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Unter Coronabedingungen I

… müssen wir viele unserer Gewohnheiten ändern und noch mehr Vorsicht und Umsicht walten lassen. Ausgerechnet im Zeitalter des Egoismus fordert man uns auf, vernünftig und solidarisch miteinander umzugehen. Im Frankfurter Bankenviertel klatscht man sich nach solcher Ansage auf die edel betuchten Schenkel.

Täglich lernen wir, dass selbst so ein ganz kleines buntes „Ding“, das mit bloßem Auge nicht zu sehen ist, gewaltige Veränderungen bewirken kann und wir alle - fast alle und fast freiwillig - merkwürdige Dinge tun, weil es so und nicht anders richtig und für unsere und die Gesundheit der anderen notwendig sein soll, sagen uns die „Experten“. Oder wie einige von uns bereits selbst sagen: „Gutes und korrektes Verhalten ist jetzt die <erste Bürgerpflicht>“.

Das Virus hat uns schlicht kalt erwischt – und unvorbereitet „überfallen“. Die Kanzlerin würde auf die ihr nicht gestellten Fragen nach dem „Warum“ und „Wozu“ vielleicht in ihrer gewohnten Unaufgeregtheit antworten: <Viren sind eben ein ganz neues Thema. Und jetzt müssen wir alle zusammenhalten. Aber auch das schaffen wir!>

Fakt ist: Endlich kann die Politik Dinge umsetzen, die sonst nicht ganz so einfach, wenn überhaupt, möglich gewesen wären. Zum Beispiel viel mehr Schulden machen, als notwendig sind. Oder die Haftungsunion auf den Weg bringen. Das viele Geld, das wir alle nicht haben, muss aber irgendwann in der Zukunft mit vielen Millionen € Zinsen wieder an die Geldverleiher zurückgezahlt werden. Eigentlich nein, nicht wirklich. Wir haben ja Minuszinsen, und die bleiben, solange die EZB und die Fed die Schuldtitel der Ausgabefreudigen unbegrenzt aufkaufen. Was aber wirklich irritiert: Nicht alles, was jetzt von den „Verantwortlichen“ gesagt und beschlossen wurde, folgt der Logik, manchmal noch nicht einmal dem gesunden Menschenverstand.

Vieles klingt sogar widersprüchlich und ist vielleicht sogar sinnlos: Wir sollen unsere Hände gut und länger als üblich waschen. Aber Mund- und Nasenspülungen sind nicht vorgesehen, obwohl auch die helfen würden und auf jeden Fall näher an der Quelle des Übels wären. Wir sollen Abstand halten - „social distancing“ - ohne genau zu verstehen, was damit wirklich gemeint ist. Müsste es nicht eigentlich „social isolation“ heißen? Dann aber wüsste jeder sofort, dass das für ein solidarisches Miteinander und für das friedvolle Zusammenhalten - in der Pandemie - nicht gut sein kann. Wir sollen jetzt stoß-, quer- oder technisch korrekt Klassenräume und Wohnungen lüften. Aber wie genau, wie oft und wie lange?

An Komik wird auch nicht gespart: „Lächeln, statt Händeschütteln“ steht auf einem Pappkarton in einem Shop und eine Maske verdeckt das Lächeln dahinter. Und wer in Bussen und Bahnen - wie üblich - telefoniert, zieht sofort die Maske herunter: „Man hört ja sonst so schlecht“.

Dennoch machen die Menschen fast alles mit, was „Experten“ und aufgeregte Politiker ihnen – Tag für Tag - vorgeben. Denn, trotz aller Irritationen und Widersprüche, dem immer noch großen Nichtwissen über das Virus und seine Mutationsfähigkeit oder die Wirksamkeit eines möglichen Impfstoffs, die Menschen antworten auf entsprechende Nachfragen nach ihrer Zufriedenheit mit den „Maßnahmen“ der Politik fast mit Resignation – vielleicht wegen fehlender Alternativen: „Alles gut“. Denn: Das Virus kann tödlich sein, sagen die Fachleute. Und deshalb muss jeder seinen Beitrag zum Eigenschutz und dem der anderen leisten. Oder ist es „nur“ eine von vielen Erkrankungen, woran Menschen -„in Verbindung mit“ - sterben können? Bekanntermaßen tun Menschen für das eigene Überleben – auf der ganzen Welt – vieles und machen oft bereitwillig bei dem mit, was die Regierenden von ihnen erwarten oder ihnen vorschreiben. Wird hier vielleicht manchmal übertrieben?

Zugleich sind sich die Regierenden und die Experten selbst nicht ganz einig darüber, ob es auch verbindliche Vorschriften für das Übernachten in fremden Betten geben sollte. Auch Vorschriften, welche Masken verwendet werden müssen, gibt es nicht. Und offenbar macht das Virus Halt vor Landesgrenzen, sonst gäbe es sicherlich konkrete und „bundeseinheitliche“ Regeln und Vorschriften über die Landesgrenzen hinaus. Doch solange die Experten sich über die „richtige“ Strategie streiten, bietet der deutsche Föderalismus die Möglichkeit, die optimalen Maßnahmen gewissermaßen auf dem Weg der Konkurrenz und des vergleichenden Experimentierens zu finden. Der französische Zentralismus hat jedenfalls die Eindämmung der Pandemie auch nicht erleichtert.

Die Mediziner und Forscher aber, die mit dem Virus direkt hantieren, tragen futuristische Helme und Schutzanzüge, als würden sie einem außerirdischen Virus zu Leibe rücken. Nun ja, bei einem Erreger, dessen Letalität je nach Lebensalter irgendwo zwischen Grippe und Ebola liegt, spricht man wohl zurecht von Bio-Hazard. Für den Umgang damit gibt es Laborvorschriften. Aber was soll der Laie tun?

Die Bürger lernen jetzt, sich für die gute und richtige Sache stark zu machen und merken manchmal nicht, welchen Konformitätsdruck sie auf ihre Mitmenschen ausüben. Ganz „normale“ Menschen übernehmen jetzt die Verantwortung für die Einhaltung der „AHA“-Regeln im Alltag ihrer Mitmenschen, weisen auf deren Verfehlungen hin oder zeigen Verstöße bei den Behörden an.

Das neue kollektive Verhalten in der Krise könnte zum Paradigma einer „gelenkten“ Demokratie werden, wobei ein „Corona-Kabinett“ vorgibt, was Sache sein soll. Hoffentlich wird daraus kein Allgemeinzustand. Zugleich aber machen sich viele kaum Gedanken darüber, ob die Regeln und Maßnahmen überhaupt wirkungsvoll oder zumindest sinnvoll und konsistent sind. Mitmachen ist jetzt die erste Bürgerpflicht. Wenn es „die da oben doch sagen, so muss es doch richtig sein“. Die anderen machen mit, weil Verweigerung teuer werden kann. Bleiben die Renitenten, Chaoten und Verschwörer, denen man es nie recht machen kann, weil sie ihrerseits glauben, immer Recht zu haben.

Die Politik, die Medien und selbst der sprichwörtliche „Kleine Mann“ (der auch eine Frau sein kann) üben sich auch in dieser „Krise“, wieder in „Gut-Sprech-Manier“, „Gut-Verhalten“ und „Mitmach-Parolen“, offenbar umso mehr, je verwirrender es um die Fakten bestellt ist. Unwissenheit, Unklarheit und Widersprüchlichkeit sind aber die Grundnahrungsmittel menschlicher Angst, die das Verhalten fehlleiten.

Letztendlich aber, so scheint es, haben alle etwas von der Krise. Die sogenannten „Systemrelevanten“ bekommen endlich, was sie verdienen: Fünf-Minuten-Ruhm, motivierendes Klatschen – und etwas Beruhigungs- oder Belohnungsgeld. Die anderen, die die Existenzgrundlage durch den „Lockdown“ verlieren, bekommen Kurzarbeitergeld und Ad-hoc-Hilfen, die der „Staat“ wie selbstverständlich wieder einmal aus dem Hut zaubert und über die Leidenden mit der Gießkanne ausschüttet.

Fakt ist, Unsicherheit macht sich breit und sie macht etwas mit dem menschlichen Glauben an die Beherrschbarkeit des Alltagsgeschehens. Sie stellt das zwischenmenschliche Verhalten vor große Herausforderungen, für die es bisher keine allgemein verbindlichen Anleitungen gibt. Kein Wunder ist es daher, dass nicht wenige bei dem ganzen Hin und Her verwirrt sind, und es ihnen reicht. Viele sind pragmatisch und machen einfach mit, was vorgegeben wird, um alles richtig zu machen, oder um einfach ihre Ruhe zu haben. „Alles gut!“ wird zur Generalantwort für und auf alles, was nicht zu beeinflussen ist. Wieder andere wiederum wollen nicht mehr freiwillig alles mitmachen und sich nicht gefallen lassen, dass ihr Leben „von denen da oben“ eingeschränkt wird. Beide Positionen sind sehr menschlich und ein sichtbarer Ausweis einer lebendigen Demokratie. Wenn aber aus Mitmachen-Wollen und Mitmachen-Müssen, Verwirrung, Hysterie und Panik erwachsen, muss eine bessere Therapie her.

Die Politiker sind sich offenbar noch nicht ganz einig darüber, ob es an der Zeit wäre, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. In jeder Krise gibt es Gewinner und Verlierer. Und einige haben einen persönlichen Plan. In der Zwischenzeit machen die Bürger das Beste daraus. Was wäre auch die Alternative?

Die gesammelten Beispiele verdanken die Autoren Erzählungen von Freunden, Gehörtem und Gelesenem. Manches stammt aus dem Fundus eigenen Erlebens. Sie sollen zum Schmunzeln und zum Nachdenken anregen. Die Liste der Beispiele vergrößert sich von Tag zu Tag – bis ein findiger Forscher einen Impfstoff findet, mit dem Patent dafür stinkreich wird und die Menschheit wieder der beliebten Alltagsbeschäftigung „Abhängen, Shoppen und Feiern“ nachgehen kann. Bis zur nächsten Krise.

In der Zwischenzeit sollten wir alle einfach etwas gelassener werden, das Beste aus der Sache machen und den Humor und die Gelassenheit nicht verlieren.

Aber gerade unter Coronabedingungen ist es ganz sicher nicht die „erste Bürgerpflicht“ von Demokraten, jede Äußerung, die von „oben“ kommt, einfach nur nachzuplappern. Filterblasenfreies kritisches und selbstständiges Nachdenken ist für die persönliche Bewältigung jeder Krise unverzichtbar!

Übrigens:Corona“ war auch der Markenname der Schreibmaschine, mit der Tanja Blixen die erste Zeile ihres berühmten Romans auf das Papier tippte: „Ich hatte eine Farm in Afrika, am Fuße der Ngong-Berge…“.

Unter Coronabedingungen ...

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