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Kapitel 1
ОглавлениеDie Tür zum Übernatürlichen aufstoßen
Der Frühling ging zu Ende, und das erste Mal spürte man die Ankunft des Sommers. Was im Juni 2007 zunächst wie ein typischer Sonntagnachmittag ausgesehen hatte, sollte für Anna Willems alles andere als ein gewöhnlicher Tag sein.
Die Verandatüren, die vom Wohnzimmer in den Garten führten, standen weit offen, die dünnen weißen Vorhänge tänzelten im Luftzug, und die Gartendüfte wehten herein. Anna saß, in hellem Sonnenlicht gebadet, bequem auf ihrem Sessel. Draußen zwitscherte ein Vogelchor, und Anna hörte in der Ferne das melodiöse Gelächter von Kindern und Geplätscher aus einem der Nachbargärten. Annas zwölfjähriger Sohn lag lesend auf dem Sofa, und sie hörte ihre elfjährige Tochter im Zimmer direkt darüber beim Spielen singen.
Anna, eine Psychotherapeutin, arbeitete zu der Zeit als Managerin und Vorstandsmitglied für eine große psychiatrische Einrichtung in Amsterdam, die jährlich über 10 Millionen Euro Gewinn machte. Oft bildete sie sich an den Wochenenden mit Fachliteratur weiter; also saß sie an diesem Tag in ihrem roten Ledersessel und las einen Zeitschriftenartikel, ohne zu ahnen, dass sich diese für einen Außenstehenden scheinbar so perfekte Welt in wenigen Minuten in einen Albtraum verwandeln würde.
Anna war ein bisschen abgelenkt und konzentrierte sich nicht wirklich auf ihre Lektüre; sie legte ihren Lesestoff beiseite, machte eine Pause und fragte sich auf einmal, wo eigentlich ihr Mann abgeblieben war. Er war frühmorgens, während sie gerade duschte, aus dem Haus gegangen. Ohne ihr zu sagen, wohin er gehen wollte, war er einfach verschwunden. Die Kinder hatten ihr erzählt, ihr Vater habe sich mit einer Umarmung von ihnen verabschiedet. Sie hatte wiederholt versucht, ihn auf seinem Handy zu erreichen, aber er rief nicht zurück. Noch einmal probierte sie es, erreichte ihn jedoch nicht. Irgendetwas fühlte sich wirklich seltsam an.
Um halb vier klingelte es an der Tür. Anna öffnete und sah sich zwei Polizisten gegenüberstehen.
»Sind Sie Frau Willems?«
Anna bejahte, woraufhin die Polizisten um Einlass baten, um mit ihr zu reden. Anna war beunruhigt und ein bisschen verwirrt, ließ die beiden aber ins Haus. Und hier wurde ihr die schlimme Nachricht überbracht: Ihr Mann war am Vormittag von einem der höchsten Gebäude in der Stadtmitte gesprungen und ums Leben gekommen. Anna und ihre beiden Kinder saßen geschockt und fassungslos da.
Annas Atem setzte für einen Moment aus, dann schnappte sie nach Luft und begann unkontrolliert zu zittern. Die Zeit schien stillzustehen. Ihre Kinder waren vor Schreck wie gelähmt; Anna versuchte, ihnen zuliebe ihr Leiden und ihren Stress zu verbergen. Plötzlich verspürte sie im Kopf einen intensiven Schmerz, gleichzeitig hatte sie dumpfes Bauchweh, ihr Nacken war steif, ihre Schultern verspannt, während ihr hektische Gedanken durch den Kopf rasten. Die Stresshormone hatten sie fest im Griff. Anna befand sich im Überlebensmodus.