Читать книгу Die Ruhrpotters - Band II - Jana und der Supergau ... - Dietrich Bussen - Страница 7

Drittes Kapitel

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An diesem Abend saß Finn an seinem Schreibtisch. Vor ihm ein Buch in DIN A4- Größe mit festem Einband und leeren Seiten. Kein Buchstabe auf lauter Blättern aus umweltfreundlichem Papier. Seine Mutter hatte es ihm mitgebracht. Bei ihr kam nur öko, fair gehandelt und umweltfreundlich auf den Tisch.

Vom Kotelett bis zum Klopapier, bei uns alles öko, dachte Finn, als er das Umweltzeichen auf dem Einband sah.

Wir furzen wahrscheinlich auch umweltfreundlich. Ökofürze vom Feinsten, nehm ich mal an. Nicht wie die Rinder mit ihren Methanbomben im Auspuff.

Das soll also mein Tagebuch werden. Und, wie fängt man so was an?

‚Mein liebes Tagebuch’, iiihgitt!

‚Das Buch meiner Tage, ab jetzt ich wage’, auch nicht besser.

Ob Edel auch ein Tagebuch hat, und Klotz? Klotz glaube ich nich. Der steht nich auf Schreiben. Aber Edel … Ob da auch was über mich drin steht, ich meine, wenn überhaupt ...? Oder Oma Schmitz …Wenn, ein ganzes Regal voll, bei dem Alter, und ganz schön spannend, könnte ich mir vorstellen.

Also, los jetzt, ohne bla bla und pille palle:

Klotz war heute Nachmittag hier.

Mit Klotz geht’s also los, dachte er. Aber wieso mit Kuli und Papier?, fiel ihm mit Blick auf seinen Laptop auf. Gut gemeint Mama, aber heutzutage hat man für so was den da. Sory oder auch pardon, auch wenn du das Gerät nicht abkannst. Obwohl … inzwischen … Solltest mal die Geräte von meinen Kumpels sehen. Die halten den da für ’ne Dampfmaschine, oder für’n Waffeleisen, wie neulich einer von den ganz Witzigen.

Was der mir erzählt hat! Entweder hat der zuviel Krimis gekuckt oder seine kleinen grauen Zellen spielen verrückt.

Er zog den Laptop zu sich, tippte Tagebuch ein und fing noch mal an:

Also, Klotz war heute Nachmittag hier.

Überfall von drei Maskierten mit Pistole und Schlagstöcken auf dem Schrottplatz von seinem Onkel, Erhan, glaub ich. Haben die Frau von seinem Onkel und seine Kinder bedroht und beschimpft. Klotz war zufällig dabei, wegen Werkzeug für die Eisenkiste. Hat bei einem Springerstiefel erkannt. Könnte Verbindung zu Einbruch bei Oma Schmitz geben. Klotz meint, dass Omas Beschreibung von dem Einbrecher passen könnte. Worum es ging, weiß er nicht. Wahrscheinlich um was Größeres. Sein Onkel sei auf jeden Fall fix und alle gewesen. So down habe er den noch nie gesehen. Das Merkwürdigste: der Onkel hat Klotz zu absolutem Stillschweigen verdonnert, und Polizei hat er auch nicht benachrichtigt. Da muss was faul sein, auch bei seinem Onkel. Ich darf aber auch nicht drüber reden. Hab Ehrenwort gegeben (weil er drauf bestanden hat). Trotzdem, Klotz will unbedingt Rache wegen der Beleidigungen, und weil sie gedroht hätten, dass den Kindern was passiert, und weil er den Schlagstock von einem ablecken musste. Aber ohne Polizei? Für uns ist das ’ne Nummer zu groß. Nicht mal Kohlrabi dürfen wir einweihen.

Ob der überhaupt mitgekriegt hat, was ich ihm erzählt habe, überlegte er, von der Frankreichfahrt und Französisch-lernen? Bei Lernen geht der doch sonst hoch wie ’ne Rakete. Aber heute: ‚ja ja, klar, gebongt, meinetwegen. Deshalb dein Französisch in letzter Zeit, war das Einzige. Erst, als ich ihm meine neuesten PenSpinner Tricks vorgeführt habe - beidhändig - wurde er langsam wieder normal. In PenSpinning bin ich wirklich der beste, auf jeden Fall von denen, die ich kenne in Dortmund und Umgebung. Zugegeben, sind nich viele, aber immerhin. Vom Backaround bis zum Wiper hab ich eigentlich alles, na ja, fast alles drauf. Also weiter:

Klotz schlägt vor, mit PenSpinning Kohle zu machen.

Samstags auf’m Westnenhellweg oder vor Reinholdi, wenn’s da so richtig brummt, soll ich meine PenSpinner-Nummer abziehen, und er will abkassieren, und Edel soll Schmiere stehen, wegen der Bullen. Aber nach der Schatzkiste hätten wir so was wahrscheinlich gar nicht mehr nötig, meint er. Bin mal gespannt. Wenn ich mir vorstelle, ’ne ganze Kiste voll …

«Silber und Gold, ihr haben wollt; Schmuck und Geld, euch sehr gefällt; ha ha , ha ha …»

Was war das denn? Das war ich doch nicht. Aber wenn nicht ich, wer dann? Papa kann’s diesmal nich gewesen sein. Der ist im Tempel und Mama beim Yoga oder heute im Dortmunder U? auf ihrem Kunsttrip? Keine Ahnung.

Geister im Pfarrhaus, Spuk im Kinderzimmer. Ich glaube, es hakt. Obwohl, eigentlich passt es: Kirche, Pfarrer und Geister. Vom Heiligen Geist ist hier doch öfter mal die Rede, und zwar ohne Quatsch und ganz im Ernst. Jetzt ist eben mal einer kurz vorbeigekommen und hat einen Spruch losgelassen, und ist wieder abgehauen, hoff ich doch mal… Es hat sich wirklich so angehört wie …, ja wie denn jetzt? Weg is es, verschwunden, perdu. So, als ob nichts gewesen wäre. Vielleicht alles nur Einbildung oder so? Oder der Computer spielt verrückt. Online is er ja. Ob’s inzwischen tatsächlich schon Teile gibt, die auf Gedanken reagieren, wellenmäßig oder strahlengesteuert? Oder street-view im Kinderzimmer, na ja , ohne Bild, noch, aber mit Ton, immerhin! Mama meint ja, lange würde das nicht mehr dauern, bis wir alle ferngesteuert durch die Gegend laufen, wenn das so weiterginge. Bei der Werbung würden sie schon fleißig daran arbeiten. Davon sei sie fest überzeugt. Die wären doch jetzt schon so weit, dass wir nicht mehr mitkriegen, was die uns alles unterjubeln. Noch üben die nur, noch... Oder vielleicht auch nich, hat sie gemeint. Vielleicht sind die schon viel weiter, und wir merken es nur nich. Kaufen und Wegwerfen, soll in unseren Köpfen kreisen. Immer nur kaufen und wegwerfen, kaufen und wegwerfen egal was, Hauptsache shoppen, shoppen, shoppen. Wie die sich aufgeregt hat. Und möglichst alle paar Monate den neuesten Computer mit den neuesten Hirnrichtungsprogrammen …

Papa und ich hatten erst Hinrichtungsprogrammen verstanden und uns angeguckt, und ich hatte Angst, dass Mama kurz vorm Durchdrehen wäre.

Sie hat dann erklärt, wie sie es meinte. Dass die nämlich unseren Empfänger - unser Gehirn also - auf ihre Sender ausrichten würden. Und mit diesen Sendern würden sie uns dann pausenlos mit ihren Nachrichten bombardieren, ohne das wir was davon merken. Und dann hat sie noch den Spruch losgelassen, dass wir irgendwann nicht mehr das machen, was wir wirklich wollen, sondern nur noch das, was wir machen sollen, oder so ähnlich. Dass wir nicht mehr unsere eigenen Gedanken denken würden, sondern die von anderen, die andere uns einflüstern, heimlich. So hab ich sie jedenfalls verstanden.

In tausend Jahren vielleicht, denke ich. Und Papa hat gegrinst und gemeint, dass Mama ’ne blühende Phantasie hat. Aber vielleicht hat sie ja doch recht, und bei Bill Gates schlummert schon was im Safe, und ein Teil hat sich eben selbständig gemacht und is - schwupps - zum Beispiel in meinem Computer gelandet, weil, mit dem Sohn vom Pastor kann man’s ja machen. ‚Silber und Gold ihr haben wollt …’ Na klar, immer her damit. Und, haste sonst noch was zu bieten, Billy, alter Kumpel? Außer räuspern, räuspern gilt nich.

Finn sah zu seinem Computer, schüttelte den Kopf, schlug sich an die Stirn und dachte, was war das denn schon wieder? Seit wann räuspern sich Computer? Quatsch! Wahrscheinlich ’ne Botschaft von Mama. Die glaubt ja an so was. Gedankenlesen kann die jedenfalls, wenigstens wenn ich schwindele, leider. Oder mein Supermodell - Marke ‚Neandertaler’ - verabschiedet sich gerade,

dass er seinen Geist aufgibt, oder auch im Arsch ist, und dann macht der eben solche Geräusche. Obwohl, wenn ich mir den so ansehe, alles wie immer, desktopmäßig. Also, null Problemo. Und du - Finn hob drohend seinen Zeigefinger in Richtung ‚Neandertaler’ - hältst in Zukunft deine Klappe, alles klar?

Soll ich das etwa auch ins Tagebuch …? Lieber nich. Wenn das jemand liest. Die holen die Männer mit den weißen Kitteln. Er schrieb:

Morgen früh muss ich um halb sechs aufstehen wegen X und ‚Frühsport’.

X, überlegte er, könnte ich eigentlich ab sofort für Kiste nehmen. Als Code. Sicher ist sicher.

Klotz will ‚rattenscharfe Messer’ mitbringen für Anton wegen der Gewebeproben. Ich soll für Marmeladengläser sorgen, drei Stück, damit wir die Teile getrennt einpacken können. «Möglichst leere», typisch Klotz.

«Haare und Mageninhalt zusammen ist nicht so günstig», typisch Edel.

Ich glaube, dabei verdrück ich mich lieber. Mein ‚Mageninhalt’ meldet sich jetzt schon, und zwar sehr heftig. Marmeladengläser, möglichst leere! Dann auf jeden Fall mit dem ganzen Zeug zu Oma Schmitz. Sie will für alles Weitere sorgen, kohlrabimäßig, hat sie Edel gesagt. Oma hätte sich richtig über ihren Anruf gefreut, und dass wir morgen vorbei kommen, meint Edel. Dass wir auch noch was Anderes abliefern wollen, hätte sie ihr allerdings erst mal nicht gesagt. Ob sie der ganzen Sache nicht so richtig traut? Dass vielleicht gar nichts drin ist in der Kiste?

Egal, Oma Schmitz wird auf jeden Fall keine Schwierigkeiten machen, so nett wie die ist, dachte Finn. So, noch was für’s Tagebuch? Nee, eigentlich nich. Ging doch für’s erste Mal. Vielleicht ein bisschen lang geraten.

Und dir, Computer, dreh ich jetzt mal den Strom ab, vorsichtshalber.

Aber was sie mir über ihre Tante erzählt hat, ganz schön abgefahren. Kauft die sich ’ne ganze Ausrüstung für ’ne Katze: Körbchen, Klo, Kletterbaum und allen möglichen Kleinkram, aber keine Katze. Vielleicht Altersdemenz. Aber so alt ist die doch gar nicht. Meistens läuft das doch umgekehrt: erst Katze, dann Körbchen. Wie: erst Busen, dann Büstenhalter, oder etwa nich? Ob Edel so was schon hat? Sehen tut man auf jeden Fall nichts. Oder doch? Fragen kommt wahrscheinlich auch nicht so gut. Mal kucken. Kucken?, wieso … ach so … Is auch egal. Komisch wäre auch, dass ihre Tante gesagt hätte, dass das mit der Katze wahrscheinlich noch Zeit hätte, weil, dafür müsste erst jemand sterben. Sie habe den Verdacht, dass ihre Tante dabei an eine ganz bestimmte Person gedacht hätte. Damit sei sie aber nicht rausgerückt.

Ganz schön schräg, oder auch bizarre, auf Französisch, wahrscheinlich.

Edel meint, dass das vielleicht auch mit den Leichen zu tun haben könnte, mit denen sie fast jeden Tag zu tun hätte: waschen, anziehen und sogar schminken … Da sei vielleicht was hängen geblieben in ihrem Kopf. Möglich, dass sie deshalb manchmal an Leichen denkt, wo es gar keine gibt. Dass sie vielleicht so was wie ’ne Leichenmacke hätte. Sonst sei sie aber wie immer.

Auf jeden Fall hat sie ihre Jeans gekriegt. Hätte mich auch gewundert, wenn nicht.

Aber von wegen Macke. Ob bei mir auch was nicht stimmt?

Papa meint jedenfalls, ich soll das nicht ‚an die große Glocke hängen’. Und Mama hat das auch gesagt. Und das nur, weil ich mit den Fingern Sachen machen kann, die andere nicht können. Bei seinen Nachforschungen hat er tatsächlich keinen gefunden, der, wie ich, mit beiden Händen gleichzeitig unterschiedliche Texte schreiben kann. Die obere Zeile mit Rechts und die darunter mit Links, oder umgekehrt, aber eben gleichzeitig, und anstrengen muss ich mich dabei auch nicht.

Papa meint, dass Menschen es nicht mögen, wenigstens die meisten, wenn man etwas kann, was sie sich nicht erklären können. Finde ich komisch.

Noch was fürs Tagebuch:

Also, ich finde es bescheuert, dass ich das mit dem Schreiben auch vor Edel, Klotz und Oma Schmitz geheim halten soll, auch wenn Papa meint, dass nach der ersten Bewunderung sehr oft - langsam aber (fast) sicher – Misstrauen und Ablehnung entsteht, manchmal sogar Hass.

Ich glaube das nicht. Wenigstens nicht bei Edel und Klotz und Oma Schmitz.

Wenn Papa recht hätte, überlegte er, würde ich dann ja wohl keine Freunde mehr haben. So weit kommt’s noch! Papa du spinnst! Ich kann das eben, und damit basta.

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