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ОглавлениеVor Saisonbeginn. Vor dem Trainingsauftakt.
Erste Sitzung mit Spielerin Birte, 23 Jahre, Bäckerin, Verteidigerin.
„Hallo, das ist aber eine Überraschung ...“
„Der Detlef hat gesagt, er hat heute Abend seine erste Sitzung mit Ihnen und ich hab’ nachgedacht und ich bin der Meinung, es ist besser, wenn ich zuerst mit Ihnen rede.“
„Warum?“
„Ich bin eine Frau und die Burschen aus der Mannschaft, die haben nicht so große Antennen. Ich meine, gefühlsmäßig. Und weil ich die Erdbeertörtchen fertig hatte und nicht mehr hinter die Theke muss, bin ich schnell rüber zu Ihnen. Ich hoffe Sie haben Zeit ...“
„Hab’ ich. Nehmen Sie doch bitte Platz.“
„Cool, danke. Können wir nicht du sagen? Sie gehören doch jetzt zu Rot-Weiß dazu!“
„Gern. Albert.“
„Ich bin Birte. Nicht Zuckerschneckchen. Nicht Törtchen oder Knackarsch. Einfach Birte.“
„Wer sagt denn so was?“
„Na die Jungs aus dem Kader. Nicht die Neuen, aber die anderen. Da krieg ich ’nen Hals. So eine Krawatte.“
„Die nehmen dich nicht ernst ...“
„Ganz genau, besonders der Horny, der Jochen. Dabei hat der nur Angst um seinen Posten als Läufer. Der Schlappschwanz. Was der an Pensum bringt, pack’ ich allemal.“
„Entschuldige, Birte, dass ich so unverblümt frage, aber du
bist sehr gutaussehend, von der Figur zierlich würde ich beinahe sagen. Ich kenne mich nicht so aus, aber, wie kommt es, dass du in der Männermannschaft spielst.“
„Bei allem Respekt, Albert, aber Frauenfußball ist nicht. Nicht für mich. Dieses Weichspüler-Gebolze kann ich nicht ab. Ich hab ’ne Genehmigung, dass ich in der Herrenmannschaft mitmachen darf. Extra vom Vorstand losgetreten, weil, in mir steckt rot-weißes Blut. Mein Ur-Opa Friedrich hat schon für Rot-Weiß gespielt. Er war Mannschaftskapitän. Er ist Meister geworden. Meine Mutter hat die Kapitänsbinde und die Siegermedaille von ihm in ihrem Schlüpfer vor den Russen versteckt, als der Krieg aus war. Vielleicht auch vor den Amis und den Tommys. Und als Ur-Opa gestorben ist, hab’ ich die Binde bekommen. Das war sein letzter Wille. Ich hab’ Schweißbänder draus gemacht. Und ich trag’ die Dinger jeden Sonntag. Außerdem, wer sagt, dass Spielerinnen Wuchtbrummen sein müssen, die eine Visage zum Reinschlagen haben.“
„Du bist ja Abwehrspielerin. Wie oft kommst du zum Einsatz?“
„Bisher ist meine Spezialität rechts draußen. Bankhocken. Der Dudel bringt mich ja zum Verrecken nicht. Ich habe noch nie gespielt! Der Dudel bölkt durch die Gegend ohne Ende, führt sich dabei auf wie ein Feldmarschall, aber in Wirklichkeit hat der Eier aus Gummi. Das sag’ ich dir. – Ich spiel’ die anderen im Training auf ’m Bierdeckel schwindelig. Und? Nutzt nix. Chefchen sagt, Zweikampf, das ist nichts für mich. Die gehen auf die Knochen, dann greifen sie dir in den Schritt und an die Brüste. Oder verstehen die Anweisung ‚hautnah decken‘ falsch. Sollen sie mal. Werden sie schon sehen, was sie davon haben. Außerdem, meine Möpse sind mit ’nem Sport-BH weggesperrt. Das kannst du von Schneckes, Charlys und Heinz’ Biertitten nicht behaupten. Aber das zählt dann nicht, wenn ich denen das vor den Kopp knalle.“
„Den Frust kann ich verstehen, aber gibt es denn nicht noch viel mehr Hindernisse, so unter Männern?“
„Hindernisse? Du meinst den Pimmelchen beim Duschen begegnen? Okay, Bomber hat ’ne Fleischpeitsche, aber der Rest, das ist doch Hausmannskost, so zwischen Gewürzgurke und Minisalami. Und ich hab’ vier Brüder. Die glauben, ich wäre nichts gewohnt. Wir sind doch ein Team! Und da geht das doch wohl nicht, dass die Typen wegen mir, solange ich mich abbrause, die Hosen anbehalten. Ich mein’, die anderen verbiegen sich. Und das Ende vom Lied: Ich dusche alleine, weil ich blank ziehe und dann kommt der ganze andere Rest. – Ich find’, die machen ein Aufsehen für nichts.“
„Was muss sich denn deiner Meinung nach noch ändern?“
„Oh, ’ne ganze Menge! – Manche sind viel zu eitel, die wollen Schaulaufen machen. Schönwetterfußballer. Grätschen nicht, wegen der Asche, die ihnen den Hintern aufreißt. Manche kleben sich echt mit Pflaster die Brustwarzen ab, bevor sie das Trikot anziehen. Weil sie sonst wundgescheuert sind. Kein Wunder, dass der Trainer ausrastet. – Und dann, ich mach’ keinen Kopfball! Dudel brüllt mich immer an, du Nulpe, mach’ hier nicht auf Barbie. Ran an den Ball mit dem Kappeskopp.“
„Warum köpfst du denn nicht?“
„Eklig. Es reicht der Dreck am Ball, der Stirnschweiß von den anderen Köppen. Aber unser Keeper, der Kalle, der ist echt ein Ferkel. Der spuckt auf seine Handschuhe. Macht griffiger, sagt er. Dann hält er die Pille und wirft sie ab. Und bei der nächsten Flanke hab’ ich die Rotze von dem Kalle an der Stirn kleben. Ohne mich. Außerdem, wo ich schon dabei bin, ich bin nicht für alles zu haben. Schweißgeruch, Knofi, das kann ich gut ab. Die Jungs müssen ja auch ertragen, wenn ich nach Mocca-Buttercreme oder Kokosnusstorte rieche. Aber bei den penetranten Mentholdämpfen von der Sportlersalbe, den stinkenden Abflüssen, dem andauernden Muskelkater und Dudels bekloppten Trainingsbesprechungen krieg’ ich einfach die Pimpernellen.“
„Trainiert er zu hart? Sind die Besprechungsergebnisse nicht klar formuliert?“
„Ich sag mal so. Sauerland – Powerland. Kennst du die Hymne nicht? Detlef, der hat noch nicht kapiert, was Trainersein eigentlich bedeutet. Er ist ein herrischer Platzanweiser, wenn du mich fragst. Mehr nicht. Hab’ ich ihm schon gesagt, aber er hört nicht drauf. Machst du nix. Ich hab’ ihm das schon oft gesagt, ehe wir auf Tournee gehen, du musst da dran was ändern, aber macht er nicht. Nützt nix, was willst du machen. Ein Beispiel: Er sagt, wir müssen fit werden, in Form sein. Fitti, Fitti schreit er übern Platz und dann geht’s los. Warmmachen, unterm Geländer durchkriechen, übers Geländer springen. Sprinten, Dauerlauf, Steigerungslauf. Mit Bleiwesten, mit Medizinbällen. Liegestütze, Bockspringen. Entenlauf. Wieder Ehestandsbewegungen. Übungen mit dem Ball: Passen, Dribbeln, Flanken, Torschuss. Null Abwechslung. Das ist was für Bananenbieger. Und dann immer mit Schmackes, nur immer mit Wumms. So ein Vollpfosten, bei allem Respekt. Der Littbarski oder der Häßler, die sind ungefähr so groß wie ich und wiegen auch nicht viel mehr. Kuck mal, wie die mit dem Ball umgehen. Die streicheln den Ball, die lupfen. Das ist toll. Der Ball muss sich wohlfühlen, dann kommt er auch an und geht am Ende rein. Außerdem: Wir sind nicht nur die Hannesse vom Schinder. Wir brauchen auch hin und wieder ’ne Pause, wollen auch mal Spaß inne Backen haben. Was kommt dann vom Boss? Na gut. Veranstalten wir einen Kinoabend mit Grillen. Eigentlich nicht schlecht, die Idee. Aber was macht er draus? Er verlangt, dass wir mit ihm Pump ab das Bier grölen und zur Filmauswahl stellt er Rocky und Stirb langsam. Der Dudel schiebt ’nen Affen auf Bruce Willis. Dabei lief auch Pretty Woman. Richard Gere ist aber auch der Bringer. Nicht nur der Bruce Willis. Hab’ ich Dudel gesagt. Hab’ ihm von Ein Offizier und Gentleman erzählt. Wollte er nichts von hören. Machst du nichts. Alles in allem: Null Entertainment. Das Training ist kacke. Und die Jungs haben auch keinen Bock auf so ein Gestrieze. Aber das kommt im Oberstübchen von dem Dudel nicht an. Die Kollegen sagen auch nichts. Ich glaub’, das kommt, weil sie Männer sind. Hätte ich nicht eine angeborene Rot-Weiß-Leidenschaft, dann könnte er mich mal kreuzweise. – So, das ist mal das. Und dann muss das mit den Beleidigungen aufhören, diesem Machogehabe. Wie die untereinander sprechen, das ist doch nicht zum Aushalten. Na, du Sackratte. Was meinst du? Fiedeln wir heute den Hampelmännern von der Fortuna die Bude voll? Oder sagt Macke zu Wolfgang: Wieso bist du eigentlich so dick, du fette Qualle? Sagt der, immer, wenn ich auf deiner Alten herumgeturnt habe, gibt’s danach ein halbes Schwein auf Toast. So ein Gequake. Einige sagen statt Törtchen oder Zuckerschneckchen zu mir Seestern. So können sie ihre Olle nennen. Ein hirnloses Vieh, was erlauben die sich eigentlich. Aber wie hab’ ich gekontert? Ich hab’ denen einen Schienbeinquetscher vom Feinsten verpasst. Keinen Muck haben die gemacht. So was wird ja totgeschwiegen, weil, Dudel sagt, über Schmerzen spricht man nicht. Die steht man durch. Wasch- und Jammerlappen spielen woanders. Nicht bei uns. Stimmt. Die Jungs von anderen Vereinen haben ja auch nichts zu jammern. Die stehen ja auch nicht ganz unten. Ist aber ganz gut so mit dem Schweigen. Männer sind ja so leidend, wenn sie was haben, dann sind die wie kleine Kinder. Im Winter spielen die mit Handschuhen. Aus Angorawolle. Mit Strumpfhosen unter der Buchse. Und dann? Schnüpfchen. Halsweh. Hüsterchen. Die Lazarettis können einem ganz schön auf ’n Sack gehen. – Und, was ich noch vergessen hab’: Die Trainingsbesprechungen. Dudel sagt da jedes Mal: Wir wollen gewinnen, immer, auch wenn wir die Schlechteren sind. Ich glaub’, es geht in seinen Appel nicht rein, dass er in unseren Gehirnwindungen nicht festsetzt, dass wir gewinnen wollen, sondern, dass wir es einfach nicht draufhaben. Er glaubt, er wär’ von Genialität umweht. Die Methode ist genau die Richtige. Keinen Blassen hat der, wenn du mich fragst. Tschuldigung, aber das regt mich total auf. Und dann, oh, wenn ich nur dran denke, bringt mich das auf hundertachtzig, er sagt immer, elf Freunde müsst ihr sein. Wir sind aber neunzehn Leute. Was ist also mit den anderen acht? Die sind Luft? Gehören nicht dazu. Sind zu Huschi-Buschi im Kopf, um zu den elf Freunden zu gehören. Lass dir gesagt sein, es wäre besser gewesen, wir hätten uns den Club der toten Dichter angesehen, statt Stirb langsam. Und zur Taktik kann ich nur eines sagen: Die Jungs sind wie kurzsichtige Dribbelakrobaten. Die wollen den Ball ins Tor tragen. Distanzschüsse. Gibt es nicht! Kann Chefchen sagen sooft er will, schießt doch mal aus der zweiten Reihe. Das geht ein Ohr rein, anderes Ohr wieder raus.
So und jetzt? Wenn wir durch sind, zisch’ ich gleich auf jeden Fall mal zwei Bierchen und dann hau’ ich mich in die Falle.
Anmerkung: Fortlaufende Termine für Birte einrichten!