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Dietmar Schöckel
Der – "merkwürdige" – Bewerbungsratgeber
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2 Grundsätzliche Aussagen und „Merkwürdige Regeln“
zum Bewerbungsprozess Bevor wir nun ins Detail gehen, werden ein paar aus meiner Sicht für den gesamten Bewerbungsprozess allgemeingültige Grundsätze und Regeln formuliert. Sie sind in meiner Definition „merkwürdig“, weil Sie, liebe LeserInnen, sich diese wirklich merken und „hinter die Ohren“ schreiben sollten, wie man so schön sagt. Zum anderen sind sie „merkwürdig“, da sie bei einigen Personalern, ExpertInnen, aber vielleicht auch bei den Bewerbern selbst auf Befremden bis Unverständnis stoßen. Sei’s drum, ich entschuldige mich und bitte im Voraus um Verzeihung. Dennoch, es wird bewusst überspitzt, um die Botschaften rüberzubringen und mein Denken und meine Ratschläge zu erklären und nachvollziehbar zu machen. 1 Es gibt kein Richtig oder Falsch im Bewerbungsprozess. Eins und eins ist zwei, da gibt es in der Mathematik nichts zu rütteln. Alles andere ist falsch! So ist es aber nicht im Bewerbungsprozess. Hier gibt es kein Richtig oder Falsch, keine (mathematische) Eindeutigkeit. Natürlich gibt es Konventionen, Regeln, so wie es 90 % machen, was BewerbungsberaterInnen und einschlägige Sachbücher sagen. Das „Aber“ bleibt dennoch! KEIN Richtig oder Falsch und es ist nichts unumstößlich. Es bleibt immer die eigene Entscheidung, wie ich mich als BewerberIn entscheide und es ausgestalte. 2 „Du musst/du darfst nicht“ gilt nicht. Aus Regel eins ergibt sich logischerweise die zweite Regel. Wenn Aussagen von Beratern bzw. in Büchern etc. lauten „Du musst/du darfst nicht“ sind diese schlichtweg übertrieben oder gar falsch. Es kann im individuellen Fall gute Gründe geben, es genau andersherum zu machen! Ich kenne aus meiner Praxis viele Fälle, bei denen die Bewerber trotz Verstoßes gegen die „Musst/Darfst-nicht-Regel“ den Job erhalten haben. Ein Beispiel So hat eine junge Dame ein zweiseitiges Anschreiben gehabt und in einem Stil formuliert, der vielen BewerbungsberaterInnen „die Haare zu Berge hätte stehen lassen“ … Die junge Dame wurde dennoch eingeladen und hat den Ausbildungsplatz erhalten! 3 Sie als BewerberIn sollten „Sie selbst“ sein – authentisch – und Ihren eigenen Weg finden. Sie als BewerberIn müssen daher, nach Sammeln von Informationen, Ratschlägen, dem Führen von Gesprächen, einer Trainingsteilnahme etc. für sich entscheiden, wie Sie vorgehen, wie Sie Ihre Unterlagen gestalten und wie Sie das Bewerbergespräch führen. Es ist Ihre Bewerbung und Ihr eigener Weg. 4 In den Bewerbungsunterlagen und im Interview darf – rechtlich gesehen – nicht gelogen werden; Schönen und Weglassen ist jedoch erlaubt. Nicht jeder Lebenslauf ist gradlinig und es gibt Situationen, persönliche Lebensumstände etc., die man in den Unterlagen bzw. im Interview am liebsten verschweigen würde. Dann tun Sie es, Verschweigen ist erlaubt und keine Lüge! Auch Schönen, d. h. Dinge positiver, vorteilhafter darzustellen und ggf. eine kurze Begründung für negative Punkte zu geben, ist okay. Aber bitte dabei doch relativ nahe bei der Wahrheit bleiben. Und auf keinen Fall „Geschichten erfinden“ und lügen! Das kann, insbesondere dann im Interview, schiefgehen. Wird das von den Personalern bzw. Führungskräften erkannt, war’s das. Sie sind raus, Chance vertan. Ein positives Beispiel Eine Bewerberin, Frau K., hat nach Abschluss ihres Abiturs auf dem zweiten Bildungsweg zwischen Abschluss und Wiedereinstieg in ihren Beruf als Krankenschwester ein knappes Jahr pausiert. Nach ein paar weiteren Jahren Berufstätigkeit und einer Qualifizierungsmaßnahme bewirbt sie sich nun bei einer Krankenkasse. Im Lebenslauf lässt sie diesen Zeitraum ohne Tätigkeit einfach weg; erwähnt zeitmäßig nur das Ende der Schulzeit und dann den Wiedereinstieg als Krankenschwester. Im Interview geht sie aber direkt auf diesen Zeitraum ein und begründet etwas geschönt. „Habe ich mein Abi abgeschlossen, überlegt, ob und was ich studieren könnte, mit Unis Kontakt gehabt, und dazu war ich in einer Beziehung und finanziell abgesichert. Da sind schnell 10 Monate ins Land gegangen. Dann habe ich mich aber entschlossen, zunächst wieder als Krankenschwester zu arbeiten.“ Die Aussage zur Beziehung stimmte, geschönt war ihre Aussage zum Studium; nur mit einer Uni war sie in Kontakt. Diese Darstellung klang plausibel, es gab keine Nachfragen im Interview. Sie ist eingestellt worden und der Personaler lobte sie nach ihrem Start. „Frau K., Sie haben im Interview eine sehr gute Selbstpräsentation geliefert.“ Ein negatives Beispiel Eine Managerin, um die Mitte 40, war bereits rund ein Jahr auf Jobsuche. Im Interview wurde sie gefragt, warum diese lange Zeitspanne und was sie in der Zeit getan habe. Ihre Aussage war ein in der heutigen Zeit beliebter Lückenfüller, ähnlich wie „Weltreise gemacht“. „Ich habe über Monate meine Eltern gepflegt.“ Da der Interviewer sich gerade selbst aufgrund der Erkrankung seiner Mutter intensiv mit dem Thema Pflege beschäftigte, ging er näher darauf ein und stellte zwei, drei ergänzende (Fach-)Fragen. Die Managerin musste passen und war entlarvt. Wenn Sie Geschichten erfinden, begeben Sie sich auf dünnes Eis. Man weiß nie, was für einen Hintergrund der Interviewer hat und ob nicht doch ergänzende, tiefergehende Fragen kommen. Schönen ja, dabei nahe bei der Wahrheit bleiben und nicht vollständig erfinden und lügen. 5 Der Raum-/Zeitfaktor oder auch das Glück spielt
eine wichtige Rolle. Bei aller guten Vorbereitung und Befolgung der schlauen Tipps gibt es keine Garantie auf einen Job. Denn – ich nenne es mal kurz so – „Glück“ spielt eben auch eine nicht unerhebliche Rolle. Ein Beispiel hierzu Der Bewerber A ruft die Personalerin um 10:00 Uhr im Büro an und möchte sich als Kaufmännischer Mitarbeiter bewerben. Die Personalerin sagt ihm direkt ab, da es keine freien Stellen gibt. Um 10:15 Uhr meldet sich Abteilungsleiter Müller, informiert die Personalerin, dass Frau Schmidt gerade gekündigt habe und er nun Ersatz suche. Um 10:30 Uhr ruft Bewerber B an und fragt nach Bewerbungsmöglichkeiten. „Super, bewerben Sie sich, es ist eine Stelle als Kaufmännischer Mitarbeiter zu besetzen!“ Das Resultat ist, Bewerber A ist raus, er hatte einen schlechten Raum-/Zeitfaktor. Bewerber B ist im Prozess, er hatte Glück. 6 Personaler/Führungskräfte sind „faul“ und haben keine Zeit. Diese Aussage klingt sicher hart, ist schwarz-weiß ausgedrückt und stark überzeichnet. Aber, fehlende Zeit ist in vielen Fällen die Realität! Sowohl PersonalerInnen als auch die jeweiligen Führungskräfte sind am Auswahlprozess beteiligt. Beide, insbesondere die Führungskräfte, haben in der Regel auch noch andere, vermeintlich wichtigere Dinge zu tun, als Personal auszuwählen. Es ist gerade für Führungskräfte manchmal eine lästige Unumgänglichkeit. Deshalb muss alles schnell gehen, auf den Punkt gebracht werden, darf keine Zeit kosten. Dieser Grundsatz ist die „Mutter aller Regeln“ für mich. Sehr viele meiner Ratschläge und Tipps basieren – auch wenn es auf den ersten Blick nicht offensichtlich ist – in letzter Konsequenz auf dieser Regel. Daher ist dann mein Rat, machen Sie es besser so und so und nicht anders! Weil, Personaler/Führungskräfte sind „faul“ und haben keine Zeit. 7 Personalerinnen/Führungskräfte nehmen sich für das Sichten der Bewerbungsunterlage und das Führen des Interviews recht wenig Zeit. Aus der vorgenannten Regel resultiert, dass Personaler/Führungskräfte sich für das Sichten der Bewerbungsunterlagen und die Entscheidung Einladung ja/nein nur rund fünf (!) Minuten nehmen. In dieser Zeit schauen sie sich die gesamten Unterlagen an oder besser gesagt, überfliegen sie das Anschreiben, den Lebenslauf und die Zeugnisse! Sie als BewerberIn müssen es also in dieser kurzen Zeit schaffen, durch entsprechende Gestaltung, Hervorhebung, einen klaren, logischen Aufbau etc. die wichtigen Fakten rüberzubringen und zu überzeugen, sodass Sie eingeladen werden. Wenn die Entscheidenden nicht ganz überzeugt sind, noch schwanken, dann ist die Entscheidung häufig keine Einladung. Warum? Richtig! Personaler sind „faul“ und haben keine Zeit. Soll ich tatsächlich eine Stunde für ein Interview opfern? Analoges gilt für das Interview, das je nach Job(-Level) plus/minus eine Stunde dauert. Klare, präzise, auf den Punkt gebrachte Aussagen zu den relevanten Fakten machen! Darauf, wie Sie das in den Unterlagen und im Interview ausgestalten können, wird später noch detailliert eingegangen. 8 Entscheidungen der Personaler/Führungskräfte laufen „Facebook-mäßig“ ab. Beim Sichten der Bewerbungsunterlagen in den wenigen Minuten nimmt der Entscheider viele Informationen auf, die äußere Optik, den sprachlichen Ausdruck, Rechtschreibfehler im Anschreiben, das Bild, persönliche Daten, fachliche Qualifikation, Zeugnisaussagen, die Seitenanzahl etc. Bei der Spiegelung an den gestellten Anforderungen der Stelle läuft es im Kopf der Entscheiderin, ich nenne es „Facebook-mäßig“ ab. Gefällt mir, gefällt mir nicht! Daumen hoch, Daumen runter! Rechtschreibfehler – Daumen runter. Bild – Daumen hoch. Kaufmännische Lehre – passt, Daumen hoch. Und so weiter … Nach Durchsicht der Unterlagen steht es dann, ohne Strichliste, eher gefühlt aus dem Bauch, 39 Daumen hoch zu 11 Daumen runter für oder gegen Einladen zum Beispiel. 9 BewerberInnen brauchen Unterstützer,
„Helferlein“ und Hilfsmittel. Wenn Sie Ihre Unterlagen zum fünften Mal lesen, übersehen Sie dennoch den Rechtschreibfehler. Oder die Gehaltsfrage wird hin und her überlegt und man kommt zu keinem Ergebnis. Was spricht für, was gegen die Annahme dieser Stelle? Bewerbende sind nicht unfehlbar, sie können nicht alles wissen und eine Entscheidung fällt manchmal sehr schwer. Daher sollten Sie als BewerberIn kostenfreie Unterstützung suchen und Hilfsmittel nutzen. Ich nenne diese kostenfreien Unterstützer „Helferlein“. Dabei kann es sich um Familienmitglieder, Freunde, Bekannte, ehrenamtlich arbeitende Organisationen etc. handeln. Sprechen Sie über alle Facetten der Bewerbung, insbesondere über die Bewerbungsunterlage bzw. deren Durchsicht und das Interview mit anderen Personen. Das hilft und gibt mehr Sicherheit! Als einfaches Hilfsmittel empfehle ich zudem „Stift und Papier“. Schreiben Sie gesammelte Informationen, Daten und Fakten auf, strukturieren Sie diese, stellen Sie ggf. Plus und Minus einander gegenüber etc. Was niedergeschrieben ist, wird nicht vergessen, es ordnet die Gedanken und unterstützt die Entscheidungsfindung. Nach diesen für den gesamten Bewerbungprozess allgemeingültigen Grundsätzen und Regeln möchte ich nun noch auf drei Kernaussagen zum Buch insgesamt eingehen. 10 Alle Informationen/Ratschläge sind meine
ganz subjektiven Aussagen. Alles, was in diesem Ratgeber niedergeschrieben ist, sind meine eigenen Gedanken und Aussagen. Diese basieren auf meiner langjährigen Erfahrung auf beiden Seiten des Bewerbertisches, als Personaler und (indirekter) Bewerber. Natürlich kenne ich einschlägige Bücher von Bewerbungsfachleuten, Karriereseiten und Blogs sowie Aussagen von Kollegen. Doch letztendlich ist und bleibt es meine Meinung, ohne Anspruch auf Richtigkeit. Daher werden Sie feststellen, dass meine Aussagen zum Teil erheblich von den Ratschlägen anderer BeraterInnen abweichen. 11 Es gibt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Wahrheit. Dieser Grundsatz besagt, in diesen Ratgeber ist viel Wissen, in erster Linie aus eigener Erfahrung, aber auch aus Gesprächen, Rückmeldungen von Bewerbern, aus Büchern, Karriereseiten, Blogs etc., eingeflossen. Es bleiben aber immer meine Sätze und Aussagen, oft auch bewusst ein wenig überzeichnet und schwarz-weiß dargestellt sind, um die Botschaft rüberzubringen. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Wahrheit und lassen immer auch Alternativen zu. Deshalb steht am Ende einer Aussage öfter ein „etc.“ 12 Grundsätzlich sind alle Menschen jeglichen
Geschlechts gemeint. Und zu guter Letzt ein Hinweis zur Gender-Thematik im Text und auf den Schaubildern. Zum leichteren Lesen habe ich mit dem Anhängsel „In“ gearbeitet und mal die männliche oder weibliche Form genutzt Selbstverständlich gelten die Aussagen der Texte und Schaubilder für Personen jeglichen Geschlechts.
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