Читать книгу Der kleine Medicus. Band 4: Ein gefährlicher Auftrag - Dietrich Grönemeyer - Страница 7
Marie in Gefahr
ОглавлениеFür einen Moment waren Nano und Marie wie erstarrt. „Oh je, Nano, schau mal! Da oben!“, sagte Marie und zeigte aufgeregt auf den Nanobot, der sich über ihnen langsam immer weiter drehte.
Er schien mit seinem Scheinwerfer die Arterie abzusuchen. Unentschlossen bewegten sich die drei langen Tentakel durch den Blutstrom.
„Ich glaube, er hat uns doch noch nicht entdeckt“, flüsterte Nano.
„Aber der Scheinwerfer“, bemerkte Marie. „Der hatte uns doch erfasst?“
„Die Bordkamera!“, entfuhr es Micro Minitec. „Das ist die Schwachstelle des Nanobots. Ich hatte nicht genügend Zeit, sie zu verbessern. Das Ding sieht so schlecht wie ein Maulwurf nachts im Tunnel. Aber das ist nicht die einzige Schwachstelle. Der ganze Nanobot läuft nicht rund, nicht so, wie ich ihn geplant hatte.
Darum habe ich ihn auch nie gebaut. Professor Götz von Schlotter aber sehr wohl. Und er hat ihm sogar einen Namen geben. Gobot. Es musste natürlich unbedingt ein Name sein, der mit G beginnt. Wie sein eigener Vorname. Gruselig, oder? Als wäre der Nanobot ein Mensch!“
„Aber warum hat ihn dieser von Schlotter denn gebaut?“, fragte Marie nervös.
„Weil er nicht den Menschen helfen, sondern berühmt werden will“, antwortete Nano, während der Nanobot über ihnen schwebte. „Los jetzt, holen wir die Laser!“
„Setzt sie aber nur ein, wenn ihr angegriffen werdet“, gab Micro Minitec zu bedenken. „Ich brauch’ das Ding in einem Stück.“
Nano zog Marie am Ärmel des Schutzanzugs und öffnete die kleine Bordklappe des Miniboots. Dort lagerte ihre Ausrüstung.
„Noch haben sie genug Energie“, stellte Nano nach einem Blick auf die Anzeigen der beiden Waffen fest.
„Aber wir müssen die Laser sparsam einsetzen. Die fressen unheimlich schnell sehr viel Energie!“
„Da! Schau mal!“, sagte seine Schwester und zupfte jetzt an seinem Ärmel. „Das Ding fährt weiter.“
Nano sah nach oben. Langsam glitt der Gobot über sie hinweg und näherte sich dem Aneurysma, der Beule in der Ader, in die sie die Coil gesteckt hatten, die kleine Spirale, die die Aussackung verstopfen sollte.
„Uns hat er nicht entdeckt, aber die Coil“, stellte Nano verärgert fest.
„Bestimmt, weil die Spirale so schön glänzt“, stimmte Marie ihrem Bruder zu.
Gobot erreichte die Blase in der Ader und setzte seine bedrohlichen Tentakel ein, an deren Enden sich jeweils ein Greifer befand. Was der Nanobot genau machte, konnten sie nicht sehen, da er den Blick versperrte.
„Ich ahne Finsteres“, sagte Micro Minitec. „Der Gobot will die Spirale wieder herausziehen. Fremdkörper zu entfernen, gehört nämlich zu seinen Aufgaben. Ich habe ihn ja selbst so programmiert.“
Nano und Marie schwammen sehr vorsichtig an den Nanobot heran. Micro Minitecs Vermutung erwies sich als richtig. Mithilfe seiner Tentakel und der Greifer war er gerade dabei, die Spirale wieder aus der Aussackung zu ziehen.
„Das ist eine echte Katastrophe für Opa“, schimpfte Nano wütend. „Wir müssen das blöde Ding unbedingt aufhalten!“
„Wartet!“, hielt sie Micro Minitec zurück. „Der kleine Handlaser ist nur für Gewebe gedacht. Einem Nanobot kann er nicht sehr viel anhaben. Das kann nur der Bordlaser vom Miniboot. Aber dafür ist jetzt keine Zeit mehr. Ihr müsst sein Gehirn treffen, also seinen Computerchip. Er befindet sich direkt über dem Scheinwerfer. Beeilt euch und zielt genau!“
Nano und Marie kämpften gegen den Blutstrom an. Nach einigen kräftigen Schwimmzügen waren sie neben dem Nanobot, dessen Greifer die Spirale tatsächlich schon fast wieder aus der Beule entfernt hatten.
„Schnell!“, rief Nano.
Beide machten noch einen letzten Schwimmzug, hoben ihre Laser, zielten und feuerten. Die Strahlen trafen genau ins Ziel. Der Nanobot zuckte heftig und zog seine Greifer wieder zurück. Mit einer schnellen Bewegung drehte er sich um und raste auf Nano und Marie zu.
„Das Ding ist sauer“, meinte Nano.
„Aber wir auch“, sagte Marie, zielte und schoss. Doch der Laserstrahl verfehlte das Kameraauge.
Der Nanobot machte einen Satz und ließ seine drei Tentakel vorschnellen. Zwei der Klauen griffen ins Leere, die dritte aber erwischte Marie am Bein.
„Hilfe!“, rief sie und begann, mit dem Fuß des anderen Beines gegen den Tentakel zu treten.
Das aber beeindruckte den Nanobot nicht im Geringsten, der nun plötzlich eine lange Nadel wie eine Teleskopantenne ausfuhr und sie auf Marie richtete.
„Die Nadel!“, schrie Micro Minitec. „Damit kann der Nanobot Viren, Bakterien und Tumorzellen töten. Sie wird einfach nur heiß. Das reicht aus.“
„Ich will nicht gegrillt werden!“, schrie nun auch Marie.
Sie wehrte sich immer heftiger.
„Hör auf zu zappeln, Marie!“, rief Nano.
Er kniff ein Auge zu und zielte genau.
„Ich mach’ dich fertig, du fieser Gobot“, murmelte er entschlossen und schoss. Sein Laserstrahl verfehlte das Kameraauge nicht. Der Nanoroboter geriet sofort völlig ins Taumeln und öffnete seinen Greifer. Marie war frei, ruderte gegen den Blutstrom und landete direkt neben ihrem Bruder. Der Nanobot schlingerte und wandte sich ab.
„Jetzt will er abhauen!“, stellte Marie fest und feuerte gezielt mit ihrem Laser hinterher. Auch Nano betätigte kurz den Auslöser, dann verschwand der Gobot und folgte dem Blutstrom.
„Den sind wir erst einmal los“, sagte Nano erleichtert.
„Hoffentlich“, schnaufte Marie. „So eine böse Maschine!“
„Freut euch nicht zu früh“, gab Dr. X zu bedenken.
„Jetzt seht euch erst einmal die Spirale an. Überprüft, ob sie noch richtig sitzt.“
„Machen wir“, sagte Nano und ruderte durch den Blutstrom zu der Blase, die die Arterie gebildet hatte.
Marie folgte ihm und sah sich dabei immer wieder um.
„Denk an die weißen Blutkörperchen“, mahnte sie.
Nano nickte und besah sich die Spirale. Dem Nanobot war es gelungen, sie ein großes Stück aus der Blase herauszuziehen, sodass sie nun im Blutstrom winkte wie eine Fahne.
„Sie darf auf keinen Fall vom Blut mitgerissen werden“, sagte Micro Minitec. „Sie verschließt sonst die Arterie.“
Aber Nano hatte sie schon erreicht und stopfte sie zurück in die Aussackung. Es dauerte keine Minute, dann war wieder alles wie vorher.
Zufrieden betrachtete Nano sein Werk. Eigentlich hatte er die Operation ein zweites Mal erfolgreich durchgeführt.
„Wir sind fertig“, sagte er stolz und ballte die Faust.
„Und jetzt machen die uns fertig“, warnte seine Schwester und zeigte auf zwei große, weiße Kugeln, die sich ihnen schnell näherten.
„Du nimmst das rechte, ich das linke Blutkörperchen“, wies Nano seine Schwester sofort an.
Wieder zuckten zwei Laserstrahlen durch die Ader. Die beiden Leukozyten platzten wie Seifenblasen.
Doch hinter den Resten tauchten weitere weiße Blutkörperchen auf.
„Zum Boot zurück!“, schrie Nano.
„Ja, da kommen noch mehr“, rief Marie.
„Lass uns die Laser mit ins Cockpit nehmen“, entschied Nano. „Schnell, ab in die Schleuse!“
Kaum hatten sie die Tür geschlossen, hörten sie auch schon ein sonderbares Reiben und Kratzen.
„Sie sind da“, hauchte Marie.
„Und wir schon fast weg“, sagte Nano und ließ sich erleichtert auf seinen Sitz fallen. „Aber was sollen wir denn jetzt machen?“
„Ihr müsst den Gobot unbedingt verfolgen“, antwortete Micro Minitec. „Der ist jetzt außer Kontrolle und richtig gefährlich.“
„Und wie finden wir ihn?“, fragte Nano.
„Wir können euch leider nur ungefähr sagen, wo er ist“, erklärte Micro Minitec. „Von Schlotter muss ihn mit irgendeinem Schutz versehen haben. Auf unserem Tomografen ist nur eine Art Schatten zu erkennen. Schaltet einfach mal euer Radar ein.“
Nano brauchte nicht lange, um auf dem großen Display das Symbol für das Radar zu finden. Schon erschien ein dreidimensionales Bild von der näheren Umgebung. Nicht weit von ihnen entfernt leuchtete schwach ein roter Punkt.
„Das muss er sein“, sagte Marie. „Wo will der bloß hin?“
„Ich befürchte, ins Gehirn“, antwortete Dr. X.
„Aber da sind wir doch schon, oder etwa nicht?“, wunderte sich Marie.
„Ihr seid in einer Hirnarterie, also im Blut“, erklärte Dr. X. „Nicht aber dort, wo sich die Nervenzellen befinden. Und dorthin will der Nanobot. Ihr müsst ihn auf jeden Fall erwischen, bevor er dort Schaden anrichten kann. Macht schnell!“
„Und ob!“, versprach Nano und beschleunigte.
Die Leukozyten waren unschlüssig und ließen sie durch.
Nur ein oder zwei stellten sich dem Boot träge in den Weg, konnten es aber nicht aufhalten.
„Die wissen auch nicht, was sie wollen“, raunte Marie.
„Das muss an den Materialien des Bootes liegen“, meinte Micro Minitec. „Das Miniboot besteht zwar zum größten Teil aus Titan, aber an einigen Stellen wurden auch andere Materialien verbaut. Ich glaube, daran liegt es. Euch haben sie gleich aufgespürt, doch beim Boot sind sie unsicher. Egal, jetzt schnappt euch endlich diesen Gobot!“
Nano beschleunigte weiter und sah immer wieder auf das Radar. Langsam verringerte sich der Abstand zum Nanobot. Noch immer schwammen sie im Blutstrom der Arterie, dann aber bog Gobot plötzlich ab.