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DIE MUNDHARMONIKA

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In jenen Jahren und Zeiten, als ich noch ein kleiner Knirps war, war es unter uns Knaben üblich sich bescheidene Wünsche über regen Tauschhandel zu erfüllen. Ich weiß heute nicht mehr so genau, ob ich bei dem Tausch - Fahrraddynamo mit dazugehörender Lichtanlage - gegen winzige Mundharmonika als Sieger im Sinne von Wertausgleich hervorging. - Eher nicht - in steter Erinnerung ist mir jedoch, dass ich geradezu versessen auf diese kleine Harmonika war. Hätte mein Tauschpartner um meine „Versessenheit“ gewusst, hätte er mir wohl noch schwerwiegendere „Tauschverluste“ zufügen können.

Gute fünf Jahrzehnte begleitete mich dieses mit kunstvoller Gravur geschmückte Musikinstrumentchen. Irgendwie schaffte es die Harmonika mir auch in meinen turbulentesten Lebensjahren nicht abhanden zu kommen, und welch schicksalhaft bedeutungsvolle Aufgabe ihr zugeteilt war, hätten wir uns vermutlich nicht träumen lassen.

In den langen Jahren, die ich im Süden verbrachte, signalisierte sie zu allen Tages- und Nachtzeiten auch den ängstlichsten und scheuesten Tieren auf den Straßen, dass sie unbesorgt aus ihren Verstecken heraus zu den Futterstellen eilen konnten, die ich für sie eingerichtet hatte. Innerhalb kürzester Zeit hatten sich die Straßenhunde an den Klang der Mundharmonika gewöhnt, und eilten freudestrahlend auf mich zu, um sich ihre Streicheleinheiten, ihr Futter, und nicht unselten ihre notwendige Medizin abzuholen. Scheinbar hatte mein bescheidenes Spiel auf dem Instrument eine Art betäubende Wirkung auf die Tiere. Auch die traumatisiertesten Hunde und Kätzchen kamen zu mir, oder blieben an ihrem Platz sitzen, wenn ich ihnen Tropfen gegen Ungeziefer auftrug, Entwurmungstabletten verabreichte, oder eben ihre Wunden versorgte.

Unzähligen Tieren, die ich begraben musste, gab die kleine Harmonika mit ihren Tönen letztes Geleit auf ihrem Weg über die Regenbogenbrücke. Und einmal, einmal erklang sie ein letztes Mal. Es war für mein graues Katerchen, der wie so viele vergiftet wurde, liebte die Klänge so sehr, dass er stets auf meinen Schoß sprang, wenn ich gelegentlich am Abend auf der Bank vor dem Hause saß und ein wenig aufspielte. Alle Tiere die ich begrub, bekamen von mir etwas Persönliches mit in ihr Grab. Mein Katerchen, der mir, so wie viele andere Fellkameraden, sehr sehr fehlt, bekam seine geliebte Mundharmonika mit auf seine Reise. Ich weiß von ihm, dass er sich mit ihr und seinem Weltlaternchen auf den Weg begab und nach seiner Ankunft im jenseitigen Reich des Friedens für alle Tiere spielte, die Unsägliches bei den Menschen erleben mussten. Es sind derer so viele, dass es allen Menschen der Erde, so sie auch wollten, nie mehr gelingen könnte sie aufzuzählen.

Die kleine Mundharmonika jedenfalls, hatte in vielen vielen Jahren unzähligen leidenden Tieren mit ihren Klängen glückselige Momente beschert ... und auch ohne dass der Leser jemals ihre Klänge vernommen hätte sei es dennoch unbenommen, dass er diese Klänge an so manchen Stellen des Buches zu vernehmen ahnt…

Die Mundharmonika

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