unterholz heraustrat, bemühte er sich, sein beruhigendstes Lächeln aufzulegen und sagte: „Sie sind Anna, nicht wahr?“

Diese staunte ihn mit weit aufgerissenen Augen an, Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben und deshalb fuhr er schnell fort: „Mein Name ist Peter Bouffier, Polizeileutnant; ich bin hier, um Sie nach Hause zu bringen.“ Anna brachte immer noch kein Wort heraus, aber ihre Anspannung löste sich etwas. „Können Sie ein paar Schritte gehen? Ich habe in der Nähe mein Pferd versteckt.“

Jetzt fand Anna ihre Sprache wieder: „Ja, ja ich glaube schon, ich will es versuchen. Auf keinen Fall möchte ich hier alleine gelassen werden, während Sie Hilfe holen. Sie sind doch alleine?“

Es war ihm sichtlich peinlich, als er dies bestätigten musste: „Ja, ich bin alleine hier, dummerweise!“

Aber Bouffier hatte nicht an den treuen Hauptwachtmeister gedacht. Gustav Hinrich tauchte plötzlich ebenfalls auf. Er hatte sich zwar nach dem Deponieren des Lösegeldes zurückgezogen, dann aber ebenfalls ein Versteck gesucht und auf der Lauer gelegen.

„Offensichtlich habe ich mich geirrt, das ist Hauptwachtmeister Hinrich“, stellte Bouffier ihn Anna vor und wandte sich ihm dann zu. „Freut mich, dass Sie auch hier sind. Dann muss Fräulein Doepius nicht zu Fuß gehen, wenn Sie die Pferde holen. Wir warten hier so lange.“

„Wird sofort gemacht, Chef“, antwortete Hinrich und machte sich umgehend auf den Weg.

„Anna, Sie sind jetzt frei, ich verbürge mich für Ihre Sicherheit.“

„Danke, ich…, ich…“

„Sie brauchen jetzt nichts zu sagen“, unterbrach sie Bouffier. „Sie werden uns später sicher jede Menge zu erzählen haben. Aber jetzt kommen Sie erst einmal zur Ruhe. Wir sehen jetzt zu, dass Sie so schnell wie möglich nach Hause kommen. Hinrich wird Sie führen, Sie können sein Pferd benutzen; ich werde vorausreiten und auf Adlig-Linkunen die gute Nachricht Ihrer Freilassung verkünden. Ihre Eltern werden über alle Maßen erleichtert sein!“

Anna konnte auf einmal entspannt lächeln, während ihr gleichzeitig ein paar dicke Tränen die Wange herunterkullerten. Bouffier trat an sie heran, legte einen Arm auf ihre Schulter und sagte leise, ebenfalls lächelnd: „Es ist vorbei, Anna, der Albtraum ist vorüber, Sie werden bald wieder zu Hause sein; freuen Sie sich auf Ihre Eltern!“

„Und auf Maria; geht es ihr gut, ist sie verschont geblieben?“

„Ja, es geht ihr gut. Es geht allen gut in Linkunen, und es wird allen noch besser gehen, wenn man von Ihrer Freilassung erfährt!“

Inzwischen war Hinrich mit den Pferden zurückgekehrt. Anna wurde auf einmal bewusst, dass sie sich erneut mit ihrem Reifrock und einem Herrensattel arrangieren musste. Diesmal schoss ihr die Röte bei diesem Gedanken ins Gesicht. Überhaupt wurde sie sich jetzt über ihr Äußeres im Klaren: seit zwei Tagen ungewaschen, die Kleidung völlig durcheinander, die Haare zerzaust. Aber das alles durfte jetzt keine Rolle spielen, Hauptsache war, dass sie nach Hause konnte, dass sie frei war. Es würde noch genügend Zeit kommen, um ausgiebig zu baden. Bei dem Gedanken an eine vernünftige Mahlzeit verdrängte sie ihr Erscheinungsbild in die hinterste Ecke ihres Gehirns. Bouffier und Hinrich halfen Anna vorsichtig in den Sattel, Hinrich führte nun das Pferd, bis sie einen Weg erreichten. Hier wollte Bouffier sich gerade von ihnen trennen, um vorauszureiten, als sie das Geräusch von Pferdehufen hörten. Die beiden Polizisten zogen sofort ihre Pistolen. Annas Pferd wurde zur Seite in den Wald geführt, um sie außer Schusslinie im Falle eines Feuergefechtes zu bringen. Das Geräusch kam von vorne immer näher und plötzlich tauchte vor ihnen in etwa 300 Fuß oder ca.100 Meter Entfernung eine zweispännige Kutsche auf. Man konnte sofort erkennen, dass sie aus dem Fuhrpark Adlig-Linkunen stammte, das Wappen an den Türen war nicht zu übersehen. Die Erleichterung bei Anna und ihren beiden Begleitern war riesig, die Polizisten steckten ihre Waffen wieder in die Halfter und warteten, bis das Fahrzeug sie erreicht hatte. Die Szene, die sich jetzt abspielte, war durch nichts zu überbieten. Als Friedrich aus der Kutsche blickte und seine Tochter erkannte, war der sonst so besonnene und ruhige Mann nicht mehr zu halten. Noch bevor das Gefährt völlig zum Stillstand kam, riss er die Tür auf, sprang heraus, wobei er beinahe gefallen wäre und rannte auf Anna zu. Diese ließ sich jetzt langsam vom Pferd gleiten und als Friedrich sie erreicht hatte, drückte er sie wortlos fest an sich; er wollte sie scheinbar nicht mehr loslassen, als hätte er Angst, sie wieder verlieren zu können. Die anderen sprachen ebenfalls kein Wort und hatten ihre Blicke auf Vater und Tochter gerichtet. Es war still, doch plötzlich hörte man Schluchzen, freudiges Schluchzen, das nicht nur von Anna kam. Friedrich kullerten ebenfalls Tränen der Freude und Erleichterung über die Wangen. Das Ganze schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis die beiden sich wieder voneinander lösten und Friedrich seine Tochter vorsichtig zur Kutsche führte. Sie hatten immer noch kein Wort miteinander gesprochen.

Die Erleichterung auf dem Gut Adlig-Linkunen war deutlich zu spüren, von den Herrschaften bis hin zum kleinsten Dienstboten. Annas Befreiung sprach sich genauso schnell herum wie vorher ihre Entführung.

Wie erwartet, traf am Abend Hannes auf dem Gut ein und vernahm ebenfalls mit großer Beruhigung das Ende des Entführungsdramas.

Nur Bouffiers Gefühle waren zwiespältig; einerseits war er natürlich froh, dass Anna körperlich unversehrt wieder zu Hause war, andererseits konnte er mit seiner Arbeit als Polizist nicht zufrieden sein. Er hatte keinerlei Anhaltspunkte, wer die Entführer sein mochten; es gab keine Hinweise, wo Anna festgehalten worden war.

Am Tag nach Annas Freilassung versuchte er behutsam, sie zu verhören; aber viel konnte sie zur Klärung des Verbrechens nicht beitragen. In Anwesenheit von Wilhelm-Antonius, Hannes und dem Butler erzählte Anna Bouffier den Ablauf der Geschehnisse: „Ich habe keinen der Entführer je zu Gesicht bekommen. Da man mir anfänglich die Augen verbunden hatte, weiß ich nicht einmal die Richtung zu nennen, wohin man mich verschleppte. Ich befürchte, ich kann Ihnen nicht sehr dienlich sein.“

„Ihre Rolle“, warf jetzt Wilhelm-Antonius Kokies ein, „war auch nicht gerade rühmlich, Bouffier. Sie haben nicht einmal den Versuch unternommen, die Verfolgung aufzunehmen. Die Verbrecher konnten ungehindert entkommen!“

„Ich bin mir dessen vollkommen bewusst“, erwiderte dieser und überlegte, was er zu seiner Verteidigung vorbringen könnte, als Hannes das Wort ergriff: „Das finde ich nicht! Herr Bouffier hatte keine andere Wahl. Um die Verbrecher verfolgen und schließlich festsetzen zu können, hätte er mehrere Männer gebraucht. Ihr habt doch gesagt, dass es eine Forderung der Entführer gab, die Geldübergabe durch eine einzelne Person durchführen zu lassen. Das heißt doch, dass Anna in allerhöchster Lebensgefahr geschwebt hätte, wenn sie nur Wind davon bekommen hätten, dass sich im Hinterhalt eine berittene und bewaffnete Eskorte befindet. Auf jeden Fall wäre Annas Freilassung schiefgegangen!“

„Nun ja, vielleicht hast du Recht“, lenkte Wilhelm-Antonius ein. „Außerdem hatte ja keiner von uns damit gerechnet, dass Anna direkt freigelassen wird.“

Bouffier nahm die Einlassung von Hannes dankbar auf, aber sein Schuldbewusstsein nahm keinesfalls ab. Als die Vernehmung von Anna abgeschlossen war, fasste er zusammen; „Sehr viele Anhaltspunkte haben wir in der Tat nicht. Aber einige Dinge können wir feststellen: erstens kannten die drei Entführer weder Anna noch Maria persönlich, denn sonst wäre es nicht zu der Verwechslung gekommen. Zweitens müssen die Täter aus der Gegend von hier kommen, zumindest einer von ihnen, denn sie kannten sich wohl bestens hier aus. Und drittens befürchte ich, dass sie einen Mittäter unter dem Personal von Adlig-Linkunen hatten. Wie sonst konnte ein Schreiben unbemerkt in das Verwalterhaus gelangen? Ein Fremder hätte das Risiko der Entdeckung auf sich nehmen müssen. Aber jemand von hier, sei es ein Forstarbeiter oder ein Dienstbote, erweckt keinen Argwohn, wenn er sich hier frei bewegt.“

„Sie meinen, hier irgendwo bei den Angestellten des Guts gibt es einen Komplizen?“, fragte Hannes. „Aber dieser hätte doch dann die Entführer über die Verwechslung informieren können!“

„Nur, wenn während der Entführung und der Geiselhaft Annas Kontakt zwischen ihnen bestanden hätte. Dies lässt nur den Schluss zu, dass es einen solchen Kontakt nicht gegeben hat und der Ablauf des Verbrechens vorher detailliert abgesprochen war. Sobald die Entführung in Adlig-Linkunen bekannt wurde, sollte wohl diese Person das Schreiben deponieren. Auf diese Weise vermieden die Verbrecher einen direkten Kontakt zwischen uns und ihnen. Eine solch raffinierte Planung verrät uns auch, dass die Schurken nicht dumm sind. Aber mit der Verwechslung der beiden Damen haben sie schon einmal einen Fehler gemacht, irgendwann werden sie vielleicht wieder einen machen und sich damit verraten, sei es durch verschwenderische Geldausgabe oder sich Verplappern im Bekanntenkreis.“

Damit beendete Bouffier seine Ausführungen und die Runde wurde aufgelöst. Hannes und Bouffier verließen gemeinsam das Arbeitszimmer von Wilhelm-Antonius, wo die Vernehmung stattgefunden hatte. Vor der Tür wandte sich der Polizist an Hannes: „Ich danke Ihnen für meine Verteidigung, Herr Kokies, aber Ihr Vater hatte durchaus Recht. Meine Rolle war wirklich nicht gerade rühmlich.“

„Unsinn“, antwortete Hannes. „Das, was ich gesagt habe, habe ich auch so gemeint. Ich an Ihrer Stelle wäre stolz auf Ihr umsichtiges Handeln. Und Ihre Ausführungen und Rückschlüsse bezüglich des Verbrechens waren sehr eindrucksvoll. Ich finde, Sie haben durch Ihr logisches Vorgehen schon mehr herausgefunden, als ich erwartet habe.“ Er machte eine Pause, während er Bouffier zum Ausgang begleitete. Kurz vor dem Erreichen des Hauptportals fuhr er fort: „Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie Ihr Möglichstes tun werden, um das Verbrechen aufzuklären. Übrigens, mein Name ist Hannes, eigentlich Johannes, aber meine Freunde nennen mich Hannes. Wenn Sie nichts dagegen haben, können wir uns duzen; wie heißen Sie mit Vornamen?“

Bouffier war völlig überrascht von Hannes Vorschlag. Aber weil ihm der unkomplizierte junge Gutsherr auf Anhieb sympathisch gewesen war, nahm er den Vorschlag gerne auf. „Ich habe nichts dagegen einzuwenden; wenn wir uns keinen Bruderschaftskuss geben müssen! Ich heiße Peter.“

Lachend verabschiedeten sich die beiden voneinander mit den Worten von Hannes: „Ich werde noch eine Zeit auf Adlig-Linkunen verweilen. Wir bleiben in Verbindung.“

Bouffier wurde in einer Droschke des Gutes nach Hause gefahren, und er freute sich auf Elisabeth. Während der Heimfahrt löste sich langsam seine Anspannung, und er wäre beinahe eingeschlafen.

Schatten über Adlig-Linkunen

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